Auswandern als Trend

Begonnen von Kater, 23:45:07 Sa. 01.März 2008

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Kater

ZitatAuswandern als Trend
"Politik reagiert zu spät"
 
"Deutsche Spitzenkräfte wandern zunehmend ab und ausländische Spitzenkräfte machen immer deutlicher einen Bogen um dieses Land." So bringt der Migrationsexperte Klaus J. Bade von der Universität Osnabrück die Lage auf den Punkt. Im Gespräch mit tagesschau.de sagt Bade, wo die größten Fehler gemacht werden.

tagesschau.de: Herr Bade, wie stark ausgeprägt ist der Auswanderungstrend? Gibt es den überhaupt?

ZitatZur Person: Der Historiker Professor Klaus Bade lehrt Neueste Geschichte an der Universiät Osnabrück. Er ist Begründer und Vorstandsmitglied des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und des bundesweiten Rats für Migration.

Bade: Auswanderung ist nach klassischer Definition das Verlassen des Herkunftslandes, ohne die feste Absicht jemals wieder auf Dauer dorthin zurückzukehren. Das gilt wohl nur für eine eher überschaubare Zahl von Personen. Wir haben ja gar keine "Auswanderungsstatistik" im engeren Sinne sondern nur eine Statistik der "Fortzüge" und "Zuzüge", in der es vielerlei Unsicherheiten gibt, weil nicht Personen, sondern Wanderungsfälle gezählt werden.

tagesschau.de: Wie gut belegt sind die Zahlen, die im Umlauf sind: Bis zu 160.000 Auswanderer im letzten Jahr, von "hoher Dunkelziffer" war in der Presse die Rede ...

Bade: Die Dunkelziffer kann man nur schätzen, weil viele sich nicht abmelden und weil andere ins Ausland gehen, ohne die Absicht "auszuwandern", dann aber doch letztlich auf lange Zeit oder sogar auf Dauer bleiben. Es gibt umgekehrt auch viele, die tatsächlich "auswandern" wollten, aber nach einiger Zeit wieder zurückkommen. Wanderungsabsicht und Wanderungsergebnis treten also manchmal deutlich auseinander. Das Umgehen mit so genannten Dunkelziffern ist also, über Trendaussagen hinaus, immer eine gehobene Art von Kaffeesatzlesen.

Unzureichend erforschtes Phänomentagesschau.de: Wie gut erforscht ist die Motivation der Auswanderer?

Bade: Miserabel. Abgesehen von den aus Visa-Statistiken ablesbaren Absichten, zu bestimmten Zwecken auf Zeit in bestimmte Länder zu gehen, sind wir da erst ganz am Anfang. Auswanderung war eben lange kein aktuelles wissenschaftliches Thema mehr. Es wird Zeit, daß sich das ändert.

tagesschau.de: Wo gehen die deutschen Auswanderer hin?

Bade: In die Vereinigten Staaten, nach England, in Kontinentaleuropa besonders in die Schweiz und nach Österreich, in die Niederlande oder nach Skandinavien. Es gibt aber auch erhebliche Fortzüge etwa nach Polen. Dorthin kehren auch manche Aussiedler und Spätaussiedler zurück.

tagesschau.de: Wie gut - und bis zu welchem Punkt - können die Abwanderungen mit Einwanderern kompensiert werden?

Bade: Das funktioniert der Tendenz nach nur dann, wenn die Migrationsprofile insgesamt annähernd übereinstimmen, wenn also beispielsweise annähernd so viele Ärzte zuziehen wie fortziehen.

Mancher gut ausgebildete Zuwanderer fährt Taxitagesschau.de: Reagiert die deutsche Politik adäquat auf den Trend?

Bade: Nein, sie erkennt heute, rund ein Vierteljahrhundert zu spät, endlich an, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und will Zuwanderung immer noch vorwiegend beschränken, statt ziel- und konzeptorientiert zu steuern. Es ist geradezu peinigend absurd: Deutsche Spitzenkräfte wandern zunehmend ab und ausländische Spitzenkräfte machen immer deutlicher einen Bogen um dieses Land. Die Zuwanderer, die unter dem Schutz unserer Gesetze kommen und die wir uns nicht aussuchen können, entsprechen in ihren beruflichen Profilen oft nicht unserem Bedarf.

Und wo das tatsächlich der Fall wäre, da erkennen wir oft ihre Diplome nicht an und helfen Ihnen nicht zureichend bei Nachqualifikation und Spracherwerb, so dass zugewanderte Ärzte, die uns in den neuen Bundesländern fehlen, als Hausmeister arbeiten müssen und höchstqualifizierte Feststoffphysiker Taxi fahren - während uns an den Schulen Physiklehrer fehlen. Und bei der zweiten und dritten Einwanderergeneration verschleudern wir Begabungen durch unzureichende Förderung.

Punktesystem nach Vorbild Kanadas abgelehnttagesschau.de: Im industrialisierten Ausland freut man sich vermutlich ...

Bade: Die Amerikaner tippen sich inzwischen schon in ihren Medienberichten vernehmlich an die Schläfe, wenn sie über den sträflichen Umgang der Deutschen mit ihren Migranten berichten. Das hätten wir deutlich besser machen können. Zwei Beispiele: Wir hätten Zuwanderung im eigenen Interesse flexibel steuern können durch das im Zuwanderungsgesetz ursprünglich vorgesehene Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Die Briten führen es gerade ein, obgleich sie im Wanderungsgeschehen viel besser dastehen als wir. In Deutschland wurde es gestrichen aus Angst vor Zuwanderung. Ein verwandter Vorschlag des Zuwanderungsrates wurde im Herbst 2004 mit populistischem Geschrei verworfen, am Ende des Jahres wurde sicherheitshalber der ganze Zuwanderungsrat aufgelöst. Deutschland hat sich eingeigelt - und jetzt kommt die Rechnung im Wanderungsgeschehen.

tagesschau.de: Wie kommen die Auswanderer eigentlich in ihren Zielländern zurecht?

Bade: Sie kommen mehrheitlich gut zurecht, sonst würden sie ja zurückkommen oder weiterwandern müssen. Denn in ihren Zielländern gibt es in aller Regel nicht ein Wohlfahrtssystem, das, wie in Deutschland, die "migratorische Selbstauslese" abschaltet.

tagesschau.de: Wie meinen Sie das?

Bade: In dem Sinn, dass Migranten nach einigen Jahren vollen Anspruch auf Sozialleistungen haben, mithin auch bleiben können, wenn sie sich aus eigener Kraft nicht über Wasser halten können.

Kettenwanderung der Hochqualifizierten?  

tagesschau.de: Stichwort Braindrain: Sie sagen, das Land blutet qualitativ an der Spitze aus. Was heißt das? Wer sind diejenigen, die das Land verlassen?

Bade: Wir haben steigende Wanderungsverluste bei Spitzenkräften, denen keine entsprechenden Wanderungsgewinne bei Hochqualifizierten gegenüberstehen. Bei den Selbständigen sieht es nicht besser aus. Das geht auf die Dauer ohne schwere Einbußen an Innovationskraft nicht ab.

tagesschau.de: Was passiert, wenn die Ausgewanderten nach Hause melden: "Es läuft gut". Kommt es dann zum Schneeballeffekt?

Bade: Dann können sogenannte Kettenwanderungen entstehen, die nicht sofort wieder aufhören, nur weil es einmal wieder bessere Nachrichten von Zuhause gibt.

http://www.tagesschau.de/inland/meldung109876.html

DrSnuggles

Tja, so ist das wenn im Land nichts mehr vorwärts geht, sondern nur noch rückwärts. Auch ich würde so einen Schritt gerne wagen, aber leider will die Freundin nicht so recht wie ich.......
Wenns nix ist, könnte man ja immer noch zurückgekrochen kommen, und wieder bei einer ZAF um Audienz bitten. Wenns aber laufen würde (wovon ich eigentlich ausgehe wenn man es wirklich ernst nimmt), würde ich mit großer Freude meinen Personalausweis per Einschreiben Rückschein an Fräulein Merkel senden, mit der Bitte um ordnungsgemäße Entsorgung nach dem bundesdeutschen Abfallwirtschaftsgesetz.....   :P

Strombolli

Mich hat dieses Land krank gemacht. Und es wird täglich schlimmer.
Ein Auswandern geht aus Kostengründen und wegen vorhandener Familie nicht. Es fragt sich auch wohin?

Ohne Geld geht nirgends etwas.
Meine bundesdeutsche Umwelt geht mir derzeit wieder sowas von auf den Keks, ich möchte sie eigentlich gar nicht wahrnehmen, bin aber leider durch den täglichen Kampf, das Überleben zu sichern, gezwungen.

Ich lehne im tiefsten Innern diese Tretmühle ab.
Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

"Hört auf, Profite über Menschen zu stellen!" Occupy
Permanent angelogen & VERARSCHT IN DEUTSCHLAND! - Ich habe mit Dir fertig

DrSnuggles

Wohin ist natürlich eine der grundlegendsten Fragen. Kommt natürlich auch darauf an, was man für eine Ausbildung/Studium hat, und was in dem entsprechenden Land gefragt ist (z.B. aktuell Handwerker in den skandinavischen Ländern).

Finanziell sollte natürlich auch eine gewisse Grundlage vorhanden sein. Wobei es auch durchaus Arbeitgeber geben soll, die beispielsweise bei der Suche nach einer Unterkunft usw. behilflich sind und teilweise sogar die Umzugskosten mit übernehmen, weil sie sich eben sehr schwer tun ausgebildete Fachkräfte "in den eigenen Reihen" zu finden.

Daß man die jeweilige Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen sollte ist auch klar.

Aber wie gesagt, ich würde es zumindest versuchen. Mehr als schief gehen kanns woanders auch nicht.

schwarzrot

Ist schon interessant, erinnert mich gerade daran, dass in den letzten jahren der ddr auch viele mit den füssen abgestimmt hatten, was sie vom damaligen staat gehalten haben.

Wird aber langsam zeit, dass die die nicht auswandern können, oder wollen, wieder auch so reagieren wie damals!   ;)
"In der bürgerlichen Gesellschaft kriegen manche Gruppen dick in die Fresse. Damit aber nicht genug, man wirft ihnen auch noch vor, dass ihr Gesicht hässlich sei." aus: Mizu no Oto

Wieder aktuell: Bertolt Brecht

DrSnuggles

Vor ein paar Jahren habe ich auch schon gedacht, es wird nicht mehr lange dauern bis es mal wirklich kracht in diesem Land.  Aber mittlerweile glaube ich nicht mehr wirklich daran.
Jeder lässt mit sich machen was er will, wie ne Kuh die zum Schlachthof gefahren wird.
Das Problem ist aber auch, daß jeder denkt "was bringt das denn, wenn ICH das und das mache, das merkt doch eh keiner"........ Deutsch eben!

schwarzrot

...aber deutsch, waren doch auch die in der ddr, oder nicht?
"In der bürgerlichen Gesellschaft kriegen manche Gruppen dick in die Fresse. Damit aber nicht genug, man wirft ihnen auch noch vor, dass ihr Gesicht hässlich sei." aus: Mizu no Oto

Wieder aktuell: Bertolt Brecht

DrSnuggles

Klar, ich meine ja auch schon die "kleinen" Dinge, die wirklich nicht schwer für jeden einzelnen zu realisieren wären.
Tankstellenboykott für eine bestimmte Zeit bzw. bestimmter Ölmultis, gezielter Boykott von Produkten diverser Firmen (bsp. der große Handykonzern, der eben ein Werk in Bochum inkl. der zugehörigen Belegschaft eingestampft hat) usw. usw.

derpate

Bekannte von mir sind letztes Jahr auf eine spanische Insel ausgewandert. Hier, hatten sie sich durch jahrelanges Abschuften eine Eisdiele geschaffen, kauften sich von dem Ersparten ein kleines Mietshaus, mit 4 Wohnungen, welche sie allerdings nicht weiter vermieten konnten (zu hohe Renovierungskosten). So weit so gut, der Mann träumte von Sonne und weiterem Reichtum.....Zusammen mit einem Freund, der auch von Freiheit und bla bla bla träumte, verschifften sie die komplette Eisdiele auf die Insel. Bungalows zu Untermiete wurden besorgt, Ehefrau mit 2 Kindern rückten nach....das Ende der Geschichte? Alles umsonst! Sind alle wieder hier-keine Eisdiele mehr, keine Einkünfte, die Frau ist Leiharbeiterin und die Freundschaft am Ende, das Geld fast aufgebraucht und Träume zerplatzt! Soviel zum auswandern!
Damit meine ich natürlich nicht, dass man nicht auswandern sollte, aber....-was ich schon einmal geschrieben habe, Land und Leute vorab studieren und über jede Gepflogenheit Bescheid wissen-auf der Insel gab es nämlich noch nicht einmal eine vernünftige Schule, nur mal so nebenbei erwähnt....
Wer sich den Gesetzen nicht fügen will, muß die Gegend verlassen, wo sie gelten.

Regenwurm

Wo Leute Auswandern gibt es auch Einwanderer.
Der Globus ist rund. Kriegsgebiete und Eiskalte Gegenden wie die Antarktis fallen schon mal weg.
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

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