[HDW] gute alte Zeiten

Begonnen von Karl, 02:14:00 Fr. 07.März 2003

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Karl

Ich will nichts von guten alten Zeiten erzählen. Es gab jede Menge Unfälle auf der Werft (auch tödliche), um Asbeststaub hat man sich auch keine Gedanken gemacht...

Aber Arbeitsbedingungen setzen sich nicht nur aus Lohn und Arbeitszeit zusammen.

Man mag es heutztage kaum glauben, aber der Laster der Holstenbrauerei kam regelmäßig auf die Werft um etwas gegen den Durst der Werftarbeiter zu tun. Irgendwann wurde das eingestellt und wie bei der Prohibiton fanden sich andere Wege das kühle Naß aufs Gelände zu schaffen und in der Materialausgabe bekam man nun unter der Hand Magenbitter und Dosenbier von Aldi. Irgendwann staunte man auch nicht schlecht, in den Versogungskanälen (den Schächten am Rande der Docks) fand man einen versteckten Partyraum mit Sperrmüllsofas und einem Container voller Leergut...  Nach Jahren reger Zusatzgeschäfte wurde mit einer Razzia des Werkschutzes der Schwarzverkauf gestoppt. Wer heute seinenSchluck braucht muß schon sehr aufpassen um den Job nicht verlieren und in der Thermoskanne einen steifen Mix haben oder den Korn in Mineralwasserflaschen füllen.

Aber die gewisse Atmosphäre ist nicht nur hin, weil die Parties fehlen. Der Druck ist heutzutage ein ganz anderer. Beim Kabelziehen z.B. stand fast jeden Meter einer, in einer Hand ein Bier, in der anderen ließ man das Kabel durch die Hand rutschen. Heute sieht man den nächsten Kollegen am Kabelkanal kaum. Da muß man schon mit beiden Händen reißen, damit sich überhaupt was bewegt...

Und die Arbeitszeitverkürzungen verpuppten sich als Verarsche. Die Frühstückspause, die jeder machte, obwohl sie tariflich nicht existierte wurde dann "offiziell" zur Frühstückspause. Zuvor war es ein ungeschriebens Gesetz beim Frühstück keine Zeitung zu lesen, so konnte man sagen, man hat sich nur ne Stulle wärend der Arbeit gegriffen. Nach der "Arbeitszeitverkürzung" lasen dann alle BILD zu Früstück, das war der einzige Unterschied. Wir danken unserem Betriebsrat. Mit den Azubis wurde ähnlich umgesprungen, um die nächste Arbeitzeitverküzung durchzusetzen, kam der Betriebsrat der Werft entgegen und ließ die Azubis von nun an das Berichtsheft zuhause schreiben, was zuvor wärend der Arbeitszeit gemacht wurde.

Auch wenn inwischen die Wochenarbeitszeit tatsächlich gesunken ist wird in kürzerer Zeit mehr gearbeitet. Und wenn Termindruck herrscht, werden nicht nur jede Menge Fremdwerker geholt, sondern es gibt die Verpflichtung zu Überstunden für die es dann keinen Überstundenzuschlag gibt. Den gibt es dann erst, wenn mann innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Menge Überstunden auf dem Stundenkonto hat. So kriegt man einen "freiwillig" dazu jnoch mehr Stunden zu reißen.

Und es ist ja nicht allein auf der Werft so, daß "Privatpfusch" am Arbeitsplatz, und Zeit für den Plausch mit Kollegen über Gott und die Welt verschwunden sind. Das sollte man auch bedenken, wenn man über Lohn und Arbeitzeit verhandelt.

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