Rechtsstaat Deutschland?

Begonnen von Regenwurm, 11:37:04 Mi. 08.August 2007

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Regenwurm

Was ist das eigentlich, ein Rechtsstaat? Ein Staat, der auf den Grundlagen von Recht und Ordnung basiert? Dann muss man die Frage konkretisieren. Was sind Recht und Ordnung? Die Maßnahme, alle der Staatsführung genehmen und obliegenden Handlungsweisen in Form von Gesetzen mit den zugehörigen Ausführungsbestimmungen zu verfassen? Unter dieser Prämisse ist jeder Staat ein Rechtsstaat, gleichgültig ob Diktatur oder Demokratie.

Auch im 3. Reicht haben die Schergen Hitlers auf der Basis gültiger Gesetze gehandelt, haben Richter auf der Basis geltenden Rechts Urteile gefällt, vor allem Todesurteile, hat das Militär standrechtliche Erschießungen vorgenommen. Für alles gab es gültige Gesetze. Kein Wunder, dass vor allem bei Beamten und Richtern die Mehrzahl völlig unbehelligt den Übergang in die Demokratie der BRD nach 1949 einschließlich der Übernahme politischer Ämter geschafft haben. In der DDR war die Besatzungsmacht Russland da schon ein wenig pingeliger, schaffte es aber dafür nahtlos, eine Diktatur durch eine andere zu ersetzen.
Aber unabhängig von der Frage, ob es noch Gemeinsamkeiten zwischen Recht und Gerechtigkeit gibt, stellt sich die Frage, wie es seitens staatlicher Stellen, angefangen beim einfachen Behördenangestellten, über die Beamtenschaft bis hin zur Regierung mit der Befolgung der Gesetze steht. Ist ein Rechtsstaat auch dann noch ein Rechtsstaat, wenn seine Organe gegen geltendes Recht verstoßen?

    * Da wäre die Flick-Affäre zu nennen, in welcher Schmiergeldaffären und Leugnung dieser Vorkommnisse bis hin zum Meineid für die in Amt und Würden stehenden Politiker nahezu folgenlos geblieben sind. Wurde nicht der in die Affäre verwickelte Zimmermann später Innenminister?
    * Da wäre die Schmiergeldaffäre aus den 90er Jahren um Kohl und Schäuble im Zusammenhang mit dem Waffenhändler Schreiber. Sie führte zwar dazu, dass Kohl auf seine Ämter verzichtete und Schäuble als Innenminister zurücktrat, damit aber auch gekonnt die echte Aufklärung aller Vorwürfe verhinderten (Ehrenwort Kohls steht über dem Gesetz?). Die Affäre hat die jetzige Kanzlerin nach oben gespült, die gekonnt jede Skandalwelle wie ein Surfer nutzte, sich an den Strand der Macht spülen zu lassen. Schäuble wurde trotz seiner Vergangenheit wieder zum Innenminister berufen und spielt sich heute als Retter der Deutschen vor dem Terrorismus auf. Oder ist der Terrorismus nur ein Vorwand für die totale Überwachung aller Bürger?
    * Da ist die Affäre Kanther, der, weil er geständig war, ausnahmsweise mit einer Gefängnisstrafe, natürlich auf Bewährung, belegt wurde. Doch war Kanther wirklich ein Alleintäter, oder hat er den Job des Sündenbocks nur auf sich genommen, um von noch größeren Skandalen der CDU abzulenken?
    * Da waren die Herren Arentz und Meyer, die von Konzernen "angefüttert" wurden, indem Sie ohne Gegenleistung (??) Gehälter bezogen.
    * Da war der Innenminister Schily, der trotz eines anders lautenden Urteils des BVerfG den Verfassungsschutz beauftragte, Online-Durchsuchungen vorzunehmen, ein Vorgang, der anschießend in der Presse so dargestellt wurde, als sei die Anweisung "so nicht gemeint gewesen."
    * Da ist ein Wirtschaftsmanager, der unvermittelt als Parteiloser zum Wirtschaftsminister berufen wird, 4 Jahre schwerpunktmäßig Energiepolitik betreibt und dabei die Schwellen und Gleise für die Konzerne legt, zu denen er nach seiner Amtszeit zurückkehrt und eine leitende Funktion übernimmt, nicht, ohne seinen Staatssekretär anzuweisen, das zu Ende zu führen, was er begonnen hat, die Ministererlaubnis gegen den Beschluss des Kartellamtes zu der Übernahme der SteAG durch die RAG. Die Rede ist von Müller und Tacke. Auch Tacke wurde im Anschluss mit einem Vorstandsposten belohnt.
    * In Heiligendamm beim G8-Gipfel wurden Ordnungskräfte entlarvt, die in der Verkleidung von so genannten Autonomen als Provokateure die Eskalation einer friedlichen Demonstration herbeiführen wollten.
    * Da setzt der Bundestagspräsident die Veröffentlichung der nebentätigkeiten der Politiker völlig aus, weil gegen die neu erlassenen Bestimmungen, auch die Höhe der Einkünfte zu veröffentlichen, von besonders aktiven Abgeordneten eine Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde. Seit wann führt die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde dazu, geltendes Recht bis zur Klärung durch das BVerfG auf Eis zu legen?
    * Entgegen dem Völkerrecht wurden während des Irakkrieges deutsche Basen der USA für Starts und Landungen zur Unterstützung dieses illegalen Krieges genutzt.
    * Deutsche Politiker hatten Kenntnis von den Praktiken der CIA, Entführungsopfer in illegale Gefängnisse zu transportieren, teilweise von deutschem Boden aus.
    * Da kann ein "Superminister (Clement)" volksverhetzende Äußerungen über angeblichen Betrug der Bezieher von Transferleistungen von sich geben, obwohl zu diesem Zeitpunkt sein Ministerium bereits konkrete Daten vorliegen hatte. Die Staatsanwaltschaft hat alle Anzeigen gegen den Minister niedergeschlagen.
    * Da sind die zahlreichen Rechtsverstöße von den Hartz IV-Behörden, angefangen bei illegalen Hausdurchsuchungen, bei welchen sich die "Prüfer" mit der Drohung von Leistungskürzung (ich nenne das Erpressung) Einlass verschafften.
    * Da ist die Praxis der ARGEn, private Gesellschaften für die Betreuung Arbeitsloser zu gründen, die sich dann sogar über Gerichtsbeschlüsse hinwegsetzen.
    * Da lässt man Arbeitslose widerrechtlich Bescheinigungen unterschreiben, in welchen er unangemeldeten Durchsuchungen zustimmt, ohne dass diese Merkblätter mit einer Rechtbelehrung versehen wurden.

Dies ist eine kleine Auswahl "rechtsstaatlicher Praktiken", die in Deutschland inzwischen gang und gäbe sind. Es wird also nicht nur Unrecht zu Recht gemacht, indem man einfach ein entsprechendes Gesetz in Kraft setzt, nein, auch das bestehende Recht wird noch von staatlichen Institutionen in mannigfaltiger Weise missachtet. Ist also Recht nicht doch eine individuelle Angelegenheit, die Diejenigen, die die Macht haben, als "IHR" Recht beanspruchen, ohne der lästigen Frage nachzugehen, ob dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist?

Die Frage nach dem "demokratischen" Rechtsstaat stellt sich erst gar nicht. Mehr als 2 Drittel der Bevölkerung lehnt die Biotechnologie ab, vor allem den Anbau von biotechnisch veränderten Pflanzen. Trotz des Widerstandes gehen die entsprechenden Gesetze anstandslos durch den Bundestag und Bundesrat.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lehnt die Überwachungs- und Kontrolltechniken zur angeblichen Terrorismusbekämpfung ab, was die Politker nicht davon abhält, zumindest teilweise den Überwachungsmaßnahmen zuzustimmen. Die Taktik Schäubles geht auf. Sie ist gleich mit der Taktik von Gewerkschaftern bei Tarifverhandlungen: Viel fordern, um einen Teil davon zu realisieren.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung verlangt, deutsche Truppen aus dem Ausland abzuziehen (z. B. Afgahnistan). Die Politik will diese Auslandseinsätze erweitern.

Eine Mehrheit der Bevölkerung will zur Sicherung der Demokratie das Instrument der Volksabstimmung. Von der Politik wird das mit den fadenscheinigsten Begründungen abgelehnt.

Eine Mehrheit der Bevölkerung will eine Volksabstimmung über die Ratifizierung der EU-Verfassung, ein Wille, den die Politik völlig ignoriert.

Es gibt wesentlich mehr Beispiele, in denen die Politik eindeutig den Willen der Mehrheit des Volkes völlig ignoriert, wie beispielsweise die Frage der Privatisierung. Wer kann da noch behaupten, Deutschland sei ein demokratischer Rechtsstaat? Sie meinen, das GG? Papier ist geduldig. Was nutzt das GG, wenn sich niemand daran hält, nicht einmal die Richter, die sich damit befassen sollen?

Quelle:
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

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