Arzneimittelsicherheit ADE

Begonnen von scalpell, 06:29:08 Do. 10.Mai 2007

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scalpell

Arzneimittelsicherheit ade
Die Zulassung von Medikamenten und Medizinprodukten soll neu organisiert werden. Die neue Arzneimittelbehörde wird eine Dienstleistungsagentur für die Pharmabranche. Der Verbraucherschutz bleibt dabei auf der Strecke, befürchten Kritiker
VON KLAUS-PETER GÖRLITZER
Der erste Anlauf wurde abrupt gestoppt: Mit dem Untergang der rot-grünen Koalition im Sommer 2005 scheiterte auch ihr Entwurf eines "Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur" (DAMA). Urheberin Ulla Schmidt (SPD) blieb in der großen Koalition an Bord - und nun will die beharrliche Bundesgesundheitsministerin ein weitgehend unverändertes DAMA-Konzept bis zum Sommer durchs Parlament bringen.

Erklärtes Ziel ist es, das in Bonn ansässige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in eine Agentur zu verwandeln. Leisten soll sie, was die rund 1.000 MitarbeiterInnen des BfArM bislang schon tun müssen: Medikamente und Medizinprodukte zulassen und registrieren, die Sicherheit der Präparate kontrollieren, Anträge auf klinische Arzneimittelstudien genehmigen.
Die DAMA werde "weitgehend eigenverantwortlich und nach ökonomischen Grundsätzen geführt", verheißt die Begründung zum Gesetzentwurf. Angestrebt werde, die "Beratungsleistungen für die pharmazeutischen Unternehmen" erheblich auszubauen. Solcher Service soll laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) bewirken, dass die Bearbeitungszeit zur Zulassung einer neuen Arznei von derzeit durchschnittlich 17 Monaten auf sieben Monate verkürzt wird. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) begrüßt die Strukturreform als "dringend notwendigen Schritt", der die "Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Zulassungsstelle auf EU-Ebene" verbessern werde.

Dass Konkurrenz und Beschleunigung auch den PatientInnen dienen, bezweifeln diverse Fachleute. Zum Beispiel Professor Wolf-Dieter Ludwig. "Das bedeutet, dass wir zum Zeitpunkt der Zulassung immer weniger über die Risiken eines Arzneimittels wissen", gab der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im ZDF-Magazin "Frontal 21" zu bedenken. Vor einer drohenden "Verschlechterung der Patientensicherheit" hatte die AkdÄ bereits im Frühjahr 2005 gewarnt, das DAMA-Gesetz schaffe "falsche Anreize für die Qualität des Zulassungsprozesses". Noch deutlicher formuliert es Jörg Schaaber von der BUKO-Pharma-Kampagne, die Aktivitäten der Pillenbranche sorgsam beobachtet: "Je mehr und je schneller zugelassen wird, desto höher die Prämie - Verbraucherschutz ade."

Die harsche Kritik zielt auf sogenannte Zielvereinbarungen, die das BMG alljährlich mit dem zweiköpfigen DAMA-Vorstand vereinbaren soll. Die Vergütung der beiden Manager enthält auch einen "leistungsbezogenen Bestandteil", der an der "Erfüllung der Zielvereinbarungen" bemessen werden soll. Die Vermutung, das BMG werde die Zahl eingeworbener Zulassungsanträge als wichtigen Leistungsnachweis werten, liegt nahe. Denn die Reform bezweckt auch, den Bundeshaushalt "mittel- und langfristig" zu entlasten. Ab 2012 muss sich die DAMA im Bereich der Arzneimittelzulassung und -registrierung vollständig aus den Gebühren der antragstellenden Pharmahersteller finanzieren; für Arzneien, die sich nach der Markteinführung als besonders umsatzstark erweisen, darf zudem ein Zuschlag erhoben werden.

Vor derartigen Anreizen warnen auch InteressenvertreterInnen derjenigen, die sie bald realisieren sollen. Vertrauensleute der im BfArM aktiven Gewerkschaft Ver.di schrieben jedenfalls einen Brandbrief an Ministerin Schmidt und den Gesundheitsausschuss: "Die 100%ige Gebührenfinanzierung der Arzneimittelzulassung stellt die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Beurteilung in Frage. Dadurch kommt es unmittelbar zu einer Gefährdung der Patientensicherheit." Behörden, die sich auf diese Weise finanzierten, stünden zunehmend in der Kritik - beispielsweise die britische Zulassungsagentur MHRA.
Bei der Überwachung bereits eingesetzter Medikamente, im Fachjargon "Pharmakovigilanz" genannt, liegt auch hierzulande einiges im Argen. Wie wichtig Kontrollen sind, verdeutlichte der AkdÄ-Vorsitzende Ludwig im ZDF: "Es gibt viele neue Arzneimittel, sogenannte zielgerichtete Arzneimittel, die in normale Vorgänge in Körperzellen eingreifen, und wir wissen nicht, welche Nebenwirkungen auftreten können." Entdeckt würden diese oft erst, nachdem tausende PatientInnen ein neues Präparat eingenommen haben; klinische Studien, die vor der Zulassung verpflichtend sind, könnten in der Regel nur häufige Risiken aufdecken.
Viele Komplikationen bleiben im Alltag unbemerkt. Die Meldequote liege "vermutlich nur bei fünf bis zehn Prozent", stellte die AkdÄ bereits 2005 fest, und fast jeder fünfte Arzt kenne nicht einmal die entsprechenden Vorgaben. Laut Hochrechnungen verschiedener Studien sterben in Deutschland pro Jahr mindestens 16.000 Menschen an den Folgen unerwünschter Arzneimittelwirkungen.

Nun soll eine Bundesstelle für Pharmakovigilanz in die DAMA integriert werden. Bundesgesundheitsministerin Schmidt erklärt, so werde der "Schutz der Bürgerinnen und Bürger weiter gestärkt". Die Überwachungsarbeit soll dauerhaft aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert werden. Doch der Gesetzentwurf lässt offen, wie hoch und nach welchen Kriterien der Zuschuss veranschlagt wird.
Zulassung und Pharmakovigilanz sollen zwar unter einem DAMA-Dach stattfinden, aber inhaltlich und personell getrennt sein. Trotz der formalen Abgrenzung sind Experten wie Professor Peter Schönhöfer skeptisch. In einer Stellungnahme, verfasst für die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, fordert der Bremer Pharmakologe, die Arzneimittelüberwachung aus der DAMA auszugliedern. Für Kontrollaufgaben müsse eine eigenständige, staatlich finanzierte Aufsichtsbehörde etabliert werden.
Schönhöfer lehnt es grundsätzlich ab, das BfArM in eine Dienstleistungsagentur zu verwandeln. Stattdessen plädiert er dafür, die Behörde in puncto Pharmakovigilanz und Sicherheitsforschung zu "profilieren". Dies verbessere nicht nur die Gesundheitsversorgung. Es sei auch "zukunftsträchtiger", als mit anderen nationalen Institutionen in Europa um Zulassungsaufträge zu konkurrieren. Zumal der Markt durchaus eng erscheint: Weltweit würden jedes Jahr "nur noch etwa 30 neue Wirkstoffe eingeführt", bilanziert Schönhöfer. "Die nationale Zulassungstätigkeit", so seine Prognose, "verliert mittel- und langfristig an Bedeutung."
taz vom 23.3.2007, S. 18, 220 Z. (TAZ-Bericht), KLAUS-PETER GÖRLITZER
Quelle:
http://www.taz.de/pt/2007/03/23/a0198.1/text

Noch eine Hiobsbotschaft dazu


Außer Kontrolle?
Wie riskant ist die neue Arzneiüberwachung? hr, Dienstag, 8. Mai 2007
Detlef Hutflies würde gerne wieder arbeiten gehen, doch das kann er schon seit Jahren nicht mehr. Diagnose: Schlaganfall. Die Ursache ist vermutlich das Medikament Vioxx, das er jahrelang genommen hatte, bis es plötzlich vom Markt verschwand.

Viele Patienten bekamen durch Vioxx Schlaganfälle, doch Detlef Hutflies wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dieser Nebenwirkung. Er nahm Vioxx wegen seiner Rheumabeschwerden. Kein Mensch konnte sich seinen Schlaganfall erklären.

Die Vioxx-Tabletten nahm er weiter, bis er im Fernsehen die Meldung sah: Vioxx vom Markt genommen. Ein Anruf bei dem Tablettenhersteller brachte Gewissheit: ,,Da hat man mir gesagt, ich sollte sofort mit den Tabletten aufhören." Überwachung und Zulassung Wie so oft wurden die schweren Folgen erst entdeckt, nachdem bereits tausende Patienten die Pillen geschluckt hatten. Deutsche Ärzte haben etwa 45.000 Arzneimittel zur Auswahl, viele davon sind gefährlich.

Der Pharmakologe Peter Schönhöfer hat so manches Pillen-Desaster vorausgesagt, oft lange, bevor die Mittel vom Markt kamen: ,,In Deutschland erkranken ungefähr 250.000 Patienten bedrohlich pro Jahr durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Davon 70.000 in Form einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung und 16.000 sterben." Pharmaindustrie will ,,eigene" Agentur etablieren Zuständig für Zulassung und Überwachung ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das BfArM. Doch das soll jetzt gründlich umgekrempelt werden. Hier lagern 25 Kilometer Akten zu 300.000 Arzneimitteln. Die Behörde soll zu einer wettbewerbsfähigen Agentur ausgebaut werden, finanziert durch die Pharmaindustrie – der Staatszuschuss wird reduziert. Aus dem Bundesinstitut BfArM wird die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur, kurz DAMA, so will es die Regierung.

Die Idee zu dem Umbau kommt direkt aus der Pharmaindustrie. Je schneller ein Arzneimittel auf dem Markt ist, desto höher ist der Gewinn. Damit die neue Agentur in diesem Sinne funktioniert, soll sie sich bei den Zulassungen bald nur noch aus Gebühren der Pharmaindustrie finanzieren. Kritiker warnen vor Interessenkonflikten. Sorgen um die Sicherheit Die Ärzte fürchten um die Sicherheit der Arzneimittel und zweifeln an der Unabhängigkeit der Organisation. Der Pharmakologe Prof. Peter Schönhofer verdeutlicht: ,,Die Arzneimittelsicherheit kann nur umgesetzt werden gegen das Marketinginteresse der Pharmaindustrie. Arzneimittelsicherheit geht immer zu Lasten des Umsatzes von Arzneimitteln."

Aus der laufenden Überwachung der Pillen will sich der Staat noch weiter zurückziehen. Die Gelder werden drastisch gekürzt. Das kann gefährlich werden für Patienten, wenn sie auf neue Medikamente wie in der Krebstherapie angewiesen sind, verdeutlicht Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Mitglied der der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft: ,,Wir wissen aus Untersuchungen in den USA, dass etwa bei 50% der zugelassenen Arzneimittel schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Zulassung erst erkannt werden."
Doch selbst bei dieser ureigenen Staatsaufgabe nimmt die Regierung in Kauf, dass Finanzlücken demnächst mit Pharmageldern gestopft werden müssen.
Prof. Wolf-Dieter Ludwig erklärt: ,,Wir müssen unbedingt verhindern, dass für die Überwachung der Arzneimittelsicherheit Gelder der pharmazeutischen Industrie verwendet werden. Ich glaube, dieser Bereich ist ein so sensibler Bereich, und er muss unbedingt ohne die Unterstützung der pharmazeutischen Industrie finanziert werden." Regierung zeigt sich Uneinsichtig Das DAMA-Errichtungsgesetz hat im Parlament schon die erste Lesung hinter sich, die Kritik bei der Anhörung war nahezu einhellig. Dr. Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale erklärt: ,,Aus Verbrauchersicht besteht die Gefahr, dass das hohe Gut der Arzneimittelsicherheit den Interessen der Industrie geopfert wird." Sein Kollege Dr. Hans-Jürgen Kammler bestätigt diesen Verdacht: ,,Aus Sicht der in verdi organisierten Mitarbeiter des BfArM wird mit dem Gesetzentwurf die Arzneimittelsicherheit nicht höher sondern eher geringer."

Ob die geballte Kritik etwas nutzt? Im Bundesgesundheitsministerium heißt die Devise offenbar: Augen zu und durch.

Der Staatssekretär des Bundesgesundheitsministerium Dr. Klaus Theo Schröder reagiert versöhnlich: ,,Die Kritiker werden sehen, wenn die DAMA die Arbeit aufgenommen hat, und wir laden sie alle ein, in zwei, drei Jahren. Die Praxis ist das beste Gegenargument gegen das, was heute von einigen vermutet wird."

Bei der amerikanischen Pille, nach deren Einnahme Detlef Hutflies krank wurde, hat die US-Überwachung versagt. Daraus sollte man in Deutschland eigentlich gelernt haben.

Autor: Herbert Stelz
http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,9eqtz9cuv4mp952w~cm.asp


Und was heißt das nun für den Verbraucher? Dieses ganze Szenario soll von der Pharmaindustrie gesponsert werden so steht es hier im Text und die Urheberin ist unsere ,,Gesundheitsministerin" Ulla Schmidt. Und da labern die immer von Präventivmaßnahmen und überlassen der Forschenden Pharmaindustrie die Entscheidung wann ein Medikament auf den Markt kommen darf. Natürlich möglichst schnell denn es geht ja schließlich um deren Gewinne da scheint die Sicherheit der Patienten nicht mehr gefragt zu sein.  Es ist ein Skandal dass man nicht mal mehr auf Spezialisten wie Prof. Schönhöfer hört. Ich weiß auf alle Fälle was ich für mich tun werde.

Scalpell Frau Gesundheistministerin Schmidt
Die Plutokraten haben das Ruder in die Hand genommen
Die "Politiker" sind ihre Stimme

Eivisskat

Quelle:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,482072,00.html

Ich bin sicher, daß es hier in D. nicht viel anders ist...
MfG

scalpell

PERVERS:   Aufsichtsbehörde in den Händen von Lobbyisten

Stellungnahme zum DAMA-Errichtungsgesetz für Transparency International Deutschland e.V.

Problemstellung:
Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts erklärte die global tätige Pharmaindustrie die Umwandlung nationaler Zulassungsbehörden in finanziell abhängige Dienstleistungsagenturen zu einem Hauptziel ihrer Politik, um Zulassungshürden abzuschmelzen und zu neutralisieren. In den Ländern, in denen dieses Ziel bereits erreicht wurde, werden die Folgen für den Schutz der Patienten deutlich und zunehmend kritisiert:

In den USA führen vorschnelle Zulassungen durch die FDA zunehmend zu schweren Schäden bei Patienten und machen vermehrt Marktrücknahmen neuer Produkte wegen Todesfällen erforderlich. Der Herausgeber der weltweit führenden Medizinzeitschrift The Lancet bezeichnete deshalb Vertreter der FDA als ,,Handlager der pharmazeutischen Industrie", während eine renommierte ehemalige Redakteurin des New England Journal of Medicine vom US-Kongress die Herauslösung der Pharmakovigilanz aus der Abhängigkeit von der Zulassungsagentur fordert. In England gerät die MHRA wegen unzureichender Sicherheitsmassnahmen im Falle der Firma TeGenero, im Falle von LIPOBAY oder wegen der missachteten Auslösung von Suiziden durch Antidepressiva zunehmend unter Druck, einschließlich Forderungen nach Rücktritt des verantwortlichen Leiters Sir Alasdair Breckenridge.

In der EU wird die EMEA http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Arzneimittelagentur wegen Zuordnung zur DG Wirtschaft und pharmafreundlichen Zulassungen  auf Kosten der Sicherheit der Patienten europaweit kritisiert, zuletzt etwa auch wegen unzureichender Informationen und fehlende Beteiligung von Ärzten und Patienten an der Richtlinie zur Pharmakovigilanz durch das Comité Permanent des Médecins Européens. Die Arbeitsgruppe Gesundheit von Transparency International Deutschland e.V. (TI-D) sah sich ebenfalls bereits zuvor veranlasst, intransparente Absprachen zwischen Pharmaindustrie und Bundesregierung (,,Bordeaux-Runden") mit Vorteilsgewährung für die Hersteller zu kritisieren, etwa den von der Regierung ermöglichten Freikauf von gesetzlichen Massnahmen zur Preissenkung zu Lasten der GKV-Versicherten ermöglichten (Ablasshandel).

Sachverhalte:
Das Konzept des DAMA-Gesetzes entstand durch intransparente Einflussnahmen der Pharmaindustrie und beinhaltet eine Vorteilsgewährung an diese durch Umwandlung der Aufsichtbehörde BfArM in eine privatwirtschaftlich organisierte, finanziell abhängige Dienstleistungsagentur, deren Vorstand im Gesetz zur schnellen Zulassung verpflichtet wird, mit dem Risiko der flüchtigen, unzureichenden Prüfung der Produktunterlagen zu Lasten der Sicherheit der Patienten. TI-D hat schon wiederholt auf die Risiken der Öffnung von Toren für Korruption infolge Privatisierung von Aufsichtsbehörden unter Lobby-Einfluss hingewiesen (Dr. Anke MARTINY: Privatisierung von Kontrollbehörden; in Thomas LEIF/Rudolf SPETH (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006, S.231-5).  

Die Umwandlung der Aufsichtsbehörde BfArM in die Dienstleistungsagentur DAMA wirft verfassungsrechtliche Probleme vergleichbar der politisch umstrittenen Privatisierung der staatlichen Flugaufsicht auf, da dadurch die grundrechtlich garantierte staatliche Gefahrenvorsorge für Leib und Leben infrage gestellt wird. Der ehemalige CSU-Abgeordnete und Vorsitzende des 3. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages ,,HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte", Dr. Gerhard SCHEU, hat in seinem Buch In Dubio Pro Securitate – Contergan, Hepatitis-/AIDS-Blutprodukte, Spongioformer Humaner Wahn und kein Ende? (Nomos-Verlag: Baden-Baden, 2003) dargelegt, dass die im Recht der Produkt- und Arzneimittelsicherheit garantierte staatliche Gefahrenvorsorge für Patienten Verfassungsrang hat und diesen auch unter den Aspekten der Europäisierung und Globalisierung behalten muss. Deshalb erscheint die Zuordnung der für die Patientensicherheit zuständigen Pharmakovigilanz zu einer primär wirtschaftorientierten Dienstleistungsagentur unvertretbar.  Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit von Patienten (Anwendungsbeschränkungen, Marktrücknahmen, Warnhinweise u.a.), die den Marketinginteressen der Hersteller entgegen gerichtet sind, werden auch dadurch strukturell behindert oder blockiert, dass der Vorstand der Agentur gemäß Gesetzesvorlage finanzielle Vorteile (Prämien) erhält, wenn er Entscheidungen trifft, die den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller entgegen kommen.

Die Umgehung des Gebots zur Ausschreibung der Leitungsfunktion lässt nicht nur den Verdacht der Intransparenz und des Nepotismus aufkommen, sondern gibt auch zu Bedenken hinsichtlich der wissenschaftlichen Qualität Anlass. Diese qualitativen Bedenken gegen den in Aussicht genommenen Vorstand werden gestützt durch dessen distanzlose Propagierung der Anwendung von Oseltamivir (TAMIFLU) bei einer möglichen Vogelgrippe-Pandemie. Inzwischen ist es längst Stand der Kenntnis (Deutsches Ärzteblatt 2006; 103: A3486-92), dass keine klinischen Daten zum Beleg der prophylaktischen Wirksamkeit bei humanen H5N1- Infektionen vorliegen und dass das Mittel weder bedrohliche Verläufe noch Sterblichkeit bei H5N1- oder anderen Influenzainfektionen beeinflussen kann. Die deutschen Steuerzahler hat die fragwürdige Bevorratung mit TAMIFLU, die von vielen Medizinern, etwa auch der herstellerunabhängigen International Society of Drug Bulletins als unsinnig gewertet wird, bisher annähernd 100 Mio. Euro gekostet.

Lösungsvorschläge: die leider auf taube Ohren stießen!
 1. Die Umwandlung des BfArM in die Dienstleistungsagentur wird wegen der erhöhten Gefährdung der Sicherheit der Patienten nicht vollzogen, insbesondere nicht die sachlich und fachlich nicht gebotene Benennung des in Aussicht genommenen Vorstandes der Agentur, der in intransparenter Weise die Interessen pharmazeutischer Anbieter vertritt. Alternativ wird der Bereich Pharmakovigilanz aus der dienstleistungsbezogenen DAMA ausgegliedert und zur Gewährleistung der staatlichen Gefahrenvorsorge als hinsichtlich Leitung und Etat unabhängige Aufsichtsbehörde etabliert. Eine strukturelle, materielle oder personelle Einflussnahme der DAMA auf Entscheidungen der Pharmakovigilanz wird unterbunden. 2. Da es in Deutschland fast keine innovativ forschende pharmazeutische Industrie mehr gibt und weltweit nur noch jährlich etwa 30 neue Wirkstoffe eingeführt werden, verliert mittel- und langfristig die nationale Zulassungstätigkeit an Bedeutung. Es erscheint deshalb zukunftsträchtiger, anstelle durch Konkurrenz zu anderen europäischen Behörden das BfArM auf dem Feld der Pharmakovigilanz und Sicherheitsforschung zu profilieren, das von der Pharmaindustrie vernachlässigt wird, das aber wissenschaftlich vielversprechend erscheint und mit Sicherheit zur qualitativen Verbesserung der Gesundheitsversorgung beiträgt. Berlin, den 14.03.2007 Prof. Dr. med. Peter S. Schönhöfer Mitherausgeber des arzneitelegramm (ISDB)
Quelle:

http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/intern/AG_Gesundheit/DAMA_Stellungnahme_Anhoerung_07-03-20.pdf

Link zum Thema
http://www.impfkritik.de/pressespiegel/2007033009.htm
http://www.impfkritik.de/pressespiegel/2007020502.htm

Hier der neue Gesetzesentwurf (DAMA Errichtungsgesetz)

http://www.bmg.bund.de/cln_040/nn_600110/SharedDocs/Gesetzestexte/Entwuerfe/4-Entwurf-eines-Gesetzes-zur-Er-,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/4-Entwurf-eines-Gesetzes-zur-Er-.pdf
Lest mal die Begründung auf Seite 32-37 durch

Zitat aus der Begründung
Die auf Initiative der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung im Mai 2003 eingesetzte ,,Task Force zur Verbesserung der Standortbedingungen und der Innovationsmöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie in Deutschland" hat [...] auf erhebliche Defizite im Arzneimittelzulassungssystem in Deutschland [...] hingewiesen und eine grundlegende und umfassende Reorganisation des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte für notwendig erachtet.

Das muss man sich mal im Munde zergehen lassen: ,,Task Force zur Verbesserung der Standortbedingungen und der Innovationsmöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie in Deutschland". Werden hier auch nur mit einem Wort die Patienten erwähnt? Um wessen Interessen geht es hierbei? Es wird doch sofort klar, wo der Hund begraben liegt oder etwa nicht? Die Pharmaindustrie soll es in Deutschland leichter haben - einzig und allein darum geht es hierbei.  Der Gesetzentwurf stammt eben nicht von der "Task Force zur Verbesserung der Sicherheit und Kosteneffektivität des deutschen Gesundheitssystems" denn die gibt's komischerweise nicht und insofern ist das Ergebnis nicht überraschend.

Weiter unten steht dann folgendes:
Zitat aus der Begründung
Die Deutsche Arzneimittelzulassung steht verstärkt im internationalen Wettbewerb mit den Zulassungsstellen der anderen EU-Staaten. Um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, muss die Arzneimittelzulassung in Deutschland entsprechend positioniert werden.

Als ich den Satz gelesen hatte, blieb mir echt die Spucke weg. Spätestens hier müsste  doch alles klar sein  oder? Es geht gar nicht um Medikamentensicherheit! Es geht um den Wettbewerb mit anderen Zulassungsbehörden! Deutschland muss besser werden als die Zulassungskonkurrenz. Wir müssen mehr Medikamente schneller zulassen als die Konkurrenz - das ist eine klare Aussage. Ich bin echt platt.

Beleuchten wir die Sache mal etwas genauer

Auszug aus dem Gesetzentwurf
§ 1 Errichtung, Rechtsform, Sitz
(1) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung wird eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung ,,Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur" (DAMA) errichtet. Die Deutsche Arznei-mittel- und Medizinprodukteagentur erfüllt die Aufgaben, die ihr durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zugewiesen oder sonst übertragen werden.

§5 Aufsicht
Die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
 
§ 7 Vorstand
(4) Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung schließt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen mit jedem Mitglied des Vorstandes jeweils auf fünf Jahre befristete Anstellungsverträge. Die Vergütung der Mitglieder des Vorstandes soll neben einem Festbetrag einen leistungsbezogenen Bestandteil enthalten, der an der Erfüllung der Zielvereinbarungen nach § 4 bemessen wird.

§ 12
Finanzierung
(1) Die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur finanziert die mit der Wahrnehmung der Aufgaben nach § 2 Abs. 1 verbundenen Ausgaben vollständig aus Gebühren und Entgelten.
(2) Für eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2009 erhält die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur jährlich einen Bundeszuschuss zur Deckung des Fehlbedarfs für die Aufgaben nach § 2 von bis zu 25 Prozent der Gesamtausgaben. In den Jahren 2006 und 2007 beläuft sich der Bundeszuschuss nach Satz 1 jedoch höchstens auf 23,5 Prozent, im Jahr 2008 auf 20,1 Prozent und im Jahr 2009 auf 18,5 Prozent der für das Haushaltsjahr 2005 im Bundeshaushalt veranschlagten Gesamtausgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
(3) Ab dem Jahr 2010 erhält die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur jährlich einen Bundeszuschuss zur Deckung des Fehlbedarfs für die Aufgaben nach § 2 Abs. 2 bis 4 von bis zu 20 Prozent der Gesamtausgaben, höchstens jedoch in Höhe von 16,7 Prozent der für das Haushaltsjahr 2005 im Bundeshaushalt veranschlagten Gesamtausgaben des Bundes-instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
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(4) Der Bund kann zinslose Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten gewähren. Das Nähere über die Rückzahlung wird im Bundeshaushalt geregelt.

Das klingt doch alles recht unaufregend. Die DAMA ist weiterhin eine Behörde (sogar mit Beamten), welche nun gegen Gebühren von den Herstellern anstatt aus Steuergeldern Medikamente zulässt. Sie ist nun keine Bundesoberbehörde mehr, sondern eine Behörde des Bundes (was immer das auch für einen Unterschied machen mag). Ein Großteil des Gesetzestextes befasst sich übrigens nur damit in welchen anderen Gesetzen die alten Bezeichnungen mit den neuen ersetzt werden müssen. Hauptsächlich ändert sich also erstmal der Name. Ob die Strukturänderungen wirklich so toll und wichtig sind vermag ich nicht zu sagen.

scalpell
Die Plutokraten haben das Ruder in die Hand genommen
Die "Politiker" sind ihre Stimme

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