Ägypten: Stark ansteigende Streikzahlen

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 12:55:22 Fr. 11.Mai 2007

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Kuddel

ZitatÄgyptens Finanzministerium in Flammen
Demonstranten wieder auf dem Tahrir-Platz – Tote bei Ausschreitungen



Demonstrant in Kairo.

Bei den jüngsten Protesten gegen den regierenden Militärrat in mehreren Städten in Ägypten sind mindestens zwölf Personen getötet worden. In Kairo wurde das Finanzministerium zum Teil abgebrannt.


(sda/dapd/dpa) Bei den jüngsten Protesten gegen den regierenden Militärrat in mehreren Städten in Ägypten sind mindestens zwölf Personen getötet worden. Dies berichtete das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Das Finanzamt in Kairo wurde in der Nacht zu Sonntag in Brand gesetzt, wie das Staatsfernsehen berichtete. Teile des Gebäudes brannten lichterloh.

Tausende von Menschen hatten am Freitag den Rücktritt des Militärrats gefordert, der überwiegend aus langjährigen Gefolgsleuten des vor einem Jahr gestürzten Machthabers Husni Mubaraks besteht. Auslöser war das Blutbad in einem ägyptischen Fussballstadion am Mittwoch, bei dem mindestens 71 Menschen getötet wurden. Viele Menschen werfen den Sicherheitskräften vor, dort absichtlich untätig gewesen zu sein.

Auf dem Kairoer Tahrir-Platz versammelten sich auch am Samstag wieder Hunderte von Demonstranten. Viele forderten eine Reform der Polizeikräfte, andere aber auch gleich die Hinrichtung der Mitglieder des Militärrats. In der Nähe des Innenministeriums gab es erneut Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Aufruf zur Einigkeit

Bei den Protesten am Freitag wurden alleine fünf Menschen in der Stadt Suez erschossen, wie ein Polizeisprecher erklärte. Dort hatten Sicherheitskräfte auf tausende Demonstranten geschossen, die sich vor dem Polizeihauptquartier versammelt hatten.

Insgesamt sieben Tote gab es am Freitag auch bei den Protesten in Kairo vor dem Innenministerium, wie am Samstag bekannt wurde.

Der regierende Militärrat veröffentlichte am späten Freitagabend eine Stellungnahme, in der er die Ägypter zur Einigkeit aufrief und die gegenwärtige Situation als «gefährlichste und wichtigste Phase in der ägyptischen Geschichte» bezeichnete.
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/mindestens_zwoelf_tote_bei_neuen_unruhen_in_aegypten_1.14792354.html

Kuddel

Hafenarbeiterstreik in Ägypten gegen Militär

Am 29. Februar begannen über 200 Arbeiter und Angestellte der Zentrale der Behörde für die Häfen am Roten Meer in Suez einen Streik. Sie verlangten, dass die Marineoffiziere, die im Dezember zur "Sicherung" des Hafens in Suez eingesetzt worden waren, allesamt abgezogen werden. Dem Streik ging eine dreitägige Sitzblockade voran. Die Streikenden forderten die Beschäftigten in anderen Häfen auf, sich ihnen aus Solidarität anzuschließen.

http://www.rf-news.de/2012/kw09/02.03.2012-aegypten-hafenarbeiterstreik-gegen-militaerpraesenz

Kuddel

Kairo 2012 - Sitzstreik in einer Fabrik des Konzerns Bticino-Legrand in Kairo. Die Arbeiter_innen sprechen über ihre Arbeitsbedingungen und ihre Kämpfe.

"Wir haben ein korruptes System in der Regierung überwunden - das gleiche System müssen wir nun auch in der Fabrik überwinden", sagt eine Arbeiterin. Erst seit der Ägyptischen Revolution trauen sich die Arbeiter_innen in der Fabrik, ihre Stimme zu erheben, so der Tenor.

Die Arbeiter_innen protestieren gegen ihre Hungerlöhne, das Schichtsystem und die befristeten Verträge und verlangen eine Korrektur der investorenfreundlichen Gesetzgebung.

Video: http://de.labournet.tv/video/6188/unser-recht-auf-wuerdige-arbeit

Kuddel

Zitat"Nicht der letzte Aufstand"
Die Rolle der Arbeiterklasse in der ägyptischen Revolution wird von internationalen Medien weitgehend ausgeblendet.
Ein Gespräch mit Hossam Al-Hamalawy *


*Hossam Al-Hamalawy (34) ist Marxist, Blogger und Journalist. Er schreibt u.a. für den britischen Guardian und hat sich über Jahre als Aktivist für die Rechte der ägyptischen Arbeiter engagiert.


Die Streiks, die im Januar/Februar vergangenen Jahres entscheidend zum Sturz Mubaraks beitrugen, kamen nicht aus dem Nichts. Wie entstand diese neue Arbeiterbewegung?

Sie begann 2006, als der damalige Ministerpräsident Ahmed Nazif Beschäftigten der Misr-Baumwollspinnerei zwei Monatslöhne als Bonus versprochen hatte und dies nicht einhielt. Daraufhin traten dreitausend Textilarbeiterinnen in den Ausstand. Sie marschierten in die männlichen Abteilungen des Betriebes und skandierten »Hier sind die Frauen! Wo sind die Männer?« Sie beschämten sie und trieben sie so zum Handeln.

Wie verhielt sich ihre offizielle Interessenvertretung?

Der 1957 von Gamal Abdel Nasser gegründete Gewerkschaftsbund ETUF war immer ein Arm des Regimes zur Kontrolle der Arbeiterklasse. Er hatte nie eine Streikaktion unterstützt und stellte sich auch gegen diese, was zu einer Unterschriftensammlung der Beschäftigten führte, die ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihre Funktionäre forderten. Im Januar 2007 hatte die Belegschaft 13000 Unterschriften zusammen und setzte der Führung der Allgemeinen Textilarbeiterunion GUTW ein Ultimatum, das Verfahren einzuleiten. Andernfalls würden sie einen unabhängigen nationalen Gewerkschaftsbund ins Leben rufen. Die Führung weigerte sich, und der Sicherheitsapparat ging gewaltsam gegen die Arbeiter in der Industriemetropole Mahalla vor.

Dennoch nahmen die Beschäftigten ihren Kampf auf, und es wurde zur Gewohnheit, daß nach jedem Streik die Arbeiter Unterschriften mit denselben Forderungen gegen die Offiziellen ihrer jeweiligen Branchengewerkschaft sammelten. Am 30.Januar 2011 wurde auf dem Tahrir-Platz der Kern des ersten unabhängigen Gewerkschaftsbundes vorgestellt. Im Laufe eines Jahres wuchs dieser von drei Einzelgewerkschaften auf irgend etwas zwischen 150 und 200 verschiedenen Mitgliedsverbänden.

Wenn hierzulande von Ägypten die Rede ist, dann weniger im Zusammenhang mit betrieblichen Auseinandersetzungen, sondern mit Parlaments- und den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen. Wie wichtig sind diese Institutionen wirklich?

Mubaraks Armeegeneräle bestimmen weiterhin die Show, was im Grunde bedeutet, daß das Regime nach wie vor am Leben ist. Das sind die Bedingungen für den neuen Staatspräsidenten.

Will die Junta dauerhaft an der Macht bleiben?

Im Gegensatz zu anderen Aktivisten, die genau davon ausgehen, denke ich das nicht. Die Offiziere wollen sich in ihre Kasernen zurückziehen, allerdings in einer Weise, die es ihnen erlaubt, ihre Privilegien, ihre Kontrolle über den Militärhaushalt und die Tatsache zu wahren, daß sie sich dem Parlament gegenüber nicht verantworten müssen. Die Armee kontrolliert 25 bis 40 Prozent unserer Wirtschaft. Viele Vorstandschefs von öffentlichen Unternehmen sind Militärs im Ruhestand. Außerdem beziehen die Streitkräfte jedes Jahr 1,3 Milliarden Dollar von den US-Steuerzahlern. Das ist, nach Israel, die zweitgrößte Militärhilfe der USA für ein anderes Land.

Wie beurteilen Sie die Moslembruderschaft als aktuell wichtigste politische Kraft?


Kurz gesagt: Ihre Führung ist konservativ und gelegentlich konterrevolutionär – mit ihren Jugendlichen ist es hingegen eine andere Sache. Wenn sich die Radikalisierung fortsetzt, wird es weitere Spaltungen innerhalb der Moslembruderschaft und der anderen religiösen Gruppen geben.

Wie steht es um die Linke?

Da gibt es verschiedene Fraktionen: Die Sozialistische Volksallianz als politische Dachorganisation für mehrere linke Gruppen; uns als Revolutionäre Sozialisten, die Demokratische Arbeiterpartei, in der wir mitarbeiten; die Ägyptische Kommunistische Partei, die einen großen Auftritt mit roten Fahnen am 1. Mai vor einem Jahr hatte; die Ägyptische Sozialistische Partei, die von einigen Köpfen der Studentenbewegung der 70er Jahre ins Leben gerufen wurde, sowie die Sozialdemokratische Partei.

Damit ist die Linke zwar etwas mosaikartig, aber ich finde das nicht schlimm. Im Gegenteil: Es ist eher normal, daß Leute, wenn der Deckel der Diktatur runter ist, herauskommen und Gruppen bilden. Warum soll man bei 85 Millionen Menschen nicht zunächst mal zwölf verschiedene sozialistische Parteien haben? Ich denke, da wird es in Zukunft auch Fusionen zu etwas Größerem geben.

In den vergangenen Monaten entstanden in Europa und Nord­amerika Bewegungen – wie die spanischen indignados oder die US-amerikanische occupy, die in starkem Maße von den Ereignissen in Ägypten und anderen Teilen der arabischen Welt inspiriert waren. Was sind für Sie die wichtigsten Lehren – positiv wie negativ – die man aus den Erfahrungen der ägyptischen Revolu­tion ziehen sollte?

Das Wichtigste ist: Wenn deine Bewegung auf den Platz oder die Straße beschränkt bleibt, wirst du keinen Erfolg haben. Du mußt diese Bewegung von der Straße in die Betriebe und auf die Universitätscampusse bringen. Wir haben Mubarak nicht auf dem Tahrir-Platz gestürzt. Ja, Tahrir war eine heldenhafte Schlacht, eine heroische Kundgebung und Besetzung, die gewiß als einer der phantastischsten Kämpfe, die in diesem Jahrhundert stattfanden, in die Geschichte eingehen wird. Aber gleichzeitig hätte das Regime das aushalten können. Mubarak hätte noch sehr viel länger an der Macht bleiben können, wenn die Arbeiterstreiks nicht ausgebrochen wären.

Welche Perspektiven sehen Sie für Ägypten?

Das war nicht der letzte Aufstand. Ich würde sagen, wir haben drei bis sechs Jahre Ebbe und Flut vor uns. Kämpfe, die gewonnen werden, und andere, die verlorengehen. Aber im Allgemeinen bin ich optimistisch, was das anbelangt.

Interview: Raoul Rigault
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Aegypten/arbeiter2.html

Kuddel

ZitatMassenproteste gegen Militärherrschaft in Ägypten

Am Montag beteiligten sich schätzungsweise 50.000 Menschen auf dem Tahrirplatz in Kairo an Protesten gegen den Putsch der Militärjunta. Eine weitere große Demonstration gab es in der Hafenstadt Alexandria. Der Oberste Militärrat (SCAF) hatte vorigen Donnerstag handstreichartig eine Militärdiktatur errichtet.

weiter: http://www.wsws.org/de/2012/jun2012/egyp-j21.shtml

Kuddel

Die strunzdumme Journalistenbrut hatte in die Welt posaunt, Ägypten hätte mit den Protesten vom Tahirplatz eine Revolution gehabt. Ein Kommentar beim Deutschlandfunk wußte es zurechtzurücken: Die letzte Revolution hat in Ägypten 1952 stattgefunden. Seit dem gibt es die ungebrochene Herrschaft des Militärs.

Es handelte und handelt sich somit um die Vorboten einer Revolution. Ein echter Umsturz der Machtverhältnisse vollzieht sich kaum mit nur einigen Demonstrationen und Protesten.

Es geht weiter:

ZitatZehntausende protestieren in Kairo gegen Militärrat

Militärrat: Nehmen jüngste Beschlüsse nicht zurück - Islamistischer Kandidat Mursi kündigt weitere Proteste an


Die Stärkung seiner Machtbefugnisse sei im nationalen Interesse notwendig, erklärte der Militärrat. Die Demonstranten hätten das Recht zu protestieren, so lange sie nicht den Alltag störten.

Zehntausende Menschen strömten am Freitagnachmittag auf den Tahrir-Platz, um vom regierenden Militärrat die Rückkehr zu einer zivilen Regierung zu verlangen. Zu der Kundgebung hatte die konservativ-religiöse Muslimbruderschaft aufgerufen, die ihren Kandidaten Mursi als Sieger der Stichwahl um die Präsidentschaft am vergangenen Wochenende betrachtet. Dem Aufruf schlossen sich linke und säkulare Gruppen und Bewegungen an.

Nach der Verschleppung der Bekanntgabe der Stichwahlergebnisse und der schleichenden Machtergreifung durch die Generäle bahnt sich die möglicherweise folgenschwerste Konfrontation seit 16 Monaten zwischen der "Straße" und der herrschenden Militärelite in Ägypten an.
http://derstandard.at/1339638727713/Zehntausende-protestieren-in-Kairo-gegen-Militaerrat

Kuddel

ZitatÄgypten: Über 23.000 Textilarbeiter im Streik

Am Sonntag traten über 23.000 Textilarbeiter in Ägypten in den Streik. Sie arbeiten im größten Textilunternehmen des Landes, der staatlichen Misr Spinning and Weaving in der Stadt Malhalla im Nildelta. Der Streik richtet sich gegen die viel zu niedrigen Löhne und fordert gleichzeitig den ägyptischen Staatspräsidenten heraus. 7.000 Arbeiter veranstalteten einen Sitzstreik vor der Fabrik und forderten neben einer Anhebung ihrer Mindestlöhne die Entlassung korrupter Vorgesetzter und bessere Bedingungen im firmeneigenen Krankenhaus. In Malhalla lösten die Arbeiterkämpfe im Jahr 2008 eine Streikwelle aus, die über das ganze Land ging.
http://www.rf-news.de/2012/kw29/aegypten-ueber-23.000-textilarbeiter-im-streik

Kuddel

ZitatÄgypten: Textilstreik weitet sich aus

Der Streik der 24.000 Textilarbeiter im ägyptischen Malhalla dauerte am Dienstag den dritten Tag an. Am Montag und Dienstag schlossen sich die Arbeiter von sieben weiteren Textilfabriken dem Streik an und stellten dieselben Forderungen auf. Es handelt sich um Werke in der Vier-Millionen-Stadt Alexandria, in Malhalla und zwei anderen Städten im Nildelta. Am Dienstagabend bemühte sich der Generalsekretär des zuständigen Gouvernements Gharbiya persönlich drei Stunden lang, die Streikenden zu besänftigen.
http://www.rf-news.de/2012/kw29/aegypten-7-weitere-belegschaften-schliessen-sich-dem-streik-in-malhalla-an

Kuddel

ZitatWie stark unterstützen die USA Mursi und die Muslimbrüder?

Der ägyptische Geheimdienst wurde von den USA aufgebaut und operiert als eine Ausweitung der CIA-Niederlassung in Ägypten. Es ist wohl richtig zu sagen, dass die Muslimbrüder im Grunde dem Geheimdienst weiter erlauben, die Kontrolle über die Außenpolitik Ägyptens auszuüben.

Asad Abu Khalil sieht die US-Regierung dabei, ihre Beziehungen zu den Bruderschafts-Regimen neu zu justieren, um sie in das "pro-amerikanische repressive regionale System einzubauen". Die Ägypter wüssten das schon lange. Was schon daran zu erkennen sei, dass die Demonstranten immer wieder versuchen würden, auf die US-Botschaft loszumarschieren.
aus: http://www.heise.de/tp/artikel/38/38159/1.html

Rudolf Rocker

Ähnelt ein bißchen dem was im Iran passiert vor vielen Jahren!

xyu

ZitatBlack Bloc am Nil
Ägypten: Staatsapparat und Islamisten in Rage wegen des Auftauchens anarchistischer Gruppierungen
Von Tomasz Konicz

Ägyptens Staatsmacht scheint einen neuen Lieblingsfeind gefunden zu haben. Am 29. Januar ordnete Generalstaatsanwalt Talaat Abdallah den Polizei- und Sicherheitskräften des Landes an, alle Mitglieder des »Schwarzen Blocks« zu verhaften, die an den Kundgebungen und Demonstrationen der Regierungsgegner teilnehmen. Der »Black Bloc«, dessen plötzliches Auftauchen in der ägyptischen Oppositionsbewegung für viel Aufregung sorgte, sei eine »terroristische Organisation«, erklärte die Staatsanwaltschaft. Bei der folgenden Verhaftungswelle wurden landesweit inzwischen rund 170 Jugendliche festgenommen, denen die »Mitgliedschaft« in dem Black Bloc vorgeworfen wird. Einige Jugendliche wurden sogar angeklagt, Teil einer »israelischen Verschwörung« zu sein.

Zeitgleich wurde eine wütende Pressekampagne in den staatsnahen Medien entfacht, bei der die Aktivisten des Black Bloc als der ideale Sündenbock fungieren und für alle möglichen Gewaltakte verantwortlich gemacht wurden. Vertreter der Muslimbruderschaft warfen den radikalen Anarchisten vor, sie hätten ihre Parteibüros in etlichen Städten Ägyptens attackiert und in Brand gesetzt. In der regierungsfreundlichen Zeitung Al-Ahram wurden Mitglieder des Black Bloc beschuldigt, ein Luxushotel in der Nähe des Tahrir-Platzes in Kairo angegriffen zu haben. Islamistische Extremisten bezeichneten den Black Bloc als eine Miliz und drohen inzwischen mit dem Aufbau eigener bewaffneter Formationen.

Die Repressionskampagne scheint die Begeisterung der perspektivlosen ägyptischen Jugend für diese Protestformen, die sich an den anarchistischen Taktiken innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung orientieren, nicht gemindert zu haben: »Auf dem Tahrir wurden am Montag Händler, die schwarze Masken verkauften, von jungen Männern umschwärmt«, berichtete ein AP-Reporter gestern. Tatsächlich stellt der Black Bloc in Ägypten eine neue Organisationsform dar, die laut Oppositionsaktivisten in Reaktion auf die Übergriffe von Schlägertrupps der Muslimbruderschaft auf Oppositionskundgebungen am 10. Dezember 2012 entstanden sei. Blockmitglieder, die erstmals bei den Auseinandersetzungen am zweiten Jahrestag der Revolution am 25. Januar in Erscheinung traten, propagieren folglich die militante Selbstverteidigung gegen die zunehmenden brutalen Übergriffe der Polizeikräfte und angeheuerter Schlägerbanden, denen oftmals Frauen zum Opfer fallen.

Innerhalb des Black Bloc sind – neben vielen perspektivlosen Jugendlichen – vor allem Mitglieder der diversen linken Gruppierungen Ägyptens zu finden, die hierin eine gemeinsame Aktionsform, eine »Idee, die jeder übernehmen kann«, gefunden hätten, wie es ein Aktivist formulierte. Zudem würden die kampferfahrenen ägyptischen Fußballfans, die sogenannten Ultras des Klubs Al-Ahly, diese Taktik vermehrt übernehmen. Die Bewegung ist größtenteils spontan entstanden und verfügt inzwischen über eine netzwerkartige Struktur. Die Koordination der Aktionen erfolgt über Facebook-Gruppen oder Twitter-Accounts, die binnen weniger Tage Zehntausende von Unterstützern gefunden haben. In einem Interview mit der Zeitung Al-Watan bezifferten Anarchisten das landesweite Mobilisierungspotential des Black Bloc auf rund 10000 Militante. Akram Ismail, Aktivist der Sozialistischen Volksallianz, schätzte gegenüber der FAZ, daß in Kairo rund »3000 bis 4000« Anhänger des Black Bloc bereit wären, »alles zu geben«.

Neben spontaner Sympathie seitens vieler Demonstranten, die die militanten Aktivisten aufgrund ihrer Schutzfunktion erfahren, mehren sich innerhalb der Opposition aber kritische Stimmen. Die Mitglieder des Black Bloc hätten zwar »ehrliche« Absichten, erklärte der linke Aktivist Hossam Al-Hamalawy gegenüber der Nachrichtenagentur AP, aber sie könnten dennoch »gefährlich für die Revolution« werden. Viele Oppositionelle befürchten, daß der Regierungsapparat und islamistische Extremisten das Auftauchen des »Schwarzen Blocks« zum Vorwand nehmen würden, um die »Proteste zu delegitimieren« und zur exzessiven Gewaltanwendung gegenüber der Opposition überzugehen. Der Black Bloc stelle in dieser Hinsicht »den perfekten Gegner« für den Staat dar, wie es etwa der populäre Blogger Mahmoud Salem formulierte
http://www.jungewelt.de/2013/02-05/035.php

xyu

Zitat
Solidarität mit den ägyptischen anarchistischen Genoss*innen!
7. Februar 2013
in Allgemein

Eine dt. Übersetzung der Stellungsnahme unserer Genoss*innen der ,,Fédération Anarchiste" zur jüngsten Repression in Ägypten:

Die Gruppe "Social Libertarian Movement" wurde am 23. Mai 2011 in Kairo, mitten im Herz der ägyptischen Revolution gegründet, als es noch zu schwach war, effektiv die Welle, die Mubarak und die Regierung hinwegreißen würde, mitzugestalten. Die Bewegung kämpfte und wuchs und machte deutlich, dass sie die Straße und die Macht nicht in den Händen der Muslimbruderschaft lassen werde.

Auf der Grundlage einer Programmatik, die eine klassenlose Gesellschaft, die Abschaffung des Staates und des Kapitalismus beinhaltet, nahmen die Genoss*innen dann aktiv an den jüngsten Demonstrationen gegen Präsident Mursi teil, u.a. als ägyptischer "Schwarzer Block", der nicht zögerte, der Polizei entgegenzutreten. Mehrere Aktivist*innen des Socialist Libertarian Movement wurden während dieser Tage des Aufruhrs festgenommen und vor die Gerichte gezerrt.

Am Mittwoch, dem 23. Januar, wurden während einer öffentlichen Anhörung im Gericht von Alexandria die Zuhörer*innen plötzlich ohne jeden Grund von den für die Raumüberwachung zuständigen Polizist*innen angegriffen (durch Schläger*innen- und Greiftrupps).

Unter den 31 Festgenommenen sind 4 Genoss*innen des Socialist Libertarian Movement. Diese sind:
- Mohamed Ezzdine
- Amir Asaad
- Mohamed Albadri
- Houssine Mohamed.

Sie sind wegen Vandalismus, Zerstörung privaten Eigentums und Gewalt gegen die Polizei angeklagt. Alle sind aktive Mitglieder des MSL. Sie sind immer noch eingesperrt und warten aus dem Grund auf ein Gerichtsverfahren, weil ihre Freilassung eine Provokation der öffentlichen Ordnung riskieren würde.

Die Fédération Anarchiste unterstützt das ägyptische Socialist Libertarian Movement voll und ganz in seinem Kampf gegen Unterdrückung, in welcher Form dies auch nötig sein wird, und drückt seine Solidarität mit den gefangenen und aus willkürlichen Gründen angeklagten Genoss*innen.

Ebenso wie die MSL beschuldigt die Fédération Anarchiste den ägyptische Innenminister, seine Macht zu missbrauchen und sich an den ägyptischen Anarchist*innen zu rächen, sowie dass hinter diesen Festnahmen die faschistische Regierung der Muslimbruderschaft steht.

Unabhängig von der Repression in Ägypten und sonstwo: Unser Kampf geht weiter bis zur Abschaffung von Staat und Kapitalismus!

Fédération Anarchiste, 4. Februar 2013.
http://agkoeln.blogsport.de/2013/02/07/solidaritaet-mit-den-aegyptischen-anarchistischen-genossinnen/

Kuddel

ZitatÄgypten:
Massenstreiks und Proteste legen Port Said lahm

Von Johannes Stern

Massenproteste und Streiks von zehntausenden Arbeitern und Jugendlichen haben am Montag die Stadt Port Said lahmgelegt. Die Stadt am Suezkanal ist eine der größten Industriestädte Ägyptens, hier befindet sich der zweitwichtigste Hafen der arabischen Welt.

Demonstranten blockierten die Zugänge zur Stadt, Kanalarbeiter des Arsenals von Port Said, das von der Suezkanalbehörde verwaltet wird, schlossen die Tore der Schiffswerft. Fast 40.000 Arbeiter der 29 Fabriken im Industriegebiet traten in den Streik, Schulen und Regierungsbehörden blieben geschlossen.

Seit den frühen Morgenstunden marschierten Arbeiter und Jugendliche durch die Stadt und forderten die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi und der Regierung unter Führung der Moslembrüder, die von den USA unterstützt wird. Sie riefen ,,Hau ab, Mursi, hau ab!" und ,,Solange ägyptisches Blut nichts wert ist – nieder mit dem Präsidenten!" Um sieben Uhr versammelten sich die Demonstranten vor dem Sitz der Provinzregierung und versperrten den Zugang zum Gebäude.

Im Laufe des Tages verschärften sich die Proteste. Demonstranten blockierten die Bahnlinien, andere Arbeiter und Jugendliche traten in den Streik oder schlossen sich den Protesten an, unter anderem Studenten, Lehrer und Beschäftigte der Provinzregierung, der Gerichte, der Telefongesellschaft, des Erdgaswerkes, des Zolls und anderer Behörden.

Die New York Times schrieb nervös, dass durch die Proteste ,,das Chaos, das seit zwei Jahren in Ägypten herrscht, erstmals kurz davor stand, den Betrieb des Suezkanals zu gefährden. Dieser Schifffahrtsweg ist sowohl für den internationalen Handel als auch für die gebeutelte ägyptische Wirtschaft wichtig."

Das Militär schickte Verstärkungen, um den Betrieb des Hafens und des Suezkanals zu schützen und wichtige Regierungsgebäude zu sichern. Das Militär drang auch in die Industriegebiete ein, um die Fabriken zu bewachen. Mahmud Kandil, ein Buchhalter, der sich an den Protesten beteiligte, sagte der Daily News Egypt: ,,Einer der Fabrikbesitzer schoss in die Luft, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Diese warfen daraufhin mit Steinen auf die Fabrik und verursachten kleinere Schäden."

Das Militär konnte die Proteste weder kontrollieren noch aufhalten. Kandil erklärte: ,,Der Militärkommandant von Port Said, Generalmajor Adel El-Ghadban, versuchte, mit den Arbeitern zu verhandeln, um sie zur Vernunft zu bringen, aber sie haben sich geweigert." Stattdessen forderten die Arbeiter den Sturz von El-Ghadban.
http://www.wsws.org/de/articles/2013/feb2013/egyp-f20.shtml

(gekürzt)

Kuddel

ZitatÄgypten: Streikwelle in Mahalla

In der ägyptischen Industriestadt Mahalla im Nil-Delta blieben am Montag rund 1.300 Fabriken geschlossen, weil die Arbeiter gegen die regierende Muslimbruderschaft und Präsident Mursi demonstrierten und streikten. Auch Schüler und Studenten schlossen sich den Protesten an, der gesamte Verkehr kam zum Erliegen.
http://www.rf-news.de/2013/kw12/20.03.13-aegypten-streikwelle-in-mahalla-gegen-muslimbruderschaft

Kuddel

ZitatHöhere Gehälter gefordert
Streik legt Zugverkehr in Ägypten lahm


Ein Streik der Lokführer und Schaffner für höhere Löhne hat am Sonntag den Zugverkehr in Ägypten weitgehend lahmgelegt. Der Protest richtet sich gegen die Erhöhung der Bonuszahlung um nur zehn Prozent, die Verkehrsminister Hatem Abdel-Lateef für alle Eisenbahnbeschäftigten verkündet hatte. Die Lokführer und Schaffner lehnten diese als zu niedrig ab und forderten höhere Gehälter sowie ein besseres Zuschlagssystem. Die Züge zwischen den drei wichtigen Reisezielen Kairo, Alexandria und Tanta fielen aus, damit kam der größte Teil des Zugverkehrs zum Erliegen. Tausende Reisende standen vielerorts verärgert auf den Bahnsteigen und forderten in langen Schlangen an den Schaltern ihr Geld zurück.
http://www.rp-online.de/panorama/ausland/streik-legt-zugverkehr-in-aegypten-lahm-1.3307082

Kuddel

Am 7. April 2013 begannen die meisten der ca. 5.000 Lokführer in Ägypten zu streiken. Der Zugverkehr kam dadurch weitgehend zum Erliegen, sodaß auch die anderen Beschäftigten der Bahn nicht arbeiten konnten. Die Forderungen der Streikenden: Bezahlung von Boni je nach geleisteten Stunden und Überstunden, Bezahlung nach gefahreren Kilometern, acht bezahlte Ruhetage im Monat. Nach drei Streiktagen setzte die Regierung der Muslimbrüder die Armee gegen die Streikenden ein.

Das Video bei labournet.tv (arabisch mit dt. ut | 4 min | 2013)
http://de.labournet.tv/video/6546/streik-der-lokfuehrer

Kuddel

ZitatÄgypten: Streik der Mahalla-Textilarbeiter

Am Sonntag gingen die 22.000 Arbeiter der staatlichen Textilfabrik von Mahalla in Ägypten wieder zurück an die Arbeit, nachdem sie drei Tage für die pünktliche Zahlung des Feiertagsbonus gestreikt hatten. Die Arbeiter hatten erreicht, dass sowohl der Bonus als auch die Streiktage bezahlt werden. Die Massen in Ägypten leiden unter einer hohen Inflationsrate und hoher Arbeitslosigkeit.
http://www.rf-news.de/2013/kw42/14.10.13-aegypten-drei-tage-streik-der-mahalla-textilarbeiter

ManOfConstantSorrow

Mit massiver militärischer und finanzieller Unterstützung aus den USA konnten die revolutionären Entwicklungen gestoppt und die alten Herrschaftsstrukturen verfestigt werden.

ZitatHier liefert die Armee Brot und Wohnungen

Die ägyptische Armee baut ihre Wirtschaftsmacht stetig aus. Sie kann sich darauf verlassen, dass der ehemalige General Sisi auch als Präsident ihre Interessen vertreten wird.


Von Sofian Philip Naceur, Kairo

Ägyptens Präsidentschaftswahlkampf läuft auf Hochtouren. Mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi und dem Sozialisten Hamdeen Sabahi stehen zwei Kandidaten zur Wahl. Doch hat Ägypten wirklich eine Wahl? Sabahi fischt im revolutionären Lager nach Stimmen, fordert soziale Gerechtigkeit und will das umstrittene Antiprotestgesetz annullieren, das der Polizei freie Hand gibt, Demonstrationen zu verbieten oder mit Gewalt aufzulösen. Sisi hingegen verteidigt das restriktive Gesetz und verspricht Sicherheit und Stabilität. Er versteht sich als Antipode zu den gestürzten Muslimbrüdern, deren Dämonisierung er für sich zu nutzen weiss. Letztlich jedoch stehen beide für ein nationalistisch-autoritäres Staatsverständnis und eine Restaurierung der Zentralgewalt. Sisis Sieg ist ausgemachte Sache. Er hat breite Unterstützung in der Bevölkerung und die Rückendeckung der Generäle, deren Privilegien und politische Macht unter ihm bewahrt bleiben werden. Der wirtschaftspolitische Einfluss der Armee dürfte sich unter Sisi gar ausweiten.

Seit der Absetzung des demokratisch gewählten – aus den Reihen der Bruderschaft stammenden – Präsidenten Muhammad Mursi am 3. Juli 2013 durch die Armee wird über die Bezeichnung der Ereignisse gestritten. War es ein Staatsstreich oder eine Revolution? Beide Versionen bilden die Rolle des Militärs im politischen Machtgefüge nur verkürzt ab. Seit dem Sturz der Monarchie und dem Putsch der Freien Offiziere unter Gamal Abdel Nasser 1952 ist die Armee die mächtigste Institution im Land und hat ihren Einfluss nach dem 3. Juli 2013 weiter ausgebaut. Die Armee ist heute nicht nur das Rückgrat des restaurierten Regimes und ein Garant westlicher Interessen am Nil, sondern ein machtvolles Wirtschaftsimperium, das nach unterschiedlichen Schätzungen zwanzig bis vierzig Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung im Land kontrolliert.

Keine Steuern, keine Kontrolle

Ägyptens Armee besitzt Bäckereien, Baufirmen, Lebensmittelkonzerne, Hotels und ist im Trinkwassergeschäft aktiv. Zudem beschäftigt das Militär Zehntausende ArbeiterInnen in Dutzenden Fabriken, die sowohl militärische als auch zivile Güter herstellen. Gemeinschaftsunternehmen wie Arab American Vehicles, ein Joint Venture mit dem US-Automobilgiganten Chrysler, produzieren neben Militärfahrzeugen auch Autos für den zivilen Markt. Allein vom Ministerium für militärische Produktion werden vierzehn Unternehmen kontrolliert, in denen 40 000  Menschen arbeiten. Tatsächlich sind jedoch weit mehr Menschen bei militäreigenen Firmen beschäftigt, da das Ministerium nur einen Teil der von der Armee gesteuerten Unternehmen überwacht. Die Militärführung operiert dabei unter hochgradig günstigen Bedingungen: Ihre Firmen zahlen keine Steuern, besitzen Liefermonopole und exklusive Importlizenzen und sind keiner öffentlichen Rechenschaftspflicht unterworfen. Zudem sichert die im Januar angenommene neue Verfassung den Einfluss der Generäle auf die Wahl des Verteidigungsministers, schirmt den Armeehaushalt von jeglicher Kontrolle ab und stattet die umstrittenen Militärtribunale gegen ZivilistInnen mit Verfassungsrang aus. Die Militärgerichtsbarkeit bleibt damit für zivile Institutionen unantastbar.

Ausserdem sind rund die Hälfte der 470 000  Mann starken Armee Wehrpflichtige. Werden Ingenieure eingezogen, leisten sie ihren Wehrdienst in armeeeigenen Baukonzernen. Das erlaubt der Armee, auf ein grosses Reservoir billiger Arbeitskräfte – der Monatssold beträgt rund 25 Franken – zurückzugreifen und bei ausgeschriebenen Aufträgen jeden Preis zu unterbieten. Die Armee hat bei fast jedem Bauprojekt die Hände im Spiel und kontrolliert de facto mehr als 85 Prozent der landesweit ungenutzten Fläche. Will die Regierung Strassen bauen oder ein Konzern ein Hotel errichten, müssen die Generäle ihr Einverständnis geben. Zudem spielen pensionierte Generäle in Ägyptens Wirtschaft eine grosse Rolle: Sie werden oft mit Jobs in Staatsunternehmen oder Gouverneursposten belohnt.

Ein Wirtschaftsimperium entsteht

Das zentrale Ereignis für die Geburt des armeeeigenen Wirtschaftsimperiums war Ägyptens Friedensschluss mit Israel 1979. Der damalige Präsident Anwar al-Sadat kürzte das Armeebudget und reduzierte die Truppenstärke. Hunderttausende beschäftigungslose Soldaten und Offiziere lieferten Sadats Verteidigungsminister Abdel Halim Abu Ghazala ein Argument, um der Armee wirtschaftliche und damit zivile Aufgaben zu übertragen. Neben der Industrie setzten die Generäle auf den Tourismus. Die Armee kontrollierte den gesamten Sinai und deklarierte frühere militärische Sperrzonen an den Küsten schlicht zu Investitionsgebieten für die internationale Tourismusbranche. Die Einkünfte aus zivilen Projekten nutzte Ghazala schliesslich für den Bau zahlreicher Freizeiteinrichtungen und Krankenhäuser, deren Nutzung Angehörigen der Armee und ihren Familien vorbehalten ist. Mit diesem Schachzug band die Armee Hunderttausende an sich und schuf eine breite militärtreue Mittelschicht.

Seither ist die Armee zur wichtigsten wirtschaftlichen Institution am Nil aufgestiegen und konnte nach Mursis Absetzung ihren Einfluss auf Ägyptens Wirtschaft weiter ausbauen. Auf Grundlage des Präsidialdekrets von Interimspräsident Adli Mansour, das der Regierung erlaubt, in Notfällen Aufträge auch ohne Ausschreibung direkt zu vergeben, wurden seither Hunderte öffentliche Bauprojekte militäreigenen Konzernen zugesprochen. So schloss die Armee ein vierzig Milliarden US-Dollar schweres Abkommen mit Arabtec, einem Baukonzern aus Dubai, über die Errichtung von einer Million Sozialwohnungen. Das Projekt ist Teil von Sisis Wahlkampagne und wird von politischen AktivistInnen scharf kritisiert. Viel bedeutender als dieses Vorhaben ist jedoch das Sonderwirtschaftsprojekt in der Suezkanalzone, das durch den Ausbau der Hafenanlagen Investoren anlocken und jährlich Milliarden in die Kassen der beteiligten Firmen spülen soll. Die militärnahe Regierung in Kairo habe das Bietverfahren unter ihre Kontrolle gebracht und wolle im Oktober bekannt geben, welche der vierzehn angetretenen Firmen das Rennen macht, berichtete die «International Business Times» im April. Ein aussichtsreicher Bieter sei der staatliche Bauriese Arab Contractors, der elf Jahre lang vom amtierenden Premierminister Ibrahim Mahlab geleitet wurde.

Verletzungen der Menschenrechte

Seit Mursis Sturz hat die Armee systematisch Menschenrechte verletzt und ist hart gegen KritikerInnen des Militärregimes vorgegangen. Proteste gegen die enorme Machtfülle der Armee gehören zwar wieder zum Alltag, doch hat sich das Militär in der neuen Verfassung seinen Einfluss und faktisch Straffreiheit gesichert. Auch hat die vom Militär gestützte Hetzkampagne gegen die Muslimbrüder und die linksliberale Opposition dafür gesorgt, dass Proteste von vielen inzwischen grundsätzlich abgelehnt werden. Das Land müsse stabilisiert werden, und die Armee sei die einzige Institution, die dazu in der Lage sei, ist oft zu hören.

Die von den Generälen vorangetriebene Restauration der alten Ordnung hat jedoch zahlreiche Menschenleben gekostet. 3200 Menschen wurden seit dem 3. Juli in Ägypten getötet und fast 20 000  verhaftet. Ein Teil der rund 1200 Todesurteile gegen Anhänger der Muslimbruderschaft ist inzwischen in lebenslängliche Haftstrafen umgewandelt worden, die Richtersprüche sind noch nicht rechtskräftig. Ausserdem wurden die Jugendbewegung des 6. April verboten und einige ihrer bekannten AktivistInnen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der designierte Präsident Sisi als das Gesicht eines ausbeuterischen repressiven Staats wahrgenommen wird und sich Demonstrationen gegen die Militärherrschaft und für politische Freiheiten erneut entzünden.

Sisi auf Siegeskurs

Am 26. und 27. Mai wählt Ägypten einen neuen Präsidenten. Haushoher Favorit ist Abdel Fattah al-Sisi, der noch von Präsident Muhammad Mursi zum Verteidigungsminister ernannt worden war. Beim Sturz Mursis im Juli 2013 war Sisi federführend. Der einzige Gegenkandidat ist der Sozialist Hamdeen Sabahi, Drittplatzierter bei der Präsidentschaftswahl 2012 und Chef der nasseristischen Karama-Partei. Sabahis Kandidatur gilt als aussichtslos. Das offizielle Ergebnis wird bis zum 5. Juni erwarten.
http://www.woz.ch/1420/praesidentschaftswahl-in-aegypten/hier-liefert-die-armee-brot-und-wohnungen
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatProteste gegen massive Benzinpreiserhöhung in Ägypten

Die ägyptische Regierung hat die Benzinpreise deutlich angehoben und damit viele Ägypter verärgert. Die staatliche Zeitung ,,al-Ahram" berichtete am Wochenende von ,,Chaos" in Kairo, weil die Fahrer von Minibussen ihre Tarife über das vorgeschriebene Maß hinaus angepasst hätten. Taxifahrer protestierten im Zentrum der Stadt vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens.

Bis zu 77 Prozent teurer


Mit der Erhöhung der subventionierten Benzinpreise will Ägypten sein Haushaltsdefizit senken. Die Ägypter müssen nun an der Tankstelle für einige Treibstoffsorten zwischen 40 und 77 Prozent mehr bezahlen.

Die starke Verteuerung gilt als Test für die Popularität des neuen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Zu den Preiserhöhungen gebe es keine Alternative, sagte der Staatschef laut ,,al-Ahram". Nur so ließen sich die Schulden abbauen, unter denen das Land leide.

Kritik an Präsidenten

Kritik kam von der linken Tagammu-Partei, die Sisi eigentlich unterstützt. ,,Präsident Sisi und die Regierung hätten andere Wege zur Bekämpfung des Defizits finden müssen, ohne dabei den Armen zu schaden", sagte Parteichef Said Abdel-Aal. Die Regierung schade ihrem öffentlichen und politischen Ansehen.

Die Preiserhöhungen gehören zu einem Maßnahmenpaket, mit dem die Regierung das Haushaltsdefizit auf rund zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) senken möchte. Bisher liegt es bei zwölf Prozent. Die Regierung hat auch eine Erhöhung der Strompreise um rund 30 Prozent angekündigt. Insgesamt will die Regierung die Subventionen für Energie um rund vier Milliarden Euro senken.
http://orf.at/stories/2236939/

ManOfConstantSorrow

ZitatUSA/Ägypten: Pakt mit Unterdrückern

Außenminister Kerry lobt die Führung des Landes, das politische Gegner zu Tausenden ins Gefängnis steckt


Wie viele politische Gefangene in Ägyptens Gefängnissen inhaftiert sind, ist schwer zu ermitteln. Nach der Absetzung Mursis war die Rede von 16.000 Inhaftierten; manche aktuelle Berichte sprechen von 20.000, die "willkürlich verhaftet wurden unter dem Vorwand, dass sie an einer illegalen Demonstration teilnahmen".

An prominenten Fällen - wie den Al-Jazeera-Journalisten Ahmed Mansour (Freiheitsstrafe von 15 Jahren, Peter Greste und Mohamed Fahmy (beide zu 7 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt), den Oppositionellen Ahmed Maher, Ahmed Douma und Mohamed Adel (drei Jahre Freiheitsstrafe) oder dem Blogger Alaa Abd El Fattah (15 Jahre Freiheitsstrafe, seit Kurzem auf Kaution bis zur nächsten unfairen Gerichtsverhandlung auf freiem Fuß) - wäre exemplarisch abzulesen, wie tief der Kontrast zwischen der zum Teil lächerlich dünnen Beweislage und dem unbedingten politischen Willen ist, der darauf drängt, jeglichen Dissenz zum Schweigen zu bringen.

Das trifft, wie die genannten prominenten Beispiele im kleinen Rahmen zeigen, nicht nur das Umfeld der Muslimbrüder, sondern auch Vertreter der sogenannten säkularen Opposition. Kritik wird unnachgiebig bestraft. Der "Kampf gegen Terrorismus" ist ein opportuner Vorwand, der in der Extended Version die Vorlage für Unterdrückung nach allen Seiten liefert, wie selbst der nicht gerade der politischen Subversion oder des Islamismus verdächtige US-Think Tank Council on Foreign Relations feststellt:

Heute steht Sisi nicht nur einer Repression vor, die gegen islamistische Kräfte und die Muslim Brüder gerichtet ist, sondern auch einer Repression von Gruppen, die in der Mitte angesiedelt sind, oder links-liberal sind und demokratisch, die sich ein offeneres Ägypten wünschen, als dies die Armee erlaubt.
...
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43049/1.html
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

ZitatAuch ägyptische Ölarbeiter werden verfolgt. Ihr Verbrechen: Streik



Streiks in ÄgyptenZwar: Bisher hat sich das Regime der ägyptischen Militär-Kamarilla noch nicht getraut, ein Urteil gegen die streikenden Werftarbeiter aus Alexandria zu veröffentlichen, obwohl der Prozess gegen diese Kollegen, die ihre einfachsten Grundrechte in Anspruch nahmen, bereits seit Juni 2016 läuft. Aber: Das hindert das reaktionäre Regime nicht daran, auch weiterhin streikende Arbeiter, die nicht ihrem militärisch geprüften ,,Gewerkschaftsverband" angehören, zu verfolgen. Wie es jetzt der Belegschaft von IFFCO, Ölgesellschaft in der Region Suez ergeht. In dem Solidaritätsaufruf ,,Egypt: independent union at IFFCO under attack" am 18. Januar 2017 bei der International Union of Food, Agricultural, Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers' Associations (IUF) werden Zahlen genannt: 9 bei Razzien zuhause verhaftete Gewerkschaftsaktivisten, 13 im Betrieb  festgenommene Streikende und entsprechend angekündigte Prozesse. Die Petition gegen diese neue Verfolgungsjagd haben bisher weit über 4.000 Menschen unterzeichnet – wozu auch LabourNet Germany aufruft.
http://www.labournet.de/?p=110437
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

tleary

Ist schon immer seltsam, daß man von derartigen Streikaktionen in den etablierten Medien hierzulande so rein gar nix lesen kann. Man sollte sie wohl nicht "Lügenpresse", sondern besser als "Totschweigepresse" beschimpfen.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

counselor

Da hast Du Recht! Die Presse schweigt vieles, was eigentlich wichtig ist, tot. Irgendwo hab ich da mal den Begriff "Lückenpresse" gelesen!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Rudolf Rocker

Wiso? Berichtet die ägyptische Presse über die Streiks hier in Deutschland? Nein? Verdammte Lügenpresse!
Wenn die Medien hier über jeden Streik auf der Welt berichten würden, würde die tagesschau alleine damit schon locker zwei Stunden füllen!

Sunlight

Zitat von: counselor am 20:03:08 Do. 02.Februar 2017
Da hast Du Recht! Die Presse schweigt vieles, was eigentlich wichtig ist, tot. Irgendwo hab ich da mal den Begriff "Lückenpresse" gelesen!

Sicher und Wikipedia sagt dazu:
Zitat
Lügenpresse

Lügenpresse ist ein politisches Schlagwort, das polemisch und in herabsetzender Absicht auf mediale Erzeugnisse gerichtet ist und sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum nachweisen lässt. Zunächst wurde es gelegentlich von konservativen Katholiken gegen die im Zuge der bürgerlichen Revolutionen entstandene liberale Presse gewandt. Im Kontext des Ersten Weltkrieges fand ,,Lügenpresse" sehr viel häufiger Verwendung; hier bezeichnete es aus Sicht Deutschlands und Österreich-Ungarns die Presse der Feindstaaten. Sowohl vor als auch im Nationalsozialismus nutzten NS-Agitatoren das Schlagwort im Rahmen ihrer antisemitischen Verschwörungstheorie zur Herabsetzung von Gegnern als Kommunisten und Juden sowie der Behauptung einer Steuerung der Presse durch ein ,,Weltjudentum". Nach der Machtergreifung und der Gleichschaltung der Inlandspresse wurden die Medien der späteren Kriegsgegner mit ,,Lügenpresse" geschmäht.

Darüber hinaus fand ,,Lügenpresse" auch in Organisationen der Arbeiterbewegung zur Abwertung von als bürgerlich oder kapitalistisch wahrgenommenen Teilen der Presse sowie in der Exilpresse als Bezeichnung für die gleichgeschalteten NS-Medien Verwendung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam das Wort zunächst nur mehr sporadisch vor. Die ab August 1945 erscheinende Frankfurter Rundschau verstand sich explizit als Gegenentwurf zu ,,Hugenbergs Lügenpresse".[1] In den Medien der DDR wurde das Wort im Kalten Krieg gelegentlich zur Herabsetzung der westdeutschen Presse benutzt.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird der Begriff Lügenpresse – zumal in Deutschland – vorrangig von rechtsextremen und rechtspopulistischen, völkischen oder auch fremdenfeindlichen und islamophoben Kreisen verwendet, zunächst von Teilen der Hooligan-Szene, bekannter seit 2014 als Parole bei den von Dresden ausgehenden Pegida-Demonstrationen sowie bei Demonstrationen der AfD. Hier ist sie mit Gewaltdrohungen und Gewalt gegen Journalisten eng verbunden.

Im Januar 2015 wurde der Begriff von der Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres zum ,,Unwort des Jahres 2014" gewählt.

WIKIPEDIA

Das am Rande OT dazu!

counselor

Ich schrieb "Lückenpresse", nicht "Lügenpresse". Und das aus gutem Grund. Die Medien sind meisterlich darin, die Befreiungskämpfe in aller Welt totzuschweigen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Sunlight

Zitat von: counselor am 20:56:30 Do. 02.Februar 2017
Ich schrieb "Lückenpresse", nicht "Lügenpresse". Und das aus gutem Grund. Die Medien sind meisterlich darin, die Befreiungskämpfe in aller Welt totzuschweigen.

;) Sorry! Schrift klein, aber ich arbeite daran. Aber wenn unsere Medien tatsächlich über alle
Streiks  in der Welt berichtigen sollen, müssten wir tatsächlich auf alle restlichen Infos verzichten.

Rudolf Rocker

ZitatDie Medien sind meisterlich darin, die Befreiungskämpfe in aller Welt totzuschweigen.
Jupp, aber das sieht in der Facebook- Blase auch nicht besser aus!

Kuddel

Zitat32 Arbeiter der ägyptischen Tochterfirma von HeidelbergCement zu je 3 Jahren Gefängnis verurteilt: Wegen Übernahmeforderung



Tourah Belegschaft vor Gericht: In Kairo demonstrierten die Zementarbeiter gegen die Verurteilung ihrer Kollehen am 9.6.2017Im Mai protestierten die Beschäftigten des Sicherheitsdienstes der Tora-Zementwerke in Kairo mit einem Sit-In: Weil das Unternehmen ein Urteil eines Bezirksgerichtes dann schon ein Jahr lang schlichtweg ignorierte, das ihnen die Übernahme in das Unternehmen zusprach – nach bis zu 15 Jahren Zeitarbeit. Die Reaktion, typisch für die al-Sisi Regierung, war eindeutig: Ein massiver Polizeiüberfall, bei dem die festgenommenen Arbeiter auch auf der Wache noch geschlagen wurden.  Und ein regelrechtes Schnellverfahren, in dem am 6. Juni 2017 nicht weniger als 32 Kollegen zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt wurden, inklusive zwangsweiser körperlicher Arbeit während der Strafe. Der ägyptische Unrechtsstaat erlaubt es noch nicht einmal, für die Verwirklichung von Urteilen zu demonstrieren – es sei denn, es werden wieder einmal, wie so oft, billige Richter gefunden, die dann die protestierenden Arbeiter mit solchen Skandalurteilen terrorisieren. Jetzt hat eine internationale Solidaritätskampagne mit den 32 verurteilten Kollegen begonnen, zu deren Unterstützung auch LabourNet Germany aufruft.
http://www.labournet.de/?p=117528

Die Petition ,,Free the Workers of Tourah Cement –Egypt" seit dem 14. Juni 2017 bei change.org externer Link richtet sich sowohl an das Justizministerium als auch an das Arbeitsministerium Ägyptens – und an den Chefmanager der HeidelbergCement
https://www.change.org/p/free-the-tourah-cement-workers

Kuddel

Das ägyptische Militär-Regime in der Offensive – gegen alles, was sich bewegt: Gewerkschaften, kritische Medien, NGO, LGBTIQ...



Demonstration für die Freilassung der Aktivisten der Steuergewerkschaft in Kairo am 5.10.2017,,Wie viele Bürger- und Menschenrechtsverletzungen braucht es noch, damit die Bundesregierung ihre Unterstützung für das Regime in Ägypten einstellt? Zur Bekämpfung von ,Extremismus' arbeitet insbesondere das Bundeskriminalamt eng mit der ägyptischen Nationalen Sicherheitsbehörde zusammen. Dabei handelt es sich um einen Geheimdienst mit Polizeibefugnissen, der nun gegen die Queer-Szene in Kairo vorgeht. Die Bundesregierung ist deshalb mitschuldig an den Massenverhaftungen", kritisiert der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko. Nachdem sie bei einem Musikkonzert Regenbogenflaggen gezeigt hatten, wurden bislang mindestens 55 Personen festgenommen. Homosexualität ist in Ägypten nicht verboten. Die Betroffenen wurden wegen ,,Unzucht" oder Prostitution verurteilt, Betreiber von Facebook-Gruppen wegen Anbahnung oder Förderung von ,,unzüchtigem Verhalten". In Schnellverfahren fielen Urteile bis zu sechs Jahren..." – aus der Pressemitteilung ,,Nach Verhaftungswelle in Queer-Szene: Polizeikooperation mit Ägypten endlich stoppen!" von Andrej Hunko (MdB) vom 11. Oktober 2017 externer Link, der die neuesten Maßnahmen des Regimes zum Anlass nimmt, die Forderung nach einer Beendigung der Unterstützung dieses blutigen Freundes der BRD (alleine mehr als 900 offizielle Todesurteile seit dem Putsch der al Sisi-Bande) zu erneuern. Siehe dazu vier weitere aktuelle Beiträge zu verschiedenen Repressionsmaßnahmen, sowie drei Berichte über Gegenwehr:

http://www.labournet.de/?p=122842

  • Chefduzen Spendenbutton