5000 Todesfälle unter Jeans-Arbeitern in Türkei befürchtet

Begonnen von Kater, 14:27:58 Mi. 25.Februar 2009

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Kater

Zitat5000 Todesfälle unter Jeans-Arbeitern in Türkei befürchtet

Bis zu 5000 Menschen in der Türkei könnten nach Einschätzung von Experten in den kommenden Jahren an den Folgen gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen beim Bleichen von Jeans sterben. Rund 20.000 Menschen hätten bisher in kleinen Fabriken und Werkstätten gearbeitet, in denen Jeans ohne den notwendigen Atemschutz mit Hilfe von Hochdruck-Sandstrahlern gebleicht würden, sagte die Lungenärztin Elif Reyhan Han von der Klinik für Berufskrankheiten in Ankara. Die Zahl der erwarteten Todesfälle sei so hoch, weil viele Betroffene nicht behandelt worden seien.

Laut der Zeitung "Evrensel" reichte die Klinik einen entsprechenden Bericht beim Arbeitsministerium in Ankara ein. Nun werde eine Reaktion des Ministeriums erwartet. Eine Selbsthilfegruppe der Jeans-Arbeiter fordert seit Monaten, die illegalen Werkstätten müssten geschlossen werden. Das Arbeitsministerium hatte im vergangenen Jahr rund ein Dutzend dieser Unternehmen schließen lassen. Laut "Evrensel" gibt es in der Metropole Istanbul aber etwa tausend solcher nicht registrierten Fabriken.

http://de.news.yahoo.com/2/20090225/tde-5000-todesfaelle-unter-jeans-arbeite-a4484c6.html

ZitatWarten auf den Tod
Türkische Textilbranche arbeitet mit tödlichen Verfahren
Von Susanne Güsten

Sandbestrahlung ist eine Methode, um einer neuen Jeans einen abgewetzten Look zu verpassen. In der EU ist dieses Verfahren längst verboten, weil die Prozedur die Atemwege tödlich belasten kann. Die Unternehmen sind daher in die Türkei abgewandert. In hohem Maße betroffen von den Folgen dieser Produktionsabläufe sind kurdische Arbeiter, die in Istanbul Jobs in der Textilindustrie annehmen.

Magere Truthähne picken auf dem Dorfplatz von Ambarliköy herum. In der blassen Wintersonne sitzen ein paar junge Männer auf niedrigen Schemeln und sehen dem Federvieh zu. Zu viel mehr reicht ihre Kraft nicht, sagt der 28-jährige Ramazan Tektas:

"Früher haben wir Fußball gespielt, sind hier herumgerannt. Jetzt können wir das nicht mehr. Früher konnte ich in einem Treppenhaus in den zehnten Stock hochrennen, ohne anzuhalten, heute komme ich nicht mal in den zweiten Stock. Ich wog damals 72 Kilo, jetzt sind es noch 60 Kilo und es werden jeden Tag weniger."

Seinem Bruder Alican geht es nicht besser, obwohl er erst 22 Jahre alt ist.

"Ständig schwitze ich, und ich bekomme schwer Luft. Außerdem nehme ich immer weiter ab und bin ständig müde."

Und auch Hasan, der dritte Bruder in der Runde, ist krank:

"Blut huste ich, ich bin immer müde und atme schwer. Ins nächste Dorf zu laufen, fällt mir schwer."

Mit einem Krug kommt Xanim Tektas auf den Platz, die Mutter der Brüder. Mehr als ihnen etwas zu trinken zu bringen, kann sie nicht tun für ihre kranken Söhne. Die Familie hat nicht einmal das Fahrgeld zum nächsten Krankenhaus im knapp hundert Kilometer entfernten Diyarbakir.

"Wenn diese Armut nicht wäre, dann hätten wir die Kinder doch nie weggehen lassen. Aber es gibt hier keine Arbeit, uns bleibt nichts anderes übrig. Meine Jungs haben als Sandstrahler gearbeitet in Istanbul. Wir wussten ja nicht, dass das passieren würde."

In der Textilbranche in Istanbul hatten die Tektas-Brüder und viele ihrer Freunde aus dem Dorf Arbeit gefunden, genauer: bei der Herstellung von künstlich gealterten Jeans, wie sie Mode sind in der westlichen Welt. Mit Sandstrahlern werden die Jeans dabei bearbeitet, um den abgewetzten Look zu erzeugen. Rodeo heißt die Technik im Fachjargon, wie Hasan Tektas erklärt:

"Diese Rodeo-Maschinen arbeiten mit ganz feinem Sand, der wird mit Kompressoren unter Hochdruck aus einem Schlauch geschossen. Damit haben wir die Hosen gebleicht."

Ein lebensgefährliches Verfahren, wie Arbeitsmediziner heute wissen. Denn die Sandkörner werden dabei zertrümmert und setzen Silizium frei - ein Mineral, mit dem die Lungen nicht fertig werden. Silikose heißt die Krankheit, die dadurch verursacht wird, und sie ist unheilbar. Die Betroffenen sterben nach langem Leiden durch Ersticken. Ramazan Tektas kennt die Diagnose erst seit wenigen Wochen:

"Der Arzt hat gesagt, dass wir die Krankheit auch haben, wir und die meisten unserer Freunde. Wir sind alle traurig und total am Ende, denn man hat uns gesagt, dass es keinen Ausweg gibt."

Allein in diesem Dorf wurde schon bei mehr als 50 jungen Männern Silikose diagnostiziert; in einem Dorf in der Nachbarprovinz Bingöl sind es über 100 Fälle, dort sind bereits mehrere junge Männer gestorben. Dass die meisten Silikose-Kranken Kurden sind, ist eine indirekte Folge des PKK-Krieges, wie Abdülhamid Demir erzählt, ein Kollege der Tektas-Brüder:

"Früher ging es uns hier gut. Meine Familie betrieb Viehzucht, ich ging zur Schule. Doch als die Männer zur Miliz eingezogen wurden, da mussten wir unser Vieh verkaufen, im Krieg wurden die Weiden zerstört. Also mussten wir nach Istanbul gehen, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen."

Erst glaubten die Einwohner von Ambarliköy, sie hätten Glück gehabt, als einige Jungs aus dem Dorf gut bezahlte Arbeit in der Textilbranche in Istanbul fanden und die anderen nachholten. Ramazan Tektas war einer von ihnen:

"Wir arbeiteten mitten in Wolken von Sand. Die Werkstatt war ein winziger Raum, ohne Belüftung und abgedichtet, damit der Sand nicht wegkommt. Die Wolken zogen nie ab. Wir atmeten alles ein."

Und das nicht nur während der Arbeitszeit, zwölf Stunden am Tag, sondern auch nachts.

"Im hinteren Bereich der Werkstatt hatten wir unseren Schlafplatz. Dort lagen Matten auf dem Boden, da haben wir geschlafen und gegessen, immer in diesem Staub."

Wenn ein Inspektor kam oder ein Polizist, dann steckte der Chef ihm ein paar Scheine zu, denn die Arbeiter waren alle schwarz beschäftigt. Eine Krankenversicherung hat deshalb kein einziger der Tektas-Brüder oder ihrer Leidensgenossen im Dorf. Ihnen bleibt von den Jahren harter Arbeit nichts als das Warten auf den Tod.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/919311/

CubanNecktie

Silikose, da leiden auch viele Chinesen drunter ... die mit Sand+Hochdruck Schmuck schleifen. Gab da vor ein paar eine erschütternde Doku auf ARTE ... und jetzt wiederholt sich die gleiche Tragödie in der Türkei (nur das Billig-Produkt unterscheidet sich, Schmuck schleifen oder Jeans bleichen, aber das Endprodukt => Silikose ist gleich)........
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