Pressefreiheit ...

Begonnen von Danny, 08:02:08 Do. 09.August 2007

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Danny

Dachte angesichts der derzeitigen Ermittlungen gegen Journalisten wegen Geheimnisverrats stosse ich hier mal eine Diskussion über den Zustand unserer Pressefreiheit an.

Ein Hintegrundartikel findet sich zB hier:
http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~E35C6C959E88C41BFA40890FB5F40E89E~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

Für mein Verständnis vertragen sich die Ermittlungen so überhaupt nicht mit dem Ansatz der Pressefreiheit.

Wie sollen Journalisten unabhängig berichten können und investigativ auch mal Dinge blosslegen, die im Argen liegen, wenn ihnen dafür (vllt auch noch von Staatsorganen die von den Blosslegungen selbst betroffen sind) gleich Strafermittlungen an den Hals gejagt werden?

Oder bin ich da zu empfindlich und seh das alles zu eng?

Troll

ZitatOriginal von Danny
Wie sollen Journalisten unabhängig berichten können und investigativ auch mal Dinge blosslegen, die im Argen liegen, wenn ihnen dafür (vllt auch noch von Staatsorganen die von den Blosslegungen selbst betroffen sind) gleich Strafermittlungen an den Hals gejagt werden?

Sie berauben sich ihrer Pressefreiheit selbst in dem sie als Sprachrohr der Wirtschaft und Politik dienen, sie ernten nur das was sie gesät haben.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Theo Retisch

Kann mich den Ausführungen vom Troll nur anschließen. Wer in die Berge brüllt, darf sich eines Echos nicht verwundern. Hausgemacht eben.
Wir, der Schwanz der Welt, wissen nicht, was der Kopf vorhat, doch wer nichts ahnt, hat auch vom Nichts wenig Ahnung.

anti-hartz4

Ist wirklich so. Im Kapitalismus wird es niemals Pressefreiheit geben,denn die Polit und Kapitalschmarotzer geben den weg der Medien vor. Wer sich dagegen stellt,fliegt raus. Wie heißt es doch so schön in einem Lied von Reinhard May (Sei Wachsam) "Halt du sie dumm,ich halt sie arm"!!!
Widerstand dem Kapitalgesindel

Danny

Ich lese von Albert Camus gerade nebenbei die politschen Essays "Verteidigung der Freiheit". Da las ich diesen Satz heute, der prima passt, er zitiert hier Rosa Luxemburg "Ohne unbegrenzte Pressefreiheit ist keine Herrschaft der breiten Volksmassen denkbar", sprich Demokratie.

@anti-hartz4
Das Lied von Reinhard May kenne ich auch, klasse Text!

Aber so lange es noch investigativen Journalismus muss, solange hat die Bevölkerung noch die Entscheidungsmöglichkeit aufzustehen. Wie z.B. vorgemacht von Jürgen Roth. Was ist aus seiner Aufdeckung des Sachsen-Skandals geworden? Was hat die Bevölkerung daraus gemacht? Sie hat es hingenommen. Habt Ihr Euch das Buch "Anklage unerwünscht" schon mal durchgelesen? Da jagt ein Skandal den nächsten. Und nichts passiert.

BakuRock

ZitatOriginal von Danny
Ich lese von Albert Camus gerade nebenbei die politschen Essays "Verteidigung der Freiheit". Da las ich diesen Satz heute, der prima passt, er zitiert hier Rosa Luxemburg "Ohne unbegrenzte Pressefreiheit ist keine Herrschaft der breiten Volksmassen denkbar", sprich Demokratie.
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Oeffentliche Berichterstattung, oder besser, die Genehmigung zur oeffentlichen Berichterstattung wird auf den Presseausweisen vom Innenministerium legitimiert. Erst mit dieser "Legitimierung" hat ein Reporter in bestimmten Faellen ein Recht, bestimmte (entscheidende) Schauplaetze zu erreichen. Erst dann ist ein Reporter wirklich in der Lage vom "Ort des Geschehens" aus eigenem Erleben zu berichten.

Selbst wenn diese Huerde geschafft ist, ist der Bericht des Reporters noch laengst nicht veroeffentlicht - er muss die Huerden einer Redaktionsleitung, die wiederum abhaengig vom jeweiligen Verleger ist, der wiederum die Genehmigung von politischen Gremien braucht (zB. Landesrundfunkanstalten) erst einmal ueberwinden koennen - da bleibt so einiges auf der Strecke! Und eben - die sog. Demokratie.
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Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es für sie keine Hoffnung. .... A. Einstein

Eigentumsfragen stellen!

Wer sind FAUistas

Krokos

die Pressefreiheit in Deutschland ist auf den "point of no return" angelangt, momentan hörtman noch halbwegs freie Presse aber ich wills nicht wissen wie es in 10 Jahren aussieht.
Wer in den letzen Jahren aufmerksam Nachrichten geschaut hat wird eine klare Tendenz feststellen können.
Lobeshymnen auf Angela Merkel, SPD als Anhängsel der alles "richtig" macht solange er die Füsse still hält.

Suggestive Meinungsbildung über Hartz4-Empfänger (bspw. in den Sendungen Frauentausch und diese eine beknackte Schuldensendung), aber auch suggestives Angst schüren in der Bevölkerung, ich kann mich bspw. an eine kleine Minireportage über ein Paar erinnern wo sich eine junge Hartz4-Empfängerin (beide H4-Empfänger) in die Prostitution begab um - jetzt kommts - ihren Freund einen Angelurlaub in Norwegen zu finanzieren. Bitte, wer glaubt diesen selbstinzenierten Scheiss eigentlich ???^^ Nee ehrlich, das ist nicht nur suggestive Panikmache sondern auch Volksverblödung...

Dann suggestive Meinungsbildung über den Islam, der Begrif "Islamist" wurde durch die Medien geprägt, er soll suggestiv an "Terrorist" oder "Extremist" erinnern. Es heisst nicht "Islamisten", sondern Moslems.
Heute erst im Radio, bei diesen 3 Terroristen seien 2 Deutsche dabei die zum Islam "übergelaufen" seien.
Es heisst konvertiert, bei Religionen benutzt man nicht das Wort überlaufen.

Nun geht es weiter, suggestive Meinungsbildung, falsche Arbeitslosenzahlen, der Bevölkerung wird vorgegaukelt es geht bergauf, gleichzeitig mit der Abnahme der Arbeitslosigkeit (durch Fälschungen indem man H4-Empfänger in sinnlose Massnahmen treibt um sie aus der Statistik nehmen zu können) steigt die Zahl der H4-Empfänger - Arbeitslosengeld2, schleichende Einführung des Kombilohnes welches von der "Wirtschaft" schon seit langem gefordert wird.

Auch das Internet ist nicht mehr sicher, so habe ich in letzer Zeit beobachtet das bei Wikipedia aus einem leiharbeitskritischen Artikel plötzlich ein Pro-Zeitarbeits-Artikel wurde, bei dem nur wenige Gegenargumente leicht angeschnitten wurden.
Momentan sind sie dabei den Begriff "Kapitalismuskritik" systemfreundlich umzuändern, wer will kann ja mal nachschauen.


Sicherlich wird jetzt der ein oder andere denken, was ein Spinner oder Verschwörungstheoretiker...
Jeder sollte mal selbst bei den einzelnen Sendungen und Nachrichten darauf achten wo eine Manipulation versteckt sein könnte, völlig unkritisch und unvoreingenommen.
Welchen Zweck eine bestimmte Sendung haben könnte und inwieweit sie in der Wirklichkeit auch real sein könnte.
Besonders auf Lobeshymnen über Merkel und andere CDU-Politiker achten, dabei kann man wenn man Lust hat auch schauen, wie toll alle Cduler auf einmal Umweltschutz finden (Stichwort, Jamaikakoalition).

Lichtkämpfer

Das gab es hier in Deutschland schon 1962
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegel-Aff%C3%A4re

Allerdings waren es damals nur ein paar Redakteure. Kauders vorgehen
zeigt eine neue Qualität. Doch die Pressevertreter brauchen sich nicht zu beschweren, einige dieser Prachtexemplare haben durch ihren rechten Opportunismus dies mitverursacht. Da gebe ich meinen Vorrednern recht.
Als Erwerbsloser kannst du in diesem Staat nur ein Dissident sein.

Kater

ZitatOriginal von Krokos
so habe ich in letzer Zeit beobachtet das bei Wikipedia aus einem leiharbeitskritischen Artikel plötzlich ein Pro-Zeitarbeits-Artikel wurde, bei dem nur wenige Gegenargumente leicht angeschnitten wurden.
Momentan sind sie dabei den Begriff "Kapitalismuskritik" systemfreundlich umzuändern, wer will kann ja mal nachschauen.


ZitatDeutscher Wiki-Scanner entblößt Selbstdarsteller
(...)
Jetzt kann man auch in der deutschen Wikipedia-Version nachspüren, wer Einträge anonym geschönt hat.

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,501764,00.html

gha

ZitatOriginal von BakuRock
Selbst wenn diese Huerde geschafft ist, ist der Bericht des Reporters noch laengst nicht veroeffentlicht - er muss die Huerden einer Redaktionsleitung, die wiederum abhaengig vom jeweiligen Verleger ist, der wiederum die Genehmigung von politischen Gremien braucht (zB. Landesrundfunkanstalten) erst einmal ueberwinden koennen - da bleibt so einiges auf der Strecke! Und eben - die sog. Demokratie.
Wie lange hat einst ein Interview des SPIEGEL mit Martin Walser gedauert? Wie viele Korrekturen gab es von beiden Seiten, eh es, "völlig spontan", gedruckt wurde?!  ?(


@ Krokos

Danke für Deine Überlegungen und Darlegungen!

Danny

@Krokos

Du hast völlig Recht, mir fällt es auch immer wieder auf. Ich höre zu Hause immer Deutschlandradio Kultur, bin zwar über die Sendungen äusserst erfreut, aber auch hier stelle ich so manches Mal in der Wortwahl suggestive Meinungsbildung fest. Fragt sich nur, wie journalistisch die Nachrichtensendungen erarbeitet werden.
Gibt die Bundesregierung eine Presseerklärung heraus, so sind hier die wichtigsten Schlüsselwörter zur suggestiven Meinungsbildung bereits enthalten. Das Wichtigste wird in ein Zitat gesteckt, um die Verbreitung sicher zu stellen.

Was ist denn eigentlich aus dem Sachsen-Skandal jetzt geworden? Ausser Speesen nix gewesen, oder wie lautet mal wieder das Motto?

flipper

der ermittlungsanfangsverdacht "geheimnisverrat" könnte auch von einem russischen oder chinesischen staatsanwalt stammen... :kotze>
"Voting did not bring us further, so we're done voting" (The "Caprica Six" Cylon Model, BSG)

Danny

Richtig, hier heisst es wieder "Geheimnisverrat" Ich sehe da eine ähnliche Brisanz wie bei dem § 129 a. Staatliche Willkür rulez.
Die Staatsanwaltschaft hält aber die Hände ruhig, wenn es um Geldwäsche (Interessantes Kapitel in dem Buch -Anklage unerwünscht-)  und Vertuschung geht.

Troll

Zitat»›Kamera aus oder ich schieß'‹, hieß es«

Pressefreiheit in Deutschland endete für Kameramann gegenüber dem US-Konsulat in Frankfurt am Main. Gespräch mit Romas Dabrukas

Romas Dabrukas arbeitet als Kameramann für die Nachrichtenagentur ­Rubtly TV in Berlin. Diese bereitet internationale Nachrichten für Onlinemedien auf und gehört zur Mediengruppe Russia Today (RT-Television)

In der Nacht zum Montag wollten Sie eine Aktion von Politkünstlern vor dem US-Konsulat in Frankfurt am Main filmen. Dabei wurden Sie von der Polizei mit vorgehaltener Schußwaffe an Ihrer Arbeit gehindert. Was ist vorgefallen?
Etwa gegen zwei Uhr war ich in dieser Nacht im Auftrag der Nachrichtenagentur ­Rubtly TV, für die ich als Kameramann arbeite, vor dem amerikanischen Konsulat. Ich war gerade aus der nordirischen Hauptstadt Belfast zurückgekehrt, um in Frankfurt am Main diese Kunstaktion vor dem Konsulat zu filmen.

Schon bevor alles losging, war plötzlich ein Aufgebot von etwa 20 Polizisten da; einige uniformiert, andere in Zivil. Die Künstler waren gerade vorgefahren. Sie hatten Technik dabei, um Bilder an die Gebäudewand zu projizieren. Wie ich gehört hatte, ging es darum, mit Lichtbildern gegen die Überwachung des amerikanischen Geheimdienstes NSA in Deutschland zu protestieren.

Dann ging alles ziemlich schnell. Mehrere Polizeiwagen fuhren vor. Mit der Waffe in der Hand wurde ich aufgefordert, meine Kamera abzuschalten. »Kamera aus oder ich schieß'«, hieß es. Ich war schockiert, welche Zustände in bezug auf die Pressefreiheit in Deutschland herrschen. Zunächst dachte ich, vielleicht ist all das darauf zurückzuführen, daß ich nur einen litauischen Presseausweis bei mir hatte.
....

Quelle: junge Welt

Im Sauseschritt zum totalitären Staat.
Es ist beängstigend mit welcher Inbrunst Rechte beschnitten, gebeugt und unterdrückt werden!
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Nikita

ZitatZEIT ONLINEDEUTSCHLAND
PRESSEFREIHEIT:
Je kleiner, desto schwächer
Der Fall des freien Journalisten Hubert Denk zeigt: In Deutschland gerät die Pressefreiheit unter Druck. von Benno Stieber

31. Dezember 2013  16:27 Uhr  128 Kommentare
Der Passauer Lokalreporter Hubert Denk ist nicht Rudolf Augstein, die Ermittlungen um die Veröffentlichungen in seinem Magazin Bürgerblick sind nicht mit der Spiegel- Affäre zu vergleichen. Aber Hubert Denk ist ein aufrechter und ernsthafter Journalist. In seinem Regionalmagazin und einem Blog schreibt er, was ist. Doch ohne großes Verlagshaus und Rechtsabteilung im Rücken kann es für freie Journalisten wie Denk schnell existenzbedrohend werden, wenn sie es mit der Justiz zu tun bekommen. Sein Fall zeigt eine bedenkliche Entwicklung: Das Kräfteverhältnis zwischen Journalisten und Staat verlagert sich in Deutschland zuungunsten der Pressefreiheit.

Alles beginnt 2010, als der freie Journalist Hubert Denk über den Prozess gegen einen Heilpraktiker berichtet, der später wegen Betrugs verurteilt wird. Der Mann hatte Geschäfte mit dem umstrittenen Laborarzt Bernd Schottdorf gemacht. Gegen Schottdorf wird seit mehr als zehn Jahren immer wieder wegen betrügerischer Abrechnungen mit den Krankenkassen ermittelt. Bei seinen Recherchen erfuhr Denk von einer Parteispende Schottdorfs an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Die Spende war legal.

Denk berichtet darüber in seinem Bürgerblick und auch für weitere Auftraggeber. Die Fakten bestreitet keiner, nicht einmal der Spender. Trotzdem wird Hubert Denk nun seit dreieinhalb Jahren mit Rechtsstreitigkeiten überzogen. Erst von Bernd Schottdorf, der sich gegen den "Anschein" in Denks Berichterstattung wehrt, er habe mit der Spende die Ermittlungen gegen ihn an höchster Stelle beeinflussen wollen.

Allein die Prozesskosten dieser Unterlassungsklage hätten Denk ruinieren können. Bernd Schottdorf ist vielfacher Millionär, er kann sich die besten Anwälte leisten, zuletzt war es die Kanzlei des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler. Hubert Denk dagegen ist freier Journalist, mit einer Halbtagskraft und vielen freien Mitarbeitern. Doch Denk gewinnt in allen Instanzen.

Dann ermittelt auch die Staatsanwaltschaft gegen den freien Journalisten. Sie vermutet, Denk habe von der Parteispende nur durch ein Leck bei den ermittelnden Behörden erfahren können. Es werden 35 LKA-Beamte und Richter vernommen. Laut Medienberichten hat das Innenministerium die Anweisung erteilt, in den eigenen Reihen zu ermitteln. Die Fantasie der Ermittler scheint grenzenlos zu sein. Sie verdächtigen Denk, entweder Beamte bestochen oder den behördlichen Faxverkehr angezapft zu haben, um an seine Informationen zu gelangen. Sie überwachen nun ihrerseits den Journalisten. Die Akte Denk bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg ist inzwischen auf 704 Seiten angewachsen.

Während die Justiz gegen Denk keinen Aufwand scheut, klagen die bayerischen Ermittler der Soko "Labor", die Schottdorf im Visier haben, über Behinderungen ihrer Arbeit "von oben". Einer spricht im bayerischen Fernsehen gar von einem klaren Fall von "bayerischer Spezl-Wirtschaft".

Benno Stieber
ist Journalist und Vorsitzender des Verbandes Freischreiber e. V..

Denk erfährt von den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn, als er von der Staatsanwaltschaft Nürnberg eine Vorladung erhält. Er wehrt sich gegen die Vorwürfe und verweigert die Auskunft darüber, woher er seine Dokumente bekommen hat. Denk beruft sich auf den journalistischen Quellenschutz. Wieder braucht er Geld, um den erfahrenen Medienrechtler Klaus Rehbock mit der Sichtung der üppigen Ermittlungsakten zu beauftragen. Neben Geld kostet den Freiberufler die Gegenwehr Nerven und vor allem viel Arbeitszeit. Zeit und Kraft, die er nicht in Recherchen stecken kann.

Der Journalismus in Deutschland ist durch den Umbruch in der Branche geschwächt. Ehemals meinungsführende Blätter, wie etwa die Frankfurter Rundschau, sind nach Auflagen- und Anzeigenschwund nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und in manchen Verlagen haben Manager den Journalismus fast ganz vor die Tür gesetzt. Nie in den vergangenen 50 Jahren war es wohl leichter, kritische Berichterstattung mit Klagen und Prozessen einzudämmen.

Doch der Journalismus ist nicht verschwunden, er ist nur zur Zwischenmiete in kleineren Häusern untergekommen. An vielen Orten sprießen Ein-Mann-Blogs, kleine Lokalredaktionen mit digitalen Ausgaben und regionalen Magazinen. In manchen Gegenden haben Portale wie  Heddesheimblog, die Prenzlauer Berg Nachrichten oder die Tegernseer Stimme sogar die journalistische Grundversorgung übernommen. Sie sind manchmal meinungsfreudig, oft polemisch und gelegentlich sogar investigativ. Diese Stimmen finden selten die hunderttausendfache Verbreitung etablierter Medien, aber das Konzert ist durch sie vielstimmiger geworden. Eigentlich eine gute Nachricht für die Meinungsvielfalt.

Doch die freie Meinung kann freie Journalisten oder Kleinverleger teuer zu stehen kommen. Sie haben keine Rechtsabteilungen oder Budgets für langwierige Prozesse. Wer also als freier Journalist mächtigen und zahlungskräftigen Gegnern entgegentritt, muss sich seiner Sache schon sehr sicher sein.

Auch freie Mitarbeiter, die für renommierte Häuser mit kampferprobten Juristen arbeiten, sind oft schlechter geschützt als ihre fest angestellten Kollegen. Da werden etwa freie Reporter bei Rechtsstreitigkeiten von öffentlich-rechtlichen Sendern alleingelassen. Die beiden Lokalreporter Arndt Ginzel und Thomas Datt etwa hatten für den Spiegel die Affären im sogenannten Sachsensumpf recherchiert und sich volle Rückendeckung der Rechtsabteilung des Verlagshauses versprochen. Doch die Anwälte des Nachrichtenmagazins konzentrierten sich zunächst nur auf den Teil des Verfahrens, der den angestellten Spiegel-Reporter betraf.

Auch im Fall Denk bleiben Verlage und Institutionen, die sonst gerne in Leitartikeln Pressefreiheit in fernen Ländern einfordern, eher still. Hubert Denk sagt, Auftraggeber wie die Süddeutsche, für die er über Schottdorf berichtet hat, hätten die erste Unterlassungserklärung lieber unterzeichnet, als den Rechtsstreit auszufechten. Und auch ein großer deutscher Journalistenverband scheute in der zweiten Instanz das Prozessrisiko und verweigerte – sicher ist sicher – Denk den Rechtsschutz.

Den juristischen Druck wohlhabender Kläger müssen investigativ arbeitende Journalisten wohl aushalten. Wenn es aber nicht einmal mehr eines handwerklichen Fehlers bedarf, damit ein Journalist in seiner Existenz bedroht wird, wird die Presse behindert. Auch durch die Ermittlungen staatlicher Stellen. Eigentlich ist die Rechtslage eindeutig: Im Spiegel-Urteil, und 50 Jahre später im Cicero- Urteil, hat das Bundesverfassungsgericht das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten gestärkt und klargestellt, dass Akten, Büros und Wohnungen von Journalisten nur durchsucht werden dürfen, wenn sie einer Straftat verdächtigt werden. Ebenso wenig dürfen Ermittlungen dazu dienen, Journalisten einzuschüchtern. Im Fall Denk ermitteln die Behörden deshalb trickreich wegen Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses.

Hubert Denk sagt, er gehe lieber in Beugehaft, als seine Quelle zu nennen. Helfen könnte in Fällen wie seinem ein Nothilfefonds für freie Journalisten. Angesichts der veränderten Medienlandschaft wäre ein solcher Fonds eine gesellschaftliche Aufgabe. Denn wenn Pressefreiheit nicht auch für die kleinste Schreibstube gilt, ist dieses Grundrecht nicht viel wert.

QUELLE DIE ZEIT, 19.12.2013 Nr. 52
ADRESSE: http://www.zeit.de/2013/52/deutschland-pressefreiheit-freie-journalisten/komplettansicht
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counselor

ZitatMEDIEN - Pressefreiheit in Gefahr

Brutale Angriffe auf Medienvertreter in Berlin und Dortmund: Gewerkschaft fordert bessere Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamten

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/379052.medien-pressefreiheit-in-gefahr.html
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

dagobert

Zitates hat sich mittlerweile etabliert, dass ,,Reporter ohne Grenzen" (ROG) am Internationalen Tag der Pressefreiheit (3. Mai) sein internationales Ranking zur Situation der Journalist:innen und der Gefährdung der Pressefreiheit veröffentlicht. Leider kommt es dabei seit Jahren zu einer bedenklichen Entwicklung: Deutschland rutscht in diesem internationalen Vergleich weiter ab und findet sich inzwischen nur noch auf Platz 21. Dass Deutschland im Vergleich zum vorhergehenden Ranking weitere fünf Plätze eingebüßt hat, hat sicherlich noch nichts damit zu tun, dass sich der Axel Springer-Verlag und Mathias Döpfner mit dem Ex-Chefredakteur von BILD Julian Reichelt öffentlich eine Schlammschlacht liefert. Auch dass von oberster (Unternehmens-) Stelle im Springer-Verlag erheblicher Druck auf ,,politisierte" Meinungsmache im Boulevard-Magazin ausgeübt worden ist, findet in der aktuellen Momentaufnahme vom Mai 2023 noch keine Berücksichtigung. Das sind keine guten Aussichten auf eine bessere Position im nächsten Ranking.

In den letzten Jahren hat Deutschland seinen Rang vor allem deshalb verschlechtert, weil immer mehr Journalist:innen bei ihrer Arbeit mit zahlreichen Bedrohungen und Schikanen, einschließlich tätlicher Angriffe, konfrontiert sind - wie die offizielle Statistik zur politisch motivierten Kriminalität verdeutlicht. Öffentliche Berichterstattungen über Demonstrationen, Veranstaltungen oder Kundgebungen werden von Teilnehmenden behindert oder gestört. Journalist:innen werden von ihnen verunglimpft. Politische Polarisierungen in der Gesellschaft und verbale Verrohungen im Diskurs nehmen zu. Gewalt gegen Mitmenschen, Minderheiten und Medienmacher:innen wird als legitimes Mittel mehr und mehr enttabuisiert.
https://www.otto-brenner-stiftung.de/obs-newsletter-02/2023/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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