Ein interessanter Artikel über das Dilemma der Wirtschaft (in wichtigen Bereichen) akademische Fachkräfte zu bekommen, das Existenzproblem des Riesenheeres von befristeten und schlecht entlohnten Lehr- und Hilfskräften an Unis und FHs sowie unzureichende finanzielle Ausstattung und hohe Gebühren als Hürden im Studierendenleben.
http://www.jungewelt.de/2010/03-01/056.php Anbei die wichtigsten zentralen Aussagen des Textes.
Wenn der Artikel auch nur annähernd diese weiten Strukurrisse in der deutschen Bildungslandschaft skizziert, dann sind wir nicht nur im Binnenmarkt, sondern auch bald im Bildungssektor soweit zurückentwickelt, dass uns in mittlerer Zukunft der Rückfall zum Status eines Industrieschwellenlandes droht.
„Wenn es gelingt, den Bachelor als Standardabschluß zu etablieren, wird der Master über kurz oder lang zum Zusatzstudium [...] Das Masterstudium könnte damit zum Einstieg in ein vollständig privat finanziertes Hochschulsystem werden, da es nicht mehr der primären Berufsausbildung dient. Von deutschen Unternehmen wird der Bachelor kaum als vollwertiger Abschluß akzeptiert; die Entlohnung liegt deutlich unter der eines Diplomabsolventen. Dadurch werden die Studenten gedrängt, die Ausbildung durch einen Masterabschluß zu vervollständigen, selbst wenn sie ihn privat finanzieren müssen."
„Die Zahl der Studienabbrecher hat sich gerade in den für die Industrie interessanten Ingenieurfächern noch erhöht und liegt für Maschinenbau bei 33 Prozent."
„Die tatsächlichen Ursachen für die langen Ausbildungszeiten wurden nicht einmal ansatzweise beseitigt: unzureichende Studienberatung im Vorfeld, unstudierbare, weil überfrachtete Lehrpläne, schlechte Betreuung durch zu wenig Personal und nicht zuletzt die prekäre finanzielle Situation, die viele Studenten neben dem Studium zum Arbeiten zwingt. Fast ein Fünftel der Studienabbrecher gibt aus finanziellen Gründen auf. Das BAföG versagt als Mittel zur Existenzsicherung weitgehend."
„Gestiegen ist hingegen die Zahl der prekär und irregulär Beschäftigten. Wissenschaftliche Hilfskräfte – Studenten, die als Tutoren oder Laborhilfen etwas hinzuverdienen – verzeichneten den stärksten Anstieg. Hinter der Kategorie »wissenschaftliche Mitarbeiter« verbergen sich in der Regel Doktoranden. Lehrbeauftragte sind freie Mitarbeiter, die nach dem Hochschulrahmengesetz für ergänzende Angebote herangezogen werden können, meist aber ganz normale Vorlesungen und Seminare halten."
„Sie stellen ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber Hochschule kostenlos zur Verfügung, gegenfinanziert durch ergänzende Sozialhilfe oder Familie. Über 67000 dieser akademischen Tagelöhner gab es 2008 in Deutschland, überwiegend in geisteswissenschaftlichen Fächern. Eine Berliner Erhebung ergab, daß 60 Prozent der Lehrbeauftragten mit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen müssen [...]"
„Zudem sind diese Lehrkräfte meist besonders motiviert und engagiert, da ihnen immer die Hoffnung auf eine Vollzeitstelle als Möhre vor die Nase gehalten wird. In aller Stille haben sich Arbeitsbedingungen etabliert, die der Prekarisierung in der industriellen Leiharbeit in nichts nachstehen. Die wenigsten begreifen ihre persönliche, unbefriedigende Situation als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Problems – die Bildung der Nichtelite wird rücksichtslos kaputtgespart."
„In München organisierten die Lehrbeauftragten einen Streik. Da sie in einigen Fakultäten [...] zunehmend Grundlagenfächer unterrichten, bricht der Lehrbetrieb bei einem Ausstand zusammen. Daß Widerstand sich lohnt, hat sich bisher noch nicht herumgesprochen, doch [...] können die unwürdigen Zustände [...] nur durch den Zusammenschluß aller Betroffenen verändert werden."
Gute Nacht Deutschland!