Da ist sie wieder,
die Euthanasiedebatte
"60.000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit - Volksgenosse, das ist auch Dein Geld!"
Mit diesem Text warb das Rassenpolitische Amt der NSDAP Ende der dreißiger Jahre dafür, die Betreuung und Behandlung bestimmter Patientengruppen einzustellen, um die gesunden Volksgenossen von den dafür aufzuwendenden Kosten zu befreien.
KonzepT4
„T4“ für die in der Berliner Tiergartenstraße 4 befindliche Organisation für die Durchführung der „Euthanasie“
Die künstlerische Arbeit thematisiert den Wert des Menschen.
Moderne Leistungsgesellschaften stellen den allgemeinen menschlichen Grundwert, nach welchem der Mensch seinen Wert als solcher besitzt, das heißt ohne alle Leistung, in Frage.
Menschsein wird relativiert am Maßstab der Leistungsfähigkeit des Einzelnen, mit dem Ziel, die Lebensrechte der Schwächeren einzuschränken und die Lebensrechte der Schwachen ganz und gar zu bestreiten. Das Recht auf Leben ist dabei von der Leistungsfähigkeit des Menschen abhängig. Nicht leistungsfähige Menschen werden als Un-Personen denunziert.
Diese ‚Lebensunwertideologie’ gehört seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, in Deutschland besonders seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, fest zum Bestand der Alltagskultur und auch des wissenschaftlichen Denkens. Das bürgerliche Menschenmodell ist dieses Menschenbild eine Spiegelung bürgerlicher Existenz und zwar besonders in ihrer Ausprägung als Mann und freier Unternehmer. Ein Menschenbild, in dessen Zentrum die Kategorie Leistung steht. Leistung, gleichgesetzt mit Rationalität, Selbstbewusstsein, zukunftsorientierter Planungstätigkeit eines autonomen, selbstbestimmten Lebens, als Kriterium, das über das Mehr oder Weniger des Werts des Einzelnen entscheidet.
Die Konsequenz: Sofern es opportun oder notwendig erscheint, d.h., wenn ökonomische Interessen Einzelner oder die der Gemeinschaft, tatsächlich oder vermeintlich, der Erhaltung solchen Lebens entgegenstehen, ist es zur Vernichtung freigegeben. Wer sich nicht rechnet, wird ausgelöscht.
Ideologische Grundlage des (Neo-) Nationalismus ist die Anfechtung des allgemeinen menschlichen Grundwertes. Die Grundwerte des NS sind weder neu noch auf eine bestimmte historische Zeit beschränkt. Sie sind die der Leistungsgesellschaft, nur eben radikal und total.
Der Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit ist eine Selbstinszenierung. Sie zeigt einen Menschen mit Behinderung, im Rollstuhl sitzend/"stehend", in der ’Uniform’ eines ‚Neonazis’. Er ist markiert mit einer Armbinde und einem Stern, versehen mit einem Rollstuhlfahrerpiktogramm in Anlehnung an Hakenkreuzarmbinde und Judenstern. Die Arbeit hat das Ziel dem Betrachter grundsätzlich zu erscheinen. Sie zeigt im allgemein verständlichen Sinne eine Unperson. Die Bilder arbeiten mit der Ambivalenz des vermeintlich Offensichtlichen, des sich scheinbar sicher seins und mit Klischees. Mit der Arbeit versuche ich meine Befürchtungen und Ängste zum Verhalten der Gesellschaft gegenüber dem nicht ‚leistungsfähigen Menschen’ sichtbar zu machen.
Ausstellung ‘Laut Stehen’ am 17. u. 18.mai 2006 tägl. von 11.00Uhr - 17.00Uhr/Akademie für bildende Künste Raum 119/Am Taubertsberg 6/55122 Mainz/Info:
ballastexistenz@aol.com