Geld

Begonnen von korruption-ohne-grenzen, 22:55:04 Di. 20.November 2007

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BakuRock

ZitatOriginal von unGeDuLdig
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Vor der Abschaffung des Eigentums, auf die die Abschaffung des Geldes hinausläuft, käme wohl zuerst seine Demokratisierung. Vor allem Wasser, Energie und Nahrung müssten dem Profitbereich entzogen werden, sodann Gesundheit und Transport. .......................

Moin,  :rolleyes: - was meinst du mit Demokratisierung?

Ich nehme mal an, dass damit die Verstaatlichung gemeint ist. Welche Regierung soll das denn wuppen, den Krupp und Bertelsma(e)nn´(a)erschen ihre Pfruende weg zu nehmen? Und wenn dann schon per Dekret, dann aber niemals ohne Entschaedigung - und die bezahlt wer......? - richtig! Wir wieder! Freiwillig ja nicht - aber polizeilich/militaerisch gezwungen. Da braucht die Regierung keinen Marschbefehl geben - das Geld wird´s richten..........

Also - Kohle wertlos machen durch alternatives (geldloses, bedarfsorientiertes, wertfreies) Wirtschaften. Selbstverwaltungen untereinander vernetzen und die Bedarfe an Guetern gegenseitig auflisten und moeglichst decken, bevor die naechste Regierung (Die Linke?/NPD?/KPD?/SPD?/KOALITIONEN aller Coleur?) zur Macht strebt und diese nicht mehr loslassen will.

Und sollten nicht alle benoetigten Gueter aus Selbstverwaltungen gedeckt werden koennen, dann koennte ArbeiterIN ja auch in den entsprechenden Betrieben mal die "Nieten im Nadelstreif" aus den Betrieben heraushalten und ohne sie weiter produzieren (siehe Nordhausen und Argentinien).

Das hat mit "Indianern im Urwald" nichts mehr zu tun - das ist die einzige Moeglichkeit fuer Menschen, gerecht und auf gleicher Augenhoehe miteinander zu ueberleben und "Gierkrallen" ab(aus)zusondern!!
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Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es für sie keine Hoffnung. .... A. Einstein

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Irrlichtprojektor

@handkey,
dazu müsste ich erst mal was lesen drüber um mir da en reim machen zu können. Wenn du hier en Link oder so etwas hast, wäre ich sehr dankbar. :)

@BackuRock
Ich verstehe als Gegenstück zur Demokratisierung die Privatisierung. Also beispielsweise Enteignung, Zerschlagung privater Energiekonzerne und Übergabe in kommunale Verwaltung. (aktuell unsere Energieriesen zb.)

gruß irrlicht

unGeDuLdig

@BakuRock

Verstaatlichung wäre unter Umständen ein Anfang, es kommt mir aber auf die Kontrolle der Kernfunktionen durch die Öffentlichkeit und nicht durch ein Ministerium an. Bahn und Post waren auch mal staatlich und dennoch dem Zugriff der Öffentlichkeit ebenso entzogen wie meinetwegen der Vorstandssitz bei Porsche. Wie sich das praktisch umsetzen lässt weiss ich nicht. In Bolivien gelang es über Proteste und Bürgerinitiativen, die Wasserversorgung nicht nur zu entprivatisieren, sondern unter die Kontrolle der Verbraucher zu bekommen. War bestimmt wahnsinnig mühsam und muss langfristig verteidigt werden.

Bei aller Sympathie für Alternativprojekte und Landkommunen sollte man sich aber mal die Bedürfnislage der Bevölkerung ansehen. Allein die Versorgung mit Nahrungsmitteln wird niemals mit weniger als hochindustrialisierter Landwirtschaft gelingen, es sei denn, man hält ein Paar Milliarden Menschen für überflüssig. Dezentralisierung und Entgiftung sind gewiss nötig, aber ganze Zivilisationen sind auf die Überschüsse der grünen Revolution angewiesen. Dein Anarchismus in allen Ehren, es wird nötig sein, im grössten Masstab ökonomisch zuverlässig zu planen, damit der Gruppenegoismus von Produzenten die Weltgeschichte nicht um einige Katastrophen mehr bereichert. Es läuft also auf Verwaltung hinaus, was für einen BakuRocker ziemlich nach Staat riecht. Sorry.

Nordhausen und die Fabrikbesetzer in Argentinien - wie kann einem da das Herz nicht aufgehen? Und trotzdem: Beide Beispiele fanden dort statt, wo der Bankrott schon zugeschlagen hatte. Die dort hergestellten Waren sind meistens nicht konkurrenzfähig und müssen im Absatz an das linke Gewissen appellieren. Die Nordhausener betonen ausdrücklich die Symbolhaftigkeit ihrer Aktion, in Argentinien gehen die ersten besetzten Fabriken wieder an die Börse. Sollten sie überleben wollen, werden sie sich "ohne Chef" dem Markt anpassen müssen, es sei denn, die Spendenbereitschaft hält ewig. Es hängt immer wieder an der Frage, ob man Waren oder Produkte herstellt, Gebrauchs- oder Tauschwert. Immerhin wird dort die richtige Frage gestellt (Lohnarbeit, Wert, usw.), die Antwort lässt zu wünschen übrig. Nochmals sorry.

@handkey

Danke! Wenigstens war ich nicht derjenige, der an die Geldkritik der Nazis erinnern musste. Den Hinweis auf die politische Ökonomie (Onkel Karl aus Trier) hast Du mir auch erspart, ohne die "die ganze ökonomische Scheisse", wie er es mal nannte, uns immer wieder aus dem materialistischen in idealistisches (an den selbstlosen Menschen appellierendes) Denken gleitet. Ich schliesse mich ferner Deiner Ablehnung der Zinskritik an, mit Hinweis auf die zinslosen kapitalistischen Gesellschaften des Nahen Ostens, wo der Koran jede Zinserhebung verbietet. Kein Armer wird durch diese Praxis satter, keine Ausbeutung wird aufgehoben. Aber - Allahu akbar! - man fühlt sich so rein und sauber.
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

handkey

ZitatAllein die Versorgung mit Nahrungsmitteln wird niemals mit weniger als hochindustrialisierter Landwirtschaft gelingen, es sei denn, man hält ein Paar Milliarden Menschen für überflüssig.

Dies jedoch halte ich für ein Gerücht, wenn Du das auf die hoffentlich kommenden Zeiten der Bedürfnisproduktion gemeint hast-

dezentrale , kommunal übersichtliche Lebensmittelherstellung ist durchaus drin,
bei heute möglicher Technik auch abseits hammerharter Schinderei, und gewiss ises einfacher
nimmst du die heutige Fremdbestimmung globaler Märkte, die entfesselte Gier der "Freihandelszonen" da raus - ergibt sich eine Produktion der vor Ort tatsächlich gebrauchten Nahrung aus der Logik der einfachen Art.
Die Zapatistischen Indigen@s mögen weiterhin mit dem Mexicnischen Staat und Paramilitärs Stress haben, ernähren können sie sich.
Bolivianische Kooperativen mögen uns durch ihren lecker Bio-Kakao bekannt sein- aber ohne den Weltmarkt im Nacken würden sie wohl auch anbauen, was die Leute da brauchen.
Daß Dürregebiete "Transferleistungen" weiterhin brauchen werden, ist ja dabei nicht die Frage.

Ansonsten halte ich es weiterhin für spannend, die polarisierung von vergesellschaftung einer- und verstaatlichung andererseits in der diskussion aufrecht zu halten.
Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger,
Versicherungsvertreter verkaufen Versicherungen,
warum sollten ausgerechnet Volks- oder Arbeitervertreter
aus der Art schlagen?

unGeDuLdig

Genau diese Transferleistungen für Dürregebiete sind doch das Problem. All die Modelle, die Du aufführst, neigen dazu, keinen Überschuss zu produzieren. Wozu auch? Sie ernähren oder bewirtschaften ja sich lokal selbst. Mehrstunden und Mehrarbeit für die, die nichts dafür zurückgeben können, und das auch noch aus ideologischer Überzeugung? Wenn das überhaupt gut geht, klappt es nur in der ersten Generation. Wenn es für die geleistete Mehrarbeit keine Gegenleistung gibt, wird sie irgendwann eingestellt, spätestens dann, wenn ein Kollektiv bei diesem Spiel ständig minus macht. Das ist natürlich sehr kleinlich und egoistisch von denen, aber was willst Du dagegen machen? Die Propagandalautsprecher etwas aufdrehen oder gleich irgendwelche Volksmilizen losschicken?

Wenn bei meinen Beispiel-Indianern im Urwald ein Jäger sich tagelang den Arsch aufgerissen hat, um einen Tapir zu erlegen, bringt er ihn ins Dorf zurück, wo er mit grossem Hallo begrüsst und gefeiert wird. Die Beute gehört ohne Diskussion allen, er bekommt nicht einmal das beste Stück. Als ein Paar Ethnologen so einen Jäger fragten, ob er nicht lieber den Tapir für sich behalten wolle, hat er sie verständnislos angesehen und gesagt, so etwas hätte er noch nie gehört (!) geschweige denn je gedacht (!!). Seine Entlohnung besteht in seinem Status, der Ehre, dem Stamm gedient zu haben und könnte sich auf dem sexuellen Spielfeld günstig auswirken. So funktioniert die Sache mit dem persönlichen Ehrgeiz im Urkommunismus. Wie bitteschön lässt sich das auf grössere Kollektive wie z.B. Schanghai mit seinen 25 Millionen Einwohnern anwenden? Warum sollte Ostafrika mit AIDS-Medikamenten versorgt werden, wenn es nur mit netten Postkarten antworten kann? Wenn die über uns zusammenschlagende Energiekrise gelöst werden soll, werden globale Investitionen in nie gekanntem Ausmass nötig sein. Bei Abschaffung des Geldes wären das Milliarden von Arbeitsstunden in Wissenschaft und Technik, die sich nicht in Nahrungsherstellung investieren. D.h. ganze Heerscharen müssten durch gewaltige Überschüsse freigestellt werden. Die letzten Experimente, von der Hippiekommune bis zur Sowjetunion sind nicht durch Überproduktion aufgefallen, wohl auch, weil sie nie kommunistisch genug waren.

Das Ende des Eigentums und der Warenproduktion führen nach Marx zu einer Entfesselung der Produktivkräfte. Die Rückkehr in die Dorfgemeinschaft hat er wohl nicht dabei vor Augen gehabt. Die geschichtliche Tendenz der Ökonomie geht vom Konkreten (Ziege, Gold) zum Abstrakten (Geld, Überweisung). Die nächste notwendige Stufe wird noch abstrakter und komplexer sein müssen als alles schon ist, so wie Zivilisation, Familie, Staat und Produktion immer abstrakter und komplexer geworden sind. Zu jeder sozialen Frage schalten sich immer mehr Faktoren und Positionen ein, was bei vielen, vor allem den momentanen Verlierern, zum Wunsch nach Rückkehr zum Konkreten, Einfachen führt, der schlimmstenfalls tatsächlich Richtung Pol Pot geht.

Der Trend schon im Kapitalismus geht eher dahin, dass jedes Staudammprojekt, jede Forschung von hunderten Interessegruppen beobachtet und belagert wird. Noch werden AKWs, Gentechnik, Umsiedlungen mit kapitalistischer Gewalt durchgesetzt, aber man kann jetzt schon den hohen Rechtfertigungsdruck sehen, den die Herrschenden bei - eigentlich schon vor - jedem ihrer Schritte spüren. Selbst der 3-Schluchten-Staudamm in China stösst auf erbitterten Widerstand und könnte dort so nicht noch einmal durchgesetzt werden.

Seltsam, ich wollte eigentlich nicht optimistisch werden, dafür sieht die Welt zu schrecklich aus. Aber ich habe mich unter grossen Schmerzen von der einen grossen Revolution verabschiedet, die fern am Horizont scheint, und dafür eine Unzahl von Revolutionen, Reformen und Rückschlägen gewonnen, von denen ich die erste gar nicht nennen könnte. 1917? 1789? 1776? -1280 (Das wäre Echn-Aton in Ägypten)? Wie auch immer, der Kapitalismus wird nicht an einem grossen Knall verrecken, wie er verdient hätte, sondern an tausend kleinen Nadelstichen, sehr oft kaum bemerkbar und unscheinbar. Doch ich will nicht mit rosa Zuckerwatte um mich werfen: Ebensosehr wie Religion und Nation dann ihr grosses Comeback hatten, als sie längst totgesagt waren, werden Eigentum und Profitmacherei jetzt, wo sie immer offenkundiger die Bedürfnisse der Menschen nicht befriedigen können, noch ein Paar Mal so richtig mit uns Schlitten fahren. Hauptsache Arbeit, wie die Wahlplakate sagen. Sinnentleerte ABMs und Internierungslager für HartzXXVII-Empfänger liegen in den Schubladen der Elendsverwaltung und harren ihrer Verwirklichung. Die ganze Hässlichkeit des Kapitalismus will bis zum bitteren Ende durchdekliniert werden.
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Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

handkey

nee, deine überlegungen fußen mir gerade zu sehr auf dem- zwar marxistisch hergeleiteten - aber dennoch Warencharakter von Zusammenleben- und überhaupt, was kümmert mich Kalle, was Mehrwert in einer Gesellschafft von überschaubaren einheiten mit bedürfnisproduktion?
Dadurch postulierst du sachzwänge, dass nicht sein kann, was praktisch doch anders geht, weil es ökonomisch=marktcharakteristisch betrachtet wird.

Muss jetzt leider schuften gehn, geh aber gerne noch auf n´paar Sachen ein, die mir aufgefallen sind wenn ich wiederkomme-
ist nur n´erster eindruck- bis später, hk
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warum sollten ausgerechnet Volks- oder Arbeitervertreter
aus der Art schlagen?

Nestor

Vielleicht hilft Euch dieser Text weiter - von GegenStandpunkt:

"Warum wir nicht mit einem "durchdachten planwirtschaftlichen Konzept" für den Kommunismus werben."

http://www.gegenstandpunkt.com/gs/04/1/lb-plan.htm

Nestor

ZitatOriginal von unGeDuLdig
Die ungeheuren Mengen an Wert, die sich heute an den Börsen ansammeln, sind zum grössten Teil virtuell, d.h. sie existieren nur als Information auf irgendwelchen Servern. Der gesellschaftliche Reichtum, mit dem spekuliert wird, kommt mehrheitlich niemals dazu, sich in greifbarem Reichtum zu verwirklichen. Man darf sich von den Rolls-Royce-Sammlungen und Luxusvillen arabischer Scheichs nicht blenden lassen: Die zur Schau getragenen Reichtümer sind immer nur ein winziger Bruchteil der Milliarden und Billionen, die sich im gesellschaftlichen Sinne nutzlos vor sich hin verzinsen und die Ausbeutung von unzähligen Menschen darstellen.

Die einzigen Gegenbeispiele sind die von urkommunistischen Kollektiven (Indianer im Urwald u.Ä.), die noch kein Eigentum entwickelt haben. Ich sehe diese Modelle ehrlich gesagt nicht für fähig an, die ungeheuerlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (Wasser, Energie, Nahrung) zu lösen, wo der industrialisierte Spätkapitalismus schon an seine Grenzen stösst.

Oben schreibst du zuerst wie reich die Welt doch ist - dann aber plötzlich wie arm sie ist und dass anscheinend sowas wie "Knappheit" herrscht.

unGeDuLdig

Die kapitalistische, sich dauernd revolutionierende Produktivität hat eine beispiellose Ansammlung von Wert und eine Flut von Gütern geschaffen, die zum ersten Mal in der Geschichte sowas wie Kommunismus (oder wie man es je nach Sekte lieber nennen möchte) ermöglichen. Sollte es gelingen, diese Produktivkräfte zu entfesseln, wie Onkel Karl es nennt, könnte das Leben von Milliarden Menschen qualitativ in die Höhe schnellen. Selbst ein gewisser Luxus für alle wäre herstellbar, der niemandes Leben fordert. So entsteht nämlich der aktuelle Luxus und auch die gesamte Produktion: Durch Ausbeutung.

Es bleibt aber das Problem, dass diese gewaltige Produktivität auf dem Rücken der Marktwirtschaft entstanden und durch sie aufrechterhalten ist und jeder Versuch, diese auszuhebeln und das Eigentum abzuschaffen (Sowjetunion, Spanien 1936), aus verschiedenen Gründen zu Schwarzhandel, Spekulation, Schieberei, Schlendrian und Knappheit geführt hat. Diese Gründe gilt es zu analysieren. Sind die Menschen einfach nur im alten Denken verhaftet gewesen? Waren die Revolutionen nicht radikal bzw. nicht demokratisch genug? Lag es am Zentralismus, der Parteikontrolle? Jede dieser Antworten hat etwas für sich und erfasst doch nicht das Ganze. Jetzt würde ich natürlich gern mit einer todschicken, postmarxistischen Universaltheorie rausrücken, wenn ich nur eine hätte! Ich weiss nur, dass die Frage gut ist.
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

Nestor

ZitatOriginal von unGeDuLdig
Es bleibt aber das Problem, dass diese gewaltige Produktivität auf dem Rücken der Marktwirtschaft entstanden und durch sie aufrechterhalten ist und jeder Versuch, diese auszuhebeln und das Eigentum abzuschaffen (Sowjetunion, Spanien 1936), aus verschiedenen Gründen zu Schwarzhandel, Spekulation, Schieberei, Schlendrian und Knappheit geführt hat.

Ich habe eigentlich noch wenig Wissen über Spanien 1936. Dort gab es den Anarchismus allerdings keine 3 Jahre wie ich früher mal gedacht habe. Es ist auch so, dass durch den Krieg und den stärkeren Feind alles schlimmer wurde als es sein sollte, und ich kann nicht genau sagen wo der Anarchismus aufhört, wo bürgerliche Regierung und wo der Faschismus, wann, beginnt.


Unsere Programm ist jedoch simpel: Sofortige Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten!
Ich wüsste nich was da dran schlecht sein sollte! Der Besitz geht dann (anders als bei der SU) nicht an irgendeine Partei/ZK, sondern direkt an die Leute bzw. Gewerkschaften. Das muss doch zu einer neun Wirschaftsform führen. Es ist völlig unwarscheinlich dass das keine Verbesserung bringt!

Nestor

ZitatOriginal von unGeDuLdig
Verstaatlichung wäre unter Umständen ein Anfang, es kommt mir aber auf die Kontrolle der Kernfunktionen durch die Öffentlichkeit und nicht durch ein Ministerium an.

Du benutzt das Wort "Verstaatlichung".
Was macht einen Staat aus? Es ist seine Polizei, denn ohne dieser kann er ja nur Rat geben, ist also schon kein Staat mehr. Eine Miliz ist keine Polizei, weil es keine Ränge gibt und wenn, jeder nur auf Räte hört.
Wir sind Anarchisten, weil wir grundsätzlich der Meinung sind, dass sich die Menschen besser selbst organisieren können, als durch irgendwelche Staatsanweisungen.

Nestor

ZitatOriginal von unGeDuLdig
Genau diese Transferleistungen für Dürregebiete sind doch das Problem. All die Modelle, die Du aufführst, neigen dazu, keinen Überschuss zu produzieren. Wozu auch? Sie ernähren oder bewirtschaften ja sich lokal selbst. Mehrstunden und Mehrarbeit für die, die nichts dafür zurückgeben können, und das auch noch aus ideologischer Überzeugung? Wenn das überhaupt gut geht, klappt es nur in der ersten Generation. Wenn es für die geleistete Mehrarbeit keine Gegenleistung gibt, wird sie irgendwann eingestellt, spätestens dann, wenn ein Kollektiv bei diesem Spiel ständig minus macht. Das ist natürlich sehr kleinlich und egoistisch von denen, aber was willst Du dagegen machen? Die Propagandalautsprecher etwas aufdrehen oder gleich irgendwelche Volksmilizen losschicken?

Warum sollte für die Mehrarbeit nichts zurückgegeben werden? Warum sollte ein Kollektiv ständig "minus" machen?
In der Tat wäre das egoistisch von denen, wenn sie die Versorgung einstellen würden. Dann müssten die Anderen eigene Leute zur Arbeit aufs Land schicken - das würde vielleicht dumm aussehen.

BakuRock

ZitatOriginal von unGeDuLdig
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 Mehrstunden und Mehrarbeit für die, die nichts dafür zurückgeben können, und das auch noch aus ideologischer Überzeugung?
..................................
Das ist natürlich sehr kleinlich und egoistisch von denen, aber was willst Du dagegen machen? Die Propagandalautsprecher etwas aufdrehen oder gleich irgendwelche Volksmilizen losschicken?(*)

Wir werden uns wohl damit abfinden muessen, dass es immer mehr Duerregebiete geben wird, und somit auch die Lebensmittel immer knapper werden. Aus welchen Gruenden auch immer.
Aber warum sollten die, die solidarisch unterstuetzt werden, nichts zurueckgeben koennen? Sie koennten Leute dorthin schicken, von wo aus solidarisch unterstuetzt wird, und koennten den "Ueberschuss" produzieren der notwendig ist um ihren Bedarf zu decken. Das ist keine Ideologie, sondern "bedarfsgerechtes Produzieren".

Zum letzten Satz (*): Wir lehnen jegliche Machtausuebung und jegliche Respektierung von Machtausuebung ab!

ZitatOriginal von Nestor
Warum sollte für die Mehrarbeit nichts zurückgegeben werden? Warum sollte ein Kollektiv ständig "minus" machen?
In der Tat wäre das egoistisch von denen, wenn sie die Versorgung einstellen würden. Dann müssten die Anderen eigene Leute zur Arbeit aufs Land schicken - das würde vielleicht dumm aussehen.

 :rolleyes:  LOL
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unGeDuLdig

Wenn Anarchisten ins Detail gehen müssen, wie die Verteilung von Gütern, der Schutz von Leistungs- und sonstwie Schwächeren und die Organisation der notwendigen Arbeit bewerkstelligt werden sollen, kommen sie der Staatsidee ziemlich nahe. Wenn die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nicht in einer Plünderung enden soll, die den Reichtum zusammen mit der Macht in die Hände bewaffneter Banden gibt, müssen allgemeine, öffentliche und basisdemokratische Vorkehrungen getroffen werden, wie es z.T. in Spanien geschah. Ob sich das Ganze dann Staat oder Komitee oder Plenum schimpft, ist dabei nicht so wichtig. Plünderer, Gangster und Spekulanten stehen bei jeder gesellschaftlichen Umwälzung Gewehr bei Fuss, um das spanische Modell in das somalische zu verwandeln. So geschah es schon in der französischen Revolution, wo die Adligen jahrelang Riesenvorräte an Getreide vernichteten, die Bäcker und Metzger die Waren aus den Läden verschwinden liessen und Spione ständig Militärgeheimnisse an das feindliche Ausland verrieten. Jetzt erklärt mir mal, wie man eine schöne anarchistische Antwort darauf findet.

Auch in Spanien wurden Plünderer und Deserteure erschossen, von der anarchistischen CNT. Vielleicht mit schlechtem anarchistischem Gewissen wg. Repression und so, aber die Alternative wäre das sofortige Ende gewesen. Und was tun mit Bauern, die in der Hoffnung auf steigende Preise ihre Ernte verstecken? Eigentlich wollten wir ja das Geld abschaffen, oder? Nur dumm, dass Spekulation und Tauschhandel sich nicht per Dekret abschaffen lassen.

Und ja, es wird immer Individuen und Kollektive geben, die der Gemeinschaft weniger geben können, als sie empfangen, zumal die Ressource Wasser immer knapper wird. Wenn es keinen Staat gibt, haben sie nicht mal ein einklagbares Recht (keine Gerichte) auf Versorgung. Der nächste Plenumsbeschluss ihrer Versorger könnte sowohl Lieferung als Immigration verweigern. An dieser Stelle höre ich von Anarchisten oft was von revolutionärer Moral, was sich wacklig anhört und mehr ein Appell an den good will der Massen ist, auf den ich mich nicht verlassen möchte. Und was kann man schon gegen Fehlverhalten tun, wenn es keine Repressionsorgane mehr gibt? Und wer entscheidet, gegen wen vorgegangen werden muss?

Wenn man also die Fehler des Staatskommunismus vermeiden will, der diese Probleme durch katastrophale Zwangsmassnahmen zu lösen suchte, und trotzdem eine Humanisierung der Ökonomie anstrebt, steht man vor einem Haufen bisher unlösbarer Probleme. Wenn jedes Kollektiv dort, wo es ist, einfach macht, was es will, fallen die Umweltbestimmungen, Wald- und Tierschutz, Abwasserregelungen und all das, was Staaten beschlossen haben und bis heute kaum umsetzen, ganz unter den Tisch. Es sei denn, es gibt eine lokale und globale Vereinbarung, die für alle verbindlich ist und durchgesetzt und verteidigt wird.

Rücksicht und Solidarität sind Kulturtechniken, die als Ideen und Taten errungen werden müssen und mit Aufwand verbunden sind. Die Organisierung dieses Aufwandes muss nicht zentralistisch, aber rational und demokratisch sein. Es mag sich nicht Staat nennen, aber es entwickelt doch die nötigen Instrumente, die schnell Einzelnen grosse Macht verleihen können - so auch in Spanien 1936, wenn auch nicht so extrem wie in Russland.

Zuletzt will ich noch darauf hinweisen, dass es geschichtlich immer mehr Verwaltung, immer mehr gegenseitige Kontrolle in der Gesellschaft, immer mehr Vermittlung zwischen individueller Freiheit und kollektivem Interesse gibt. Wenn ich dieses Prinzip auf die Zukunft optimistisch projiziere, dann sehe ich eine unvorstellbar komplexe und partizipatorische Demokratie, die bei jedem Schritt ihre eigene Opposition mitdenkt. Pessimistisch projiziert, ist ein globaler Ameisenstaat denkbar, in dem das Kollektiv bis hin zur Auflösung des Individuums geht bzw. seiner Massenfertigung und wo es nichts mehr gibt als Zwang und Impuls, wie in einem sterbenden Gehirn.

Das ist so gruselig, dass ich jetzt in mein Bett krieche...
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Du_bist_Deutschland_88

ZitatOriginal von unGeDuLdig
@BakuRock

Verstaatlichung wäre unter Umständen ein Anfang, es kommt mir aber auf die Kontrolle der Kernfunktionen durch die Öffentlichkeit und nicht durch ein Ministerium an. Bahn und Post waren auch mal staatlich und dennoch dem Zugriff der Öffentlichkeit ebenso entzogen wie meinetwegen der Vorstandssitz bei Porsche. Wie sich das praktisch umsetzen lässt weiss ich nicht. In Bolivien gelang es über Proteste und Bürgerinitiativen, die Wasserversorgung nicht nur zu entprivatisieren, sondern unter die Kontrolle der Verbraucher zu bekommen. War bestimmt wahnsinnig mühsam und muss langfristig verteidigt werden.

Bei aller Sympathie für Alternativprojekte und Landkommunen sollte man sich aber mal die Bedürfnislage der Bevölkerung ansehen. Allein die Versorgung mit Nahrungsmitteln wird niemals mit weniger als hochindustrialisierter Landwirtschaft gelingen, es sei denn, man hält ein Paar Milliarden Menschen für überflüssig. Dezentralisierung und Entgiftung sind gewiss nötig, aber ganze Zivilisationen sind auf die Überschüsse der grünen Revolution angewiesen. Dein Anarchismus in allen Ehren, es wird nötig sein, im grössten Masstab ökonomisch zuverlässig zu planen, damit der Gruppenegoismus von Produzenten die Weltgeschichte nicht um einige Katastrophen mehr bereichert. Es läuft also auf Verwaltung hinaus, was für einen BakuRocker ziemlich nach Staat riecht. Sorry.

Nordhausen und die Fabrikbesetzer in Argentinien - wie kann einem da das Herz nicht aufgehen? Und trotzdem: Beide Beispiele fanden dort statt, wo der Bankrott schon zugeschlagen hatte. Die dort hergestellten Waren sind meistens nicht konkurrenzfähig und müssen im Absatz an das linke Gewissen appellieren. Die Nordhausener betonen ausdrücklich die Symbolhaftigkeit ihrer Aktion, in Argentinien gehen die ersten besetzten Fabriken wieder an die Börse. Sollten sie überleben wollen, werden sie sich "ohne Chef" dem Markt anpassen müssen, es sei denn, die Spendenbereitschaft hält ewig. Es hängt immer wieder an der Frage, ob man Waren oder Produkte herstellt, Gebrauchs- oder Tauschwert. Immerhin wird dort die richtige Frage gestellt (Lohnarbeit, Wert, usw.), die Antwort lässt zu wünschen übrig. Nochmals sorry.

@handkey

Danke! Wenigstens war ich nicht derjenige, der an die Geldkritik der Nazis erinnern musste. Den Hinweis auf die politische Ökonomie (Onkel Karl aus Trier) hast Du mir auch erspart, ohne die "die ganze ökonomische Scheisse", wie er es mal nannte, uns immer wieder aus dem materialistischen in idealistisches (an den selbstlosen Menschen appellierendes) Denken gleitet. Ich schliesse mich ferner Deiner Ablehnung der Zinskritik an, mit Hinweis auf die zinslosen kapitalistischen Gesellschaften des Nahen Ostens, wo der Koran jede Zinserhebung verbietet. Kein Armer wird durch diese Praxis satter, keine Ausbeutung wird aufgehoben. Aber - Allahu akbar! - man fühlt sich so rein und sauber.

Von wegen!

Zitat:
Gleich mehrfach hat der Prophet Mohammed vor 1400 Jahren "Riba" in Grund und Boden verdammt. "Die Menschen damals waren sehr arm. Sie borgten sich von Geldverleihern Geld für den Konsum, also das tägliche Überleben. Durch hohe Zinsen wurde aber ihre Armut noch verschärft"

und:

Um es frommen Muslimen zu ermöglichen keine Zinsen zahlen zu müssen, hat sich eine islamische Finanzindustrie entwickelt, die geschätzte 150 Milliarden verwaltet!

aber:

Islamische Staaten wie Iran, Pakistan oder Sudan zahlen selbstverständlich Zinsen, es wurde gesagt: "Ihr bekommt keine Zinsen, sondern Gewinnanteile."
Nichts ist wie es scheint!

unGeDuLdig

Wie ich schon sagte: Das Zinsverbot des Korans hat dem Kapitalismus nichts von seiner Schärfe genommen. Es finden sich immer Wege, es zu umgehen, z.B. mit "Geschätsbeteiligungen". Die islamischen Kreditanstalten investieren und spekulieren genauso wie ihre westlichen Kollegen.
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

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handkey

ZitatWenn Anarchisten ins Detail gehen müssen, wie die Verteilung von Gütern, der Schutz von Leistungs- und sonstwie Schwächeren und die Organisation der notwendigen Arbeit bewerkstelligt werden sollen, kommen sie der Staatsidee ziemlich nahe.

Eben nicht der Staatsidee- Föderationen von Dörfern.Kooperativen, Kollektiven usw haben eben NICHT den zentralen Apparat der das selbstherrliche Gewaltmonopol für sich beansprucht- Du solltest da schon genauer lesen, was die freie Vereinbarung von Freien bedeutet- jedweder der da versucht, Macht auf sich zu konzentrieren, wird aus der Mandatsebene zurückgerufen, weil die Menschen vor Ort selbst entscheiden, wenn es an der Macht nichts zu halten und nichts zu verdienen gibt, ist sie auch nicht mehr attraktiv- Machtgebaren wird dann zu recht ausgelacht, und daß sich jahrhunderte lang Bestohlene nicht von Plünderern ins Boxhorn jagen lassen, wenn sie selbstbestimmt miteinander leben können, ist ja wohl nur fair enough gewesen, auch in Spanien.-

ZitatUnd ja, es wird immer Individuen und Kollektive geben, die der Gemeinschaft weniger geben können, als sie empfangen, zumal die Ressource Wasser immer knapper wird.
Ja und? wenn doch zusammen genug für alle da ist?
Die Gier nach noch mehr als genug wird sich dann nicht mehr lohnen.

Deine weiteren Einlassungen sind da nicht zwangsläufig die Zukunft- impliziern sie doch, daß "der Mensch" dumm ist und bleibt, daher geführt und regiert werden muss.
Das einzig wirklich Großartige an der spanischen Erfahrung war der Elan aller, die Lebensfreude im "kurzen Sommer der Anarchie", die Kraft der Leute zusammen, die Erfahrung, daß man keinen "besseren" Menschen braucht, um ein besseres Leben zusammen aufzubauen- es hatte deshalb keine Chance, weil es von allen Mächtigen, auch Stalin und co,  hintertrieben wurde, da nicht sein kann, was nicht sein darf- erst mal wieder mit Politkommissaren konfrontiert, die so brutal vorgingen, wie von der Guardia Civil schon bekannt, hätte ich auch den Mut verloren. So müssen wir heute eben wachsamer, konsequenter und da wo´s losgeht auch viel mehr werden. Todo para todos- nada para nosotros.
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unGeDuLdig

@handkey

Ich fürchte, dass Dein Föderationsmodell über kurz oder lang Staatlichkeit entwickeln würde. Die Erfahrung anarchistischer Experimente hat gezeigt, dass Kollektive Sprecher wählen und Delegierte entsenden müssen. Durch einen Prozess der sozialen Auslese setzen sich dabei charismatische, geschickte und konsensfähige Personen durch, die allein durch ihr besonderes Engagement Autorität und Vertrauen besitzen. Dein Ansatz wäre wohl, diese Leute durch die Kritik und das imperative Mandat in Schach zu halten und notfalls zurückzupfeifen. Gemein gesagt, müsste ich daraus schliessen, dass Du real existierende Anarcho-Strukturen mit ihren Platzhirschen nie kennengelernt hast. Macht ist immer attraktiv, denn sie verleiht dem Ausübenden zusätzliche Kräfte und - muss ich es sagen? - sex appeal. Jeder, der schon mal einen donnernden Applaus bekommen hat, weiss, wovon ich rede. Diese Ökonomie der Gefühle verschwindet auch nicht mit dem Kapitalismus, der Mensch will am besten masslos geliebt werden.

Die menschlichen Kollektive kämpfen mit diesem Phänomen seit der Steinzeit und haben die kompliziertesten Machtbalancen ausgeklügelt, damit nicht Einzelne die Herrschaft an sich reissen. Das Volk Israel weigerte sich lange, einen König anzunehmen:

ZitatIn jenen Tagen war kein König in Israel. Jeder tat, was recht war in seinen Augen. (Richter, Kap. 17, Vers 6)

Als die Israeliten auf einen König wie die anderen Nationen bestanden, warnte sie der Prophet Samuel, dass dieser sie beherrschen und ausbeuten würde und Gott ihnen dann nicht helfen würde. Doch die Furcht vor den Feinden und der Wunsch nach einem Führer war stärker, und Israel fiel in die Hände schlimmer Dynastien, die am Ende alles verloren.

Die alten Griechen fürchteten die Monarchie und konnten Alexander nicht verhindern, ebenso wenig die Römer, die bis zuletzt einen König in den Gesetzen des Senats verboten - Cäsar und Augustus waren dennoch nicht aufzuhalten.

Die französische Revolution versuchte, mit der Guillotine die Monarchie auszurotten und setzte Napoléon als Kaiser ein. Die Oktoberrevolution machte der ganzen Romanow-Familie den Garaus und spülte Lenin und Stalin an die Macht.

Es ist nicht so, dass diese historischen Revolutionäre und Republikaner sich der Gefahr neuer Machtkonzentration nicht bewusst gewesen wären, es wurden immer zahlreiche Kontrollmechanismen entwickelt, um einen Cäsar, Napoléon, Stalin zu verhindern. Doch die Leute werden es müde, dass Entscheidungen nicht zustandekommen, weil kein Konsens erreicht wird, fürchten sich vor der Gefahr, die von der Reaktion ausgeht, verlieren die Geduld, wenn das zu behandelnde Thema immer komplizierter wird und schliesslich - selbst in Spanien war es so - lassen sie es die Platzhirsche, Ehrgeizlinge und Volkstribunen unter sich aushandeln. Ich habe viele Plena besucht, wo am Ende drei, vier Leute vor einer erschöpften und passiven Menge das Wort führen. Immer noch besser als ein Parlamet mit Bannmeile, aber fern vom "todo para tod@s"-Ideal. Ich erinnere daran, dass z.B. Joschka Fischer in so einem Milieu hochkam.

Heisst das, dass der Mensch dumm ist und geführt werden will? Ja, manchmal. Ja, unter Umständen. Die Frage ist: Wie kann diese Tendenz nachhaltig verhindert werden? Selbst die beschissene Demokratie bietet grosse Spielräume für Bewegungen und Initiativen. Doch die Leute sind manchmal zu faul, um auch nur die Nachrichten zu sehen, geschweige denn, sich zu engagieren. Mir ist klar, dass es auch Repression und Resignation gibt. Aber das allein erklärt nicht das Ausmass an Desinteresse und Egoismus. Wenn dieser Faktor nicht berücksichtigt wird, verlieren kühne Träume ihre Höhe und kippen ins Autoritäre um. Ich habe es selbst gesehen, und die Geschichte bezeugt es.

Scheisse, ist das lang! Nicht schimpfen, ich wollte wirklich keinen Roman schreiben!
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

BakuRock

ZitatOriginal von unGeDuLdig
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Doch die Leute sind manchmal zu faul, um auch nur die Nachrichten zu sehen, geschweige denn, sich zu engagieren. Mir ist klar, dass es auch Repression und Resignation gibt. Aber das allein erklärt nicht das Ausmass an Desinteresse und Egoismus. Wenn dieser Faktor nicht berücksichtigt wird, verlieren kühne Träume ihre Höhe und kippen ins Autoritäre um. Ich habe es selbst gesehen, und die Geschichte bezeugt es.
Scheisse, ist das lang! Nicht schimpfen, ich wollte wirklich keinen Roman schreiben!

Moin, es ist interessant, und deshalb auch nicht (zu) lang  ;)

Da spielen wohl mehrere Faktoren zusammen - Resignation, Repression und Egoismus. Zum Desinteresse und zur (vielleicht auch) Faulheit behaupte ich mal, dass zur Ueberwindung dieser beiden Faktoren die naturgegebenen Notwendigkeiten fehlen. Will sagen: Wenn das Bewusstsein bei den Menschen unserer Zivilisation noch da waere verhungern zu muessen, wenn mensch sich nicht selbst bewegt, dann wuerde es dieses Desinteresse an der gemeinsamen "Jagd" auch nicht geben.

Es scheint mir ein Kommunikationsproblem zu geben, diese Erkenntnis im uebertragenen Sinn auf unsere Probleme zu projezieren - oder anders gesagt: Die Ernsthaftigkeit und die tatsaechliche persoenliche Betroffenheit eines jeden Einzelnen, z.B. in 20 Jahren versklavt zu sein, als tatsaechlich vorhandene Gefahr glaubwuerdig darzustellen. Und, darueber hinaus klar zu stellen, dass, wer sich nicht bewegt, versklavt wird. Also niemensch fuer ihn/sie die Kartoffeln aus dem Feuer holt.

Soweit mal ...........
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Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, gibt es für sie keine Hoffnung. .... A. Einstein

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unGeDuLdig

@BakuRock

Bewusstsein ist hier das Schlüsselwort. Was verhindert in unserer Gesellschaft, dass die verschiedenen Interessen i.d.R. nicht zu Mord und Totschlag führen? Der dünne Mantel der Zivilisation, der über uns Ex-Höhlenbewohnern hängt und den wir mit unendlicher Mühe, unaussprechlichem Leiden und entsetzlichen Fehlern erworben haben. Dieser dünne Mantel verhüllt nur unzureichend unsere Natur, die zwar nicht ausschliesslich, aber auch mörderisch und kannibalisch ist.

Die ältesten Legenden der Menschheit erzählen von halbtierischen Menschen, Riesen und Ungeheuern. Darin steckt die kollektive Erinnerung an die Tiere, die wir mal waren. Viele altertümliche Sagen drehen sich auch darum, dass Menschen in Tiere zurückverwandelt werden können. Das drückt die berechtigte Angst aus, dass der mühsame Zivilisationsprozess mit einem Schlag rückgängig gemacht werden kann. Der Mensch hat sich Schlimmes antun müssen, um zum Menschen zu werden und kann diese Qualität immer wieder verlieren.

Die Zivilisation hemmt manche unserer Instinkte, was von vielen als Unterdrückung empfunden wird. Es gibt in jeder Zivilisation Rituale, gesicherte Räume, in denen manche dieser Hemmungen ohne Sanktion für eine Zeit abgelegt werden können - Fussballstadien, Bordelle, Karneval, Rockkonzerte, Kriege. Wenn die Grenze zwischen den gehemmten und enthemmten Zonen falsch gezogen ist, schwappt das Chaos in die Zivilisation oder die Orte der Extase werden zu sehr reglementiert, um ein Ventil zu schaffen. Tendenziell werden die Orte echter Enthemmung immer knapper, Stadien und Bordelle und selbst Kriege sind keine reinen Zonen der Gesetzlosigkeit mehr. Gleichzeitig besteht immer die Gefahr, dass die allervernünftigsten Einrichtungen der Gesellschaft vom Wahnsinn gekapert werden.

Man kann diese Tendenz nicht abstellen. In einer libertären Gesellschaft könnte nur auf die äussere Repression und den Zwang verzichtet werden, wenn sie durch ein hochstehendes individuelles und kollektives Bewusstsein ersetzt würde. Die Anstrengung, die dazu gemeinsam nötig wäre, würde jede noch so kühne Bildungsreform des bürgerlichen Staates in den Schatten stellen. Die Selbstumerziehung der Menschheit müsste planvoll und doch dezentral, radikal und doch demokratisch sein. Die schrecklichen Kämpfe und Anstrengungen der bürgerlichen Staaten bei ihrer Entstehung liefern einen Vorgeschmack der Arbeit, die auf dem Gebiet der Menschwerdung noch vor uns liegen.

Marx hat davor zurückgescheut, sich den Kommunismus auszumalen, mit gutem Grund. Aber er erwähnte mal, dass er dort möglich wird, wo der Mensch die Herrschaft über seine Gedanken erobert und nicht mehr von ihnen versklavt wird. Bis dahin befinden wir uns immer noch in der Prähistorie.
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie

handkey

ZitatBetroffenheit eines jeden Einzelnen, z.B. in 20 Jahren versklavt zu sein, als tatsaechlich vorhandene Gefahr glaubwuerdig darzustellen. Und, darueber hinaus klar zu stellen, dass, wer sich nicht bewegt, versklavt wird. Also niemensch fuer ihn/sie die Kartoffeln aus dem Feuer holt.

Scheint mir der richtige Ansatz zu sein- das zu klären.
Das Desinteresse währt so lange die eigene Betroffenheit nicht erkannt ist-

Das ist der Grund, warum ich mich mit den unmittelbaren kollegen und nachbarn "verbünde" und meinen tellerrand nicht an der kante sog.  linker strukturen festmache - ein paar gespräche, nachbarschaftliche hilfe, "frechheit2 vor dem chef im beisein zaghafterer kollegen, und mensch hat gezeigt, wie´s zusammen geht.

Ungeduldig, das ist alles bedenkenswert, diskussionswürdig und nicht zu langathmig-
dafür sind wir hier nicht im chat, sondern forum- artikulieren uns schriftlich, daß auch längere zusammenhängende und auch mal -hanglose texte drin sein sollten. 8)

aus dem historischen kontext heraus bleibt es ein vergleich von äpfeln mit pferden-
schließlich ging es in all diesen (sklavenhalter- und besitzer-) gesellschaften nicht um die auflösung von" oben" und "unten".
so lange es sich lohnte, privilegien nachzulaufen, ist das sicher auch ein antrieb, macht, und somit wiederum eigentum (Verfügungsgewalt!!) zu akkumulieren.

Und so lange das (manipulative) angebot da ist, vertreter, heerführer, große väterchen, kleine giftzwerge die koordiniererei regeln zu lassen, wird der bequeme im solchen strukturen gefangene mensch denken, daß es so geht und so sein muss, wenn Du ihm nichts gegenteiliges sagst.
Und der Aufrechterhalter dieses Vertreterprinzips, (Parteisoldat, Kalif anstelle des Kalifen, etc) hat -verdammter Dreck-, auch gar kein interesse, das zu ändern, (was mich bei gewissen leuten, die hier lieber wahlwerbung posten, sogar ein stück wütend macht...)- Führungsprinzip hat nun mal nix mit dem Interesse an Emanzipation zu tun.

Deiner These, Föderalismus führe auch weiterhin zu Staatsbildung, Anarchie wäre nicht machbar, Herr Nachbar-mag ich trotz Herleitung aus der Geschichte nicht folgen. -In dem Maße, in dem wir uns gerade verbünden, Orts-, Berufs-, Interessen- Gruppen sich gründen und vernetzen, ändert sich auch gerade das Bewusstsein für Macht, Patriarchale Strukturen, Mackertum, Gesprächsstil etc.- u. A. auch durch gemeinsame, gegenseitige Bildungsansätze.
Da bin ich doch mal ganz zuversichtlich, daß das mehr und mehr wird.
Habe so mal die these verbreitet, daß mensch bewegung nicht wahrnehmen kann, wen mensch sich nicht bewegt / nicht an bewegung interressiert ist.
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aus der Art schlagen?

unGeDuLdig

@Handkey

Wenn absolute Herrschaft und reine Anarchie die beiden Enden einer Skala sind, liegen die meisten historischen Gesellschaften irgendwo dazwischen, mit der Tendenz, sich mehr oder weniger chronologisch in Richtung Verteilung von Herrschaft zu bewegen. Das soll aber kein Fortschrittsglaube sein: Bisher hat jede Entwicklung der Gesellschaft neue, ungeahnte Gefahren mit sich gebracht.

Die Herrschaft hat sich nach jeder Entwurzelung durch Reform oder Revolution tiefer und weiter verwurzelt. Immer mehr Menschen werden durch Vermittlungsinstanzen in Entscheidungsprozesse hineingezogen. Es wäre noch in den 50ern undenkbar gewesen, wie sehr heutige Politiker sich bei jedem Scheiss auf Meinungsumfragen berufen. Die Legitimierung von Herrschaft ist in einer Dauerkrise, ständig wird die Befragung des Volkes inszeniert. Theoretisch wäre das eine tolle Entwicklung, partizipativ und demokratisch und so, aber in Wirklichkeit führt das dazu, dass die Massen als Stimmvieh lückenlos und pausenlos mit Propaganda bombardiert werden müssen und eine ganze Kultur- und Meinungsindustrie auf die Seelen der Beherrschten losgelassen wird. Ich würde mich sogar zur Behauptung versteigen, dass die Gläubigen im tiefsten Mittelalter nicht so nachhaltig durch die Kirche ideologisiert waren wie der sich frei wähnende Bürger auf der Einkaufsmeile. Die Christen des Mittelalters waren immer auch ein wenig heidnisch. Heute auch nur einen Gedanken zu finden, der den Kapitalismus nicht in sich hat, ist ein schweres Unterfangen.

Der Kapitalismus durchpflügt nicht nur die Erde, sondern auch die Psyche ihrer Bewohner nach Ressourcen und Standorten. Geographisch führt das zum Einsturz aller chinesischen Mauern und zur Öffnung aller geschlossenen Handelsgebiete. Seelisch führt es zur allgemeinen Durchdringung mit der Verwertungsideologie. Keine Tradition und keine Religion bleibt auf dem Markt verschont, alles wird im Säurebad des Wettbewerbs aufgelöst. Daher die fanatische Energie, mit der Fundamentalisten und Faschisten ihre Werte festhalten: Sie ahnen, dass ihnen der Boden unter den Füssen gezogen wird und dass die Welt anderen Gesetzen gehorcht.

Bakunin sagte mal - typisch russisch - dass der wahre aufbauende Geist der zerstörende Geist ist, der tabula rasa macht, damit was neues wachsen kann. Nun denn, der Kapitalismus tut dies gründlicher und rücksichtsloser als jede andere Wirtschaftsform vor ihm. In gewisser Weise ist das nützlich, denn es bereitet den Boden für eine Welt, in der Geschlecht, Nation und Glaube nicht mehr die Hauptrolle spielen. Andererseits werden diese für die Ausbeutung nützlichen Konstrukte rücksichtsloser denn je in die Köpfe gehämmert und auf die Spitze getrieben. So ähnlich ist es mit der Macht: Einerseits wird sie scheinbar immer weiter verteilt - ich werde mehr denn je nach meiner Meinung bei Telefonumfragen, Shopbewertungen usw. gefragt - andererseits ist die Macht überall gegen mich und nirgends für mich.

Die Perspektive wäre das, was Adorno die "verwaltete Welt" nennt. Ein Universum von Instanzen, Räten, Komitees, Sowjets, nenn es wie Du willst, in dem jede Stimme ohne Kakophonie zu Gehör gebracht und berücksichtigt werden kann. Vetorecht für alle, sozusagen. Das in Gang zu setzen, ohne eine monströse Bürokratie zu erschaffen, die sich flugs verselbständigt und den nächsten grossen Bruder gebiert, dürfte die gewaltigste kreative Leistung der Menschheit werden. Dass es überhaupt gelingen kann, steht gar nicht fest.
Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung und Resignation zu gönnen... Man muss das Volk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courage zu machen.

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handkey

ZitatVetorecht für alle, sozusagen. Das in Gang zu setzen, ohne eine monströse Bürokratie zu erschaffen, die sich flugs verselbständigt und den nächsten grossen Bruder gebiert, dürfte die gewaltigste kreative Leistung der Menschheit werden

...dann wünsch ich uns viel Kraft, Phantasie und Spaß dabei!

(Glück,Ausdauer, Mut und dergl. selbstmurmelnd auch)

Da einem aber niemand Rechte gewähren wird oder kann, muss mensch das schon alles selber machen- wie kann das denn anders gehen als im Bruch mit dem von Dir beschriebenen, allgegenwärtigen "Kapilismus" und der global vernetzten lokalen Aktion?

Und wie schon geschrieben, wo wir gerade dabei sind-
was ist mit der Befreiung von all dem, was da so übermächtig bis in die tiefsten zwischenmenschlichen Beziehungen hineinreicht an Verwertungslogik?
Befreiung=Emanzipation- es bedeutet, sich zu befreien, nicht, sich befreien zu lassen, das ist ja schon wieder passiv und daher unfrei.

Also kann mensch hier unmöglich der "positiven Entwicklung" des Kapitalismus das Wort reden, die zu einem Vetorecht für alle führen soll.
"Einspruchsrecht" ware ja wohl auch n´bisschen wenig- im Kontext der Selbstbestimmung.

Wie lange soll dieses shice- system aus autoritär-marxistischer sicht denn noch die "Produktivkräfte sich entwickeln lassen"?!
Das zerstörende -aufbauende bei Bakunin war auch leicht dezent anders gemeint, als im Aushalten des Killers Kapitalismus- obwohl ich Bakunin eher als ne Entwicklung zum Anarchismus sehe, als zum Anarcho-Pabst stilisieren würde.

Die basis= direktdemokratischen Strukturen libertärer Bewegung, diverse Anarchis"men" + deren Vernetzung sind eigentlich das Überlebensfähiige, wenn das sozial nicht mehr aushaltbare in verschiedenen Regionen der Welt "knallt".
Das ist für mich die Bedeutung der Antwort auf die "Wann-Revolution"-Frage, die da lautet, "Et dampfmaschint, wenn die Zig för de Dampfmaschi´n jekommen is." - die soziale Wut plus der erkenntnis, daß Du bia an den St. Nevermore-Day warten kannst, wenn du glaubst, jemand anderes hole Dir die "Kastanien aus dem Feuer".
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aus der Art schlagen?

BakuRock

ZitatOriginal von unGeDuLdig
.............................................
Die Perspektive wäre das, was Adorno die "verwaltete Welt" nennt. Ein Universum von Instanzen, Räten, Komitees, Sowjets, nenn es wie Du willst, in dem jede Stimme ohne Kakophonie zu Gehör gebracht und berücksichtigt werden kann. Vetorecht für alle, sozusagen. Das in Gang zu setzen, ohne eine monströse Bürokratie zu erschaffen, die sich flugs verselbständigt und den nächsten grossen Bruder gebiert, dürfte die gewaltigste kreative Leistung der Menschheit werden. Dass es überhaupt gelingen kann, steht gar nicht fest.

Der Fakt des gelungen Seins wuerde erst bestehen, wenn es gelungen waere..............
Solange es nicht gelungen ist, und also auch noch kein Fakt ist, kann aber dennoch nicht davon ausgegangen werden das es nicht gelingen kann.... :rolleyes:

Da wir hier das Rad nicht immer neu erfinden muessen, es aber schon Raeder gibt und Leute, die mit den Raedern so ihre Erfahrungen machen und diese Erfahrungen wahrnehmen und reflektieren und auch echt schlau darueber schreiben, verlinke ich zum Vetorecht und Vetosinn mal zu einem recht schlauen Beitrag:

Herrschaftsbrille
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unGeDuLdig

@handkey

Ich glaube nicht an den automatischen Fortschritt vom Kapitalismus in den Sozialismus. Der Fortschritt, die Aufklärung, die Entwicklung der Produktivkräfte sind ambivalent.

Im Kommunistischen Manifest feiert Marx geradezu den Kapitalismus als denjenigen, der die feudalen und doofen Verhältnisse, die die Menschheit seit Jahrtausenden geknechtet haben, wegfegt, und alle weissen Flecken auf der Landkarte, alle unzugänglichen Völker handelsfähig bzw. direkt zu Handelsgütern macht. Der Kapitalismus und sein Bewusstsein, der bürgerliche Staat, sind die wahren Entwurzler und Auflöser von Familie, Gott und Vaterland. Aus Untertanen werden Staatsbürger, aus Dienern Lohnabhängige, aus Eltern Unterhaltspflichtige. Alles wird auf seinen ökonomischen Kern reduziert und seines Schleiers aus Pflicht und Treue enkleidet.

ZitatAlle festen, eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.

Dieser schreckliche, geschichtliche Vorgang, der noch gar nicht zum Abschluss gekommen ist, bietet - bei aller Kritik an Marx' Fortschrittsglauben - zumindest die Möglichkeit, die Gesellschaft ohne Illusionen und unter Verwendung von Vernunft auf die Bedürfnisse Aller neu auszurichten. In den am höchsten entwickelten kapitalistischen Ländern ist die Produktivität so hoch, dass die durchschnittliche Arbeitszeit auf ein Minimum reduziert werden könnte, ohne dass die Güterherstellung darunter leiden würde. Rein technisch, versteht sich.

Der allgemeine Arbeitszwang verliert seine materielle Grundlage. Seltsamerweise wird in diesen Kulturen die kapitalistische Ideologie am hartnäckigsten verteidigt und wird immer absurder. Ein riesiger Repressions- und Reproduktionsapparat sorgt dafür, dass die schwindende Arbeitsmoral der Lohnabhängigen - ganz gleich, ob sie Arbeit finden oder nicht - aufrechterhalten wird. Der Gedanke, dass es irgendwie ganz anders ginge, ist allgegenwärtig und gleichzeitig unaussprechlich.

Die ökonomische Dauerkrise schlägt auch als Sinnkrise zubuche. Jeder steht auf dem Prüfstand, im Wettbewerb, und ist total in Frage gestellt. Die isolierten und ökonomisierten Individuen krallen sich an ihren Identitäten fest bzw. erfinden sich als wertvolle Träger von Geschlecht, Nation, Rasse, Glaube neu. Adorno nennt diesen Krampf "ungeglaubter Glaube", der sich durch das Säurebad der Konkurrenz nicht bewährt und im Inneren durch die eigenen Gedanken und Zweifel erschüttert ist. Daher der rasende Fanatismus von längst totgesagten Ideologien. Je angegriffener eine Ideologie, desto grössere Opfer und Greuel wird sie erfordern, um aufrechterhalten zu werden. Siehe militanter Islam, Neo-NS, christliche US-Rechte etc.

Die allestragende Ideologie aber sind nicht diese Fieberträume, sondern der allgemeine Profitzwang. Die kapitalistische Ideologie unterstellt allen, die ihr unter die Räder kommen, Faulheit und Versagen und rächt sich an den Verlierern, die sie jeden Tag mehr produziert. Es wäre in der Theorie logisch, dass dieses Unrecht, dieses Versagen des Kapitalismus irgendwann von seinen Opfern durchschaut wird und der allgemeine Aufstand gegen weitere sinnlose Menschenverwertung ansteht. Aber ich würde nicht damit rechnen, vielmehr damit, dass der letzte Schleier erst fällt, wenn der Wettbewerb einen katastrophalen globalen Höhepunkt erreicht, der durch Regulation des Staates nicht mehr aufgefangen werden kann. Oil Peak könnte z.B. der Moment sein, wo die Würfel fallen.

Sie könnten aber auch ganz falsch rollen. Kommt darauf an, wer dann womit wirft.

@BakuRock

In aller Kürze: Die bisherigen Räder hatten alle einen gewaltigen Platten. Ausserdem waren sie viereckig oder hatten keine Achse. Ich gebe zu, hier und da kam mal was ins Rollen - lief aber nicht so rund.

Die Anti-Platzhirsch-Techniken in allen Ehren, Dein Link neigt dazu, zu übersehen, dass es unterdrückende Kollektive gibt, die - auch wenn sie dann davon entsetzt sind - genau diese Platzhirsche hervorbringen. Ich erinnere nur an verschiedene Vergewaltigungsdiskussionen in linken Kreisen. Es waren nicht unbedingt die Wortführer am schlimmsten...
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BakuRock

ZitatOriginal von unGeDuLdig
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Die Anti-Platzhirsch-Techniken in allen Ehren, Dein Link neigt dazu, zu übersehen, dass es unterdrückende Kollektive gibt, die - auch wenn sie dann davon entsetzt sind - genau diese Platzhirsche hervorbringen. .......................

Aber genau deshalb sollte ja - in dem Link - die Herrschaftsbrille aufgesetzt werden - und wurde vom Autor aufgesetzt und interpretiert -

Du scheinst auch beim Lesen sehr unGeDuLdig zu sein.................  ;(
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unGeDuLdig

@BakuRock

Ok, ich hab mir das jetzt genauer durchgelesen. Die Fragestellung ist da sehr praktisch, beschrieben werden Techniken und Kunstgriffe der Macht bzw. ihrer Abwehr. Das ist bestimmt für den Diskussionsgebrauch nützlich.

Mein Problem ist, dass die Gruppen selbst manipulativ und autoritär sind, weil sich die individuellen Mängel des Einzelnen in der Gruppendynamik potenzieren. Die Individuen kommen nicht aus dem leeren Raum, sondern aus repressiven Zuständen. Selbst ihre freiheitlichen Sehnsüchte haben autoritäre Züge. Es ist wie mit der Sünde im Mittelalter: Je mehr man sie bekämpft, desto allgegenwärtiger wird sie. Der überwältigende Wunsch, das Böse greifbar und bekämpfbar zu machen, erzeugt die Bösewichte und ihre Verfolger, die sich im Konflikt immer ähnlicher werden.

Die auftretenden Macker zwingen den Anderen ihren Stil nicht einfach auf, sie schwimmen vielmehr auf einer Welle der Gruppendynamik. Die Instrumente, die zur Abwehr von Machtetablierung geschaffen sind, werden zwangsläufig umfunktioniert. Der Artikel ist dahingehend gut, dass er das Problem benennt und zum Ausbruchsversuch aufruft. Mir lastet die Aufmerksamkeit ein wenig zu sehr auf den üblichen Verdächtigen (Macker, Checker, usw.) und lässt das Kollektiv aus der Verantwortung.

Dann bleibt noch das Problem, dass komplett verteilte (aufgelöste) Herrschaft praktisch alle zu Herrschern machen kann. Soll heissen, alle überwachen alle. Die Forderung nach totaler Zugänglichkeit des Einzelnen für Kritik oder Diskussion und die Negation aller falschen Rollen schaffen auch die Grundlage für eventuelle Verfolgung. Da wir alle einen ganzen Satz sich überlappender Rollen und Identitäten mit uns herumtragen, ist damit jeder, der die Rolle als Revolutionär nicht völlig verinnerlicht hat, potentiell angreifbar. Was ist mit Minderheiten, die im linken Diskurs nicht so hoch stehen? Z.B. wenn einer Christ ist, was gar nicht so selten vorkommt? Ich habe da in B-Häusern und Kollektiven schon üble Dinge gesehen, die nicht einmal von den Dominanten ausgingen, sondern oft von denen, die selbst keine grossen Akteure sind.

Diese Mechanismen zu durchschauen und bewusstzumachen, ist auf jeden Fall richtig.
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handkey

Danke, Baku-
Ich finde den Artikel "Herrschaftsbrille" auch ziemlich richtungsweisend für eine Diskussion. Ebenso wie die Analyse über informelle Strukturen anhand einer Untersuchung der amerikanischen "Womens Lib"- Bewegung, die mir hier gerade nur in Papierform vorliegt, weisst er darauf hin, daß die Überwinder dieser heutigen Shice eben bis zum Hals selber drin stecken, wie auch sonst- das heisst dennoch nicht, daß "es" nicht klappen kann, wenn wir "es" einfach tun.
Zitatvon  Baku: Der Fakt des gelungen Seins wuerde erst bestehen, wenn es gelungen waere..............
Solange es nicht gelungen ist, und also auch noch kein Fakt ist, kann aber dennoch nicht davon ausgegangen werden das es nicht gelingen kann.... Augen rollen
et jibt nischt jutes aussa man tut es...
Da ist das sich bewusst machen der "Verhältnisse"  immer wieder hilfreich.
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warum sollten ausgerechnet Volks- oder Arbeitervertreter
aus der Art schlagen?

Kater

ZitatOriginal von handkey
Ebenso wie die Analyse über informelle Strukturen anhand einer Untersuchung der amerikanischen "Womens Lib"- Bewegung, die mir hier gerade nur in Papierform vorliegt

hier ist sie online:

Tyrannei der Strukturlosigkeit

http://www.all4all.org/2004/03/625.shtml

handkey

Danke -dat isset.

Das Fazit daraus lautet bei mir und einigen compas:

klare aufgabenfindung und -bennennung
delegation in gremien hinein mit wechselnden personen  
mandatierung der aufgaben mit transparentem anlernen von nachfolgern
gesprächs/ diskussionskultur, die sprache transparent macht,
moderierte diskussionen die protokolliert werden, und verschiedene gesprächstechniken ausprobieren.

denn lasst uns doch mal ne neue gesprächsrunde dazu aufmachen, oder?
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