1,32 Euro pro Stunde - Arbeitsgericht fällt Urteil wegen Dumpinglohns

Begonnen von Kater, 19:28:19 Di. 26.Januar 2010

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Kater

Zitat1,32 Euro pro Stunde - Arbeitsgericht verurteilt Ex-Pizzeria-Besitzer wegen Dumpinglohns

Ein ehemaliger Pizzeria-Besitzer hat seine Mitarbeiter schamlos ausgebeutet. Da die Betroffenen sich nicht wehren konnten, sprang die Stralsunder Behörde zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen in die Bresche. Sie erreichte jetzt vor Gericht, dass der Unternehmer wegen Lohn-Dumpings verurteilt wurde.

Stralsund - Der Stundenlohn von 1,32 Euro hätte gerade für eine Tiefkühlpizza aus dem Discounter gereicht: Wegen Zahlung von sittenwidrigen Dumping-Löhnen hat das Arbeitsgericht Stralsund am Dienstag einen ehemaligen Besitzer einer Pizzeria verurteilt. Der Mann muss der Behörde zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen (Arge) rund 6600 Euro erstatten, weil er einer Kellnerin, zwei Küchenhelfern und zwei Pizzaboten Stundenlöhne von minimal 1,32 Euro zahlte. Damit gab das Gericht einer Klage der Arge zum Teil statt.

Die Behörde hatte ursprünglich 11.000 Euro von dem früheren Pizzeria-Inhaber gefordert, weil sie den Beschäftigten wegen der niedrigen Löhne zwischen 2007 und 2009 diesen Betrag als Aufstockleistungen zahlen musste.

Als bundesweit erste Arge war die Stralsunder Behörde im Februar 2009 vor ein Arbeitsgericht gezogen, um mit dem Argument der Sittenwidrigkeit Lohnnachforderungen einzuklagen. Für den Chef der Stralsunder Arge, Peter Hüfken, sind Dumping-Löhne wie in jener Pizzeria kein Einzelfall. Neben der Gastronomie gelten das Dienstleistungsgewerbe, aber auch soziale Träger als Schwerpunktbranchen, in denen Arbeitgeber Hartz-IV-Empfänger immer wieder mit Niedriglöhnen abspeisten.

Drei Verfahren mit fünf Arbeitnehmern wurden inzwischen entschieden - zugunsten der Arge, wie Hüfken sagte. 15 Klagen gegen sechs Arbeitgeber über 44.000 Euro seien noch anhängig. Insgesamt konnte die Arge bisher Nachforderungen von rund 55.000 Euro in 32 Fällen durchsetzen. Viele Arbeitgeber hätten inzwischen schon allein wegen der Androhung einer Klage gezahlt, auch weil sie einen öffentlichkeitswirksamen Prozess vermeiden wollten.

Arbeitsrichter Thies Luther verwies in seiner Urteilsbegründung auf das Bundesarbeitsgericht. Das Gericht hatte im April 2009 in einem Urteil Richtlinien für die Sittenwidrigkeit vorgegeben. Danach sind Löhne sittenwidrig, wenn diese nicht zwei Drittel des in der betreffenden Branche gezahlten Tariflohnes oder des ortsüblichen Lohnes erreichen. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Tariflohn einer Kellnerin bei 7,08 Euro pro Stunde, der einer Küchenhilfe bei knapp über fünf Euro. Zudem verwies der Richter auf eine "subjektive Seite" der Sittenwidrigkeit, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe.

Dass der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hängt damit zusammen, dass die Stundenlöhne nicht immer unter der Zwei-Drittel-Grenze lagen. Zum anderen seien nicht alle Ansprüche auf die Arge übergegangen. Das heißt, die Behörde hätte einen bestimmten Teil der von ihr ausgezahlten Sozialleistungen auch erbringen müssen, wenn die Mitarbeiter "nicht sittenwidrig" entlohnt worden wären. Das Urteil - so Richter Luther - sei eine "Einzelfallentscheidung".

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,674225,00.html

Kater

Zitat"Gewinn auf Kosten der Steuerzahler"
Der Chef des Job-Centers in Stralsund, Peter Hüfken, über sittenwidrige Löhne und die Schäden für den Fiskus
Ruprecht Hammerschmidt

Bundesweit Furore macht das Job-Center (Arge) in Stralsund - es verklagt Arbeitgeber wegen Dumpinglöhnen. Der Grund: Weil Arbeitnehmer so wenig verdienen, dass das Gehalt nicht zum Lebensunterhalt reicht, muss das Job-Center höhere staatliche Unterstützung leisten (Hartz IV). Dessen Leiter Peter Hüfken holt diese Steuergelder zurück mit der Begründung: Man müsste wesentlich weniger Unterstützung leisten, wenn die Arbeitgeber "vernünftige Löhne" gezahlt hätten.

Herr Hüfken, Sie haben gerade einen Prozess gegen einen Arbeitgeber gewonnen, der einen Lohn von 1,33 Euro die Stunde gezahlt hat. Was treibt jemanden dazu, für diesen Hungerlohn zu arbeiten?

Da kann ich selbst nur spekulieren. Bei sehr niedrigen Entgelten gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten. Entweder es handelt sich um Leistungsmissbrauch. Das heißt, dass der Arge niedrigere Stundenlöhne angegeben als tatsächlich gezahlt werden, damit der Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht niedriger ausfällt. Die Bezieher dürfen nämlich in der Regel maximal hundert Euro ohne Anrechnung hinzuverdienen. Oder es handelt sich um Notlagen, die die Menschen dazu treibt, zu so geringen Löhnen zu arbeiten. Wer als Alleinstehender mit 359 Euro im Monat plus Miete auskommen muss, für den sind hundert Euro zusätzlich schon eine ganze Menge Geld.

Was war bisher der niedrigste Lohn, den Sie ermittelt haben?

Es gibt viele Fälle von sehr niedrigen Stundenlöhnen. Das niedrigste war der Verdienst eines Zimmermädchens, das nur 26 Cent pro Stunde erhielt. Der Bereich Gastronomie und Hotel ist besonders anfällig für Niedrigstlöhne. Auffälligkeiten gibt es aber auch bei Dienstleistern wie Taxi- und Kurierfahrern und sogar bei sozialen Trägern.

Fallen solche sittenwidrigen Löhne der Arge nicht schon auf, wenn sie die Jobsuchenden vermittelt?

Wir vermitteln nicht zu derartigen Löhnen. Es handelt sich dabei um Nebenverdienste, die sich die Betroffenen in der Regel selbst suchen. Der Arge müssen diese Einkommen aber gemeldet werden. Wir fragen die Betroffenen dann, wie viel Stunden sie dafür arbeiten und errechnen den Stundenlohn. Stellt sich heraus, dass der Stundenlohn sehr niedrig ist, ist das dann ein Anlass zu prüfen, ob Lohndumping oder Leistungsmissbrauch vorliegt. Wir sprechen dabei nach Möglichkeit auch mit den Arbeitgebern. Manche sind dann schon von sich aus bereit, höhere Löhne zu zahlen, ohne dass wir vor Gericht ziehen müssen. Weil auch die Arbeitszeit dabei zum Teil deutlich erhöht wurde, schafften so einige Arbeitnehmer zumindest zeitweise den Sprung aus der Arbeitslosigkeit. Seit Juli 2007 waren das mehr als 840 allein in dem von uns betreuten Bereich Stralsund.

Warum mischen Sie sich ein, wenn Sie mit Arbeitgebern, die Dumpinglöhne zahlen, nichts zu tun haben?

Wer 1,33 Euro pro Stunde zahlt, betreibt in der Regel Gewinnmaximierung auf Kosten des Steuerzahlers und verschafft sich Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten, die ordentliche Löhne zahlen. Schließlich müsste die Arge wesentlich weniger Unterstützung aus Steuermitteln für die betroffenen Arbeitnehmer leisten, wenn die Arbeitgeber vernünftige Löhne gezahlt hätten. Laut Gesetz gehen ausstehende Lohnforderungen von ALG-II-Beziehern in der Höhe der erbrachten Sozialleistungen auf die Arge über, die wir deshalb im eigenen Namen einklagen können. Wir unterstützen aber auch betroffene Arbeitnehmer, die selbst klagen wollen. Haben diese Erfolg geben sie uns dann den Betrag zurück, den wir zu viel an Unterstützung geleistet haben und behalten zusätzlich darüberhinausgehende Lohnanteile für sich selbst. Wir tragen in diesen Fällen der sogenannten Rückübertragung sogar das finanzielle Prozessrisiko.

Lohnt sich ihr Einsatz finanziell?

Sittenwidrige Löhne sind sicher Einzelfälle. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass es absolute Ausnahmen sind, weil es eine ganze Reihe dieser Einzelfälle gibt. Pro Woche fallen uns etwa ein bis zwei Fälle auf. Allein durch unsere Gespräche sparen wir große Summen ein, wenn die Arbeitgeber einlenken. Dazu kommen die Fälle, in denen ein Missbrauch vorliegt. Da arbeiten wir mit dem Zoll zusammen, die in Einzelfällen sogar Strafanzeige stellen. Wir machen dann Rückforderungen gegen die Betroffenen geltend. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Zoll kamen bereits mindestens 270 000 Euro zusammen.

Vor Gericht haben Sie schon mehrfach Erfolg gehabt. Wie viel fließt durch Klagen an den Staat zurück?

Mit etwa 30 Betrieben haben wir uns gerichtlich und außergerichtlich wegen sittenwidriger Löhne von insgesamt 59 Arbeitnehmern gestritten oder sind noch dabei. Es geht dabei um eine Summe von mehr als 123 000 Euro. Das heißt deren Löhne liegen mindestens ein Drittel unter den ortsüblichen oder den Tariflöhnen. Gleichzeitig muss dem Arbeitgeber klar sein, dass er eine Notlage ausnutzt. Das ist natürlich schwer zu beweisen. Aber jedenfalls für die ganz schweren Fälle gibt es eine Beweiserleichterung. Beträgt nämlich der Lohn nicht einmal die Hälfte des ortsüblichen oder tariflichen Lohns, wird unterstellt, dass der Arbeitgeber die Sittenwidrigkeit kannte. Auf diese Weise konnten wir immerhin schon rund 57 000 Euro an Steuergeldern zurückholen.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0130/wirtschaft/0019/index.html

Pinnswin

Mhmm, und was haben nun die ALG II Aufstocker davon? Nix. Und die Behörde? Hat die bereits vorher schlampig gearbeitet/vermittelt oder wie kann sowas jahrelang (~ Vermutung) laufen?
Das Ende Der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein.
Obwohl vieles darauf hin deutete, das es kaeme... A. Sapkowski

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