Hartz IV-Höhe: Bundesregierung blamiert sich vor dem Bundesverfassungsgericht

Begonnen von Ratrace, 14:37:29 Do. 22.Oktober 2009

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Ratrace

Es kommt Schwung in die Sache, ich zitiere eine Mail, die ich heute von der "hartz4-plattform.de" zugeschickt bekommen habe:

ZitatLiebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,
liebe Freundinnen,
liebe Freunde,

nach einer kurzen, Schweine-freien Grippe-Zwangspause – im Anschluss an die Bundesverfassungsgerichts-Verhandlung in Karlsruhe - übermitteln wir Ihnen und Euch unsere erste

Kurzmeldung:

Ein historischer Tag für Hartz IV: Bundesregierung hat sich vor'm Bundesverfassungsgericht selbst abgewatscht
Kläger Thomas Kallay erhält von Präsident Papier Gelegenheit zum Schlusswort der 5-stündigen Hartz IV-Verhandlung

Nun ist es doch nicht gelungen, Thomas Kallay ohne Anwalt – ein Schelm, wer böses dabei denkt! - und ohne Verhandlung über seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht abblitzen zu lassen. Stattdessen hat sich die Bundesregierung bei der gestrigen Verhandlung in Karlsruhe gestenreich und inhaltslos um Kopf und Kragen geredet – ohne auch nur eine einzige der ungewöhnlich zahlreichen, bohrenden Fragen der Verfassungsrichter nach den Berechnungsgrundlagen von Hartz IV schlüssig beantworten zu können. Sie hatte offensichtlich gehofft, mit der alleinigen Überprüfung der Kinderregelsätze "billig" aus dem Gerichtssaal zu kommen. Damit ist sie so grandios gescheitert, dass selbst Präsidentin Paulat vom Deutschen Sozialgerichtstag schließlich "Zweifel an den heutigen Ausführungen der Bundesregierung"  anmeldete und ihre eigene Stellungnahme zurück nahm, in der sie zunächst die Regierungslinie gestützt hatte, als ginge es nur um die Frage der Verfassungswidrigkeit von Kinderregelsätzen. Höchste Achtung zollte Papier schließlich dem jahrelangen Bemühen und sachkundigen Vortrag des einzigen im Karlsruher Gerichtssaal anwesenden Klägers, indem er Thomas Kallay Gelegenheit zu einem Schlusswort des Verhandlungstages erteilte. Mit großer Aufmerksamkeit hörten die acht Verfassungsrichter und die Öffentlichkeit, vertreten durch ein großes Medienaufgebot, seinem eindrucksvoll-berührenden Verhandlungs-Abschluss zu: "Ich habe heute viel gehört ... aber wenig aus dem wirklichen Leben. Ich will ihnen mal schildern, wie so ein Hartz IV-Leben beispielsweise in meiner Familie aussieht ..."

Bis morgen, spätestens Samstag früh werden Thomas Kallay und Brigitte Vallenthin Ihnen einen detaillierten Bericht über Verlauf und Einschätzung der Karlsruher Verhandlung zukommen lassen, der bislang Unveröffentlichtes enthält.

Anbei zur Information mal einen sachkundigen Beitrag des Spiegel vom 19. Oktober, der bereits vor der Verhandlung berichtete, was alle hätten wissen können – worum es inhaltlich in Karlsruhe gehen würde und tatsächlich ging.

Wiesbaden, 22. Oktober 2009

Wir danken für Ihre Berichterstattung und
senden Ihnen herzliche Grüße

Brigitte Vallenthin
Presse
Hartz4-Plattform
keine Armut! - kein Hunger! - kein Verlust von Menschenwürde!
Bürgerinitiative für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens
sowie die Information und Unterstützung von Hartz IV-Betroffenen

fon 0611-1721221
0160-91279465
eMail info@hartz4-plattform.de
internet www.hartz4-plattform.de
www.grundeinkommen-waehlen.de
www.grundeinkommen-wiesbaden.de


Radiointerview mit Brigitte Vallenthin zum Thema, unbedingt auch anhören:

http://www.rdl.de//index.php?option=com_content&task=view&id=4139&Itemid=145



Eigene Anmerkung: Tja, da hat sich die Regierung so darauf verlassen, nur die Hartz-IV-Sätze für Kinder dem Bundesverfassungsgericht "en passant" erklären zu müssen, und dann fragen die Robenträger unverschämterweise auch noch nach den Details der Erhebungsgrundlage der Hartz-Sätze für Erwachsene. Heraus kam, daß bereits diese Sätze komplett aus der Luft gegriffen waren (ach neeeee... wer davon "leben" muß, hätte das den Richtern schon vor Jahren sagen können), ebenso wie die Sätze für die Kinder, für die 80 % der Erwachsenensätze - also 80 % des Luftgriffs, wobei auch die 80 % ohne jedwede Grundlage erhoben wurden - zugrunde gelegt wurden.

Bitte auf der Zunge zergehen lassen: 28 (!) Mitglieder der Bundesregierung und dazu noch Vetreter des statistischen Bundesamtes haben es nicht geschafft, dem BVerfG die Ermittlungsgrundlagen für die Höhe der Hartz-Regelsätze darzulegen. Das spricht ja wohl Bände.

Kurz und gut: Das BVerfG wird sehr wahrscheinlich die Hartz-IV-Sätze für verfassungswidrig erklären, es sieht alles nach einem guten Weg aus.

Wenn das dann passiert ist (das wird man dann lt. Radiointerview im Januar oder Februar nächsten Jahres erfahren), wird die ausgesetzte Klage von Herrn Kallay, in der es thematisch ja um die Höhe der Regelsätze geht, vom hessischen Landessozialgericht weitergeführt. Dort wird dann über die neue Höhe entschieden werden. Es kann also zwar noch alles etwas dauern, aber Leute: Das sitzen wir nach all' den Jahren des verfassungswidrigen Vegetierens unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums doch auf einer Arschbacke ab, oder?  ;D

Was mich gleich zurückbringt zu folgendem Thread:

http://www.chefduzen.de/index.php/topic,16864.msg151116.html#msg151116

Zwar ist die Frist zur Einreichung der Überprüfungsanträge bereits mit dem 19. Oktober abgelaufen, aber Frau Vallenthin will mit ihrer Erwerbslosenini noch die Frage klären, inwieweit eine Fristverlängerung für die Überprüfungsanträge machbar ist. Wäre ja nicht schlecht, für die bislang erlittene Hartz-Scheiße quasi rückwirkend entschädigt zu werden, oder? Es lohnt sich also, auf "http://hartz4-plattform.de/" regelmäßig nach Neuheiten zu gucken. Am kommenden Wochenende wird es dort lt. Frau Vallenthin bereits einen ausführlichen Prozeßbericht zu lesen geben.

Oh-oh, wenn die Regierung dann für die letzten vier oder fünf Jahre allen, die einen Überprüfungsantrag gestellt haben, die Differenz vom alten zu dem noch festzustellenden neuen Regelsatz nachzahlen muß, dann ham'wa direkt die nächste Finanzkrise. Mit dem Unterschied, daß das Geld dann ausnahmsweise mal an die richtigen Leute geht.




Falls die aktuellen Entwicklungen bereits andernorts gepostet wurden: Sorry, ich habe einfach mal schnell reagiert, ohne vorher groß im Forum zu suchen.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Strombolli

Das Systemmotto: "Gib mir Dein Geld! - Jetzt, Du dreckiges Opfer !!!! - Und habe immer ANGST VOR DEM MORGEN !!!"

"Hört auf, Profite über Menschen zu stellen!" Occupy
Permanent angelogen & VERARSCHT IN DEUTSCHLAND! - Ich habe mit Dir fertig

Arwing

Das könnte passieren. Irgend ein politisches Manöver, um einen verfassungswidrige Erklärung von Hartz4 zu unterbinden und milliardenschwere Nachzahlungen zu vermeiden.
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

mousekiller

Wenn man keine Ahnung hat - einfach mal die Fresse halten.

Ratrace

Kann mir mal jemand genau (oder annähernd nachvollziehbar und mit nüchternem Blick auf die Realität) erläutern, wie so ein politisches Manöver aussehen soll? Staatsbankrott? Ausnahmezustand? Was passiert dann genau? Sonstige Ideen?

Die Frage ist meinerseits durchaus ernst gemeint.

Man muß auch bedenken, daß wahrscheinlich eher wenige Hartz-IV-Opfer so einen Überprüfungsantrag gestellt haben - ich sage mal, zu wenige, um einen Staatsbankrott auszulösen. Ich hatte seinerzeit in meinem Umfeld für die Stellung eines solchen Antrages geworben - in den meisten Fällen erntete ich nur Gleichgültigkeit. "Wenn ich die in Ruhe lasse, lassen die mich auch in Ruhe" kam da sehr oft.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Strombolli

Spontan und ohne lange Überlegung fällt mit da ein: Wir befinden uns im Krieg gegen den Terror, weil .... in .... "paralysiert" wurde und damit Notverordnungen in Kraft treten.
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Ratrace

ZitatSpontan und ohne lange Überlegung fällt mit da ein: Wir befinden uns im Krieg gegen den Terror, weil .... in .... "paralysiert" wurde und damit Notverordnungen in Kraft treten.

Das würde dazu passen, daß man in den Medien das Thema derzeit noch meidet wie die Pest, denn es gäbe sicherlich Aufruhr, wenn diese den Leuten die Sache mit den verfassungswidrigen Regelsätzen erst erzählen würden und unsere Volks(ver)treter dann pünktlich zur finalen Entscheidung des Gerichtes das übliche Terrorablenkungsmanöver (an das sowieso kaum noch einer glaubt, der bei wachem Verstand ist) aus dem Hut zaubern würden, um sich so aus der Affäre zu ziehen.

Dem kann man allerdings damit begegnen, daß man die Kunde von der Verfassungswidrigkeit der Regelsätze möglichst überall penetrant verbreitet. Denn selbst unsere Medien haben gemerkt, daß man das Internet nicht so einfach ignorieren kann. Ich verweise als Beispiel auf die Petition gegen die Von-der-Leyen-Stoppschilder - hat anfangs auch nur eher die Heise-Nerds interessiert, und dann, mit steigenden Mitzeichnerzahlen, wurde das Ganze auch ein Thema in den Systemmedien.

Ich erwarte einfach mal von jedem Hartzer, daß er mithilft, die Neuigkeiten zu verbreiten. Alles andere würde heißen, daß er oder sie mit dem Regelsatz zufrieden ist.

Bin mal gespannt.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

kellerkind

Der Klageführer gegen die Hartz-IV-Regelsäztze, Thomas Kallay, hat sich persönlich zu dem Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht zu Wort gemeldet. Unbedingt lesenswert:

http://www.chefduzen.de/index.php/topic,19936.msg182525.html#new

MizuNoOto

Staatsbankrot? Ich habe es in dem BVerfG-thread unter arbeitslos und Spaß dabei belegt: Ein Euro Eckregelsatzes kostet den Bund (?) 41,25 Millionen pro Jahr. Das ist sehr wenig. 2010 wird der Bund vorraussichtlich Ausgaben von 41 Mrd. unter AlgII verbuchen. Der Eckregelsatz beträgt zur Zeit 359 Euro. 359 x 40,25 Mio = 14449,75 Mio = 14,5 Mrd. Von den Gesamtausgaben des Bundes für HartzIV macht die Regelleistung also gerade mal ein Drittel aus.
An Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes kommt noch der Bundesanteil für die KdU dazu (ca 1/4). Der Rest sind Verwaltungskosten und Maßnahmeunsinn.
Eine Erhöhung des Eckregelsatzes um 50 Euro kostet den Bund jedes Jahr so viel wie der Afghanistaneinsatz (2 Mrd). Und an Afgha ist der Bund bisher nicht pleite gegangen.

Es sieht so aus, als könnten die Regelsätze für Kinder erhöht werden. Aber als Erwachsener würde ich nciht auf mehr Geld durch das BVerfG spekulieren. Im Kern ist die Regelsatzhöhe eine politische Frage. Das BVerfG ist immer bemüht, nicht zu sehr in politische Entscheidungen einzugreifen. Außerdem fehlt Berichterstatter Papier und Präsident Kirchhoff (Bruder von Paul) dazu der Wille (man muss sich nur mal deren bisherigen Äußerungen bzw. Handlungen angucken). Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass die Sätze klarer berechnet werden müssen. Und das ist doch wohl kein Problem. Seit 2003 ist z. B. der Lebensstandart des einkommensschwächsten Bevölkerungsfünftel gesunken. Auch ohne statistische Tricks kann man auf 359 Euro kommen.

Dass höhere Regelsätze keine politische Lobby haben, sieht man auch daran, dass die Hoffnungen jetzt auf die unpolitische, im Grunde autokratische Institution BVerfG gerichtet werden. Die anderen Verfassungsorgane sind fest in den Händen der Neoliberalen. Hurra, alles wird besser.

Ratrace

ZitatOriginal von MizuNoOto: Seit 2003 ist z. B. der Lebensstandart des einkommensschwächsten Bevölkerungsfünftel gesunken. Auch ohne statistische Tricks kann man auf 359 Euro kommen.
Na ja, das will ich sehen. Die Regelsatzhöhe zur Sicherung des "soziokulturellen Existenzminimums" - und genau das interessiert das BVerfG in diesem Fall, weil es den §1 GG berührt - ist bereits eindeutig beziffert worden. Belege dafür weiter unten in diesem Posting. Das heißt nicht, daß es auf genau diese 600 € hinauslaufen wird, aber bei den derzeitigen 359 € wird es das hessische LSG wohl kaum belassen können, wenn das BVerfG die jetzige Höhe als verfassungswidrig einstuft.

Abgesehen davon: Nicht der aktuelle Lebensstandard des einkommensschwächsten Bevölkerungsfünftel zählt, sondern die Menge an Geld, die man angesichts der tatsächlichen Preise der statistischen Warenkorbgüter, der Unterkunftspreise und der Deckung des kulturellen Mindestbedürfnisse monatlich braucht, um menschenwürdig leben zu können. Ja, auch kulturelle Bedürfnisse dürfen und sollen in die Regelsätze miteinfließen laut BVerfG.

Wenn man den aktuellen Lebensstandard des einkommensschwächsten Bevölkerungsfünftel als Messlatte für künftige Berechnungen irgendwelcher Sozialregelsätze nähme, könnte man JEDEN Lebensstandard willkürlich statistisch auf nahe Null herunterschrauben und dies als Norm festsetzen (überzogenes Beispiel: Obdachlose brauchen genau null Euro vom Staat zum Überleben, also setzen wir das voraus als Standardregelsatz). Genau diese Willkür ist zur Zeit der Fall. Und daß diese Willkür eben so nicht statthaft ist, hat das BVerfG ja bereits eindeutig gesagt. Eine greifbare, reale Berechnungsgrundlage muß schon vorhanden sein.

ZitatOriginal von MizuNoOto:Staatsbankrot? Ich habe es in dem BVerfG-thread unter arbeitslos und Spaß dabei belegt: Ein Euro Eckregelsatzes kostet den Bund (?) 41,25 Millionen pro Jahr. Das ist sehr wenig. 2010 wird der Bund vorraussichtlich Ausgaben von 41 Mrd. unter AlgII verbuchen. Der Eckregelsatz beträgt zur Zeit 359 Euro. 359 x 40,25 Mio = 14449,75 Mio = 14,5 Mrd. Von den Gesamtausgaben des Bundes für HartzIV macht die Regelleistung also gerade mal ein Drittel aus.
An Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes kommt noch der Bundesanteil für die KdU dazu (ca 1/4). Der Rest sind Verwaltungskosten und Maßnahmeunsinn.
Eine Erhöhung des Eckregelsatzes um 50 Euro kostet den Bund jedes Jahr so viel wie der Afghanistaneinsatz (2 Mrd). Und an Afgha ist der Bund bisher nicht pleite gegangen.
Dann fällt dies als Ausrede zur Verhinderung der Regelsatzerhöhung schon mal weg.

ZitatOriginal von MizuNoOto:Das BVerfG ist immer bemüht, nicht zu sehr in politische Entscheidungen einzugreifen.
Das tut es aber faktisch - bislang immer dort, wo es als Korrektiv für verfassungswidrige politische Entschlüsse gehandelt hat. Denn das BVerfG entscheidet über Verfassungskonformität auch und insbesondere politischer Entschlüsse. Es ist also quasi seine ureigenste Aufgabe, in die Politik einzugreifen, zumindest in realiter. Was natürlich bei einer überborden neoliberalen und damit fast automatisch verfassungsrechtlich bedenklichen Politik häufiger vorkommt und vor allem vorkommen könnte, gäbe es mehr Kläger. Aber das kann man natürlich von niemandem erwarten. Ich würde den psychischen Druck eines jahrelangen Prozeßmarathons durch die Instanzen kaum aushalten - erst recht nicht, wenn ich von allen Seiten negative, entmutigende Reaktionen bekäme. Deshalb empfinde ich für den Einsatz, Mut und die Ausdauer von Herrn Kallay eine gehörige Hochachtung und bringe das auch zum Ausdruck. Manchmal kommt einem der Gedanke, daß es Leute gibt, die es nicht ertragen können, daß andere Leute als sie selbst im Fokus des öffentlichen Interesses bei der Beobachtung des Kampfes gegen asoziale Politik stehen.

ZitatOriginal von MizuNoOto:Hurra, alles wird besser.
Wieso der Sarkasmus? Natürlich wird nicht "alles besser", aber zumindest stehen schon einmal grundlegende, die ureigensten, verfassungsgarantierten Rechte der Menschen betreffende Fragen zur Diskussion und eben nicht zur Disposition wie bisher. Die Richtung ist durch das bisherige Handeln des BVerfG schon deutlich angezeigt. Immerhin geht es hier um den §1 des GG, und der ist nicht umsonst an erster Stelle im GG positioniert. Daß bislang sich kein Politiker um Menschenwürde geschert hat, liegt eben auch daran, daß das BVerfG erst einmal angerufen werden muß, um aktiv werden zu können, was für den Kläger einen Ritt duch die Instanzen voraussetzt, der kostspielig und nervenaufreibend ist. Und diesen Ritt hat Herr Kallay immerhin auf sich genommen. Etwas, was Millionen von Sofarebellen und Dampfplauderern nicht auf die Reihe bekommen haben. Die Reaktion, die ich oft beobachte, ist: "Ich lasse die [Ämter, Anm. d. Verf.] in Ruhe, und die mich." Sogar, wenn es darum geht, einen blöden Überprüfungsantrag zu stellen, hört der Mut der meisten ALG-II-Empfänger schon auf. An Unerfahrenheit kann es nicht liegen, es gibt Muster im Netz. Und Arbeitslosen-Inis, die einem dabei helfen können.

Deshalb finde ich (nicht nur) Deinen Defätismus etwas unangebracht hier. Wobei ich eine gewisse Resignation auch verstehen kann. Die Jahre haben alle, auch mich, ziemlich mürbe gemacht. Aber deshalb in der willfährigen "Bringt eh alles nix"-Haltung zu stagnieren, halte ich für noch weniger zielführend als eine Klage beim BVerfG.    ;D

ZitatOriginal von MizuNoOto:Es sieht so aus, als könnten die Regelsätze für Kinder erhöht werden. Aber als Erwachsener würde ich nicht auf mehr Geld durch das BVerfG spekulieren.
Das BVerfG kann nicht über die Höhe des ALG II entscheiden.
ZitatNeue Regelsätze in Heller und Pfennig, so Präsident Papier, wird das Bundesverfassungsgericht aber nicht festlegen. Das ist Aufgabe der Bundesregierung und des Bundestages. Wahrscheinlich ist, daß das Gericht die Politik dazu verpflichten wird, innerhalb einer bestimmten Zeit die Leistungen neu zu berechnen. Ob das auch Auswirkungen auf die Vergangenheit hat, ob Thomas K. und seine Familie und Millionen anderer AlG-II-Bezieher auch rückwirkend mehr Geld bekommen, ist noch völlig offen. Ziemlich wahrscheinlich ist aber, dass die strikte Pauschalierung der Leistungen bei AlG II gekippt wird. Wer einen höheren Bedarf hat als in der Regelleistung vorgesehen, z.B. weil besonders hohe Kosten für die Schule anfallen, wird bisher fast immer abgewiesen. Dafür werden die Bundesverfassungsrichter eine passende Lösung fordern, wie auch immer sie aussehen mag.
Quelle: http://www.400-euro.de/bverfg.html, Seite von Erwin Denzler M.A., Dozent für Arbeits- und Sozialrecht

Wer nun einen niedrigeren Betrag als die bisherigen 359 € befürchtet - hier eine Einschätzung von Tacheles dazu:
ZitatEines ist damit jetzt schon klargestellt: Das Bürgergeldkonzept der FDP mit 662 EUR zur Existenzsicherung (inkl. Miete, Heizung, Hausrat, Bekleidung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung) ist mit diesen in Aussicht gestellten Anforderungen nicht zu vereinbaren.

Denn das BVerfG stellte schon am ersten Verhandlungstag darauf ab, dass das staatlich gewährleistete Existenzminimum ein Leben in Würde und soziokulturelle Teilhabe ermöglichen müsse und keinesfalls eine Existenzsicherung auf unterstem Niveau darstellen dürfe.

Damit positioniert sich das BVerfG gegen die Konzepte der neoliberale Vertreter wie die Bertelsmannstiftung oder die Initiative Soziale Marktwirtschaft, die durch gezieltes "Aushungern" oder chronische Unterfinanzierung Hartz IV- Bezieher/innen in den Niedriglohn treiben wollen.
Quelle: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/HartzIV_Verfassungsgericht.aspx

Das BVerfG entscheidet lediglich darüber, ob der Regelsatz verfassungskonform ist oder nicht. Und diesbezüglich sieht es auch für die erwachsenen ALG-II-Empfänger ganz gut aus. Was die Höhe des Geldes zur Sicherung des "soziokulturellen Existenzminimums" - laut BVerfG integraler Bestandteil der zu wahrenden Menschenwürde und damit des §1 GG - angeht, liegen bereits konkrete und bewiesene Zahlen vor:
ZitatBrigitte Vallenthin, selber Klägerin in einem Regelsatzverfahren, wird der Verhandlung in
Karlsruhe als Prozessbeobachterin beiwohnen. Übereinstimmend mit einem der
Sachverständigem im, mittlerweile bundesweit bekannten Hartz-IV-Regelsatz-Verfahren
L 6 AS 336/07 vor dem Landessozialgericht Hessen, Prof. Dr. jur. Matthias Frommann, FH
Frankfurt, hat Vallenthin eine zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums
notwendige Erhöhung des Regelsatzes im SGB II (Hartz-IV) mittels aktueller Marktzahlen
auf über 600.- Euro nachgewiesen.
Quelle:
http://www.hartz4-plattform.de/images/EKLAT-HartzIV_BVerfG.pdf

Darüberhinaus:
ZitatMittagspause. Zwei Stunden, da im Gerichtsgebäude keine öffentliche Kantine ist und nach der Pause alle Besucher wieder durch die Sicherheitskontrolle müssen. Aber auch Zeit genug zum Nachdenken. Eine wichtige Sachverständige tat dies offenbar, Monika Paulat, Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.  Als Präsidentin des Sozialgerichtstages trug sie die Erfahrungen aus der gerichtlichen Praxis vor. In der schriftlichen Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht und einen Tag vor der Verhandlung in einem SPIEGEL-Interview hatte die renommierte Sozialrechtsexpertin noch gesagt, nur der Kinderregelsatz sei ein Problem, beim Eckregelsatz für Erwachsene habe sich der Gesetzgeber " immerhin bemüht, deren Bedarf realitätsbezogen zu ermitteln." Nach der Mittagspause korrigierte Paulat ihre Meinung: nachdem sie nun aus den Aussagen der Regierungsvertreter erfahren habe, wie dieser Eckregelsatz zustande kam, bezweifelt sie ihre eigene Stellungnahme. Offenbar gäbe es kaum Grundlagen für die Festlegung.

Das war wohl die größte Niederlage für die Bundesregierung an diesem Tag: Paulat ist nicht irgendwer, sie steht als gewählte Vorsitzende des Fachverbandes für die Sozialgerichtsbarkeit in ganz Deutschland. Ausgerechnet die Regierungsvertreter selbst hatten sie dazu gebracht, ihren Glauben an die korrekte Gesetzgebung aufzugeben. Zunächst nur für sich persönlich, aber sie kündigte schon an, daß auch ihr Verband seine Meinung nun wohl ändern werde.
Quelle: http://www.400-euro.de/bverfg.html

Noch zur Ergänzung: Auf http://hartz4-plattform.de/ stehen weitere Neuigkeiten den Prozeß betreffend.

Abschließend noch eine Anmerkung: Ich will nicht Dich speziell angreifen, MizuNoOto, sondern die Haltung, die viele hier an den Tag legen. Bislang hat sich erst einer - Aloysius in diesem Thread - annähernd positiv zu dem von Herrn Kallay betriebenen Aufwand geäußert, die meisten Reaktionen hier beschränken sich auf oben angeführte "Bringt eh nix"-Reaktionen. Genau darum geht es mir. Ich kann es nicht mehr hören. Die Leute scheinen gar nicht mehr mit ihrer Situation konfrontiert werden zu wollen. Offenbar haben die Protagonisten der Agenda-2010-Politik die Leute dort, wo sie sie haben wollen. In der Duldungsstarre.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Pinnswin

Der Staat kollabiert? Mhmm, ich denke nicht, der impoldiert höchstens, vor Wonne. D hat viel zu viel Geld, was man daran sieht, das die Politiker und Konsumstrategen mit dem Gießkannen Format Geld über HSH, Quelle, Opel, etc. profilaktisch ausschütten und dann datt ganze Vergessen. D hat soviel Geld, es ist einfach egal, wohin die Milliönchen versickern, sie drucken einfach neu, bzw. lassen Papierberge an den Börsen entstehen.

Die Verschuldung, na und? Wen interessiert es? Würde die D Staatsverschuldung irgend jemanden (außer den BLID-Zeitungsleser) interessieren, würde man doch anfangen, kompetent zu wirtschaften, oder irre ich mich?
Wirtschaften ist gar nicht so schwer, das macht die Menscheit schon Jahrhunderte und wird auch in jedem normalen Haushalt praktiziert. Nur interessiert das niemand von unseren Konsumstrategen (Politikern). Warum auch, es wird ja doch nie abgerechnet. Sollte evtl. doch mal abgerechnet werden, kann man ja immer noch den Hut nehmen. Und solange man unter sich ist, passiert eh nix.

Der Staat implodiert. Weil er nichts rausläßt. In unserer Klasse Gesellschaft gibt es eine Inflation, aber nicht auf der Straße. Auf der Straße gibt’s die Deflation: Zwei Klassen, Zwei Geldflüsse. Unseren Konsumstrategen ist Geld einfach nichts mehr wert. Warum auch, ist ja nur Papier und an der Börse gibt’s mehr davon, jederzeit.

Schuldenumschichtung, in der realen Wirtschaft müsste D Insolvenz anmelden, aber D ist nicht real, alles nur Brot und Spiele, Blackjack und Nutten. Niemand wird für irgend eine Sauerei zur Rechenschaft gezogen, warum auch? Die sind abgehoben, nicht mehr erreichbar. Man bräuchte nur die Glotze einschalten und eine von diesen unsäglichen Diskussionsrunden und Tagesshows verfolgen, die geben sich nicht mal MÜHE.

28 Mitglieder der Bundesregierung und dazu noch Vertreter des statistischen Bundesamtes (28 Ministerialbeamten und deren Mitarbeitern, insgesamt rund 40 Leuten) haben es nicht geschafft, dem BVerfG die Ermittlungsgrundlagen für die Höhe der Hartz-Regelsätze darzulegen. Und warum? Weil es sie nicht interessiert. Nie interessiert hat, nicht gestern, nicht heute und auch nicht morgen und übermorgen ham´s  eh schon wieder vergessen. Und was das auch schon wieder für Geld kosten - 40 gut bezahlte Vollidioten, die ihren Job machen. Erdnüsse.

Hartz4 ist das perfekte Druckmittel, für alle Ehrlichen.
Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

Ratrace

Zitat28 Mitglieder der Bundesregierung und dazu noch Vertreter des statistischen Bundesamtes haben es nicht geschafft, dem BVerfG die Ermittlungsgrundlagen für die Höhe der Hartz-Regelsätze darzulegen. Und warum? Weil es sie nicht interessiert. Nie interessiert hat, nicht gestern, nicht heute und auch nicht morgen und übermorgen ham´s  eh schon wieder vergessen.
Ist auch völlig egal, ob es die Leute von der Regierung oder dem Statistischen Bundesamt interessiert. Jetzt interessiert's die Verfassungsrichter.

Ach ja, ich weiß gar nicht, ob ich das Folgende hier posten sollte, denn "bringt ja eh nix":
Tacheles-Einschätzung zur rechtlichen Lage der Stellung der Überprüfungsanträge und etwaiger Fristen:
Zitat* Es gab am 20. Oktober eine mündlicher Erörterung und keine Urteilsverkündung. Der Ausschluss eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X über § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II i.V. m. § 330 Abs. 1 SGB III gilt damit nicht ab dem 20. Oktober, wie wir es zunächst auf der Tachelesseite eingeschätzt hatten, sondern erst ab Urteilsverkündung, voraussichtlich im Januar 2010. Es ist demnach weiterhin bis zur Urteilsverkündung möglich Überprüfungsanträge zu stellen!
   * Weiterhin sind die Chancen gestiegen, dass das BVerfG feststellt, die Regelleistungen seien verfassungswidrig und auch für die Vergangenheit neu zu bemessen. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, rechtzeitig einen Überprüfungsantrag zu stellen oder neu erlassene Bescheide mit Widerspruch anzugreifen, um etwaige Ansprüche rückwirkend zu sichern.
Quelle: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/HartzIV_Verfassungsgericht.aspx
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Codeman

@Ratrace,

sehr gut vorgetragen und ich schliesse mich deinen Ausführungen uneingeschränkt an.Ich habe damals bereits kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses des hessischen LSG einen Ü - Antrag gestellt. Der wurde dann ca. 6 Monate später abgelehnt und ist seit rund 4 Monaten im Widerspruchsverfahren. Ich erlaube mir den Gedanken,dass mein Jobcenter meinen Widerspruch ruhend gestellt hat.

Tatsache ist,es wird wohl nicht bei dem Regelsatz bleiben,denn das Bundesverfassungsgericht wird insbesondere das Zusammenkommen des Regelsatzes bemängeln. Es kommt halt drauf an,ob und wie Karlsruhe entscheidet,aber man darf wohl sicher sein,dass es nur noch um die Höhe in Milliarden geht,die Karlsruhe der Politik zur Auflage machen wird. Sicher wird wohl sein: Der Kinderregelsatz wird auf jedenfall kassiert und muss zwangszweise durch eine ausreichende Bildungskomponente ergänzt werden. Insgesamt ist der Kinderregelsatz zu gering bemessen und auch völlig weltfremd,was man an den in der Presse zitierten Beispiel sehen kann,dass ein Kind 10 euro im Monat für Tabak und Spirituosen hat,aber kein Geld für Windeln.

Der Erwachsenenregelsatz wird wohl auch kassiert werden,denn auch hier gibt es keine konkrete Bemessung des Bedarfes. Ich habe ferner gelesen,dass nicht nur der Deutsche Sozialgerichtstag seine Auffassung geändert hat,es gehe nur um die Kinderregelleistungen,sondern jetzt auch um alles andere. Ferner sollen wohl auch (frag mich nicht wo ich das gelesen habe) Caritas und ein anderer Wohlfahrtsverband seine Meinung geändert haben und jetzt auch das Zustandekommen des Eckregelsatzes scharf anzweifeln. Jetzt sind Menschen in diesen Forum ja schnell dabei,dieses Verhalten als scheinheilig zu bewerten - das ist mir in diesem Fall total egal,so lange wie es mir und uns was nützt.

Am meisten interessiert mich etwas ganz anders und ich will auch erklären was: Während alle nur über die Regelleistungen sprechen,interessiert mich insbesondere die kritische Einstellung des BVerfG zum Thema Anpassung der Regelleistungen. Denn bisher ist diese ja immer an den Rentenwert gekoppelt und nicht an den Preissteigerungen,was ferner bisher immer eine Regelleistungskürzung war. Auch dies hat Karlsruhe ja durchaus kritisch gesehen und ich bin gespannt wie sich das BVerfG dazu äussert.

Interessant ist auch wie sich BSG jetzt verhällt,hat es doch bereits 2 oder 3mal erklärt das die Regelleistungen verfassungskonform sind. Es muss doch für einen BSG Richter ein offener Schlag ins Gesicht sein,jetzt zu hören,dass sie päpstlicher seien wollten als der Papst. Ferner wird es sich wohl vorhalten müssen,ein Gesetz mitgetragen zu haben,dass verfassungswidrig ist bzw. zumindest teilweise schuldig zu sein,so eine heikle Frage in Karlsruhe nicht bereits 2006 (als das erste Verfahren dieser Art ganz oben angekommen ist) vorgelegt zu haben.

Wie dem auch sei,ich denke wir dürfen alle gespannt sein.
Ich bin der Rostfleck am Schwert des Sozialismus - Zitat frei nach Schraubenwelle

Ratrace

ZitatIch habe damals bereits kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses des hessischen LSG einen Ü - Antrag gestellt.
Jau, habe ich auch gemacht. Ich verweise mal auf diesen Thread. Ich habe allerdings keine Ablehnung bekommen. Woran man mal wieder sieht, wie unterscheidlich die Ämter das handhaben. Na ja, Tacheles kümmert sich gerade darum, bei Problemen mit Ü-Anträgen kann man sich dort Hilfe holen:
ZitatWir werden nun die bereits veröffentlichten Überprüfungsanträge überarbeiten und an die neue Situation anpassen. Außerdem werden wie sie um Musterwidersprüche gegen neu erlassene laufende Bescheide und gegen abgelehnte Überprüfungsanträge ergänzen sowie die zugehörigen Verfahrenstipps bereitstellen.

Dafür werden wir aber noch etwas Zeit (voraussichtlich bis Anfang November) brauchen und bitten um etwas Geduld.
Quelle: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2009/HartzIV_Verfassungsgericht.aspx

Zitataber man darf wohl sicher sein,dass es nur noch um die Höhe in Milliarden geht,die Karlsruhe der Politik zur Auflage machen wird
Denke auch, daß es letztlich nur noch darum geht.

ZitatJetzt sind Menschen in diesen Forum ja schnell dabei,dieses Verhalten als scheinheilig zu bewerten - das ist mir in diesem Fall total egal,so lange wie es mir und uns was nützt.
Ja, so geht es mir auch. Scheinheilig hin oder her, die Ergebnisse zählen.

ZitatEs muss doch für einen BSG Richter ein offener Schlag ins Gesicht sein,jetzt zu hören,dass sie päpstlicher seien wollten als der Papst. Ferner wird es sich wohl vorhalten müssen,ein Gesetz mitgetragen zu haben,dass verfassungswidrig ist bzw. zumindest teilweise schuldig zu sein,so eine heikle Frage in Karlsruhe nicht bereits 2006 (als das erste Verfahren dieser Art ganz oben angekommen ist) vorgelegt zu haben.
Das hatte ich gar nicht mehr richtig auf der Pfanne. Danke für den Hinweis.  ;D  Ja, da kann man mal sehen, wie leichtfertig selbst Richter in höchsten Positionen über den Regelsatz entschieden haben. Ist die Frage nach der Berechnungsgrundlage außer von den Betroffenen jemals von entscheidungsrelevanter Seite gestellt worden? Es waren bis zum 20. Oktober diesen jahres eigentlich alle nur mit Abnicken beschäftigt.

ZitatWie dem auch sei,ich denke wir dürfen alle gespannt sein.
Ja, nehme ich auch an. Ich glaube auch nicht mehr an den magischen Polit-Winkelzug, der alles seiot dem 20. Oktober Geschehene wieder rückgängig macht und alles so weiterlaufen läßt wie bisher. hat bislang auch keiner hier erörtern können, wie das vonstatten gehen soll.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Codeman

@Ratrace

ZitatDas hatte ich gar nicht mehr richtig auf der Pfanne. Danke für den Hinweis.  Grin  Ja, da kann man mal sehen, wie leichtfertig selbst Richter in höchsten Positionen über den Regelsatz entschieden haben. Ist die Frage nach der Berechnungsgrundlage außer von den Betroffenen jemals von entscheidungsrelevanter Seite gestellt worden? Es waren bis zum 20. Oktober diesen jahres eigentlich alle nur mit Abnicken beschäftigt.

Nein,aber ich muss auch sagen,dass der Umfang und auch die Klageschrift selbst,von Herrn Kalley auch in dieser Form noch nie dagewesen war. Es gab,wenn ich nicht irre,bisher 3 Verfahren vor dem BSG,die die Höhe der Regelleistungen für Erwachsene anzweifelten,aber kein Kläger hat sich so intensiv und auch nachweisbar mit diesem Thema beschäftigt,so dass es für die oberen Richter sehr einfach war,diese Klagen abzubügeln.

Bei Herrn Kalley sieht die Sache anders aus,denn er hat über einen längeren Zeitraum absolut nachweisen können,dass die Regelleistungen zu gering sind und das haben die vielen anderen Kläger nicht getan. Ich gebe mal ein Zitat aus BSG Az.:  B 11b AS 1/ 06 R wieder

Zitatc) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen ferner nicht gegen die in § 20 Abs 2 und 3 SGB II gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen. Der Senat folgt insbesondere nicht dem Vorbringen der Revision, die genannten Vorschriften gewährleisteten nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum und verstießen gegen die Menschenwürde sowie gegen fürsorgerechtliche Strukturprinzipien.

und etwas weiter heisst es sogar

ZitatAllerdings ist in der Rechtsprechung des BVerwG zur Sozialhilfe anerkannt, dass die staatliche Gewährleistungspflicht nicht nur auf die bloße Sicherung der körperlichen Existenz beschränkt ist, sondern auch die Gewährleistung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sowie einen Schutz vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung umfasst.Auch diesen Anforderungen wird der Gesetzgeber bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich gerecht. Denn er hat die in der Rechtsprechung zur Sozialhilfe entwickelten Erwägungen mit der Regelung in § 20 Abs 1 SGB II aufgegriffen und präzisiert. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst schon nach dem Gesetzeswortlaut ua (neben zB Ernährung und Kleidung) "in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben".

Und damit auch der letzte weiss,warum das BSG so entschieden hat,wie es entschieden hat,gibt es ein wenig weiter folgendes Statement ab

ZitatBei der Vertretbarkeitsprüfung ist auch zu bedenken, dass die gegenwärtige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in breiten Bevölkerungskreisen geprägt ist, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebotes maßgebliche Bedeutung zukommen muss (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 1093/ 05 - juris, RdNr 31).

http://lexetius.com/2006,3842

Das ist nix anderes als FDP-Politik "Wer arbeitet muss mehr haben als der der nicht arbeitet". Und wenn derjenige der arbeitet,nicht mehr genug verdient um zu leben,dann muss der Logik des Lohnabstandsgebotes die Sozialleistungen weiter runter bzw. auf niedrigsten Stand bleiben,notfalls auch unter dem Existenzminimum,um die "Arbeitsanreize" aufrecht zu erhalten. Hier wurden im Grunde die Interessen einer breiten Bevölkerung verraten und verkauft.

Nun liegt das Ding in Karlsruhe und es mag eine Ironie sein,dass der Bundesverfassungsgericht grade da den Maßstab ansetzt nämlich an Artikel 1 i.V.m. Art. 20 GG wo das Bundessozialgericht noch ganz klar erklärt hat

Zitat

ZitatEin Anspruch der Klägerin [...] folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip (zu letzterem vgl Jarass/ Pieroth aaO Art 20 RdNr 112).

Was für eine schallende Ohrfeige für Herrn Spellbrink & Co. Ich bin mir ähnlich wie Ratrace sehr sicher,dass Karlsruhe den Rahmen sehr eng gestalten wird,wenn es das soziokulturelle Existenzminimum defenieren will. Herr Papier hat dies ja bereits angekündigt,dass dies eine Grundsatzentscheidung werden wird. Es wäre nicht das erste Mal in der jüngsten Vergangenheit,dass Karlsruhe für Berlin Politik macht. Lissabon-Vertrag,Vorratsdatenspeicherung,BKA-Gesetz und jetzt HartzIV. Man sieht,wie wichtig das Bundesverfassungsgericht,als letzten wirklich unabhängigen Gericht.

Ich bin der Rostfleck am Schwert des Sozialismus - Zitat frei nach Schraubenwelle

Pawel

Zitat von: Ratrace am 05:59:41 So. 25.Oktober 2009
....die meisten Reaktionen hier beschränken sich auf oben angeführte "Bringt eh nix"-Reaktionen. Genau darum geht es mir. Ich kann es nicht mehr hören. Die Leute scheinen gar nicht mehr mit ihrer Situation konfrontiert werden zu wollen. Offenbar haben die Protagonisten der Agenda-2010-Politik die Leute dort, wo sie sie haben wollen. In der Duldungsstarre.

Wenn ca. ein Drittel der Wahlberechtigten den Weg ins Wahllokal nicht beschreitet, muss an den Argumenten etwas dran sein. Die Krise jedoch ist vermutlich noch viel tiefgreifender.

Herrn Kallay alles Gute.
"Da man sich in Deutschland der Armut schämt, fürchten sie keinen Widerstand der Armen." Gregor Gysi, Die Linke

MizuNoOto

Ich glaube wirklich, alles sei schlecht. Aber - vielleicht ist ja auch alles schlecht. Der Defätismusvorwurf ginge dann fehl. Ich denke aber noch mal etwas nach, bevor ich mich dazu äußere. Spontan nur eine Sache, die mir aufgefallen ist. Codeman. Bist du bescheuert?

Zitat
Bei Herrn Kalley sieht die Sache anders aus,denn er hat über einen längeren Zeitraum absolut nachweisen können,dass die Regelleistungen zu gering sind und das haben die vielen anderen Kläger nicht getan. Ich gebe mal ein Zitat aus BSG Az.:  B 11b AS 1/ 06 R wieder

Zitat
c) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen ferner nicht gegen die in § 20 Abs 2 und 3 SGB II gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen. Der Senat folgt insbesondere nicht dem Vorbringen der Revision, die genannten Vorschriften gewährleisteten nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum und verstießen gegen die Menschenwürde sowie gegen fürsorgerechtliche Strukturprinzipien.

Verstehe ich dich richtig? In der Urteilsbegründung steht, der Regelsatz gewährleiste das Existenzminimum. Und daraus schließt du, dass der Revisionskläger folglich keine guten Argumente hatte? Soviel Unfehlbarkeit traut der gemeine deutsche Katholik dem Papst nicht zu.

Zwei Jahre später lag dem 14. Senat (Zuständigkeit hatte gewechselt) übrigens eine sehr detailierte Begründung des Sächsischen LSG vor, warum die Regelsätze das Existenzminimum nicht sicherten. Urteil (Az.: B 14/11b AS 15/07 R):

Zitat
Das LSG verkennt bei seinen statistisch/mathematischen Betrachtungen der Ermittlung der Werte in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998, dass die Festlegung des Regelsatzes bzw der Regelleistung letztlich ein normativ/wertender Prozess ist, der in seinen einzelnen Schritten keinen naturwissenschaftlich-mathematisch ableitbaren Richtigkeitsansprüchen unterliegt. Es ist geradezu das Wesen einer pauschalierten Regelleistung, dass sie dem Leistungsempfänger in ihrer Gesamtheit zur selbstverantwortlichen Gestaltung seines Lebens zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend ist es rechtlich nicht möglich, die in den einzelnen Abteilungen der EVS [Einkommens- und Verbrausstichprobe, MNO] zum Ausdruck kommenden Verbrauchspositionen einer je gesonderten juristischen Richtigkeitsprüfung zu unterziehen.

Ganz so leicht macht das Bundesverfassungsgericht es sich nicht. Einzelne Verfassungsrichter haben aber schon vor der Verhandlung eigene politische Stellungnahmen abgegeben, die auf nichts gutes schließen lassen. So z.B. Präsident Papier im Mai diesen Jahres gegenüber BAMS

ZitatEin Wachstumseinbruch von sechs Prozent, fünf Millionen Arbeitslose – das führt den Sozialstaat in eine Zerreißprobe. Darf die Regierung in einem solchen Fall Sozialleistungen aussetzen?
Es ist nicht meine Aufgabe, Regierung und Parlament Ratschläge zu geben. Ganz allgemein gilt: Der Sozialstaat muss bezahlbar bleiben. Deswegen steht er nach meiner Überzeugung vor einer schwierigen Anpassung. Doch die ist nötig, wenn wir den Sozialstaat dauerhaft erhalten wollen.

Also, mal gucken, was bei raus kommt.

Ratrace

 ;D ;D ;D ;D ;D ;D ;D

Die Parteiein bauen schon mal vor... ich habe gerade Wanne Ill im Web gesehen, die aktuelle Ausgabe. Und dort war auch ein gewisser Johannes Vogel von den Jungen Liberalen (nebenbei: Wieder mal so ein gelackter Kotzbrocken, dem die Parteizugehörigkeit aus allen Poren trieft), der sinngemäß äußerte, daß man selbstverständlich und natürlich, ohne Frage und absolut wohlwollend die Höhe der Regelsätze des ALG II noch mal prüfen werde. Der war sich wohl im Klaren darüber, wie das BVerfG urteilen wird und will nun Verfassungstreue demonstrieren. Geschenkt, Herr Vogel, sie werden gar nicht anders können.

Auf die Frage, warum dann so ein Überprüfungsantrag nicht im Koalitionsvertrag zu finden sei, antwortete der nebenan sitzende Schäuble stellvertretend, daß man ja dem Hohn und Spott der Öffentlichkeit ausgesetzt gewesen wäre, wenn man erst so einen Antrag ins Koalitionspapier aufgenommen hätte und anschließend das BVerfG sowieso eine Neuberechnung des ALG II zwingend festlegt.

Halten wir fest: Für die FDP ist es plötzlich "völlig selbstverständlich", die Höhe des ALG II kritisch zu prüfen. Wenn dem so wäre - warum eiern die dann seit Monaten symbolpolitisch mit der Erhöhung des blöden Schonvermögens herum, obwohl das laut Aussage von Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband eben nur 2-3% der ALG-II-Empfänger betrifft? Ganz einfach: So kann man sich das Etikett "sozial gerecht" am billigsten an die Birne kleben.

Seltsamerweise hat die FDP vorher nie durchblicken lassen, daß sie an der Rechtmäßigkeit der ALG-II-Regelsatzhöhe zweifle oder sie gar nach oben verändern wolle. Im Gegenteil:
Mir klingeln noch schrill wie Alarmglocken neoliberale Fahnenhalterparolen wie "Leistung muß sich wieder lohnen", "Wer arbeitet, muß mehr haben als der, der nicht arbeitet" und auch "Mindestlohn gleich maximaler Schwachsinn" in den Ohren. Wie Realsatire wirkt da ein Guido Westerwelle, der schreit, daß das Herz für die kleinen Leute bei der FDP schlage und dabei anklagend auf die SPD zeigt. Was für ein verlogener Scheißverein, die Liberalen. Gut, das ist nichts Neues, aber immer wieder offensichtlich. Aber Guido kann unbesorgt sein: Die verblödeten Deutschen schnallen das nicht und werden diesen schmierigen Yuppiehaufen auch morgen noch wählen.

Zum Demokratieverständnis des Schäuble bleibt nur zu sagen: Er scheint sich politisch nicht mehr um Dinge kümmern zu wollen, die eh das BVerfG regeln sollte. Gut, er hat als Innensicherheitsantiterrorschnüffelstasiminister ja schon hinreichend bewiesen, daß letztlich das BVerfG die wichtigen Entscheidungen treffen muß. Weil unsere Herren und Damen Politkasper es weder können noch wollen. So ist das BVerfG letztlich die Sandkastenbegrenzung für die Förmchenschwinger der Volksvertreter. Als Verfassungsrichter wäre es mir zu blöd, mich von Emporkömmlingen, hysterischen High-Society-Schrullen und korrupten, alten Säcken zu so etwas degradieren zu lassen.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

hoessi666

Zitat von: Ratrace am 09:26:12 Mo. 26.Oktober 2009
Halten wir fest: Für die FDP ist es plötzlich "völlig selbstverständlich", die Höhe des ALG II kritisch zu prüfen. Wenn dem so wäre - warum eiern die dann seit Monaten symbolpolitisch mit der Erhöhung des blöden Schonvermögens herum, obwohl das laut Aussage von Marion von zur Gathen vom Paritätischen Gesamtverband eben nur 2-3% der ALG-II-Empfänger betrifft? Ganz einfach: So kann man sich das Etikett "sozial gerecht" am billigsten an die Birne kleben.

Das hat die zusätzliche Stossrichtung, dass man nun alle Deutschen, die Angst um ihre Arbeit, und damit um ihr Vermögen, haben in die Riester- und sonstwas-Altersversicherungen drängt. Die Schonvermögen-Erhöhung gilt nämlich nur für die Altersvorsorge soweit ich weiss. Auf dem Konto Geld lassen um Kühlschrank etc. zu reparieren is´nich´.
So rekapitalisiert man die Haie, die auch Mitschuld an der Krise haben und spart in ein paar Jahrzenten vielleicht noch Geld, da die Grundsicherung, die viele Deutsche nach dem Arbeitsleben zu erwarten haben (Stichwort Niedriglohn), dann verrechnet wird mit der priv. Vorsorge...

Codeman

Ja,

manchmal bin auch ich bescheuert ;) @ Mizo

@Ratrace

Du darfst auch festhalten,dass Herr Schäuble auch davon ausgeht das Karlsruhe den Regelleistungen den gar ausmachen wird.
Ich bin der Rostfleck am Schwert des Sozialismus - Zitat frei nach Schraubenwelle

jobless0815

Zitat von: hoessi666 am 11:40:39 Mo. 26.Oktober 2009


.... Die Schonvermögen-Erhöhung gilt nämlich nur für die Altersvorsorge soweit ich weiss. Auf dem Konto Geld lassen um Kühlschrank etc. zu reparieren is´nich´...

Der Gedanke kam mir auch, da in verschiedenen Zusammenhängen mit der Erhöhung desöfteren der Aufbau der Altersvorsorge
genannt wurde bzw. betont wurde, dass diejenigen, die entsprechende Verträge (LV, RV etc.) hätten, die nicht den "Riesterschutz"
genössen, nicht abgestraft werden sollten.

Weiß jemand was Genaueres? Oder ist alles noch zu frisch verpackt?  Wann soll denn die Erhöhung denn greifen?

Kater

@hoessi666 hat recht, die Schonvermögen-Erhöhung gilt nur für die Altersvorsorge  ::)

Ratrace

ZitatDu darfst auch festhalten,dass Herr Schäuble auch davon ausgeht das Karlsruhe den Regelleistungen den gar ausmachen wird.
Ja, da gehe ich auch von aus. Ich gehe sogar generell davon aus, daß das Gros der Politiker genau weiß, wo die politische Hoheit aufhört und die der Gerichte/Rechtsprechung anfängt.

Die Taktik, so stellt es sich zumindest für mich dar, ist: Probieren, wie weit man bei "schwierigen" (also unsozialen) Entscheidungen gehen kann, und wenn irgend eine Entscheidung von einem Gericht wieder kassiert wird, ist es immer noch früh genug, politisch zurückzurudern. Geklagt bis zum "bitteren Ende" wird relativ selten, denn kaum einer nimmt den Aufwand eines jahrelangen Prozeßganges auf sich. Herrn Kallay hat es fünf Jahre gekostet, dort hin zu kommen, wo er jetzt ist. Sogar sein erster Anwalt ist abgesprungen, was auch eine Menge an Rückschlüssen zuläßt. Auf die strukturellen Hindernisse in der Beschreitung des Rechtsweges verläßt sich die Politik.

Und die Umsetzung dieser Taktik zeigt sich, wie ich finde, besonders deutlich an der jetzigen Situation des Hartz-Regelsatzes und der Vorgeschichte. Hier wurde auch tief gepokert und auf dem Rücken der Bedürftigen bis zur Massenverarmung gespart - und es hat ja auch jahrelang funktioniert. Und es steht noch lange nicht fest, ob rückwirkende Nachzahlungen möglich sein werden. So hätte sich die Regierung dann Milliarden durch Betrug erschlichen - und zwar von denen, die sowieso nichts haben. Aber wir haben ja gelernt: Nur der Klageweg funktioniert in dieser sogenannten Demokratie. Das sollten wir alle im Kopf behalten für die Zukunft.
Das einzig Freie im Westen sind die Märkte.

Wilddieb Stuelpner

Zitat von: Ratrace am 12:48:10 Mo. 26.Oktober 2009
... Ja, da gehe ich auch von aus. Ich gehe sogar generell davon aus, daß das Gros der Politiker genau weiß, wo die politische Hoheit aufhört und die der Gerichte/Rechtsprechung anfängt.

Die Taktik, so stellt es sich zumindest für mich dar, ist: Probieren, wie weit man bei "schwierigen" (also unsozialen) Entscheidungen gehen kann, und wenn irgend eine Entscheidung von einem Gericht wieder kassiert wird, ist es immer noch früh genug, politisch zurückzurudern. Geklagt bis zum "bitteren Ende" wird relativ selten, denn kaum einer nimmt den Aufwand eines jahrelangen Prozeßganges auf sich. Herrn Kallay hat es fünf Jahre gekostet, dort hin zu kommen, wo er jetzt ist. Sogar sein erster Anwalt ist abgesprungen, was auch eine Menge an Rückschlüssen zuläßt. Auf die strukturellen Hindernisse in der Beschreitung des Rechtsweges verläßt sich die Politik.

Und die Umsetzung dieser Taktik zeigt sich, wie ich finde, besonders deutlich an der jetzigen Situation des Hartz-Regelsatzes und der Vorgeschichte. Hier wurde auch tief gepokert und auf dem Rücken der Bedürftigen bis zur Massenverarmung gespart - und es hat ja auch jahrelang funktioniert. Und es steht noch lange nicht fest, ob rückwirkende Nachzahlungen möglich sein werden. So hätte sich die Regierung dann Milliarden durch Betrug erschlichen - und zwar von denen, die sowieso nichts haben. Aber wir haben ja gelernt: Nur der Klageweg funktioniert in dieser sogenannten Demokratie. Das sollten wir alle im Kopf behalten für die Zukunft.

AG und Ämter werden einfach Grundsatzurteile nicht anerkennen, wenn sie vorteilhaft fürs Volk ausfallen. Man erklärt sie einfach vom allgemeingültigen Grundsatzurteil zum Einzelfallurteil. Und jeder gleichgeartete oder ähnliche Fall muß immer wieder denselben Tippelweg die politisch-juristisch gesetzten  Hürden gehen. Da haben wir Anwälte, für die so ein Mandat nicht attraktiv genug ist und keine Vertretung übernehmen werden. Da lassen sich Verfahren verschleppen - je länger so was andauernd, desto stärker wird dieser Weg existenzvernichtend für den Kläger. Dann kann die Arbeitsagentur/ARGE parallel dazu die Leistung als einzige Einkunftsart verweigern oder kürzen. Und nicht zuletzt nehmen AG-Verbände und die Politik  Einfluß auf die Rechtsprechung, indem sie ganze Richterkollegien personell austauschen, ihnen Maulkörbe verpassen oder als Angehörige der Leistungselite ihre gesellschaftliche Position durch Gesellschaftsmobbing innerhalb der Elite verschlechtern können. Klappt auch das nicht, greift man zur Keule der Gesetzesänderung zum Nachteil des Volkes. Man ist ja an der Macht und mißbraucht sie zum eigenen Vorteil.

Kisi

Moin,

Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 29.05.2006, 06.11.2006, 26.01.2007, 28.02.2007,
26.03.2007, 02.06.2007, 04.04.2008, 18.05.2008, 28.08.2008, .24.09.2008, 24.03.2009,
07.06.2009, -- 01.10.2009
gemäß § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X

Sehr geehrte Frau XXXXXX,
mit Ihrem Schreiben vom 15.10.2009 haben Sie die Überprüfung meiner Bescheide vom
29.05.2006, 06.11.2006, 26.01.2007, 28.02.2007, 26.03.2007, 02.06.2007, 04.04.2008,
18.05.2008,28.08.2008,24.09.2008, 24.03.2009, 07.06.2009, 01.10.2009 beantragt. Meine
Überprüfung hat jedoch ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden sind.
Die Höhe der Regelleistung ist nach der aktuellen Rechtssprechung richtig festgesetzt.
Ich verweise hier auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts AZ-1 BvR 1840/07.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist,
und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der
Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückzunehmen (§ 44 Abs.1 Satz 18GB X).
Da in Ihrem Fall weder das Recht unrichtig angewandt wurde, noch von einem falschen
Sachverhalt ausgegangen worden ist,. muss es bei meiner Entscheidung verbleiben. X(



Das ist die Antwort auf meinen Antrag.......
Was schreibe ich nun zurück ???

kellerkind


kellerkind

Hallo Kisi!

Ich bin zwar kein Jurist, aber wenn ich jetzt mal ins Blaue schießen soll, würde ich dem Bescheid widersprechen mit der Begründung, daß es nicht um die geltende Rechtssprechung geht, wie die Sachbearbeiter das in der Ablehnung Deines Überprüfungsantrages geschrieben haben, sondern um die Entscheidung des Bundesverfassungserichtes, und die steht noch aus.

Ich weiß ja nicht, welche Vorlage Du für den Überprüfungsantrag genutzt hast, aber in den Mustern, die vor Monaten durch das Netz gingen war eindeutig der Hinweis auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erwähnt. Mach Dir erst mal keine Sorgen, da hat ein Sachbearbeiter sich mal wieder überschätzt, das ist nicht das letzte Wort. Und besserer Rat als der meine wird sicherlich noch kommen.

kellerkind

Hier eine neue Rundmail von der "hart4-plattform.de":
ZitatLiebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,

gerne übermitteln wir Ihnen unsere aktuelle

PRESSEERKLÄRUNG:

Historischer 20. Oktober 2009 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe:
" Wie weit ist der Gesetzgeber mit seinem Lernprozess voran geschritten ..."
___________________________________________________________
Bislang Unveröffentlichtes sowie O-Töne aus dem Gerichtssaal
Ein Gespräch mit Thomas Kallay, Kläger gegen den Hartz IV-Eckregelsatz

Eine vorläufige Bilanz der Verhandlung um den Hartz IV-Regelsatz am 20. Oktober in Karlsruhe zieht der entscheidende Kläger Thomas Kallay, im Dialog mit Brigitte Vallenthin, Hartz4-Plattform. Erstmals werden bislang Unveröffentlichtes sowie O-Töne aus dem Gerichtssaal und Details aus der klägerischen Stellungnahme gegen die Stellungnahme der Bundesregierung dargestellt. Die ausführliche Bilanz ist nachzulesen unter www.hartz4-plattform.de .

Die Bilanz von Thomas Kallay und Brigitte Vallenthin erlaubt einen Einblick in das tatsächliche Ausmaß der Blamage der Bundesregierung vor den Verfassungsrichtern. Die fand unter anderem ihren Ausdruck in den Fragen von Bundesverfassungsgerichts-präsident Hans-Jürgen Papier: "Wir haben nur Brocken. Ist es nicht möglich, dass wir entsprechende Nachweise bekommen?" Oder: "Die Sonderauswertung haben Sie ja auch nicht dabei. Ich weiß nicht, was soll ich nun noch fragen?" Schließlich: "Dann stellt sich die Frage, wie weit der Gesetzgeber mit dem Lernprozess voran geschritten ist, wenn er nur von 60 auf 70% aufstockt und nicht grundsätzlich ermittelt?"

Im Gegensatz dazu konnte der Kläger Kallay mit seinen Tatsachen-Berichten die Richter so tief beeindrucken, dass sie ihm sogar das Schlusswort für die fast fünfstündige Verhandlung erteilten. Da waren dann Schilderungen einer Lebenswirklichkeit zu hören, die vermutlich noch nie die Wände der verantwortlichen Ministerien durchdrungen hatten: "Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was fehlt dem Vortrag der Bundesregierung? ... Warum wird es Hartz IV-Eltern so schwer gemacht, für Bildung ihrer Kinder zu sorgen? ... Ich würde meinem Kind so gerne das Senckenberg-Museum zeigen. Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde. ... "

Wiesbaden, 28. Oktober 2009

Wir danken für Ihre Berichterstattung und
senden Ihnen herzliche Grüße

Brigitte Vallenthin
Presse
Hartz4-Plattform
keine Armut! - kein Hunger! - kein Verlust von Menschenwürde!
Bürgerinitiative für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens
sowie die Information und Unterstützung von Hartz IV-Betroffenen

fon 0611-1721221
0160-91279465
eMail info@hartz4-plattform.de
internet www.hartz4-plattform.de
www.grundeinkommen-waehlen.de
www.grundeinkommen-wiesbaden.de
Man sollte sich auf jeden Fall das
Interview von Frau Vallenthin mit Thomas Kallay durchlesen! Einige O-Töne sind dabei, die wirklich sehr, sehr interessant sind. Die Regierung hat sich vor den Karlsruher Richtern einen Offenbarungseid geleistet, wie er besser nicht hinzubekommen wäre. Ich schließe mich Thomas Kallay vorbehaltlos an: Man hat das Gefühl, daß Hartz IV nun von allen Seiten zu bröckeln anfängt und daß es sich bei diesem unsäglichen Pfusch um ein von den wirklich Mächtigen eingefädeltes Massenverarmungsprogramm handelt, welches dazu gedacht ist, Deutschland in ein Niedrigstlohnland zu verwandeln. Touché!

kellerkind

Noch mal hallo Kisi!

Ich habe mich gerade mit Thomas Kallay kurgeschlossen, und der meint, daß Dein voriger Überprüfungsantrag sicherlich einen Fehler gehabt hat. Stell' noch mal einen Ü-Antrag und verwende diesmal das für Deine Situation passende Muster von HIER<---klicken

Diese Antragsmuster sind rechtssicher und auch praxiserprobt sowie von Profis erstellt.


Arwing

Danke für eure Mühen.

Meine Frage oder Ansicht ist: Ist ein Überprüfungsantrag nicht auch nach einem kommenden Beschluß des Bvfg gültig oder rückwirkend einreichbar, wenn der Regelsatz nach dem endgültigen Urteil feststeht angehoben werden sollte?

Dann würde es doch erst recht durch ein großes mediales Echo die Mehrheit der Hartz-IV-Empfänger rückwirkend betreffen, die derzeit schlechter über Überprüfungsanträge informiert sind.

Ist ein Einschreiben mit Rückschein die einzige Alternative, wenn die Arge den Eingangsstempelschein auf den Kopien verweigert, trotz eines anwesenden Zeugens.
Das aktuelle Geldsystem ist auf die Gewinnmaximierung einer kleinen Elite ausgerichtet, die von der Gemeinschaft der Bürger Europas erbracht werden soll und die politische Elite fungiert als Handlanger.

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