Goldene Geschäfte - Das Netzwerk der Zahngoldbetrüger

Begonnen von Wilddieb Stuelpner, 23:47:09 Di. 22.März 2005

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Wilddieb Stuelpner

ZDF, Sendung "Frontal 21": Goldene Geschäfte

Das Netzwerk der Zahngoldbetrüger

Alltag in deutschen Zahnarztpraxen: Neue Goldzähne werden gegen alte ersetzt. Die gehören eigentlich dem Patienten, werden aber oft vom Zahnarzt einbehalten. Der Verkauf ist für Arzt und Labor ein guter Nebenverdienst, vor allem wenn der Gewinn nicht versteuert wird. Zum ersten Mal haben jetzt Fahnder einen betrügerischen Goldhändler erwischt.

von Herbert Klar, 22.03.2005

Frontal21 ist unterwegs mit versteckter Kamera. Wir haben einen Tipp bekommen. Ein Goldhändler soll angeblich Zahngold aufkaufen - schwarz, an der Steuer vorbei.

Wir bieten zum Schein 15 Kilogramm Zahngold an. Goldzähne und Goldstaub, wie sie normalerweise in Zahnarztpraxen und Laboren anfallen.

"Wir können das schwarz machen"

Unser Gesprächspartner kennt solche Geschäfte und kommt gleich zur Sache: "Wir können das legal machen oder wir können das schwarz machen. Wir sitzen doch alle in einem Boot und wollen Geld verdienen. Wenn Sie mir das Gold bringen lassen wir die Namen natürlich weg. Alle meine Kunden werden nur mit einem Buchstaben benannt. Also, sie können absolut sicher sein, dass da nichts rauskommt. Das Geld bekommen Sie natürlich bar von mir."

Wir bitten um Bedenkzeit und verabschieden uns. Angeboten wurde ein Steuerbetrug, und der geht so: Wenn in Zahnarztpraxen neue Goldzähne eingesetzt werden, dann bleiben alte zurück. Die gehören den Patienten, das verschweigen ihnen aber häufig die Zahnärzte und behalten die Goldzähne. In Zahnlaboren fällt beim Bearbeiten der Prothetik Goldstaub an. Der Verkauf lohnt sich für Arzt und Labor, vor allem wenn die Gewinne nicht versteuert werden. Dann dürfen aber weder Namen noch Rechnungen auftauchen.

"Einladung zum Betrug"

Reinhard Kilmer, verdi-Sprecher und Steuerfahnder, über solche Vorgänge: "Ein Angebot zu einem anonymisierten Ankauf von Edelmetall ist eindeutig eine Einladung zum Betrug zu Lasten der Allgemeinheit. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass in solchen Fällen strafrechtlich zu prüfen ist, ob hier ein Beihilfe, eine Mittäterschaft oder aber auch eine Anstiftung zum Betrug vorliegt."

Zum ersten Mal haben jetzt Fahnder einen betrügerischen Goldhändler erwischt: Dr. Michael P., einen Geschäftspartner des uns schon bekannten Rudolf G. Seit rund drei Monaten sitzt P. in der Justizvollzugsanstalt Köln in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Staatsanwälte: Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

BAT-Geschäfte

P. hat Zahngold und Goldstaub bei Ärzten und Laboren eingesammelt und stets bar bezahlt, eine verbreitete Masche.

Steuerfahnder Kilmer sagt dazu: "Das ist eine Branche, die schlichtweg als gefährdet einzustufen ist, weil der An- und Verkauf solcher Metalle in der Regel unter dem Motto BAT-Geschäfte läuft, das heißt 'Bar auf Tatze'. Das heißt, es wird nichts gebucht und somit auch nichts versteuert."

Steuerfahndung aktiv

Frontal21 liegt eine Liste mit rund 100 Namen von Zahnlaboren und Zahnärzten vor, die "Bar auf Tatze"-Geschäfte mit jenem Michael P. gemacht haben sollen. Ihnen allen ist die Steuerfahndung auf der Spur.

Rechtsanwalt Gerhard Zipfel vertritt mehrere Dutzend der Verdächtigen. Selbst deren Anwalt kann sich nur wundern. Von Steuerbetrug wollen seine Mandanten nichts gewusst haben: "Die Besonderheit in diesem Verfahren ist, dass letztendlich überhaupt kein Unrechtsbewusstsein da ist. Ich habe insbesondere mit dem einen oder anderen von mir vertretenen Mandanten zunächst einmal heftige Gespräche darüber führen müssen und heftige Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass hier doch Straftatbestände im Raum stehen, die ihre gesamte berufliche Existenz gefährden könnten."

Ohne Skrupel

Kein Unrechtsbewusstsein: So liefen P.s Geschäfte glänzend, so gut, dass er dringend Komplizen brauchte. Auch die hatten offenbar keine Skrupel, trotz merkwürdiger Umstände. Auf Parkplätzen traf P. Außendienstmitarbeiter großer deutscher Edelmetallfirmen und Goldscheideanstalten. Dort übergaben sie ihm bei Zahnärzten und Laboren eingesammeltes Zahngold. Von diesen goldenen Nebengeschäften hatten die Arbeitgeber dieser Außendienstmitarbeiter keine Ahnung.

Rechtsanwalt Zipfel dazu: "Wenn dann diese Außendienstmitarbeiter größerer Scheideanstalten im Rahmen der Abwicklung ihrer normalen Geschäfte erscheinen, so werden ihnen dann auch diese Goldgeschäfte angedient. Vor dem Hintergrund: Wenn du es nicht machst, du Außendienstmitarbeiter, dann wende ich mich eben an deinen Kollegen, an deinen Konkurrenten. Dann macht es eben dieser."

"Unerlaubte Nebentätigkeit"

So mancher Kollege oder Konkurrent ging auf die krummen Geschäfte ein. Auch die Mitarbeiter weltbekannter Konzerne. Zum Beispiel von Heraeus, einem der weltweit größten Hersteller von Zahnlegierungen. Schriftlich teilt man uns mit: "Es trifft zu, dass sich Heraeus Kulzer von einem Außendienstmitarbeiter getrennt hat, als wir im Rahmen der Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft gegen den deutschen Händler Herrn Dr. P. auf die unerlaubte Nebentätigkeit dieses Mitarbeiters

Das Netzwerk der Zahngoldbetrüger (Teil 2)

Wir fahren nach Luxemburg und besuchen eine Firma, die nach Erkenntnissen der Kölner Staatsanwälte mit Michael P. Geschäfte gemacht haben soll. Der Geschäftsführer ist der Sohn eines Heraeus-Außendienstmitarbeiters.

22.03.2005

Wir drehen wieder mit versteckter Kamera, geben uns zum Schein als Laborbesitzer aus und wollen dieses Mal neues Zahngold kaufen. Auf Rabatt an der Steuer vorbei.

Der Geschäftsführer macht schnell ein großzügiges Angebot: "Sie bekommen von mir einen Rabatt, der sich sehen lassen kann. Das heißt, Sie bekommen von mir eine Bruttorechnung. Und wie und wo Sie den Rabatt bekommen, können Sie sich aussuchen. Den können wir Ihnen auch bar auszahlen. Auf der Rechnung taucht der Rabatt nicht auf."

Zwei Strategien

Für Steuerfahnder ganz klar eine Einladung zur Steuerhinterziehung. Kilmer über solche Praktiken: "Bei der Steuerhinterziehung gibt es eigentlich nur zwei Strategien: Entweder man erfindet Ausgaben, die man nicht hatte, oder man verschweigt Einnahmen, die man erzielt hat. Bei der verdeckten Rabattgewährung werden im Prinzip beide Register gezogen. Das heißt, es wird eine Rechnung mit unrichtigem Rechnungsinhalt in die Welt gesetzt. Das hat zur Folge, dass auf zweifache Art und Weise Steuern hinterzogen werden."

Michael P.s Firma GTH finden wir im Luxemburger Amüsierviertel. Über sie wickelt er seine Geschäfte ab. Und die blieben zum Erstaunen der Ermittler jahrelang unentdeckt. Der Beschuldigte P. hat bei einer der bekanntesten deutschen Scheideanstalten, bei Wieland in Pforzheim, Zahngold gleich zentnerweise einschmelzen lassen.

"Nachweise liegen nicht vor"

Wieland zahlte, offenbar ohne Nachfrage. Schriftlich teilt man uns mit: "Für die Firma GTH, Luxemburg, haben wir Scheidegutaufträge (...) ausgeführt. Nachweise über die Herkunft der Abfälle sind nicht erforderlich, daher liegen uns von der Firma GTH solche Nachweise nicht vor. Die Gutschriftsbeträge aus den jeweiligen Abrechnungen wurden an die Firma GTH überwiesen."

Auch Wieland hätte bei P.s Firma GTH misstrauisch werden können. Denn die wirbt in Fachzeitschriften offen mit: "Äußerst diskrete Abwicklung (gegen) Bargeld, Scheck".

Weitere Ermittlungserfolge

Michael P.s illegale Geschäfte sind jetzt aufgeflogen. Mit Hilfe der beschlagnahmten Unterlagen erwarten die Steuerfahnder weitere Ermittlungserfolge im Netzwerk der Zahngoldbetrüger.

Kilmer schätzt das Ausmaß: "Bei der Anzahl der Firmen, die es in Deutschland gibt und bei der Anzahl ausländischer Firmen, muss man davon ausgehen, dass hier ganz erhebliche Summen am Fiskus vorbei geschleußt werden. Insofern ist der volkswirtschaftliche Schaden sicher ganz immens."

Gegen Kaution aus der Haft entlassen

Dieser Schaden soll weit über 100 Millionen Euro betragen. Michael P. will gegen Kaution aus der Haft entlassen werden. Deren Höhe hat der Haftrichter schon festgelegt: eine Million Euro.

von Herbert Klar

charity

*lol*

was wär das nett, wenn in Praxen überhaupt soviel anfiele....

Klar gehört das Gold dem Patienten... nur ist das meist eine Legierung, oft wollen es die Patienten überhaupt nicht (doch, ich biete es den Patienten IMMER an) - also wir sammeln es und geben es dann als Spende weiter - selbstverständlich gibts dafür Belege!

Aber wenn ich die täglichen Anrufe der Möchtegernaufkäufer im Gegensatz zu den ca 100-130 GRAMM Mischlegierungen seh - bei dieser Geschichte wird grad ein Fernsehfüller gesucht, weil man von wichtigeren Themen ablenken muß!

  • Chefduzen Spendenbutton