[Drogen] Buchtip zum Thema

Begonnen von admin, 11:39:29 Mi. 10.Dezember 2003

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admin

Wenn man sich für das Thema interessiert und man nicht nur aus dem hohlen Bauch heraus argumentieren will, Kann ich nur das Buch NO DRUGS - NO FUTURE empfehlen. Es ist auch nicht nur trocken wissenschaftlich, sondern es liest sich auch gut. Ich spare mir hier eine Besprechung, denn bei TELEPOLIS ist bereits eine brauchbare erschienen:


ZitatLegen Sie sich Pharma-Aktien zu

Ernst Corinth   03.12.2003
Günter Amendt stellt sein Buch "No Drugs - No Future" vor

Streitbar ist er geblieben: Günter Amendt, der wohl bekannteste Sexualaufklärer der 68-er Generation und ausgewiesene Bob-Dylan-Experte. Nun war der mittlerweile 64-jährige Hamburger zu Gast im  Literarischen Salon der Uni Hannover, um sein neues Buch "No Drugs  No Future" (  Europa Verlag, 320 S. 17,90 Euro) vorzustellen. Ein, wie Moderator Alexander Perrey zu Recht anmerkte, engagiertes Manifest und gleichzeitig ein Rückblick von Amendt auf seine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit der offiziellen Drogenpolitik.

Angesichts der zunehmenden Beschleunigung unseres Alltags, des Hochleistungs- und Dauerstresses des Subjekts im Zeitalter des neoliberalistischen Turbo-Kapitalismus ist Amendts Meinung nach der Gebrauch von Drogen aller Art längst schier unabwendbar geworden: In den oberen und mittleren Etagen der Unternehmen hielten viele Führungskräfte ohne Psychopharmaka nicht mehr durch. Leistungssport sei ohne Doping nicht mehr denkbar (  Militante Mittel für Medaillenspiegel). US-Kampfpiloten putschten sich während ihrer Kampfeinsätze sogar mit Wissen ihrer Vorgesetzten auf mit Amphetaminen (  US-Kampfpiloten auf Speed). Und in der gesamten Bevölkerung nehme der Trend, die Stimmung mit legalen oder illegalen Präparaten gleichsam zu designen, gewaltig zu.

So greifen beispielsweise mittlerweile etwa 28 Millionen US-Amerikaner zu dem Anti-Depressivum Prozac. Was aber, so Amendt, nicht bedeute, dass 28 Millionen depressiv sein. Oft werde das Mittel nämlich benutzt als "Smart Drug", die helfe, die Welt mit einer rosaroten Brille zu sehen. Auch die acht Millionen Kinder in den USA, die gegen ihre vermeintliche Hyperaktivität regelmäßig Ritalin schluckten, seien keineswegs alle pathologisch hyperaktiv. Sondern ihre normale kindliche Aktivität könnten ihre (oft mit drei Jobs) beruflich überforderten Eltern einfach nicht verkraften: "Zudem gibt es keine genaue wissenschaftliche Definition, was hyperaktiv überhaupt ist."

Um den Griff zur Psychodroge bei den Bürgern noch zu bescheunigen, versuche die Pharmaindustrie inzwischen, den Mitteln das negative Image eines Medikaments zu nehmen, und spreche inzwischen lieber von Produkten aus dem "Lifestyle Segment". Und da das Geschäft mit den Psychopillen so boomt und eine Flaute auch nicht in Sicht ist, fügte Amendt ironisch hinzu: "Ich kann nur jedem raten: Legen Sie sich Pharma-Aktien zu."
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 Drogen sind Genussmittel, wenn sie mäßig und kontrolliert genossen werden. Drogen sind medizinisch indizierte Hilfsmittel zur Bewältigung psychischer Probleme, Drogen sind Betäubungsmittel zur Linderung von körperlichem Schmerz, Drogen sind Suchtmittel, wenn der Konsum außer Kontrolle gerät; Drogen sind Zahlungsmittel im Netzwerk der organisierten Kriminalität, Drogen sind Druckmittel zur Durchsetzung autoritärer 'law and order'-Strategien.
Günter Amendt

Bei aller gebotenen Nüchternheit, mit der der Autor an diesem Abend seine Bestandsaufnahme äußerst ausführlich vortrug, blitzte zwischendurch immer mal wieder der alte rebellische 68er-Geist bei ihm auf. Statt mit Drogen die Symptome zu bekämpfen, hieß es dann, sollten die Menschen lieber über "die Art, wie wir leben, nachdenken". Und wenn das "krankmachende System", das unter dem Diktat des Neoliberalismus stünde, nicht geändert werden könne, dann müsse wenigstens die Drogenpolitik radikal verändert werden.

Dazu ist aus seiner Sicht endlich ein realistischer Blick auf das Drogenproblem notwendig. So seien in Deutschland nach offiziellen Schätzungen 1,2 bis 1,4 Millionen Bürger von Psychopharmaka abhängig, während gleichzeitig "nur" 150.000 süchtig nach harten Drogen wie Heroin sein. Bei solchen Zahlen, so Amendt, müsse man sich fragen, warum die politischen Verantwortlichen ausgerechnet bei bestimmten Drogen scharf protektionistisch und militant prohibitionistisch denken. Und wer davon eigentlich profitiere, dass bestimmte Drogen illegal blieben.

Fragen, die Amendt in seinem Buch versucht ausführlich zu beantworten  übrigens auch mit Blick auf den von den USA propagierten "War on Drugs" (  Der Werbekrieg gegen terroristische Kiffer). Ein eher kurioses Beispiel nannte er aber an diesem Abend: Da in den USA 50 bis 60 Prozent der Gefängnisinsassen wegen Drogendelikte verurteilt sind und die zunehmend privatisierten Gefängnisse gleichzeitig dabei seien, sich zu Profitcenter zu entwickeln, bestünde bei den Eigentümern natürlich ein großer Bedarf nach billigen Arbeitskräften: "Wer beispielsweise in den USA bei IKEA anruft, der landet oft direkt bei einem Call-Center im Knast."

Aber letztlich setzt der Systemkritiker Amendt dann doch auf das System und fordert die Übernahme des Drogenmonopols durch den Staat, der den Vertrieb und den Verkauf übernehmen soll. Das schafft zwar nicht die Drogen aus der Welt, sorgt aber seiner Meinung nach zumindest für eine wesentliche Entschärfung des Drogenproblems.

 

 

yens

Fakten zum Thema "Heroin"

* Der Gießener Kriminologe Prof. Arthur Kreuzer hat errechnet, daß
45 % aller Autobrüche, 37 % der Wohnungseinbrüche und 20 % aller
Raubüberfälle auf das Konto von Drogenabhängigen gehen. Die
volkswirtschaftlichen Kosten zur Durchsetzung des Heroinverbots -
polizeiliche Verfolgung, Beschaffungskriminalität, Justiz,
Krankenkosten, Prävention etc. - belaufen sich nach Berechnungen der
Bochumer Ökonomen Karl-Hans Hartwig und Ingo Pies auf mindestens 14
Mrd. Mark im Jahr. Die kontrollierte Abgabe von Drogen sei daher
nicht nur ethisch sondern auch wirtschaftlich geboten. Wenn sich die
Beschaf-
fungskriminalität um 25 % senken ließe, so Hartwig und Pies, könnten
über 70.000 Drogenabhängige in teuren Therapiezentren nach Schweizer
Vorbild behandelt werden.

* Das Heroin-Substituat METHADON von HOECHST ist kein Allheilmittel.
Bundesweit schätzungsweise 70 bis 100tausend Süchtige wollen das
Mittel nicht. METHADON bekämpft zwar den Entzug, löst aber nicht das
Sucht-Problem. Außerdem kann METHADON in bestimmten Fällen
psychotische Nebenwirkungen hervorrufen.

* ExpertInnen fordern die kostenlose Ausgabe von Heroin an
Schwerstabhängige, wie in einem Schweizer Modell mustergültig
praktizierten Versuch. Die durch das Betäubungsmittelgesetz verbotene
Droge Heroin könnte für weniger als fünf Mark pro Tagesdosis
hergestellt werden. Der Stoff wäre nicht nur billiger, sondern auch
gesundheitlich verträglicher. Experten gehen davon aus, daß Heroin -
exakt dosiert - keine irreversiblen körperlichen Schäden hinterläßt.
Eine Untersuchung des Gesundheitsministeriums bestätigt, daß 72 %
aller Todesfälle durch "unbeabsichtigte Dosierung", bedingt durch
Qualitäts-
schwankungen auf dem Schwarzmarkt, verursacht werden. Lediglich 11 %
der untersuchten Todesfälle waren auf den sprichwörtlichen suizidalen
"Goldenen Schuß" zurückzuführen.

* Im Kampf gegen die Drogenmafia hat die Polizei bisher kläglich
versagt. Statt die Hintermänner einzusperren, jagen die Beamten
kleinen Dealern und Abhängigen hinterher. Der Bonner Polizeichef
Dierk-Henning Schnitzler sagte dem SPIEGEL: "An die Hintermänner
kommen wir nicht heran." Daher bringe es nichts, "die Repression
hochzufahren." Das strikte Heroinverbot arbeitet den Drogenbossen
direkt in die Hände, auch wenn offiziell das Gegenteil erreicht
werden soll.

* Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Vereinten Nationen
vorgeschlagen, über eine Gleichstellung von Tabak mit Heroin und
Kokain unter der Internationalen Konvention zur Drogenkontrolle
nachzudenken. Tabak wird von jedem dritten Erwachsenen (legal)
konsumiert. Weltweit gibt es eine Milliarde Raucher, Tabak verursacht
jährlich rund drei Millionen Todesfälle.


Freigabe jetzt!

Gruss Yens

ManOfConstantSorrow

In den 80er Jahren wurden politische Zusammenhänge des Drogenhandels in der linken Szene heftig diskutiert. Dort ist es heute eher ruhig geworden. Dafür gibt es nun einen ernsthaften Umgang mit dieser Thematik von etablierter Seite.

Im 2001-Verlag ist gerade ein vielversprechendes Buch zum Thema herausgekommen. Es folgt eine Besprechung von Telepolis:

Geheimdienst-Politik unter Drogeneinfluss

Jörg Auf dem Hövel   15.02.2004

Alfred McCoy beschreibt, wie sich CIA und prohibitive Drogenpolitik ergänzen

Alfred McCoy, Professor für Geschichte an der  Universität Wisconsin, stellt in seinem Buch "Die CIA und das Heroin" die unheilvolle Rolle der  CIA bei der Verbreitung von  Heroin und  Kokain auf dem Globus dar. Aus der historischen Aufarbeitung ist eine scharfe Abrechnung mit der prohibitiven Drogenpolitik geworden.




Seit nunmehr 30 Jahren erforscht McCoy die Bemühungen der CIA, in den strategisch wichtigen Regionen der Welt mithilfe unterschiedlicher Machthaber den Einfluss der USA aufrecht zu erhalten. 1971 reiste er erstmals nach Südostasien, um den Bündnissen zwischen Drogenbaronen und Geheimdiensten auf die Spur zu kommen. Heraus kam "The Politics of Heroin in Southeast Asia", ein Buch, in dem er den Heroinhandel "eher enthüllte als erklärte", wie McCoy heute sagt. In seinem neuen Buch geht er den Schritt weiter und stellt auf über 800 Seiten ausführlich die Gründe für die historischen und aktuellen Verstrickungen des Geheimdienstes CIA in den internationalen Heroin- und Kokainhandel dar.

Sein Credo: Das Vorgehen der CIA war in Burma, Laos, Afghanistan gleich und ist heute in Südamerika ähnlich: Die lokalen Stammesgesellschaften oder Clans wurden von der CIA im Kampf gegen den Kommunismus mobilisiert. Um Kräfte für geheime Operationen und Kriege freimachen zu können, mussten die Menschen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft abziehen. Um die fehlenden Lebensmittel nun kaufen zu können, setzten sie auf den weniger arbeitsintensiven, aber lukrativen Mohnanbau. Aus Sicht der CIA ersparten die guten Erlöse aus dem Mohnanbau ihnen die Kosten, die geheimen Verbündeten versorgen zu müssen. Soweit, so gut, nur waren die längerfristigen Auswirkungen dieser Politik fatal.

Denn egal ob in Burma, Laos oder Afghanistan: Aus Warlords wurden mithilfe der CIA unabhängige Drogenproduzenten, die ihr Gewerbe nach dem Ende des Geheimkriegs nicht aufgaben. In den 50er Jahren, als die CIA die irregulär in Burma einmarschierten nationalchinesischen Truppen unterstützte und so maßgeblich zur Entstehung des "Goldenen Dreiecks" beitrug, in den 60er Jahren, als im Dschungel von Laos mit Wissen der CIA die ersten Labore für Heroin entstanden; die genau das hochwertige Heroin herstellten, welches zunächst von den GIs in Südvietnam konsumiert wurde und später den US-Markt fluten sollte, und in den 80er Jahren, als die afghanischen Freischärler die von der CIA erhaltenen Privilegien für den Aufbau eines riesigen Mohnanbaugebiets im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan nutzen: Die kurzsichtige Politik des amerikanischen Geheimdienstes vor Ort führte nicht nur zu einer global stetig wachsenden Heroinproduktion, sondern hinterlässt destabilisierte Regionen.

 So klein und entlegen sie sind, erweisen sich diese Hochlandgesellschaften in der Folge der CIA-Geheimkriege doch als Horte gravierender internationaler Instabilität - als schwarze Löcher der neuen Weltordnung.
Alfred W. McCoy

In jedem Drogenkrieg der USA - ob in der Türkei in den 70er Jahren oder in den Anden in den 90er Jahren - hat die Verbotspolitik nach Meinung von McCoy zu unbeabsichtigten Resultaten geführt, weil die lokale Bekämpfung globale Auswirkungen zeigte. Der Logik McCoys ist gut zu folgen: Wie bei den Märkten mit legalen landwirtschaftlichen Erzeugnissen führt eine Verknappung des Angebots ohne gesunkene Nachfrage a) zu höheren Preisen und b) zu einer Verlagerung der Produktion in andere Weltteile. So stieg der weltweite Opiumpreis, nachdem die USA die Türkei 1972-73 zur Bekämpfung des Mohnanbaus im Land gedrängt hatten, deutlich an; und um die weiterhin konstante Nachfrage zu befriedigen, bauten nun einige asiatische Länder vermehrt den nötigen Mohn an.

Illegale Drogen: ein Markt mit einem Umsatz von 800 Milliarden Dollar

Aber nicht für Asien, auch für Südamerika zeigt McCoy aktuelle Beweise auf. Der "Plan Columbia" beispielsweise, der vom US-amerikanischen Kongress im letzten Amtsjahr von Bill Clinton verabschiedet wurde, bewilligte ein Antidrogen-Programm in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar. Mit diesen Mitteln wurden Militärs vor Ort ausgebildet, Hubschrauber frei gestellt und vor allem die Kokafelder in Kolumbien entlaubt. In kurzer Zeit zerstörte das Militär Ende 2000 30.000 Hektar Kokaplantagen in der Provinz Putumayo, nach Ansicht McCoys "mit dem vorhersagbaren Effekt, dass sich der Anbau in die benachbarte Narino-Provinz verlagerte". Ein Spiel, das sich noch mehrmals wiederholen sollte. Nach zwei Jahren "Kolumbienplan" gab das Außenministerium zu, dass sich die Plantagenflächen zwischen 1999 und 2001 trotz aller Bemühungen von 122.000 Hektar auf 170.000 Hektar vergrößert hatten.

Ein Krieg zielt immer auch auf das personifizierte Böse beim Gegner. In Panama stellte dieses Böse General Manuel Noriega dar, in Kolumbien Pablo Escobar, in Burma ein Mann mit Namen Khun Sa. Der Sturz dieser Drogenbarone führte aber nie zu dem gewünschten Effekt der Verringerung, sondern immer nur zur Verlagerung des Angebots. Vorsichtigen Schätzungen zufolge ist der weltweite Markt für illegale Drogen aller Art heute ein voll etablierter Wirtschaftszweig, der nach  UN-Angaben rund 800 Milliarden Dollar jährlich umsetzt. Dies sind rund acht Prozent des Welthandels - mehr als mit dem weltweiten Verkauf von Automobilen umgesetzt wird.

Die Schuld der CIA, so McCoy, bestehe nicht in der aktiven Mittäterschaft bei Drogengeschäften, dies käme äußerst selten vor, sondern in der stillen Duldung des Handels und der Komplizenschaft mit ihren geheimdienstlichen Handlangern - der ungewollten Aufzucht der "Drogenbarone".

Die Drogenprohibition ist aus Sicht von McCoy aus zweierlei Gründen nicht durchsetzbar. Zum einen scheitert sie an der wirtschaftlichen Dynamik einer begehrten Ware. Weil die Zwangsmaßnahmen nicht global durchsetzbar wären, seien die Konsequenzen kontraproduktiv.

 Nach 30 Jahren gescheiterter Ausrottungsversuche zeigt eine Fülle von Belegen, dass der illegale Drogenmarkt ein komplexes globales System ist, das gleichermaßen empfindlich und widerstandsfähig reagiert und Repression rasch in einen Stimulus verwandelt.
Alfred W. McCoy

Im Rückblick auf dieses über 100 Jahre währende Experiment müsse man einräumen, so McCoy, dass die Prohibition aber nicht nur im Hinblick auf die internationale, sondern auch die individuelle Kontrolle gescheitert ist. Mehr noch, der Preis des Scheiterns ist hoch: In den Anbauländern militärische Konflikte und erzwungene Migration, in den Konsumländern Masseninhaftierungen, steigende HIV-Infektionen und soziale Polarisierung.

Das immer offensichtlichere Scheitern eines Krieges gegen Drogen hält den Direktor des  Office of National Drug Control Policy, John Walters, nicht davon ab, an der orthodoxen Prohibitionspolitik festzuhalten. Sein Bekenntnis zur Amtseinführung: "Nur wenn wir zurück schlagen, wird das Drogenproblem kleiner."

Alfred W. McCoy: Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel. Deutsche Erstausgabe. 24 Bilder, 840 Seiten.  2001. 19,90 EUR.
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