Iranische Internet-Zensur: Powered by Nokia Siemens
Umfassende Überwachungstechnologie wurde 2008 installiert - Ausspionieren des gesamten Internetverkehrs
Die Installation von Internet-Überwachung und Filter-Technologien wird gerne damit gerechtfertigt, dass sie ja "nur" zum Schutz vor kriminellen Auswüchsen der Gesellschaft gedacht sei, die breite Masse entsprechend nichts zu befürchten habe. Eine Argumentation, die einen nicht zu unterschätzenden Haken hat: Die Definition der Frage, was "kriminell" ist, obliegt den jeweiligen MachthaberInnen, einmal installiert gibt sie auch autoritären Regimen massive Möglichkeiten zur Unterdrückung der demokratischen Opposition an die Hand.
Blockade
Eine Situation, wie sie sich aktuell anhand der Situation im Iran verdeutlicht, mit massivem Aufwand wird dort der Internetverkehr gefiltert, um die Koordination der Proteste und die Berichterstattung darüber zu verhindern. Und auch wenn dies noch nicht vollständig gelingt, so wird doch die Benutzung des Internets im Iran zumindest erheblich erschwert.
Support
All dies mit massiver Unterstützung westlicher Konzern: So berichtet das Wall Street Journal, dass zumindest ein Teil der Überwachungstechnologie vom Nokia Siemens Networks geliefert wurde. Das Joint Venture der beiden Telekommunikationskonzerne hat erst in der zweiten Hälfte 2008 die entsprechende Technologie an den Iran geliefert und installiert, wie ein Sprecher des Unternehmens bestätigt.
Argumenation
"Das Monitoring Center war Teil eines größeren Vertrags mit dem Iran, in dem es vor allem um Mobilfunktechnologie ging", so Ben Roome, Sprecher von Nokia Siemens. Der Problematik sei man sich zwar durchaus bewusst, aber wenn man Netzwerke verkaufe, bedeute dies automatisch auch, dass sich diese überwachen lassen, rechtfertigt sich Roome. Außerdem gebe es das international anerkannte Konzept der "rechtmäßigen Eingriffe", die etwa gegen Kinderpornographie, Terrorismus und Drogenhandel helfen sollen.
Inspektion
Die Methoden, die man den iranischen MachthaberInnen dabei an die Hand gegeben hat, scheinen jedenfalls weit jenseits von dem zu sein, was ExpertInnen bisher angenommen haben. So beschränken sich die Möglichkeiten keineswegs nur auf die Blockade unerwünschter Webseiten oder die Einschränkung von einzelnen Internetverbindungen. Statt dessen ist es mit der Monitoring-Software von Nokia Siemens auch möglich eine sogenannte "Deep Packet Inspection" durchzuführen.
Manipulation
Mit deren Hilfe kann zumindest theoretisch der gesamten - unverschlüsselten - Datenverkehr abgehört und nach Stichwörtern oder anderen interessanten Materialien wie Bilder und Videos durchsucht werden. Theoretisch ließe sich das Ganze sogar einzusetzen um von den BenutzerInnen unbemerkt den Datenstrom zu manipulieren und so gezielt Falschinformationen zu verbreiten.
Filter
Eine Situation auf die sich der Iran schon vor Jahren vorbereitet hat, bereits seit 2001 hat man sämtliche Provider dazu gezwungen Filter-Software zu installieren. Zusätzlich wird der gesamte Internetverkehr des Landes über einen zentralen Punkt geleitet, die Infrastruktur der staatlichen Telecommunication Infrastructure Co. Dies erleichtert nicht nur die Blockade unerwünschter Seiten sondern ermöglicht natürlich auch eine umfassende Überwachung an dieser einen Stelle. "Reporter ohne Grenzen" geht davon aus, dass in den letzten Jahren rund 5 Millionen Webseiten von staatlicher Seite her blockiert wurden.
Verkauf
Das Geschäft mit den Überwachungsmaßnahmen hat Nokia Siemens übrigen mittlerweile aufgegeben, freilich nicht aus grundlegend netzpolitischen Bedenken, sondern weil man es nicht mehr als Teil des eigenen Kerngeschäfts betrachtet. Seit Ende März ist die entsprechende Software im Besitz der Münchner Investmentgesellschaft Perusa Partners. (Andreas Proschofsky [@suka_hiroaki auf Twitter], derStandard.at, 22.06.2009)