Neue Werbestrategien der Pharmaindustrie

Begonnen von scalpell, 02:34:38 Mo. 20.August 2007

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scalpell

Neue Werbestrategien der Pharmaindustrie

Wie man Pillen versüßt


Wie beeinflußt man ÄrztInnen?

Dr. Linda Mann lacht, als sie sagt, sie würde wahrscheinlich nicht der durchschnittlichen ÄrztIn entsprechen. Sie ist sicher nicht so konservativ wie viele ihrer KollegInnen. Dr. Mann ist aber auch sonst anders. Die Praxis, in der sie arbeitet, wird selten mehr als zweimal pro Woche von PharmavertreterInnen besucht. Dr. Mann glaubt, daß PharmavertreterInnen eine wichtige Informationsquelle sind. Aber sie macht keinen Hehl daraus, daß sie ihnen das Leben schwer macht, wenn sie irreführende Behauptungen aufstellen. "Ich habe VertreterInnen hier weggeschickt, die waren so unglücklich, daß sie das Mittagessen wieder mitgenommen haben, das sie für die ÄrztInnen mitgebracht hatten."

Viele ÄrztInnen geben nur ungern zu, daß Marketingmaßnahmen und insbesondere die Besuche der PharmavertreterInnen sie in der Ausübung ihres Berufs beeinflussen. Dr. Mann sagt: "Ich würde ja gerne glauben, daß sie mein Verschreibungsverhalten nicht beeinflussen, aber ich weiß, daß es so ist, denn ich habe mein Verschreibungsverhalten untersucht." Viele Untersuchungen haben den Einfluß von Werbemaßnahmen auf ÄrztInnen gezeigt. "Zweifellos hat Pharmawerbung den größten Einfluß auf das Verschreibungsverhalten" sagt Richard Day, Professor für klinische Pharmakologie an der Universität von New South Wales. Er tritt schon seit langem aktiv dafür ein, den Gebrauch von Arzneimitteln zu verbessern.

Peter Mansfield ist ein Allgemeinarzt aus Adelaide. Er ist in der Pharmaindustrie als kleiner, aber sehr lästiger Stachel bekannt. Vor vierzehn Jahren gründete er die Medical Lobby for Appropriate Marketing (MaLAM), nachdem ihn die Anabolika-Werbung eines Pharmamultis für verarmte, unterernährte Kinder in Bangladesh, die eigentlich mehr Nahrungsmittel gebraucht hätten, zornig gemacht hatte.

Seither haben die Aktivitäten seiner Gruppe mit einem Jahresbudget von nur 18.000 AU$ zum Rückzug von mehreren Medikamenten geführt, und die Veränderung zahlloser Werbeaussagen erzwungen.

Mansfield ist im Interview ein bißchen vorsichtig, denn eine Firma hat kürzlich mit einer Klage gedroht, nachdem MaLAM sich über ihre Werbung beschwert hatte. Aber er erzählt gern über die Verkaufstaktiken von PharmavertreterInnen (siehe Kasten auf Seite 4). Zum Beispiel, daß attraktive junge Frauen bevorzugt werden, weil sie Ärzten und ÄrztInnen am besten gefallen. Er fügt hinzu: "Wir lassen uns viel leichter von Leuten beeinflussen, die wir mögen."

"Wendy", eine attraktive extrovertierte Frau, die als Pharmavertreterin und Produktmanagerin in der Pharmaindustrie gearbeitet hat, widerspricht Mansfield in einigen Punkten: "Der Mann mit dem Bierbauch war der beste Verkäufer in unserer Firma." Aber sie fügt hinzu, daß viele Ärzte sich darüber freuten, wenn sie kam. "Du bist nicht krank." sagt sie. "Wenn du sie besser kennenlernst, dann empfangen sie dich manchmal, obwohl PatientInnen warten; du machst den Besuch zu einem erfreulichen Ereignis, du lächelst, hörst ihnen zu und läßt sie die Themen bestimmen."
"Uneigennützige" Aktionen

Die Industrie benutzt auch subtilere Wege, um ihr Verhältnis zu ÄrztInnen zu verbessern. Karin, eine Krankenschwester, arbeitete vor einigen Jahren sechs Monate für Merck, Sharp & Dohme (MSD) in einem Programm, das PatientInnen bei AllgemeinärztInnen eine kostenlose Untersuchung von Risikofaktoren für Herzerkrankungen anbot. PatientInnen mit erhöhten Cholesterolwerten oder einer Kombination anderer Risikofaktoren wurden wieder an ihre ÄrztIn zurückverwiesen.

"Sie bewarben diese Aktion als eine selbstlose Angelegenheit, aber wie die Sache sich entwickelte, hatte ich den Eindruck, daß es sich um eine PR-Aktion handelte und um eine Methode, PatientInnen ihre cholesterolsenkenden Medikamente näher zu bringen," sagt Karin. Die Firma betont, daß ihr Programm als ärztliche Fortbildung genehmigt worden ist, und daß die teilnehmenden ÄrztInnen nicht verpflichtet waren, MSD-Medikamente zu verschreiben.

http://www.bukopharma.de/Pharma-Brief/PB-Archiv/1998/phbf9801.html
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