»CinemaxX ist zu schnell expandiert«
Kinobetreiber zahlt Hungerlöhne und will Arbeitsbedingungen verschlechtern. Ver.di kämpft für Tarifvertrag. Ein Gespräch mit Ertunc Eren
Ertunc Eren arbeitet seit zehn Jahren bei CinemaxX in Göttingen und ist in der Gewerkschaft ver.di aktiv
Bei CinemaxX gibt es seit Beginn des Jahres 2004 keinen gültigen Tarifvertrag mehr. Neueingestellte werden mit einem Stundenlohn von 6,50 Euro abgespeist. Jetzt verlangt die CinemaxX-Leitung eine weitere Flexibilisierung. Was will das Unternehmen konkret durchsetzen?CinemaxX will u.a. eine Mindestarbeitszeit von unter vier Stunden und Rufbereitschaft für bis zu eine Stunde einführen. Auch Wechsel innerhalb einer Schicht sollen möglich sein. Das heißt, daß man von einem Bereich zum andern springt, zum Beispiel vom Karten- zum Getränkeverkauf, und wenn das geregelt ist, wird man beim Saalaufräumen eingesetzt. Die neueingestellten Mitarbeiter sollen weiterhin nur 6,50 Euro die Stunde verdienen und erst nach zwei Jahren sieben Euro erhalten.
Welche Forderungen hält ver.di dem entgegen?Wir wollen, daß die Einkommen der seit dem 1. Januar 2004 eingestellten Mitarbeiter stufenweise angeglichen werden, so daß der Niedriglohnsektor bei CinemaxX aufgelöst wird. Auch die schon länger beschäftigten Mitarbeiter, die seit fünf Jahren keine Lohnerhöhung bekommen haben, sollen mehr Geld erhalten. Eine weitere Forderung ist, daß der Tarifvertrag auch für Mitarbeiter der Betriebsleitung gilt. Generell fordern wir, daß ein neuer Tarifvertrag auf Basis des 2004 von der CinemaxX AG aufgekündigten abgeschlossen wird und die Verhandlungen direkt mit ver.di und nicht mit den Betriebsräten vor Ort geführt werden.
Die Unternehmensleitung begründet die Einführung des Niedriglohnsektors unter anderem mit der schwierigen finanziellen Situation der Kinobranche. Können Sie das nachvollziehen?Den Mitarbeitern ist natürlich klar, daß nach »Titanic« nie wieder so viele Menschen im Kino waren. Aber die Beschäftigten sind für die Konzernpolitik nicht verantwortlich. CinemaxX hat in der Boomzeit einfach zu schnell zu stark expandiert, und die Konsequenzen sollen jetzt die Mitarbeiter tragen. Da sagen wir klar: Das geht nicht. Die Mitarbeiter wurden nicht gefragt, ob man alle hundert Meter ein Multiplex-Kino bauen muß.
Am Freitag abend kam es bei CinemaxX in Göttingen nach langer Zeit wieder zu einem Warnstreik. Bundesweit gab es seit Dezember 2003 an vielen Standorten Arbeitsniederlegungen, die die CinemaxX-AG aber nicht dazu bewegt haben, von ihrer harten Haltung abzurücken. Zu Beginn des Jahres hat ver.di deshalb einen Strategiewechsel angekündigt. Was läuft jetzt anders?Das bundesweite Projekt ist erst mal gescheitert. Jetzt geht es darum, an einzelnen Standorten, wie z.B. in Bremen und hier in Göttingen, wo wir relativ gut organisiert sind, einen Haustarifvertrag zu erkämpfen.
Das bedeutet für die Standorte mit geringerem Organisationsgrad, daß die Chancen auf einen Tarifvertrag noch schlechter werden.Das würde ich nicht sagen. Wir nennen das das »Prinzip Leuchtturm«. Wenn die starken Standorte einen Tarifvertrag erkämpfen, kann das auch eine Signalwirkung für die anderen haben. CinemaxX wäre gut beraten, alle Standorte gleich zu behandeln, denn auf Dauer werden sich die anderen Belegschaften nicht mit schlechteren Bedingungen abfinden.
Werten Sie den Warnstreik vom Freitag als Erfolg?Auf jeden Fall. Bis auf einen Assistenten aus der Betriebsleitung und einen Mitarbeiter einer Reinigungsfirma haben sich alle an der Arbeitsniederlegung beteiligt. Die Reaktionen der Kinobesucher waren größtenteils positiv. Obwohl der Kinoabend ausfällt, haben die Leute doch Verständnis dafür, daß man nicht für 6,50 Euro die Stunde arbeiten will.
Wie wird es weitergehen?[/B]
Wir warten erst einmal die Reaktion der Betriebsleitung ab. Wenn die jetzt verhandeln will, sind wir dazu natürlich bereit. Aber ich denke, dafür werden noch ein, zwei Warnstreiks nötig sein.
Interview: Ronald Weberhttp://www.jungewelt.de/2006/11-20/049.php