Nach Tod einer Erntehelferin in BayernErmittler*innen fragten nur ChefsAndere Kolleg*innen der Frau seien nicht vernommen worden, so Bayerns Justizministerium. Ein SPD-Politiker fordert, unterlassene Hilfeleistung zu prüfen.Die Ermittler*innen im Todesfall einer Erntehelferin eines bayerischen Gemüsehofs haben nur Vorgesetzte der Frau, keine einfachen Kolleg*innen befragt. „Im Rahmen der Ermittlungen wurden der Vorarbeiter, der Sohn des Betriebsinhabers und der Rettungsassistent, welcher mit der Reanimation der Erntehelferin auf dem Parkplatz des Klinikums befasst war, als Zeugen vernommen. Weitere Vernehmungen wurden nicht durchgeführt“, teilte das Justizministerium in München nun auf Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn mit.Sowohl der Vorarbeiter als auch der Sohn des Landwirts könnten ein Interesse daran haben, eine eventuell unterlassene Hilfeleistung für die Frau nach ihrem Herzinfarkt zu kaschieren. Der Vorarbeiter zum Beispiel wäre möglicherweise selbst verantwortlich, wenn er die Erntehelferin zu spät ins Krankenhaus gefahren hätte. Von Brunn nannte es „schockierend“, dass die Behörden dennoch nicht weiter ermitteln. (...)
Spargel Ritter aus Bornheim Claus Ritter aus Zwangshaft entlassen
Ausbeutung? Klöckner will Spargelstecher ohne Sozialversicherung schuften lassenBerlin - Es hagelt Kritik: Das Kabinett hat beschlossen, dass viele Saisonarbeiter künftig ohne Sozialversicherung auskommen müssen. Alles nur für billigen Spargel?Eine "wichtige Regelung" soll es sein, die uns während der Corona-Pandemie nicht vor leeren Gemüseregalen im Supermarkt stehen lässt: Julia Klöckner (48, CDU), Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung, will Saisonarbeiter künftig länger ohne Sozialversicherung arbeiten lassen.So sei sicher, "dass die Bevölkerung auch dieses Jahr trotz Corona gut mit heimischen Produkten versorgt ist", bekräftigte sie in einem Statement.Erst ab mehr als drei Monaten Arbeit sollen die Arbeiter eine Versicherung bekommen. Das Kabinett beschloss entsprechend, die Regelung von 70 Tagen auf 102 Tage auszuweiten.Es geht um ausländische Arbeiter, die gerade vor allem zur Spargelernte nach Deutschland kommen.Für die Bauern ist es besser, wenn diese länger in den Betrieben bleiben dürfen, ohne dass sie für ihre Beschäftigten jedoch Abgaben zahlen müssen.Welche und ob der Arbeiter aus dem Ausland eine Krankenversicherung bekommt, hängt also von seinem Chef ab: Für diesen reicht es aus, wenn er dem Ministerium rückmeldet, wie seine Saisonarbeiter versichert sind. So soll die "notwendige Versorgung im Krankheitsfall" gewährleistet sein. Das bedeutet, dass die Saisonarbeiter womöglich selbst für ihre Kranken-, Pflege- Renten- und Arbeitslosenversicherung aufkommen müssen.Nur Unfälle sind über den Arbeitgeber versichert.Kleiner Shitstorm im NetzSchon jetzt geriet das Landwirtschaftsministerium in einen kleinen Shitstorm, als es die Ergebnisse veröffentlichte.Die PARTEI veröffentlichte ein Meme mit dem Titel "Blutspargel aus Niedersachsen - Sterben für den guten Geschmack".Der Nutzer ELHOTZO schrieb, Deutsche würden ihren Spargel am liebsten mit einer "Prise ausgebeuteter Arbeitskräfte ohne Sozialversicherung" essen: "Traditionell, aber immer lecker."Schuften - und dann zurück ins HeimatlandEine andere Twitter-Nutzerin merkte sarkastisch an: "Das ist richtig geil, denn wenn die Erntehelfer später krank oder arbeitslos sind, dann sind es ja die Sozialsysteme der Heimatländer, die dafür aufkommen müssen." Das Landwirtschaftsministerium wehrte sich: Die Vorwürfe seien haltlos, die Bestimmungen würden nur vorübergehend gelten.Erntearbeiter aus Polen und Rumänien kommen gerade vor allem wegen der Spargelernte, die in den letzten Tagen angefangen hat. Spargelpreise sollen dieses Jahr laut der Berliner Morgenpost zwischen 15 und 20 Euro je Kilogramm liegen.Der Bundestag will nach Ostern über den Beschluss beraten.
Bonn: Einigung im Lohnstreit der Arbeiter*innen aus dem Bornheimer „Spargel-Streik“Wie die Gewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union Bonn auf Nachfrage in Erfahrung bringen konnte, ist es in dem Streit um Lohnnachzahlungen für über hundert rumänische Saisonarbeiter*innen des insolventen Spargelgutes Ritter zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen. Die Einigung wurde zwischen der juristischen Vertretung der Saisonarbeiter*innen, den Anwälten Harald Klinke und Stefan Hübner sowie der Insolvenzverwaltung der Klaus und Sabine Ritter GbR, dem Rechtsanwaltsbüro Schulte-Beckhausen und Bühs, erzielt. Beide Parteien haben sich zu Stillschweigen über den Inhalt der Einigung verpflichtet. Da aber bereits im Juli 2020 Verhandlungen über Lohnnachzahlungen von im Bereich von 100.000 Euro geführt wurden, ist davon auszugehen, dass die endgültige Einigung nicht niedriger als der damalige Streitwert ausgefallen ist.Die FAU Bonn zeigt sich zufrieden:„Die Saisonarbeiter*innen haben gezeigt, dass es sich lohnt für ihre Rechte zu kämpfen. Der unermüdliche Einsatz der Anwälte Harald Klinke und Stefan Hübner sowie das solidarische Miteinander der Arbeiter*innen, mit einer kämpferischen Basisgewerkschaft im Rücken, hat diesen Erfolg möglich gemacht. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um Saisonarbeit ohne Krankenversicherung in der Corona Pandemie zeigt dieses Ergebnis, dass Saisonarbeiter*innen nicht einfach wie rechtlose Leibeigene behandelt werden können.“, so Emilia Steinhausen, Aktivistin der FAU Bonn.Im Mai kam es auf dem unter Insolvenzverwaltung stehenden Spargelhof Ritter in Bornheim zu einem spektakulären Streik von über 200 Saisonarbeiter*innen. Grund für den Streik waren neben den ausstehenden Löhnen menschenunwürdige Zustände in den Unterkünften der Arbeiter*innen. Durch den Streik und öffentlichen Druck konnte bereits im Mai eine Teilauszahlung der Löhne durchgesetzt werden. Im Juli 2020 wurden dann Verhandlungen über Lohnnachzahlungen in Höhe von circa 100.000 Euro für mehr als hundert Saisonarbeiter*innen eingeleitet. Statt eine große Zahl an Einzelprozessen vor dem Arbeitsgericht Bonn zu führen, wurde die Auseinandersetzung in ein Vergleichsverfahren überführt. Dieses ist nun abgeschlossen.Die Klaus und Sabine Ritter GbR war im Zuge ihrer Insolvenz immer wieder Gegenstand von Skandalen. Dazu zählen unter anderem Lohnzurückhaltung, Sozialbetrug sowie schwere Arbeitsunfälle. Trotz des Erfolges in Bornheim ist die Lage vieler Saisonarbeiter*innen in Deutschland weiterhin prekär. Mangelnde Rechts- und Sprachkentnisse der Arbeiter*innen, sowie fehlende gewerkschaftliche Vertretung, werden oft von Unternehmer*innen ausgenutzt.
24.4.21Soll der deutsche Spargel jetzt zu Fischstäbchen verarbeitet werden? Was die Änderung des Seefischereigesetzes damit zu tun hat, günstige Erntehelfer noch günstiger importieren zu könnenAm 23. Februar 2021 wurde hier in dem Beitrag Bald werden sie wieder kommen sollen. Die Saisonarbeiter. Und erneut will man sie möglichst billig haben berichtet: »Die Grünen im Bundestag stemmen sich gegen Pläne von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die sozialversicherungsfreie Beschäftigung für Saisonarbeiter wie im vergangenen Jahr wieder auf 115 Tage auszuweiten.(...)
28.4.21Video: Corona: Mangelhafte Schutzmaßnahmen für Erntehelfern?Unzureichender Infektionsschutz, Unterbezahlung, restriktive Arbeitsbedingungen – so erlebten viele rumänische Erntehelfer den Erntesommer 2020. Und jetzt? Haben die Landwirte ein Jahr später ihre Lektion gelernt? Plusminus hat nachgefragt.
6.5.21Sicherheitsdienst kontrolliert bei Thiermann jetzt rund um die Uhr1011 getestete Mitarbeiter des Fruchthofs Thiermann im Kirchdorfer Ortsteil Scharringhausen(...) Wie funktioniert da „zusammen leben und zusammen arbeiten“ im Detail?(...)„Männer und Frauen sind getrennt untergebracht. Das mussten wir aufgrund der sanitären Anlagen so regeln“, erklärt Anke Meyer. Und: „Nein, die Ehepaare dürfen sich während ihres Aufenthaltes nicht sehen. So sind die Auflagen.“(...)Bußgeldverfahren gegen einzelne Erntehelfer nach Verstoß gegen Quarantäne(...)Was passiert mit Erntehelfern, die sich wiederholt über Vorgaben hinweg setzen? „Sie werden zunächst angemahnt. Und wenn es gar nicht geht, wissen sie, dass sie Sanktionen erwarten. Das haben wir bereits vor den Infektionen kommuniziert, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass sich alle an die Auflagen halten. Als letzte Konsequenz bleibt, dass die Person abreisen müsste“, erklärt Anke Meyer und ergänzt: Nein, das sei bisher noch nicht vorgekommen.
6.5.21(...)Pfarrer Kossen kritisiert "zweierlei Maß"Der katholische Sozialpfarrer und Menschenrechtler Peter Kossen hat angesichts des Massenaufbruchs auf dem Hof erneut deutliche Kritik an der Lebensmittelerzeugung in Deutschland geäußert. "Man kann den Eindruck haben, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird", sagte Kossen. Bei Menschen aus Ost- oder Südosteuropa gebe es weniger Sorgfalt. "Und das finde ich verwerflich", so der Sozialpfarrer. Kossen war bis zum vergangenen Jahr in Vechta in der Nähe von Diepholz tätig.
Nach Corona-Ausbruch auf Spargelhof: Raus nur noch zum Arbeiten Auf einem Hof des Spargelbauern Thiermann sind 130 Beschäftigte infiziert. Nun sind alle 1.000 Mitarbeiter*innen in Arbeitsquarantäne... . Der Spargelhof gehört zu den größten Deutschlands und beschäftigt etwa 1.000 Mitarbeiter*innen. 130 davon haben sich laut Gesundheitsamt Diepholz infiziert. ... .Für alle Mitarbeiter*innen von Thiermann gilt eine sogenannte Arbeitsquarantäne. Das Haus darf nur noch für den Weg zur Arbeit verlassen werden. „Zusammen arbeiten und zusammen leben“, nennt Meyer das Hygienekonzept.Die Firmenzentrale ist weiträumig umzäunt und abgesperrt. In den Hallen wird an acht großen Fließbändern die Ernte geputzt und sortiert. Das berichtet Barbara F., die dort mit etwa 80 anderen arbeitet, der taz am Telefon. Sie spricht Polnisch und will ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen. „Für die Gesundheit der Arbeiter*innen interessiert man sich wenig“, sagt sie. Pflichttests für alle Beschäftigten seien erst eingeführt worden, nachdem es mehreren Frauen schlecht ging und sie darum gebeten hätten, ... .Barbara F. glaubt, dass sich das Virus ausbreiten konnte, weil die Beschäftigten immer wieder in unterschiedlichen Abteilungen eingesetzt worden seien und es deshalb viele Kontakte gegeben habe. Für sie selbst könnte eine Infektion fatale Folgen haben, sagt sie. Wie mehrere ihrer Kolleg*innen habe sie keine Krankenversicherung.... .Inzwischen würden in den Hallen immer wieder Listen mit den Tageslöhnen ausgehängt. „Da stand ganz oft etwas um die 40 Euro pro Tag.“ ... .
25.5.21Georgischer Erntehelfer flieht: Pflücken wie die WeltmeisterZum ersten Mal arbeiten Saisonarbeiter*innen aus Georgien auf deutschen Feldern. Doch es gibt Protest gegen die Arbeitsbedingungen.(...)Jemal Chachanize ist mutig. Der 30-Jährige berichtete in einem Video über die schwierigen Arbeitsbedingungen, filmte andere Arbeiter*innen, vor allem auch seine Landsleute, in Containern und auf dem Feld. Dann schickte er die Filme georgischen Medien. In dem Video beschweren sich die Arbeiter*innen, vor allem Frauen, dass sie doppelt so viel arbeiten müssten, um zu dem Geld zu kommen, das ihnen versprochen worden sei. Sie zeigen regennasse Wände, von Schlägen durchlöcherte Türen und zerstörte Decken ihrer Wohncontainer.(...)
Wer pflückt die finnischen Beeren?Wie die Landwirte in Deutschland setzen auch finnische Beeren-Betriebe auf externe Erntehelfer. 90 Prozent der wilden finnischen Beeren würden von Ausländern gepflückt, so ein Unternehmer zu Svenska Yle. Die, die in den Wald gehen, um die Gaben der Natur einzusammeln, sind zuvor vor allem aus Thailand zum Arbeiten angereist.(...)Vergangenes Jahr wurde in Finnland ein Beeren- Unternehmer verurteilt, weil er seine thailändischen Erntehelfer unter sklavenartigen Bedingungen hielt. Dies hatten auch die thailändischen Behörden mitbekommen und deshalb 2018 deutlich weniger Arbeitskräfte für Finnland genehmigt. Sie rieten sogar von Finnland ab. Außerdem kritisierten sie grundsätzlich das finnische Erntehelfer-Modell, berichtet ein Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber Svenska Yle. In Finnland ist es üblich, dass die Arbeitskräfte mit Touristenvisum einreisen. Sie sind nicht angestellt wie beispielsweise in Schweden, sondern pflücken auf eigenes Risiko und müssen oft noch die Kosten für den Flug an ihre Vermittler zurückbezahlen. Unternehmer der Brache verweisen auf den Preisdruck durch billige Früchte aus Osteuropa oder Kanada.(...)