Wir haben es in unserer regelmäßigen Diskussionsrunde öfter als Thema gehabt: Betriebsarbeit braucht einen langen Atem.
Einer benannte es sehr konkret: Wenn man wirklich etwas bewegen will, dauert es meist ca. 10 Jahre. Zuerst muß man während der Probezeit die Klappe halten. Man muß lernen, den Betrieb und das Verhalten der Kollegen zu verstehen. Man muß ein Vertrauensverhältnis zu den Kollegen aufbauen. Und einen praktischen Ansatz für betriebliche Auseinandersetzungen und Kämpfe gibt es nicht jeden Tag. Das können unvorhersehbare Änderungen in den Abläufen sein, auf die man dann spontan reagieren muß.
Ich habe von Leuten mit einem trotzkistischen Hintergrund gehört, die bei Amazon angefangen haben, um dort etwas zu bewirken. Sie waren kritisch und hellwach und sie versuchten, die Kollegen zu mobilisieren, doch sie haben die Klappe zu früh aufgerissen. Sie waren noch noch nicht in der Stammbelegschaft, sondern befristet. Ihre Verträge wurden nicht verlängert. So einfach ist Amazon die Störenfriede losgeworden.
Linke sind dieses langfristige Denken und Handeln nicht gewohnt. Die übliche Kampagnenpolitik (Demos und Aktionswochen) werden einige Wochen, maximal einíge Monate lang vorbereitet. Sich aber monatelang bewußt zurückzuhalten, kann man sich nicht vorstellen.
Einer aus unserer Diskussionsrunde sagte, er hätte aufgehört mit Studenten zusammenzuarbeiten. Das würde meist vielversprechend beginnen, aber wenn sich etwas entwickelt, worauf man aufbauen könnte, seien sie wieder weg.
Ich habe ähnliches erlebt. Ich habe einen Studenten kennengelernt, der in einem Callcenter jobbte. Er gehörde zu einer Gruppe linker Studenten, die sich als Callcenteraktivisten zusammengetan hatten. Sie haben einen guten Blick auf die Ausbeutungsverhältnisse, die Kollegen und die Spaltungen untereinander gehabt. Ihnen war auch bewußt, daß sie erstmal die Klappe halten müssen, so lange sie noch befristete Verträge haben. Aber als es soweit war und die Befristung in einen Festvertrag hätte gehen können, hat sich die Gruppe aufgelöst, da die Lebenswege der Studis sich in alle Richtungen verstreut haben.
In den 80er Jahren propagierte die Zeitschrift die "militante Untersuchung" und man ging auch in die Betriebe. Das war eher eine Studie, aus der man einen Bericht für das Magazin formulierte. Man versuchte auch, die Kollegen aufzustacheln, doch die Erfolge waren spärlich. Für das Gros der Leute aus dem Wildcat Umfeld war es meist eine zeitlich sehr übersichtliche Sache, man wollte dann auch schnell wieder aus dem Ausbeutungsverhältnis raus sein. Ich möchte den wenigen, die aus dem Wildcat Zusammenhang über Jahre im Betrieb bleiben, nicht unrecht tun.
Weiter oben wird über den Opel Aktivisten Wolfgang Schaumberg berichtet. Er hat als Student Ende der 60er einen Ferienjob bei Opel begonnen, um den Arbeitern da klarzumachen, daß sie sich der Revolution anschließen sollten. Es war nicht ganz so einfach. Aus den paar Wochen Agitationsarbeit während der Semesterferien wurden 30 Jahre Arbeit bei OPEL. Ohne die beharrliche Arbeit der oppositionellen Arbeitergruppe GoG wäre es wohl nicht zu den legendären wilden Streiks bei Opel gekommen, und zur höchsten Abfindung von entlassenen Arbeitern, die es in Deutschland gegeben hat.