Erntehelfer

Begonnen von nontestatum, 23:50:10 Fr. 26.Oktober 2007

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Fritz Linow

Zu der heutigen Entwicklung bei den Erntehelfern in Bornheim gibt es auf diesem Twitterkanal einige nette kurze Filmchen:
https://twitter.com/johnmalamatinas

Ob sich der Geschäftsführer der ADWIN Consulting GmbH darüber freut?



Kuddel

ZitatSpanien ordnet Überprüfung auf Ausbeutung von Erntehelfern an
Der spanische Staat schickt Inspektoren auf die Höfe, um die Arbeitsbedingungen der Saisonarbeiter zu überprüfen und ob sie unter Druck gesetzt werden. Die Bauern sind über die Vorverurteilung empört.
https://www.topagrar.com/panorama/news/spanien-ordnet-ueberpruefung-auf-ausbeutung-von-erntehelfern-an-12067763.html

Es erinnert an das, was sich in Deutschland an den Schlachthöfen tut.
Der Staat hat sicherlich nicht plötzlich sein Herz für migrantische Arbeiter entdeckt. Die Ausbeuter haben den Bogen überspannt. Das wohlaustarierte Ausbeutungssystem droht ihnen um die Ohern zu fliegen.
Die Auseinandersetzungen in Bornheim sind eine Drohung, bzw. ein Hoffnungsschimmer. Er könnte sich ein Flächenbrand entwickeln.
Der Staat will genau das verhindern, indem die Ausbeuter ein wenig staatliche Kontrolle hinnehmen müssen, damit das gesamte Ausbeutungssystem weiterlaufen kann.

Ich kann meinen alten Vorschlag nur wiederholen: Wenn wir die Verhältnisse aufmischen wollen, müssen wir den Kontakt zu migrantischen Malochern suchen!

BGS

Zitat von: Kuddel am 22:16:50 Do. 21.Mai 2020
... .

Ich kann meinen alten Vorschlag nur wiederholen: Wenn wir die Verhältnisse aufmischen wollen, müssen wir den Kontakt zu migrantischen Malochern suchen!

Wie wahr.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Fritz Linow

Nochmal Spargelhof Ritter in Bornheim: Hier ist ein Video von 2018 mit Aufnahmen von 2013/14 über die Unterbringung, teilweise wohl heimlich gefilmt. Das ist erst seit einer Woche in der Röhre. Keine Ahnung, was der Kommentator da redet, in der Beschreibung steht laut Googleübersetzung:

ZitatNach Gesprächen mit einigen Kollegen starb der 43-jährige Rumäne, nachdem er seine Arbeitgeber um Hilfe gebeten hatte, weil seine Brust und sein Herz sehr schmerzten. Nach einer Stunde der Barmherzigkeit fiel der Mann und ging in die andere Welt. Die Rumänen sagten, dass hier im Spargelhof Ritter in Bornheim vor etwa einem Monat ein weiterer 48-jähriger Rumäne gestorben ist und niemand weiß, warum und was mit seinem Körper passiert ist.

Aber so sieht es aus in der heilen Erdbeerwelt:


https://www.youtube.com/watch?v=3dnlQFEOb4U

In diesem Blog werden weitere Schweinereien dokumentiert:
https://aebs.org/blog/lagar-de-romani-langa-bonn-doi-morti-in-ultima-luna-nu-s-a-chemat-salvarea-video/

Unter anderem sind dort auch Arbeitsverträge und Mietverträge eingescannt (2018), z.B.



ManOfConstantSorrow

ZitatDie Abwesenheit der zuständigen DGB-Gewerkschaft
Ausbeuterischem Spargeln den Sarg zunageln!

In der Nähe von Bonn zeigt sich gerade, zu welchen Spargel-Spitzenleistungen das deutsche Agrarkapital in der Lage ist, und wer dafür den Buckel krumm zu machen hat.
https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/spargelernte-arbeitsrecht-2629.html

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Auch der AK hat sich dieser Auseinandersetzung gewidmet:
ZitatDer wilde Streik der rumänischen Feldarbeiter*innen in Bornheim zeigt, dass auch im System rassistischer Überausbeutung Kämpfe möglich sind
https://wirkommen.akweb.de/bewegung/der-streik-bei-spargel-ritter/

Nikita

Rumänische Erntehelfer demonstrieren am Bonner Bertha-von-Suttner-Platz am 19.05.20


https://www.youtube.com/watch?v=oO4yz1S0PtQ

vom Kanal "Einsatzfahrten und so"

"Am 19.05.2020 gegen 13:00 Uhr trafen ca. 20 rumänische Erntehelfer vor der Kanzlei des Insolvenzverwalters in der Oxfordstraße am Bertha-von-Suttner-Platz im Bonner Zentrum ein, um mit ca. 30 Vertreter der anarchistischen Gewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union, die bereits seit dem Morgen vor der Kanzlei demonstrierten, für Ihren Lohn bei Spargel Ritter zu kämpfen. Gegen 13:45 Uhr zogen alle gemeinsam über den Bertha-von-Suttner-Platz bis zum  rumänischen Konsulat im Legionsweg. Dort durften 10 Demonstranten in die Botschaft, um mit den Diplomaten zu sprechen. Das Konsulat nahm Kontakt zum rumänischen Landwirtschaftsministerium auf, deren Mitarbeiter den Arbeitern helfen möchten. Die Demonstration endete am Konsulat."

Kuddel

Die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru hat die kämpfenden ArbeitInnen in Bornheim besucht. Die Rumänischen Medien sind voll mit Berichten darüber.

Ein deutscher Bericht:
https://www.rundschau-online.de/region/bonn/bornheim/spargelstreit-in-bornheim-rumaenische-ministerin-sagt-erntehelfern-unterstuetzung-zu-36730874

Fritz Linow

Dem Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhaus droht weiteres Ungemach:
Zitat
Nach den gravierenden Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung von Saisonarbeiter*innen auf dem in Insolvenz befindlichen Landwirtschaftsbetrieb ,,Spargel-Ritter" in Bornheim bei Bonn wurde vom Bundestagsabgeordneten Dr. Alexander Neu bei der Staatsanwaltschaft Bonn Strafanzeige gegen den Insolvenzverwalter gestellt. (...)
https://www.dielinke-nrw.de/start/aktuell/detail/news/spargel-ritter-linke-stellt-anzeige-gegen-insolvenzverwalter/

Fritz Linow

Die unschuldige und ehrenwerte Familie Ritter vom Spargelhof Ritter in Bornheim:

Zitat
8.6.20
Erschreckende Einblicke in die Erntehelfer-Branche

(...)
Bei den Protesten war auch der Besitzer des insolventen Betriebs Claus Ritter dabei. Er kritisierte den Insolvenzverwalter scharf und erklärte in der Lokalzeit aus Bonn, dass er das ganze Chaos nicht nachvollziehen könne: "Wir haben die Leute seit 25 Jahren. Das sind immer die gleichen Leute, die da jedes Jahr kommen. Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt."

Gab es nie Probleme mit Erntehelfern?
Sie sei fast vom Hocker gefallen, als sie diese Aussage von Claus Ritter im Fernsehen gesehen habe, erzählt Ursula Heß. Seit fünf Jahren arbeitet sie im Büro für die Eheleute Ritter. Sie sagt, die rumänischen Erntehelfer seien immer schlecht behandelt worden.
(...)
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/einblicke-erntehelfer-branche-100.html

Nikita

Die Recherche klingt so gruselig, dass ich sie noch mal als Fullquote reinstelle:

https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/einblicke-erntehelfer-branche-100.html

Erschreckende Einblicke in die Erntehelfer-Branche
Von Tobias Al Shomer

Dieser Artikel ist eine gemeinsame Recherche des WDR Landesstudios Bonn und des General-Anzeigers Bonn

Es waren Bilder, die deutschlandweit Schlagzeilen gemacht haben: rumänische Erntehelfer protestieren vor dem Spargel- und Erdbeerhof Ritter in Bornheim. Angeblich, weil sie zu wenig Lohn erhalten hätten. Der Betrieb ist pleite. Der Insolvenzverwalter erklärt aber gegenüber dem WDR und General-Anzeiger, dass alle Erntehelfer vertragsgemäß bezahlt worden seien.

Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim | mehr
Bei den Protesten war auch der Besitzer des insolventen Betriebs Claus Ritter dabei. Er kritisierte den Insolvenzverwalter scharf und erklärte in der Lokalzeit aus Bonn, dass er das ganze Chaos nicht nachvollziehen könne: "Wir haben die Leute seit 25 Jahren. Das sind immer die gleichen Leute, die da jedes Jahr kommen. Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt."

Gab es nie Probleme mit Erntehelfern?
Sie sei fast vom Hocker gefallen, als sie diese Aussage von Claus Ritter im Fernsehen gesehen habe, erzählt Ursula Heß. Seit fünf Jahren arbeitet sie im Büro für die Eheleute Ritter. Sie sagt, die rumänischen Erntehelfer seien immer schlecht behandelt worden.

WhatsApp-Nachricht vom 10. Mai 2017. "Frau Ritter zahlt jetzt die 15 Leute von heute Morgen aus, mit 4 Mann von der Security im Rücken."Whats App-Nachricht der Mitarbeiterin
Bei Auszahlungen in den letzten Jahren seien immer Polizei und Sicherheitsdienst mit dabei gewesen. Als Beleg zeigt sie uns eine Whats App-Nachricht, die sie am 10. Mai 2017 an ihren Ehemann geschrieben hat: "Frau Ritter zahlt jetzt die 15 Leute von heute Morgen aus, mit 4 Mann von der Security im Rücken (...)"

Auch sonst sei der Umgang ruppig gewesen. Besonders in Erinnerung geblieben, ist ihr ein Vorfall aus dem Sommer 2018: "Da wollte ein Mann unbedingt nach Hause. Ich weiß nicht mehr, was der Grund war, aber er hatte offensichtlich große Probleme. Dem wurde das abgewiesen und dann griff er hier durch das offene Fenster in meinem Büro, nahm sich meine Büroschere und schlitzte sich damit den kompletten Oberarm auf. Nach dem Motto: wenn ich verletzt bin kann ich nicht mehr arbeiten und dann müsst ihr mich nach Hause schicken." Weitere Kollegen bestätigen diesen Fall.

Abgelaufenes Kantinen-Essen
Monika Blank bestätigt das. Sie hat als Küchenkraft auf dem Hof gearbeitet. Das Mindeshaltbarkeitsdatum der Lebensmittel sei immer wieder abgelaufen gewesen, sagt sie. Trotzdem seien die verarbeitet worden. Noch heute schaudert es sie, wenn sie an tiefgekühlte Hähnchen zurückdenkt: "Also das waren diese kleinen Hähnchenkeulen. Die waren im Gefrier 3 Jahre abgelaufen. Die Anweisung war halt, noch mal gut zu waschen. Salz, Pfeffer und gut zu würzen. Damit die Leute das halt nicht merken. Irgendwo hatte man ein schlechtes Gewissen, aber irgendwie denkste Dir: ok, mach es einfach. Weil Du irgendwie immer diesen Druck gekriegt hast. Irgendwann gibst Du es auf und sagst gar nichts mehr dazu. Du nimmst es einfach irgendwie hin." Weitere Kollegen bestätigen diese Zustände in der Küche.

Ritter weist Vorwürfe zurück
Die Anschuldigungen zur Küche weist Claus Ritter auf Anfrage des WDR zurück. Es habe immer gutbürgerliches Essen gegeben, das neben den Erntehelfern auch die anderen Angestellten und seine Familie sowie er selbst gegessen hätten.

Claus Ritter.Claus Ritter weist die Vorwürfe zurück
Den Vorfall mit der Schere bestätigt er: "Durch unsere übertarifliche Bezahlung hatten die Erntehelfer schnell Ihren Lebensunterhalt verdient und versuchten bereits weit vor Vertragsende abzureisen. Bei den dann geführten Gesprächen Zwecks fristgerechten Verbleib in unserem Betrieb, da wir in der Ernte auf die Kräfte angewiesen waren, kam es zu dem von Ihnen erwähnten Zwischenfall mit der Bastelschere." Der Mann habe aber nicht Mal einen Arzt aufsuchen müssen und sich am nächsten Tag entschuldigt. Er habe auch in den Folgejahren weiter auf seinem Hof gearbeitet.

Die Containerunterkünfte neben dem Spargelfeld.Feldarbeiter protestieren03:09 Min. Verfügbar bis 19.05.2021Eine Halle des Spargelhofs Ritter mit einer Erdbeerfigur auf dem Dach.Halle des Spargelhofs
Ein anderes Bild zeichnet eine Kontrolle des Zolls Mitte Oktober 2018. Am Firmensitz und im privaten Wohnhaus in Bonn-Endenich gab es Hausdurchsuchungen. Aus dem Einsatzbericht, der WDR und General-Anzeiger vorliegt, geht hervor, dass mutmaßlich Erntehelfer den Zoll verständigt hatten. Im Bericht steht: "In Zusammenhang mit verzögerten Lohnzahlungen wurden die Beschuldigten und der Rechtsanwalt auf den Nötigungstatbestand hingewiesen, da Arbeitnehmer wegen der fehlenden Entlohnung nicht in ihr Heimatland abreisen können."

Gefälschte Papiere für Sozialversicherung
Brisanter dürfte für die Eheleute der Fund diverser Siegel und Stempel damals sein. Offenbar stehen die im Zusammenhang mit Formularen ausländischer Sozialversicherungsträger. Ursula Heß erinnert sich, dass sie an dem Tag gar nicht im Büro war: "Ein paar Tage später hat mir die Frau Ritter verzweifelt erzählt, mit Tränen in den Augen, dass sie richtig Angst hat und dass sie befürchtet, dass da noch was ganz Schlimmes auf sie zukommt. Sie hätten diverse Papiere, die die Rumänen im Grunde benötigen, um hier arbeiten zu können, gefälscht. Hätten also da diverse Stempel zu Hause gehabt von diesen verschiedenen rumänischen Distrikten (...) und hätten dann mehr oder weniger die Papiere selber ausgefüllt für die Rumänen mit rumänischen Stempeln, Siegelstempel versehen."

Rumänische Erntehelfer dürfen unter bestimmten Voraussetzungen in einem Zeitraum von 90 Tagen sozialversicherungsfrei in Deutschland arbeiten. Ursula Heß hat die Anmeldung der Rumänen auf Anweisung von Sabine Ritter bearbeitet. Sie sagt, auf dem Hof habe es ein eigenes System gegeben: "Dann ist aber irgendwann Mal durchgesickert. Ja, ja, die fahren dann nach Hause nach ihren 90 Tagen, weil sie auch die Familie Mal sehen möchten und kommen dann mit nem anderen Ausweis und anderen Papieren aber selber wieder und sind dann halt unter anderem Namen wieder für 90 Tage hier."

Fritz Linow

Auch der investigative Generalanzeiger aus Bonn berichtet aktuell von Spargelritter:

Zitat8.6.20
Einreise unter falscher Identität

Zollbericht belegt: Schon 2018 Missstände bei Spargel Ritter

Bornheim/Bonn Ein alter Zoll-Bericht belegt Missstände bei Spargel Ritter: Schon 2018 kam es zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns und Saisonarbeiter reisten unter falscher Identität erneut ins Land ein. Das ergaben gemeinsame Recherchen des GA und des WDR Landesstudios Bonn.

Der insolvente Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof Ritter kommt nicht zur Ruhe. Während der Proteste rumänischer Erntehelfer Mitte Mai wegen angeblich ausstehender Lohnzahlungen und hygienischer Mängel in der Unterkunft sprachen Ritters in einer Stellungnahme auf Facebook noch von einem ,,bis Dato gut funktionierenden und sauber geführten Familienbetrieb". Zu verstehen sind diese Worte als deutliche Kritik am Bonner Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der die Geschäfte im Zuge der Insolvenz seit dem Frühjahr führt und Claus Ritter wegen Unruhestiftung Hausverbot auf dem Betriebsgelände erteilt hatte.

In einem Beitrag der WDR-Lokalzeit Bonn zu den Protesten ist Claus Ritter zu sehen, wie er sagt: ,,Wir haben mit denen noch nie Probleme gehabt." Gemeint sind die rumänischen Erntehelfer. Eine Aussage, die nach gemeinsamen Recherchen von General-Anzeiger und WDR-Landesstudio Bonn unhaltbar ist. Denn was er verschweigt, was aber mehrere ehemalige Ritter-Mitarbeiter nun berichten, ist: Vor etwa zwei Jahren rammte sich einer der Saisonarbeiter eine Schere in den Arm. Das soll eine Tat aus Verzweiflung gewesen sein, weil Ritters ihn genötigt hätten, zu bleiben, um das Geld für seine An- und Abreise abzuarbeiten.

Der Bericht eines Zoll-Einsatzes bei Ritter aus dem Oktober 2018, der GA und WDR vorliegt, belegt, dass es schon damals zu Verzögerungen bei der Auszahlung des Lohns kam. ,,Im Zusammenhang mit verzögerten Lohnzahlungen wurden die Beschuldigten und der Rechtsanwalt auf den Nötigungstatbestand hingewiesen, da Arbeitnehmer wegen der fehlenden Entlohnung nicht in ihr Heimatland abreisen können", heißt es in dem Zoll-Bericht. Und weiter: Ritter habe zugesagt, die Lohnzahlungen ,,umgehend vorzunehmen".

Gleichwohl ermittelt die Staatsanwaltschaft nach Informationen von GA und WDR gegen Claus Ritter und seine Frau Sabine seit 2018 wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug. Zudem gibt es ein Ermittlungsverfahren, das sich um illegale Geschäfte mit Oldtimern dreht.

Bei dem Einsatz an Ritters Privatanschrift stellte der Zoll laut Bericht ferner einen nicht registrierten Revolver samt Munition und eine Schreckschusswaffe sicher. Auch rückte eine mit Siegeln und Stempeln gefüllte Stofftüte ins Visier der Fahnder. Ritter hatte während des Einsatzes vergeblich versucht, diese zu verstecken, indem er sie unter einen Anhänger mit Brennholz warf.

Auf die Tüte von den Fahndern angesprochen, sagte Ritter laut Bericht, ,,dass die einen Briefmarken sammeln und der andere das", also die Stempel. Zudem müssten die Ermittler die dazu gehörigen Dokumente haben – und die fänden sie nicht.

Die Frage drängt sich auf, ob Ritter die Stempel möglicherweise dazu genutzt haben könnte, um Dokumente der rumänischen Erntehelfer zu fälschen. Denn nach Informationen von GA und WDR war es bei Ritter Praxis, dass Saisonarbeiter nach spätestens drei Monaten das Land verließen und unter falscher Identität wieder einreisten. Auf diese illegale Weise sollten Steuern und Abgaben gespart werden. Aus dem Umfeld das Betriebs wird dies von verschiedenen Seiten bestätigt.

So sei auch stets Unruhe ausgebrochen, wenn ein Erntehelfer medizinische Versorgung brauchte. Denn man habe nicht gewusst, mit welchen Papieren der Betroffene zum Arzt gebracht werden sollte, erzählt ein Mensch, der es wissen muss, aber anonym bleiben will. Diese Person berichtet zudem von einem ,,schlimmen Umgang" mit den Erntehelfern bei Ritter. Den Angaben zufolge waren aber auch Erntehelfer Teil des Problems, besonders die ,,Clans", die angereist seien. ,,Wenn die gesagt haben, es wird nicht gearbeitet, wurde nicht gearbeitet." Schon immer sei es so gewesen, dass rumänische Erntehelfer der Meinung waren, dass sie zu wenig Geld bekommen. ,,Die waren immer am Pokern". All diese Schilderungen stehen in deutlichem Widerspruch zu den Äußerungen der Ritters auf Facebook und im Fernsehen, nach denen es Probleme mit den Erntehelfern erst seit der Insolvenzverwaltung in diesem Jahr gegeben haben soll.

Zu dem Einsatz des Zolls und den Ermittlungen gegen ihn äußert sich Claus Ritter indes nicht. Den Vorfall mit dem Erntehelfer, der sich eine Schere in den Arm gerammt haben soll, bestätigt er jedoch. Seine Version lautet wie folgt: Durch die ,,übertarifliche Bezahlung" hätten die Erntehelfer schnell Ihren Lebensunterhalt verdient und ,,bereits weit vor Vertragsende", versucht abzureisen. ,,Wie sich Menschen mit gesundem Verstand vorstellen können, musste die durch die Bastelschere entstandene ,,Verletzung" nicht ärztlich behandelt werden", äußert sich Ritter schriftlich. Bereits einen Tag nach diesem Vorfall habe sich der Erntehelfer ,,aufrichtig" entschuldigt. Bis heute komme er jedes Jahr in den Betrieb zurück.
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargel-ritter-aus-bornheim-schon-2018-wurde-lohn-zu-spaet-ausgezahlt_aid-51549287


ManOfConstantSorrow

Zitat Verschweigen, verdrängen, ignorieren

Die Ausbeutung osteuropäischer Wanderarbeiter*innen findet wenig Aufmerksamkeit – in Bornheim war das anders. Was folgt daraus?



Als juristischer Nachklapp der Ereignisse in Bornheim bleiben jetzt noch rund 150 bis 200 Einzelverfahren um ausstehenden Lohn.

er Pulverdampf hat sich innerhalb einer Woche verzogen, die meisten rumänischen Erntehelfer*innen sind entweder zurück nach Hause gereist oder haben bei anderen Landwirtschaftsbetrieben angeheuert. Jetzt sind die 180 Wohncontainer, in denen sie in drei Zeilen übereinander gestapelt hausten – abgezäunt und von Security bewacht, versteckt, isoliert und vergessen zwischen Bahndamm, Roisdorfer Klärwerk und Friedhof –, wieder verlassen. Die Europäische Union hat dem »Bornheimer Spargel« 2014 den Titel »geschützte geografische Angabe« verliehen. Die Region zwischen Köln und Bonn ist bekannt für ihre fruchtbaren Böden, was große Chemiekonzerne wie Shell, Evonik oder LyondellBasell nicht daran hindert, diese systematisch zu verseuchen. (1) Der Beliebtheit des Spargels hat es bis jetzt nicht geschadet.

Während die EU die Bornheimer Spargelbauern und -bäuerinnen also mit einem Siegel vor unlauteren Wettbewerbern schützt, schuften diejenigen, die im Mai die Ernte einbringen, abseits öffentlicher Wahrnehmung, unbeobachtet auch vom trägen Auge des Gesetzes. Für die rumänischen Erntehelfer*innen aus verarmten Regionen wie Banat und Transsylvanien hat die EU höchstens individuelle Sonderbetreuung und Beratung in Form des Projekts »Faire Mobilität« parat: Muttersprachliche Akademiker*innen leisten individuelle Rechtsberatung und Betreuung. Gewerkschaftliche Organisierung, Proteste, Streiks und Arbeitskämpfe sind eher nicht ihr Ding.

Diesmal kam die »Faire Mobilität« zu spät. Am Freitag, den 15. Mai 2020, legten 100 bis 300 Erntehelfer*innen in Bornheim bei Bonn unter Protest die Arbeit nieder. Bereits am Montag, den 18. Mai, folgten rund 150 bis 200 Unterstützer*innen einem Aufruf anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter*innen Union Bonn (FAU) und demonstrierten vor der Unterkunft der Erntehelfer*innen.

Die Mobilisierung war beeindruckend. Den Anstoß gab eine schnelle, intensive Lokalberichterstattung durch General-Anzeiger, Rheinische Post und Express, denen im Lockdown nach echten Ereignissen dürstete. Die FAU Bonn baute spontan Kontakt auf zu den Arbeiter*innen, organisierte praktische Hilfe und mobilisierte – neben vielen anderen. Kurzfristig kamen Leute aus Köln, Bonn, Düsseldorf, sogar Frankfurt und Essen zusammen, die froh waren, in Zeiten des Lockdowns einen Ansatzpunkt für sinnvolle Intervention zu finden: angewandte Solidarität, Anti-Rassismus und Arbeitskampf. Gemeinsam mit den Betroffenen zog das Protestgemisch an jenem Montag lautstark vom Container-Lager zur Zahlstelle und konnte dort durchsetzen, dass der Bonner Rechtsanwalt Harald Klinke sowie rumänisch-deutsche Übersetzer*innen die anstehenden Lohnauszahlungen begleiteten. Sie konnten verhindern, dass die Arbeiter*innen dubiose Quittungen unterzeichneten, mit denen sie weitere Forderungen abtraten.

Ein Lehrstück des institutionellen Rassismus


Der Streik war ausgebrochen, als der Bonner Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen, der das Pleite-Unternehmen Sabine & Claus Ritter GbR bereits seit Anfang März 2020 leitet, am Ende für einen Monat Arbeit nur 200 bis 250 Euro rausrücken wollte. Um die letzte Ernte in Zeiten von Corona noch einzubringen, hatte Schulte-Beckhausen aber für mehrere Wochen Arbeit wohl rund 2.000 Euro in Aussicht gestellt.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ließ die Rumän*innen mitten im Lockdown per Sonderregel extra über Düsseldorf einfliegen. Als die Lohntüte nur ein Zehntel der erhofften Summe aufwies, platzte den Leuten der Kragen, die zuvor ohne Heizung die Eisheiligen überstehen mussten, verschimmeltes Essen serviert bekamen und neben Müllbergen wohnten, die nicht entsorgt wurden, von Infektionsschutz und Hygiene, selbst regelmäßig gereinigten sanitären Einrichtungen ganz zu schweigen. Vor allem wussten die Arbeiter*innen nicht, wie sie ohne ihren rechtmäßigen Lohn überhaupt nach Hause kommen sollten. Vielen drohte die Obdachlosigkeit.

    Um das Gespenst wilder Streiks von Wanderarbeiter*innen zu bannen, setzt die EU vor allem auf Soft Power.

Der Bornheimer Spargelstreik ist ein Lehrstück des industriellen und institutionellen Rassismus in Zeiten der EU-Osterweiterung, ebenso wie für plötzlich aufflammende, spontane Arbeiterproteste, die nach 120 Jahre alten syndikalistischen oder revolutionär-unionistischen Mustern verlaufen. Nur wenig unterschied das Szenario von historischen Streiks wie dem Free Speech Fight in Fresno, Kalifornien, im Jahr 1910. (2) Statt auf Seifenkisten zur Menge zu sprechen, wie es damals Joe Hill und Frank Little taten, sprechen die Wortführer*innen heute lautstark und empört in Handies, die das Geschehen auf Facebook, Youtube und Twitch in die Welt streamen.

Doch so schnell die Emotionen überborden und rumänische Wanderarbeiter*innen plötzlich schwarz-rote Fahnen schwenken, so schnell zerstreuen sich die Leute auch wieder und dies – so meine Befürchtung – ohne erkennbaren Nachhall oder organisatorische Verankerung. Eine Erkenntnis, die 1910 schon frustrierte. Um das Gespenst wilder Streiks von Wanderarbeiter*innen zu bannen, setzt die EU vor allem auf Soft Power. Entstehende Risse im Herzen der EU sollen heute möglichst schnell oder sogar präventiv gekittet werden – gerne auch durch ehemals linkes, »progressives« Personal, dessen Projekte der EU-Sozialfonds und gewerkschaftsnahe Fördertöpfe recht großzügig finanzieren. (3) Schon durch deren üppig bezahlte Stellen entsteht eine scharfe Trennung zwischen Betreuer*innen und Betreuten sowie zwischen Forscher*innen und Erforschten. Die Praxis dieser Projekte verschärft diese Grenze. Es geht nicht um gemeinsame Kämpfe, Mobilisierung, gar Aufruhr – also Grenzüberschreitung –, sondern um Einhegung und Einzelfallbetreuung durch Profis. Am Ende landet alles vor Arbeitsgerichten und manche Betroffene dürfen sich über finanzielle Trostpflaster freuen. Aber es ändert sich nichts.

Was wir für die Zukunft lernen könnten


Als juristischer Nachklapp der Ereignisse in Bornheim bleiben jetzt noch rund 150 bis 200 Einzelverfahren um ausstehenden Lohn. Die FAU prüft mit Anwalt Harald Klinke außerdem, ob der Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen kriminell handelte. Er hatte gemeinsam mit Andreas Willems (Adwin Consulting GmbH) per Video zunächst auch deutsche Erntehelfer*innen angeworben und ihnen einen Stundenlohn von 10 Euro in Aussicht gestellt. Seine massenhafte Anwerbung aus Rumänien – trotz Pleite – wirkt wie Betrug, die Unterbringung mindestens sittenwidrig.

Es bleiben zudem – kurz skizziert – folgende Lehren:

Erstens: In Deutschland existiert eine Schattenarmee, die wesentliche Teile der Produktion stemmt. Arbeiter*innen aus Osteuropa sind anzutreffen in den Bereichen Landwirtschaft, Fleisch-Industrie, Schiffbau (Meyer-Werft), Reinigung, häusliche Pflege, Bau-Industrie. Die Arbeits- und Wohnbedingungen dieser Menschen – meist Werkverträge, Leiharbeit, Saisonarbeit – sind weitgehend unbeachtet und unbekannt. Der industrielle Rassismus besteht vor allem in systematischer Ungleichbehandlung, Ausbeutung, Rechtsnihilismus und Vertuschung.

Zweitens: Wir dürften uns nicht durch liberale Multi-Kulti-PR täuschen lassen, die für Ausbeuter*innen wie den Schweine-Baron Clemens Tönnies und viele andere inzwischen zum guten Ton gehört. Der industrielle Rassismus hat nichts gegen Ausländer*innen, solange sie brav den Platz einnehmen, der für sie vorgesehen ist. Für die Masse sieht er einen Platz ganz unten in der Verwertungskette vor.

Drittens: Diese industrielle Schattenarmee und das verschämte Verschweigen ihrer Existenz – obwohl es eigentlich alle wissen (können) – hat ihre direkten Vorläufer in der Zwangsarbeit, die im 1. Weltkrieg begann und im 2. Weltkrieg perfektioniert wurde. Danach kamen die »Fremdarbeiter«, die zu »Gastarbeitern« wurden. Heute: Werkverträge, Leiharbeit, sachgrundlose Befristung. Das Verschweigen, Verdrängen, Ignorieren ist eine überlieferte Verhaltensweise.

Viertens: Die Grundlage des industriellen Rassismus ist die Zerstörung vormals intakter Regionen: de-industrialisierte, bankrotte, privatisierte und von Land-Grabbing betroffene EU-Regionen vor allem Bulgariens und Rumäniens. Viele Obdachlose und Bettler*innen in deutschen Städten dürften eine Vorgeschichte als Wanderarbeiter*innen haben, die vom System angesogen, ausgepresst und wieder ausgespuckt wurden. Da sie als EU-Staatsbürger*innen Freizügigkeit genießen, haben sie zwar einerseits ein Recht hier zu bleiben, genießen aber andererseits viel weniger Aufmerksamkeit und Sympathie als Geflüchtete.

Fünftens: Die Behörden greifen nicht ein. Sie sehen zu, auch wenn offensichtlich rechtswidriges Verhalten, Straftaten und sogar organisierte Kriminalität selbst für Laien schon erkennbar sind. Zudem sind wichtige Kontrollinstanzen systematisch unterversorgt mit Personal und Ressourcen. Die Folge sind Rechtsnihilismus, Straflosigkeit bis hin zu mafiösen Strukturen.

Sechstens: Die EU ist ein hoch aggressives Gebilde, kein fortschrittliches Projekt. Sie verschleiert ihren ausbeuterischen, rassistischen Charakter durch Methoden der Soft Power.

Und schließlich: Wo wohnen die Wanderarbeiter*innen? Der erste Schritt, um die Verhältnisse irgendwann verändern zu können, besteht im Sichtbarmachen – wie in Bornheim etwa durch die Lokalpresse geschehen. In Zukunft wären Eigenrecherche und Kartografierung vonnöten. Die Peripherie ist derzeit unerforscht: Ostwestfalen, Niederrhein, Bornheim und so weiter. Der Schritt muss dann sein: Kontaktaufnahme mit Hilfe von Muttersprachler*innen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Bornheimer Spargelstreik nur ein heller Moment in der Corona-Krise war, der durch das unwahrscheinliche Zusammentreffen günstiger Faktoren möglich wurde. Wünschenswert wäre das Gegenteil: Eine neue Welle sozialer Kämpfe in dieser Richtung. Lernen wir Rumänisch!

Elmar Wigand

Elmar Wigand ist Pressesprecher der aktion ./. arbeitsunrecht.

Anmerkungen:
1) Shell betreibt in Godorf und Wesseling die größten Raffinerieanlagen Deutschlands, gebaut noch unter dem NS-Fliegergeneral Hermann Göring. Auch viele Rohre sind noch aus dem Jahr 1941. Am 30.5.2012 gab Shell bekannt, dass zuvor etwa eine Million Liter Kerosin durch eine defekte Leitung in den Boden geströmt waren. Seit 2015 warnt die Stadt Köln die Bewohner*innen der südlichen Stadtteile Rondorf, Immendorf, Hahnwald, Poll und Porz davor, das Grundwasser zu trinken oder zum Pflanzengießen zu verwenden. Es ist mit PFC verseucht und gilt als krebserregend. Ursache: unklar.
2) Fresno war ein Zentrum der kalifornischen Landwirtschaft. Die IWW setzte das Recht der freien öffentlichen Rede ab 1910 im fruchtbaren San-Joaquin-Tal durch, um Erntearbeiter*innen agitieren zu können. Matthew S. May: Hobo Orator Union. The Free Speech Fights of the Industrial Workers of the World, 1909-1916 (PDF) (Ph.D). University of Minnesota 2009, S. 51 ff.
3) Besonders gerne tragen diese Projekte das Wort »Fair« im Namen: Faire Mobilität, IG Werkfairträge, Fair im Betrieb / Work watch.
https://wirkommen.akweb.de/politik/verschweigen-verdraengen-ignorieren/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatRechtsstreit nach Pleite in Bornheim
Alter Porsche von Ritter sorgt für Streit vor Gericht

Der Prozess um den Verkauf eines Sportwagens gibt Einblicke in die Autogeschäfte eines Bornheimer Landwirtes – auch wenn dieser gar nicht am Verfahren beteiligt ist.


Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen den Landwirt Claus Ritter wegen mutmaßlich illegalen ,,Fahrzeugfinanzierungsgeschäften". Ob es dabei auch um den folgenden Fall geht, ist unklar. Trotzdem wirft der Zivilprozess, der am Freitag am Landgericht Köln begann, ein Schlaglicht auf Ritters Machenschaften rund um teure Autos. In dem Prozess geht es nicht direkt um Ritter und dessen Bornheimer Erdbeer- und Spargelhof. Dieser steht seit März unter Insolvenzverwaltung.

Vielmehr beansprucht in dem Verfahren ein Unternehmen, das auf Leasing und Finanzierung von Luxusautos spezialisiert ist, das Eigentum an einem Porsche 964.

Die Situation bei Spargel Ritter

Der Bornheimer Spargel- und Erdbeerhof Ritter steht seit März dieses Jahres unter Insolvenzverwaltung. Mitte Mai demonstrierten überwiegend aus Rumänien stammende Saisonarbeiter gegen angeblich ausstehenden Lohn und schlechte Unterbringung. In Bonn marschierten sie zum rumänischen Konsulat. Aufs Feld nach Bornheim kam sogar die rumänische Arbeitsministerin. Daraufhin wurde die Ernte vorzeitig abgebrochen, Ritter bekam von Insolvenzverwalter Andreas Schulte-Beckhausen Hausverbot.

Indes ist Ritter nicht nur wegen mutmaßlich illegaler Finanzierung von Fahrzeug ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Nach Informationen von GA und WDR  ermittelt sie seit 2018 auch wegen Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug.

2016 hatte ein Zahnarzt den Porsche gekauft


Diesen hat ein Zahnarzt aus dem Rheinland 2016 für eine halbe Million Euro von Ritter gekauft. Laut dem Anwalt des Unternehmens, dessen Vorstandschef auch bei der Verhandlung anwesend war, sei Ritter allerdings gar nicht dazu berechtigt gewesen, das Auto zu verkaufen.
(...)
Ritter soll bis zu 86 Oldtimer besessen haben

Der Fall mit dem Porsche sei so, ,,als ob der Mieter eine Wohnung verkauft und dann dem Eigentümer sagt: Pech gehabt", sagte der Anwalt des Finanzdienstleisters vor Gericht. Merkwürdig sei zudem, dass der Zahnarzt das Auto in bar bezahlt habe. Insgesamt werde momentan nach insgesamt einem Dutzend verschwundener Autos gesucht, die Ritter finanziert habe. Deren Wert belaufe sich auf etwa 15 Millionen Euro – ,,konservativ geschätzt". ,,In der Spitze" sei Rittter Besitzer von 86 Oldtimern gewesen.

Damit der Zahnarzt den Porsche 964 – nach GA-Informationen Baujahr 1993 und damit übrigens noch kein Oldtimer – behalten darf, soll er nun nach dem Willen des Finanzdienstleisters 600 000 Euro zahlen.
(...)
https://www.general-anzeiger-bonn.de/region/voreifel-und-vorgebirge/spargel-ritter-rechtsstreit-um-porsche_aid-52016807

Kuddel

ZitatÄrger auf den Feldern
Proteste von Saisonarbeitskräften in Ladenburg

Saisonarbeitskräfte haben am Montag in Ladenburg ihrem Ärger über zu wenig Lohn Luft gemacht. Einige sagen, dass sie am Monatsende gerade Mal 150 Euro in der Tasche haben.


Es sind harte Vorwürfe, die von einigen Erntehelfern an der Bergstraße kommen. Der Hegehof - einer der größten Obst und Gemüsehöfe an der Bergstraße, zahle zu wenig. Dieter Hege weist das entschlossen zurück. Er bezahle den Mindestlohn von 9,35 Euro - genau das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Viele seiner Arbeiter seien damit zufrieden, sagte er dem SWR. Er sieht den Grund für den Streit in der aktuellen Situation.

Wer in dieser Saison aus Rumänien nach Deutschland kam, konnte das nur unter erschwerten Bedingungen. Üblicherweise würden Busfahrer die Erntehelfer bringen. Diese Fahrer würden als Vermittler eingesetzt, um den Arbeitern die Vorgehensweisen sowie die Bezahlungsmodalitäten zu erklären.

Vermittler für die Erntehelfer in der Kritik

In diesem Jahr kamen andere Erntehelfer per Flugzeug und auch die Vermittler waren andere. Diese fürchten nun den Zorn der Arbeiter. Eine Vermittlerin ist aus Angst mit ihrer Familie wieder unterwegs zurück nach Polen.

Die Arbeiter, die jetzt protestiert haben, sollen den regulären Stundenlohn bekommen haben. Wenn sie aber ihre Steuer-Identifikationsnummer nicht angegeben hatten, wurden sie in Steuerklasse 6 eingestuft, heißt es von Seiten des Hofes. Dann blieben ihnen 600 Euro im Monat. Davon wurden noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/ladenburg-aerger-um-erntehelfer-am-hegehof-100.html

Kuddel

Zitat Spargel- und Erdbeerernte
"Arbeitgeber wetten darauf, dass die Menschen sich nicht wehren"

Zehntausende Saisonarbeiter ernten jedes Jahr in Deutschland Spargel und Erdbeeren. Die Gewerkschafterin Catalina Guia betreut solche Menschen - sie erzählt von Angst und unhaltbaren Zuständen.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/saisonarbeiter-in-der-spargel-und-erdbeerernte-arbeitgeber-wetten-darauf-dass-die-menschen-sich-nicht-wehren-a-b1f82efa-0189-4159-b031-0f99998adb64

Kuddel

ZitatAuf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Mamming in Bayern haben sich mindestens 174 Erntehelfer mit dem Coronavirus infiziert. Das berichtete der Sender Antenne Bayern unter Berufung auf die Behörden im Landkreis Dingolfing-Landau.

Demnach sei der gesamte Betrieb unter Quarantäne gestellt worden und werde nunmehr von einem Sicherheitsdienst überwacht. Laut Antenne Bayern dürfen 480 Mitarbeiter und die Betriebsleitung das Gelände nicht verlassen.
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-07/pandemie-coronavirus-infektion-erntehelfer-bayern-quarantaene

Die Coronakrise macht's möglich, man interniert einfach 480 Arbeitsmigranten. In bester deutscher Tradition.

Fritz Linow

Zitat27.7.20
Video: Serie: Erntehelfer in der Krise
Erntehelfer aus Osteuropa sind nicht mehr aus der deutschen Landwirtschaft wegzudenken - so wie die zwei rumänischen Geschwister Simi und Ancuta. Sie wollen zurück nach Rumänien, warten aber verzweifelt auf ihren Lohn.
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/mittagsmagazin/videos/Serie-Erntehelfer-in-der-Krise-1-100.html

Kuddel

Ich hab mir das Video gerade angesehen. Ein Dokument der Erbärmlichkeit der deutschen Gewerkschaftsbewegung. In dem Beitrag ist die ganze Zeit die Rede von "Gewerkschaftern", als es real um Mitarbeiter von "Faire Mobilität" ging.

Von der Webseite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales
ZitatBei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration wurde zum 21. Mai 2016 die "Gleichbehandlungsstelle EU-Arbeitnehmer" eingerichtet. Ziel der Stelle ist es, EU-Arbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer sowie ihre Familienangehörigen in ihren Rechten zu unterstützen, die ihnen im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zustehen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert bereits seit dem 1. August 2011 das Beratungs- und Informationsprojekt "Faire Mobilität - Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv". Die Projektumsetzung haben der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und dessen Partner übernommen. Das kostenlose Angebot richtet sich an Arbeitskräfte aus anderen europäischen Ländern und hilft ihnen dabei, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Es findet irgendwie unter dem Dach des DGB statt und wird von der Bundesregtierung finanziert. Und wenn dan Extremausbeutung und Sklaverei aufgedeckt werden, reagiert man keineswegs mit gewerkschaftlichen Mitteln (Solidarität von Kollegen aus der Branche, Arbeitsniederlegungen, Demos, Blockaden), nein, man schlägt den juristischen Weg vor oder ruft gleich die Bullen. Gewerkschafter, die also nicht mehr auf den gewerkschaftlichen Kampf hoffen, sondern bestenfalls auf den Rechtsstaat.  Seufz.

Fritz Linow

Dass man da eher auf Behörden und Rechtskram setzt, ist nicht verwunderlich. Trotzdem bietet das Filmchen ganz interessante Einblicke, z.B. die aufgenommene Ansage des Chefs oder die eingeschüchterten Erntearbeiter, aber auch, dass es tatsächlich eine spontane Arbeitsniederlegung gab.
(Der herbeigerufene Zoll muss da schon länger dran seien, der kommt nicht mal so spontan auf Anruf der Faire-Mobilität-Leute. Die suchen übrigens gerade Leute: https://www.faire-mobilitaet.de/ueber-uns/++co++073548d4-cb0d-11ea-b61e-525400e5a74a )

Von gewerkschaftlichen Kämpfen ist man da, wie in anderen Bereichen auch, noch weit entfernt. Und Solidarität und Einheit zeigt der DGB ja auch immer nur dann, wenn er alle paar Jahre die Tarifverträge zur Leiharbeit unterzeichnet.

Wirkliche Überlegungen zu verschiedenen Kampfformen gibt es da wohl nicht, andererseits ist es ein wirklich schwieriger Bereich: Angst, Existenz, Mafiastrukturen, Abgeschiedenheit usw..

Für ein luschiges Mittagsmagazin war das jetzt nicht so schlecht. Scheint wohl eine Serie zu sein und das war erst der erste Teil.


Kuddel

ZitatInsolventer Landwirt aus Bornheim
Claus Ritter sitzt nach der Anhörung vor Gericht in Zwangshaft

Weil er auf zahlreiche offene Fragen des Insolvenzverwalters keine ausreichenden Antworten gegeben hat, sitzt Claus Ritter derzeit in Zwangshaft. Direkt nach einem Termin am Mittwochnachmittag sei der Spargelbauer aus Bornheim von Justizbediensteten in eine Arrestzelle und anschließend per Gerichtsbeschluss in die Justizvollzugsanstalt Köln gebracht worden.
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/bornheim/spargel-ritter-in-bornheim-claus-ritter-nach-gerichtstermin-in-zwangshaft_aid-52645541

Haha!

Fritz Linow

In Südengland hat wohl auch ein Streik auf einem Feld angefangen. Der Witz dabei ist unter anderem, dass einige Erntehelfer dabei sind, die vorher auch in Bornheim waren: https://twitter.com/BristolIWW

Oder: https://twitter.com/FAUGewerkschaft/status/1292789389693788161

Kuddel

ZitatVorwürfe gegen Gemüsehof in Bayern: 250-mal Corona, 6 Euro Stundenlohn

Gewerkschafter beschuldigen einen Gurkenbetrieb, rumänischen Erntehelfern nicht den Mindestlohn gezahlt zu haben. Ausweise habe er einbehalten.
https://taz.de/Vorwuerfe-gegen-Gemuesehof-in-Bayern/!5707029/

Kuddel

Es hat riesige Dimemsionen und es ist seit Jahren so.
Migrantische Erntehelfer werden in Deutschland ausgebeutet.

ZitatBayern: Zwischen 2000 und 2500 Erntehelfer werden in den nächsten Wochen in das Hopfenanbaugebiet Hallertau kommen
https://www.merkur.de/bayern/coronavirus-bayern-erntehelfer-hopfen-ernte-landwirte-gastarbeiter-sorge-polen-pfaffenhofen-hallertau-zr-90023473.html

Wo das jetzt endlich ein Thema ist...
Wie verhalten wir uns dazu? Was können wir tun?

Kuddel

ZitatTod einer Saisonarbeiterin

Ein Landwirt beutete in Bayern Arbeiter aus. 2018 starb eine Ukrainerin, nachdem sie über Schmerzen geklagt hatte und nicht behandelt wurde.


Nein, es war kein faires Arbeitsverhältnis zwischen Marianna J. und Alois Wagner, dem Chef des bayerischen Gemüsehofs, auf dem sich Ende Juli 250 ErntehelferInnen mit dem Coronavirus angesteckt haben: Die Arbeiterin aus der Ukraine sprach kein Wort Deutsch und schon gar nicht das breite niederbayerische Idiom Wagners, sie kannte ihre Rechte nicht, nach wenigen Monaten wollte sie wieder zurück in ihre Heimat.

Das sind beste Bedingungen für Gurkenbauer Wagner, um osteuropäische Beschäftige auf seinem Großbetrieb in Mamming auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. J. kostete Wagners Rücksichtslosigkeit aber nicht nur Geld und Respekt: Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten kostete die Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise sogar ihr Leben.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Lage der in normalen Jahren rund 300.000 Saisonarbeitskräfte etwa aus Rumänien, Polen oder Bulgarien in der deutschen Landwirtschaft.
(...)
Was sich aber Anfang Juli 2018 auf Wagners Hof ereignet hat, dürfte alle bisherigen Beschuldigungen übertreffen. ,,J. meldete Wagner über den Vorarbeiter mehrmals, dass es ihr schlecht ging, sie Schmerzen in der Brust und am Herzen hatte", sagte der taz ein Insider, der aus Angst vor Repressalien hier nicht genannt werden möchte. ,,Um sechs Uhr morgens musste sie trotz massiver Beschwerden auf das Feld zum Arbeiten."

Die KollegInnen hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen. ,,Herr und Frau Wagner sagten immer, dass ein Krankenwagen 1.500 Euro kostet und die Saisonarbeiter das aus der eigenen Tasche zahlen müssen." Erst nach ein paar Stunden Arbeit habe Alois Wagner die erkrankte Ukrainerin von einem Mitarbeiter in die Unterkunft fahren lassen. ,,Sie starb auf der Fahrt, die nur wenige Minuten dauerte." Auf der Sterbeurkunde, die der taz vorliegt, ist 8.30 Uhr als Zeitpunkt des Todes angegeben. Marianna J. wurde nur 34 Jahre alt.
(...)
https://taz.de/Arbeitsbedingungen-fuer-Erntehelfer/!5704243/

Fritz Linow

Zitat15.12.20
Der Aufstand von Bornheim

(das Feature. 16.12.2020. 20:42 Min..)

Wir sehen sie manchmal aus dem Zug oder Autofenster auf den Feldern: Erntehelferinnen und -helfer. Viel mehr, als dass sie aus Osteuropa kommen, wissen wir nicht. Jennifer Stange über ein lukratives Geschäft, für nur eine Seite.
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-das-feature/audio-der-aufstand-von-bornheim-100.html

Kuddel

ZitatBei Spargel Ritter war die Insolvenz nur der Anfang

Spargel spielt auch bei einem der größten ,,Vorgebirgs-Krimis" des Jahres eine Rolle: Der bekannte Bornheimer Anbaubetrieb Spargel Ritter musste Insolvenz anmelden. Nach der Nachricht im Februar lief der Betrieb zunächst mit einem Insolvenzverwalter relativ normal weiter. Im Mai wurden dann Berichte von massiven Missständen in den Unterkünften der Erntehelfer laut. Der Betrieb verweigerte der Gewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union den Zugang. Mehrfach demonstrierten Gewerkschafter und Erntehelfer gegen die schlechten Arbeitsbedingungen und fehlende Bezahlung. Das Generalkonsulat von Rumänien in Bonn wurde eingeschaltet, mehrere Dutzend Arbeiter klagten gegen den Betrieb.

Nach Ende der Ernte hatten am 25. Mai schließlich die letzten Helfer den Hof verlassen, um nach Rumänien zurückzukehren oder auf anderen Höfen zu arbeiten. Doch die Atempause war nur kurz: Ende des Monats wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Landwirt Claus Ritter ermittelt – wegen illegaler Geschäfte mit Fahrzeugen. Im August kam Ritter in Zwangshaft, weil er und seine Frau Sabine Ritter völlig unvorbereitet zu einer Anhörung am Bonner Insolvenzgericht erschienen waren.


In den Streit zwischen Erntehelfern und Spargel Ritter schaltete sich die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru (am Mikro) ein.

Anfang Dezember erhielt er in der Justizvollzugsanstalt Köln dauerhaften Besuch von seiner Frau: Als Mitinhaberin des Betriebs hatte das Insolvenzgericht damals auch sie in Zwangshaft gesteckt.
https://ga.de/region/voreifel-und-vorgebirge/meckenheim/so-war-das-jahr-2020-in-vorgebirge-und-voreifel_aid-55446653

ManOfConstantSorrow



Die Kämpfe der migrantischen Erntehelferinnen könnten grenzüberschreitend inspirierend wirken.

Spanien:
ZitatFrust, Wut und Kampfgeist – Fünf Tage Generalstreik in den Gemüseabpackhallen Almerías

Zum ersten Mal in der Geschichte des Sektors riefen die größten Gewerkschaften Spaniens UGT und CC.OO zum Generalstreik in den Obst- und Gemüseabpackhallen Almerías auf. Betroffen vom Streikaufruf waren 25.000 Arbeiter*innen – vor allem Frauen, vor allem Migrant*innen – in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen. Pro Tag verpacken diese Arbeiter*innen in großen sterilen Hallen im Akkord 12.000 Kilo Obst und Gemüse, das zu einem großen Teil in unseren Supermarktregalen landet. Die Arbeit ist monoton und schwer. ,,Viele, die über Jahre hinweg in der Branche tätig sind, leiden an chronischen Erkrankungen im Hals- und Wirbelsäulenbereich, einige von ihnen begleiten wir in ihrem langwierigen Kampf um Entschädigungen", erzählt der Gewerkschaftssprecher der SAT José Garcia Cuevas.

Die Arbeitsschichten können je nach Auftragslage zwischen vier bis zu 16 Stunden andauern. Die Arbeiter*innen müssen maximal flexibel sein. Fast niemand weiß genau im Vorhinein wie die Wochen- oder Monatsarbeitszeiten aussehen und wie viel sie am Schluss verdienen werden. Ana (53), spanische Abpackhallenarbeiterin und UGT Mitglied berichtet: ,,Die Zustände sind untragbar, obwohl wir ganz Europa Tag täglich mit frischem Gemüse versorgen haben wir kein Leben, wir können nicht planen, wann wir unsere Familien sehen und wie wir unsere Freizeit gestalten wollen." Die einzigen Lohnerhöhungen, die es in den vergangenen Jahren gab, richteten sich nach der Entwicklung des allgemeinen Mindestlohns in Spanien. Tariflöhne, wie sie landwirtschaftliche Sektoren in anderen spanischen Provinzen kennen, gibt es seit dem Auslaufen des letzten Tarifvertrags im Jahr 2018 nicht mehr. Noch prekärer erweist sich die Situation in den Gewächshäusern, wo der entsprechende Tarifvertrag 2015 auslief und in vielen Fällen nicht einmal der Mindestlohn ausbezahlt wird, in dem Lohnabrechnungen manipuliert werden.



Nur jede/r fünfte Beschäftigte verfügt über einen festen Arbeitsvertrag. Mindestens 80 % aller Beschäftigten leben in permanenter Furcht ihren Arbeitsplatz von heute auf morgen verlieren zu können und wechseln fast jedes Jahr von einem befristeten Beschäftigungsverhältnis ins Nächste. Der Arbeitsdruck in dem hochkompetitiven Sektor ist groß. Ana berichtet von regelmäßigen Schikanen am Arbeitsplatz. Toilettengänge werden kontrolliert. Vorarbeiter*innen brüllen und erniedrigen Angestellte. Auch sexualisierte und rassistische Kommentare gegenüber Arbeiter*innen sind an der traurigen Tagesordnung. José Garcia Cuevas von der SAT werden in regelmäßigen Abständen Audiomitschnitte von Arbeiter*innen zugespielt, die mit ihren Smartphones heimlich ihre Vorarbeiter*innen aufnehmen.

Nach zweijährigen erfolglosen Verhandlungen mit dem Unternehmerverband COEXPHAL entschlossen sich UGT und CC.OO die Beschäftigten des Sektors für den 23., 24., 26. und 28.12. zum Streik aufzurufen. Vertreter*innen der andalusischen Basisgewerkschaft SAT, die schon in der Vergangenheit die zögerliche und unternehmerfreundliche Haltung der großen Gewerkschaften kritisierten und auf öffentlichkeitswirksame Mobilisierungen setzen, rechneten mit Zugeständnissen von Seiten der UGT und CC.OO bevor es überhaupt zum Streik kommen würde, so wie es vormals im Jahr 2012 schon der Fall war.

Im Verlauf der aktuellen Verhandlungen schienen jedoch die Vorstellungen der Unternehmer*innen und die der verhandlungsführenden Gewerkschaften zu weit auseinander zu gehen. Die Arbeitgeber offerierten maximal einen Inflationsausgleich für eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren. Zusätzlich sollen die Arbeiter*innen unbezahlte Überstunden leisten, begründet mit Personalausfall durch Covid-19 Infektionen. Die Abpackhallen Arbeiterin Ana empfindet eben diese Forderung der Arbeitgeber als Frechheit: ,,Nicht nur, dass unsere Arbeitsbedingungen beschämend genug sind, jetzt sollen wir auch noch offiziell unbezahlte Überstunden leisten..., bei mir persönlich war das der Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Die im Gegenzug durch die Gewerkschaften aufgestellten Forderung von einer Lohnerhöhung von 2 % pro Jahr, die höhere Bezahlung von Überstunden (11 Euro für jede Stunde, die über der regulären Wochenarbeitszeit liegt), die Begrenzung der regulären Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden die Woche, die Festanstellung eines festen Prozentsatzes der Belegschaft und die Planbarkeit von Wochenarbeitszeiten wurden abgelehnt.



Der Stillstand am Verhandlungstisch gepaart mit der angestauten Wut der Arbeiter*innen führte letztendlich zum Streik. Auch die SAT und die anarchosyndikalistische CNT unterstützten trotz strategischer und inhaltlicher Differenzen den Streikaufruf der großen Gewerkschaften. Gleichzeitig wurden an allen fünf Tagen an den 30 größten Abpackhallen um Almería Streikposten errichtet. Insgesamt beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Personen am Streikgeschehen. Vertreter*innen aller Gewerkschaften beklagten illegale Versuche von Seiten der Unternehmerseite Arbeiter*innen den Gebrauch ihres Streikrechts zu unterbinden, in dem individuell Angestellte telefonisch unter Druck gesetzt und Streikbrecher*innen eingesetzt wurden. In Einzelfällen kam es sogar zu physischen Übergriffen. Ein Fall von einem Unternehmer, der eine Franco-Atemschutzmaske trug und einem Arbeiter die Kamera aus der Hand schlug erregte besonderes Aufsehen. Trotz der Einschüchterungsversuche konnte das Produktionsgeschehen an einigen Standorten gestört werden. Die mittelgroße Abpackhalle mit circa 300 Angestellten, in der Ana von der UGT arbeitet, wurde durch den Streik für fünf Tage komplett lahmgelegt. Dass sich dann die Unternehmer nach dem Streik erdreisten zu behaupten, der Streik habe keinen Einfluss auf das Produktionsgeschehen gehabt, bringt Ana zusätzlich in Rage.



Im Anschluss an den ersten Generalstreik des Obst- und Gemüsesektors in Almería, ziehen Vertreter*innen aller Gewerkschaften ein positives Fazit. Der symbolische und der öffentliche Druck auf die Unternehmer*innen sei groß. Die SAT, die im Vergleich eher auf direkte Konfrontation im Fall von Arbeitsrechtsverletzungen setzt, betont den Wert der Einheit aller Gewerkschaften bei den Streiks und fordert weitere Arbeitsniederlegungen sobald den Forderungen der Arbeiter*innen nicht nachgekommen wird. ,,Der Streik war ein magischer Moment, das Zusammenkommen mit meinen Kolleg*innen war ermutigend, es war mein erster Streik nach 15 Jahren Arbeit in der Abpackhalle", so Ana von der UGT.

Die Fronten am Verhandlungstisch sind weiterhin verhärtet. Dass die Arbeitgeber ihren Beschäftigten substantielle Zugeständnisse machen, erscheint unwahrscheinlich. Vor allem die SAT wird nicht müde zu betonen, dass auch ein Abschluss, die Unternehmerseite nicht daran hindern wird, tarifvertragliche Regelungen zu ignorieren, wie der weitverbreitete Lohnbetrug und die Ausstellung von falschen Arbeitsverträgen im Gewächshaussektor beweisen. Auch Ana ist nur vorsichtig zweckoptimistisch mit Blick auf die Zukunft: ,,Wir sind den Unternehmer*innen egal, auch der alte Tarifvertrag wurde nicht eingehalten, es wird getrickst und gelogen wo es nur geht, uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen weiter kämpfen."



Seit Jahren kritisieren Gewerkschaften, NGOs und Journalist*innen die prekären Arbeitsbedingungen in der südeuropäischen Landwirtschaft. Almería steht dabei immer wieder im Fokus. ,,Konsument*innen, die mächtigen Supermärkten und auch Zertifizierungsunternehmen wie Global Gap, Naturland, Demeter und co übernehmen keine Verantwortung für die Zustände am anderen Ende der Lieferkette. Supermärkte und Zertifizierer kontrollieren sporadisch vor Ort, jedoch sind die Kontrollen in den meisten Fällen befangen, sie finden selten auf neutralem Boden außerhalb des Unternehmens statt, Betroffene werden umgangen und in Konflikte involvierte Gewerkschaften werden nicht beachtet", so José Gracia Cuevas von der SAT. Zusammen mit anderen NGOs aus Nordeuropa wie dem Interbrigadas e.V. aus Berlin, dem Critical Cosumer Magazin aus Großbritannien und dem Europäischen Bürger*innen Forum aus der Schweiz versucht die SAT Supermärkte und Zertifizierer unter Druck zu setzten – mit leider nur bedingtem Erfolg: ,,Es müsste in den Abnehmerländern unserer Produkte einen viel größeren Aufschrei geben", so Cuevas weiter.

Die strukturellen Probleme wie Kettenbefristungen, Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzunsicherheit, geringe Entlohnung etc., die in der Region bestehen, scheinen den genannten Akteuren vollkommen egal zu sein. Eine öffentliche Positionierung wäre wünschenswert, eine dauerhafte, ernste Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften vor Ort wäre sinnvoll, wenn es darum geht den ethisch nachhaltigen Zielen und der eigenen harmonischen Außendarstellung gerecht zu werden und nicht nur der Steigerung eigener Verkaufszahlen.

Boris Bojilov – Interbrigadas e.V.
https://www.interbrigadas.org/frust-wut-und-kampfgeist-fuenf-tage-generalstreik-in-den-gemueseabpackhallen-almerias/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatMagischer Moment Generalstreik
Abpacker im spanischen Almería wehren sich gewerkschaftlich organisiert gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen


Der Aufruf zum Streik ging an 25 000 Arbeiter*innen. Vor allem Migrant*innen sind in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen in den Obst- und Gemüse-Abpackhallen in Almería tätig. Pro Tag verpacken sie in großen sterilen Hallen im Akkord 12 000 Kilo Obst und Gemüse. Die Arbeit ist monoton und schwer. »Viele, die über Jahre hinweg in der Branche tätig sind, leiden an chronischen Erkrankungen im Hals- und Wirbelsäulenbereich, einige von ihnen begleiten wir in ihrem langwierigen Kampf um Entschädigungen«, sagt der Sprecher der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SAT, José Garcia Cuevas.

Die Arbeitsschichten gehen je nach Auftragslage von vier bis 16 Stunden. Fast niemand weiß vorab, wie die Wochen- oder Monatsarbeitszeiten aussehen und wie viel sie am Schluss verdienen werden.
(...)
Insgesamt beteiligten sich zwischen 2000 und 3000 Personen am Streik. Trotz massiver Einschüchterungsversuche seitens der Bosse konnte die Produktion an einigen Standorten gestört werden. Im Anschluss an den ersten Generalstreik des Obst- und Gemüsesektors in Almería ziehen Vertreter*innen aller Gewerkschaften ein positives Fazit. »Der Streik war ein magischer Moment, das Zusammenkommen mit meinen sonst schüchternen und verängstigten Kollegen war ermutigend, es war mein erster Streik nach 15 Jahren Arbeit in der Abpackhalle«, so fasst Ana von der UGT ihre Streikerfahrung zusammen. Mit Blick auf die Zukunft sagt Ana: »Wir sind den Unternehmen egal, auch der alte Tarifvertrag wurde nicht eingehalten. Es wird getrickst und gelogen, wo es nur geht. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen weiter kämpfen.« (...)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1146792.spanien-magischer-moment-generalstreik.html

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