Billigkräfte am Lkw-Steuer

Begonnen von admin, 11:56:15 Mo. 24.Juni 2013

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Kuddel

ZitatFür wenig Geld von A nach B
Arbeitsbedingungen vieler Fernfahrer aus Osteuropa sind katastrophal

Oft kennen sie ihre Rechte nicht - Ein Projekt soll das ändern



Auf Deutschlands Autobahnen, Raststätten und Parkplätzen haben die meisten Lastwagen osteuropäische Nummernschilder.

Von Christine Frischke


Neuenstein. Die Kennzeichen der Lastwagen verraten Michael Wahl, wo er mit seinem Anliegen richtig ist. Zügig schreitet er eine Reihe geparkter Fahrzeuge ab. CZ, RO, H - kaum ein deutsches Nummernschild ist darunter. Er stoppt vor einem Brummi mit PL für Polen und winkt dem Mann in der Kabine mit einem orangefarbenen Zettel zu. Die Fensterscheibe wird heruntergelassen. "Dzien dobry!", sagt Wahl. "Guten Tag." Und weiter auf Polnisch: "Wir verteilen Flyer, um Sie über Ihre Rechte in Deutschland zu informieren." Dann fragt er, ob der Mann über den gesetzlichen Mindestlohn Bescheid wisse.

Viele Fahrer, die er an diesen und anderen Tagen auf den Mindestlohn anspricht, schütteln den Kopf. Wenn Wahl mit seinen Flyern von Truck zu Truck zieht, wird er manchmal zuerst für jemanden von den Zeugen Jehovas gehalten.

Für das Projekt "Faire Mobilität" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) koordiniert Wahl Beratungen für ausländische Fernfahrer, die in Deutschland unterwegs sind. An diesem Nachmittag ist er zusammen mit einem Kollegen und einer Kollegin an der Raststätte Hohenlohe Süd bei Neuenstein im Nordosten Baden-Württembergs ausgeschwärmt. "Viele Fahrer wissen nicht, was ihnen gesetzlich zusteht", sagt Wahl. Sie sprechen Polnisch, Tschechisch und Bulgarisch. In der Landessprache angesprochen, öffnen viele Trucker bereitwillig ihre Türen.

Der Fahrer des polnischen Lasters heißt Michal und hat Teile für Motorsägen geladen. Er reicht Wahl einen Zettel heraus, auf dem seine Arbeitszeit penibel erfasst ist. 83 Stunden hat er demnach im Januar auf deutschen Straßen zugebracht. Zeit, für die ihm per Gesetz der deutsche Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro zusteht. Der wird ihm laut Papier auch gezahlt. Allerdings wird dabei auf einen beliebten Trick zurückgegriffen, wie Wahl erklärt.

Der Fahrer erhält eine Tagespauschale, also Spesen. Sie liegen meist bei 40 bis 60 Euro. Darauf muss der Arbeitgeber weder Sozialabgaben noch Steuern zahlen. Diese Summe wird auf den Mindestlohn angerechnet - zu Unrecht, sagt Wahl. Ihm zufolge müsste es die Pauschale obendrauf geben. Hat der Fahrer Urlaub oder ist krank, fallen die Spesen weg und er erhält lediglich einen Grundlohn - oft gerade mal 400 bis 600 Euro.

Seit Mitte 2017 hat der Gewerkschaftsbund etwa 50 bis 60 Aktionen auf deutschen Rasthöfen gestartet und dabei rund 3000 Fahrer angesprochen. "Verbessert hat sich in der Zeit nichts", sagt Wahl. "Die Arbeitsbedingungen sind oft katastrophal."

Im nächsten Truck sitzt Marek aus Polen. Er fährt Autofelgen quer durch Europa. Zum Schlafen quetscht er sich auf eine schmale Pritsche hinter den Sitzen. Ist er mehr als eine Woche unterwegs, verbringt er auch die vorgeschriebene längere Ruhezeit von 45 Stunden in der wenige Quadratmeter großen Kabine. "Meine Kinder sagen schon lange: Hör auf mit diesem Job", übersetzt Wahl für ihn.

Dabei sieht Marek seine Familie zumindest regelmäßig. Andere osteuropäische Fahrer kehren oft monatelang nicht heim. Die tschechisch sprechende DGB-Kollegin Stanislava Rupp-Bulling sagt: "Die Situation belastet die Fahrer psychisch. Sie sind von ihren Familien getrennt und sehen die Kinder nicht aufwachsen."Das Essen in den Raststätten ist Marek und anderen Truckern meist zu teuer. Er hat einen Mini-Kühlschrank dabei, den ihm seine Frau mit vorgekochten Mahlzeiten, Milch, Wurst und anderen Lebensmitteln gefüllt hat.

Den Mindestlohn könnten die Fahrer gegenüber ihren Arbeitgebern einfordern. Doch viele fürchten, dann ihren Job zu verlieren - oder sie kennen sich mit dem geltenden Recht nicht aus. Die Regelungen sind komplex und kaum zu durchschauen.

Anfang April sind die Arbeitsbedingungen in der Transportbranche im EU-Parlament hitzig diskutiert worden. Abgeordnete wollen durchsetzen, dass die Fernfahrer alle vier Wochen nach Hause zurückkehren dürfen und ihre Wochenruhezeit im Hotel statt in der Kabine verbringen. Außerdem soll der nationale Mindestlohn immer dann gelten, wenn eine ausländische Firma Güter innerhalb eines Landes transportiert. Fahrten zwischen mehreren Ländern wären davon aber ausgenommen.
https://www.rnz.de/wirtschaft/wirtschaft-regional_artikel,-fuer-wenig-geld-von-a-nach-b-arbeitsbedingungen-vieler-fernfahrer-aus-osteuropa-sind-katastrophal-_arid,435631.html

BGS

Das elendige Lohndumping wird nicht mehr überall hingenommen:

Zitat

8. april 2019 - 9:58
Asger Havstein Eriksen
Morten Halskov

Tema: Slumlejren

Slut med underbetaling:DA og FH gør op med piratkørsel

Ny aftale mellem DA og FH skal sikre, at udenlandske vognmænd betaler deres chauffører en løn, der svarer til danske vilkår, når de kører i Danmark. Forslaget skal løse massive problemer med underbetaling og dårlige arbejdsforhold for udenlandske chauffører. ... .

Quelle: https://fagbladet3f.dk/artikel/da-og-fh-goer-op-med-piratkoersel

Übersetzung von mir:

8. April 2019 - 9:58
Asger Havstein Eriksen
Morten Halskov


Thema: Slumlager

Schluss mit Unterbezahlung:DA (= Dansk Arbejdsgiverforening) und FH (= die Hauptorganisation des Dachverbandes der Fahrergewerkschaften) räumen mit Piratenfahrten auf

Neue Verträge  zwischen DA und FH sollen gewährleisten, dass ausländische Speditionen ihren Fahrern dieselben Löhne zahlen, wie sie für Inlandsfahrten vorgeschrieben sind, wenn diese in Dänemark unterwegs sind. Dies soll massive Probleme beseitigen im Zusammenhang mit Lohnwucher und schlechten Arbeitsbedingungen für ausländische Fahrer. ... .

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

ZitatUpdate September 2019:
Philippinische LKW-Fahrer erhalten Lohnnachzahlung


Monatelang haben Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Deutschland und Holland philippinische Lkw-Fahrer, die in Deutschland ausgebeutet wurden, bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt. Inzwischen ist es gelungen für die Männer eine Nachzahlung durchzusetzen. https://www.faire-mobilitaet.de/++co++a644f33e-dbdf-11e9-95cb-52540088cada
https://www.dgb.de/themen/++co++27e975da-e2c7-11e8-ac1b-52540088cada

Kuddel

ZitatTV-Reportage: Arbeitssklaven in der deutschen Logistik    ­
­    ­    ­
­Menschenhandel, organisiertes Verbrechen und die Schleusung von illegalen Arbeitssklaven in die EU. Das sind nur einige der Straftaten, die der Berufsverband Camion Pro im Zusammenhang mit osteuropäischen Transportunternehmen aufgedeckt hat. Die Recherchen wurden von ZDF-Autor Christian Bock und einem Kamerateam begleitet. Die Ausstrahlung der Reportage ,,Sklaven der Straße – Lohndumping in der Logistikbranche" erfolgt am Mittwoch, 12. Februar 2020, im ZDF.

Das ZDF strahlt die Reportage ,,Sklaven der Straße – Lohndumping in der Logistikbranche" im Rahmen der Reihe ZDF Zoom am Mittwoch, 12. Februar 2020 um 22:45 Uhr aus.
   ­   ­    ­    ­    ­
Zur Vorankündigung des ZDF: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/zdfzoom-sklaven-der-strasse-100.html

Kuddel

ZitatAnklage
Kurt-Beier-Führung der Ausbeutung angeklagt

Den Leiharbeitern aus Sri Lanka und von den Philippinen wurden für unmenschliche Unterkünfte horrende Mieten abverlangt. Allerdings ist der Vorwurf des Menschenhandels vom Tisch.


Es waren langwierige und schwierige Ermittlungen. Nun aber hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Leitung des Transport-Unternehmens Kurt Beier Transport A/S wegen schwerer Ausbeutung erhoben.

Eine Anzeige des Centers gegen Menschenhandel (Center Mod Menneskehandel, kurz: CMM), einer Abteilung der dänischen Sozialbehörde, am 16. Oktober 2018 brachte den Stein ins Rollen.

Menschenunwürdige Verhältnisse

Bei einer Kontrolle der Firmenadresse am Lejrvej in Pattburg stellte die Polizei fest, dass dort insgesamt 30 ausländische Fahrer unter menschenunwürdigen Verhältnissen in Baracken oder Lkw untergebracht waren.

Die Männer aus Sri Lanka und von den Philippinen hatten nur beschränkt Zugang zu Toiletten und Kochmöglichkeiten. Laut CMM waren die Männer Angestellte eines polnischen Unternehmens mit dem Namen ,,HBT Internationale Transporte". Sie hatten keine Krankenversicherung. Eine medizinische Betreuung war ebenfalls nicht gewährleistet, lauteten die weiteren Vorwürfe des CMM.

Verstöße gegen Bau- und Brandschutzbestimmungen


Außer dem Center gegen Menschenhandel hat auch die Kommune Apenrade einige Anzeigen gegen das Transportunternehmen vorgebracht. So waren verschiedene Brandschutz- und Baubestimmungen nicht eingehalten.

Allein um die Besitz- und Finanzverhältnisse, Anstellungsverträge, Lohntransaktion und die Aktivitäten des Konzerns in Polen klarlegen zu können, waren sorgfältige Ermittlungen erforderlich. So wurden allein 25 der 30 Fahrer verhört, bevor sie wieder in ihre Heimatländer reisen konnten.

Umfangreiche Ermittlungen

Im Zuge der Ermittlungen hat die Polizei für Südjütland und Nordschleswig mit den polnischen Behörden, der dänischen Arbeitsaufsicht, der dänischen Steuerbehörde, der Kommune Apenrade, dem Center gegen Menschenhandel und den zuständigen Brandbehörden zusammengearbeitet, um die Verhältnisse aufdecken zu können.

Aufgrund der Komplexität hat die Anklagevertretung der Polizei den Fall der Staatsanwaltschaft Viborg zur Stellungnahme übergeben. Der Staatsanwalt hat nach Prüfung der Beweise am 1. Juli beschlossen, keine Anklage wegen Menschenhandels zu erheben.

Ausbeutung aus Habgier

Allerdings haben sich die Leitung des Transportunternehmens und führende Mitarbeiter der schweren Ausbeutung aus Habgier nach Paragraf 286 des dänischen Strafgesetzbuches schuldig gemacht.

Darüber hinaus umfasst die Anklageschrift einige weitere Punkte. So wird die Kurt-Beier-Führung wegen Verstößen gegen verschiedene Bau- und Brandschutzbestimmungen und des Ausländergesetzes angeklagt.

Allein der Paragraf 286 ermöglicht Freiheitsstrafen bis zu sechs Jahren.

Ein Gerichtstermin ist noch nicht anberaumt.
https://www.nordschleswiger.dk/de/nordschleswig-tingleff-wirtschaft-gesellschaft/kurt-beier-fuehrung-ausbeutung-angeklagt (mit Links zu weiteren Berichten)

Kuddel


https://www.youtube.com/watch?v=TZtCcszAq1M

Die Situation ist treffend beschrieben.

Die Forderungen an die Bundesregierung sind gut gemeint, doch die Bundesregierung ist ebensowenig wie die EU an der Umsetzung interessiert. Die Rettung der deutschen Transportwirtschaft hat nicht die gleiche Priorität, wie die Billigtransportpreise, die die Gesamtwirtschaft sich wünscht.

So lange die Fahrer und die Kleinspediteure ein unorganisierbarer Hühnerhaufen bleiben, wird sich an der Situation nicht viel ändern.

Kuddel

ZitatEuGH: Lastwagenfahrer fallen unter EU-Regeln gegen Lohndumping

Lastwagenfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr genießen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Schutz vor Sozial- und Lohndumping. Damit gilt die sogenannte EU-Entsenderichtlinie auch für Transportdienstleister.

Entschieden wurde über deutsche und ungarische Lkw-Fahrer, die für ein niederländisches Unternehmen fahren. Der Niederländische Gewerkschaftsverband (FNV) fand, diese müssten auch so bezahlt werden wie andere Lkw-Fahrer in den Niederlanden.

Es würde für sie nämlich die sogenannte "Entsenderichtlinie" gelten - also das europäische Recht, das dafür sorgen soll, dass es den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort gibt. Würden die ausländischen Lkw-Fahrer weniger Geld bekommen, würde das den Wettbewerb verzerren und könne dazu führen, dass die niederländischen Kollegen letztlich auch weniger verdienen.

Am Bau oder in der Pflege längst geklärt

Für Menschen, die auf dem Bau oder in der Pflege arbeiten, war bereits klar, dass die Entsenderichtlinie angewendet werden muss. Aber wie verhält es sich mit Lkw-Fahrern, die typischerweise viel unterwegs sind - und eben oft gerade nicht in dem Land, in dem ihr Arbeitgeber ansässig ist?

Der EuGH, das oberste Gericht der EU, misst der Sache offenbar Bedeutung zu. Denn es beschäftigte sich nicht eine reguläre Kammer mit fünf Richtern, sondern die große Kammer mit 15 Richtern mit dem Fall. Und diese sagen: Die Regeln gelten unabhängig vom Wirtschaftssektor für jede länderübergreifende Dienstleistung. Auch wenn darin nichts konkretes über Verkehr und Speditionsgewerbe vermerkt ist.

Trotzdem kommt es auf den Einzelfall an

Allerdings ist genauer zu prüfen, wie eng die Verbindungen vom jeweiligen Fernfahrer zu seinem Unternehmen sind. Wie viel Zeit verbringt er in den Niederlanden? Belädt er selbst? Kümmert er sich zum Beispiel um Reinigung oder Instandhaltung? Nur, wenn er mit den Niederlanden verbunden ist, gilt der dortige Tarifvertrag.

Das Urteil des Gerichts hat eine gewisse Signalwirkung: Arbeitnehmer, die in anderen EU-Ländern arbeiten, sind zu schützen und müssen auch von dem Standard profitieren, der in dem jeweils anderen Land gilt. Auch das EU-Parlament hatte im Sommer beschlossen, dass Lkw-Fahrer bessere Arbeitsbedingungen bekommen müssen. Das sogenannten Mobilitätspaket I muss spätestens 2022 viele Regeln zugunsten von Berufskraftfahrer verbessern.
https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/eugh-lastwagenfahrer-fallen-unter-eu-regeln-gegen-lohndumping,SHv415B

Kuddel

ZitatFaire Mobilität












Infoaktion für Lkw-Fahrer bei Mönchengladbach und Korschenbroich - an beiden Standorten berichteten ca. 45 Lkw-Fahrer, dass sie für Subunternehmen, im Auftrag von Amazon.de , arbeiten. Lediglich fünf der Fahrer kamen aus den EU-Ländern Litauen, Polen und Rumänien. Die anderen waren Staatsbürger aus der Ukraine, Belarus, Moldavien, Kasachstan und Kirgistan.

Keiner der Fahrer gab an, den deutschen Mindestlohn zu verdienen und in den vergangenen Wochen jemals in einer Unterkunft außerhalb seines Lkws geschlafen zu haben. Auch die regelmäßige Rückkehr in die Unternehmer- bzw. Herkunftsländer, wie vom Mobility Package in Aussicht gestellt, scheinen Fahrer der Subunternehmer, die Aufträge für Amazon ausführen, nicht nutzen zu können: Vielmehr berichteten viele von ihnen, dass sie nach zwei Monaten Schlafen, Waschen, Kochen und Arbeiten in der Lkw-Kabine noch am selben Tag mit dem Minibus nach Litauen oder Polen fahren - der Lkw bleibt in Deutschland. Doch einige der Fahrer sind dann noch lange nicht zu Hause... Im Anschluss fliegen sie auf eigene Kosten weiter, bspw. nach Kirgistan. Im konkreten Fall nach einem sechsmonatigen Arbeitsaufenthalt in der EU.

Ein weiteres Thema bei den Gesprächen war, dass Fahrer aus nicht-EU-Staaten noch größere Hürden haben, sich gegen diese miserablen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu wehren. Denn neben der Abhängigkeit vom Arbeitgeber kommt dazu, dass ihr Aufenthalt in der EU an ein Arbeitsvisum gekoppelt ist: Wer sich wehrt, verliert Job und Visum und verschwindet sofort.
https://www.facebook.com/DGBFaireMobilitaet/photos/pcb.1498225977047025/1498225797047043/?type=3&theater

Kuddel

ZitatMonatelang unterwegs, ohne jemals ein Hotel zu sehen, zu Dumpinglöhnen: Die Ausbeutung von LkW-Fahrern auch auf Straßen hierzulande spitzt sich zu. Kontrollen sind schwierig und die Methoden der osteuropäischen Speditionsfirmen werden immer krimineller.

... Ohnehin hat sich die Lage vieler Fahrer verschlechtert, weil viele osteuropäische Speditionen die Löhne im vergangenen Jahr dramatisch gesenkt haben, um bis zu 40 Prozent. Bei Konstantin Shevchenko zum Beispiel, einem Fahrer aus der Ukraine.

,,Ich bin im letzten Jahr sehr viel gefahren, auch als die Coronakrise losging. Vor allem Lebensmittel, für Lidl und Aldi, ich hatte wirklich sehr viel zu tun. Und da kam plötzlich die Meldung von meinem Arbeitgeber: Der Lohn wird um 30 Prozent gekürzt. Das war schon eine Riesensauerei."

50.000 litauische LkW-Fahrer waren von den Lohnkürzungen betroffen. Einige protestierten, weigerten sich weiterzufahren – und wurden kurzerhand entlassen. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/lkw-fahrer-aus-osteuropa-lange-fahrten-fuer-wenig-geld.976.de.html?dram:article_id=495250

Kuddel

ZitatStundenlohn
Lkw-Fahrer verdienen in Deutschland unterdurchschnittlich
In Deutschland verdienen angelernte Arbeiter durchschnittlich mehr, als ausgebildete Lkw-Fahrer. Dabei sind die Fernfahrer nicht erst seit dem Brexit gefragt und wichtig.
https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-10/lkw-stundenlohn-unter-durchnschnitt-fachkraefte-verdienst

Welch Erkenntnis!

Kuddel

ZitatMit 14,21 Euro brutto die Stunde verdienen Lkw-Fahrer nicht nur noch weniger als im letzten Jahr, sondern auch weniger als andere Angestellte in vergleichbaren Positionen
https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/lkw-verkehr-fachkraefte-werden-unterdurchschnittlich-entlohnt-2948080.html

Knubbel

Wir haben im Fuhrgeschäft heute die gleiche Situation wie in der Hochsee-Schifffahrt vor 40 Jahren. Auf den mobilen Arbeitsplätzen werden Billiglöhner eingesetzt. Das ist im Lissabon-Vertrag der EU auch so vorgesehen. Über den Billiglöhner im "Dienstleistungssektor" wird dann der Dienstleister in der Industrie installiert. D.h. sämtliche Industrie-Tariflöhne werden Schritt für Schritt ausgehebelt.
Der nächste Entwicklungsgang ist, den Arbeitnehmer zum Solo-Subunternehmer zu verwandeln, wie wir das bei Uber, Gorilla und Co. jetzt schon haben.
Im Straßengütertransport zählen wir derzeit rund 360 Lkw - Lkw-Auffahrunfälle in Deutschland pro Jahr. Das hat es früher mit viel primitiveren Bremsanlagen in den Zügen nie gegeben, denn jeder Fahrer kannte die Gefahren. Wer heute auf den 40 t- Zügen sitzt, hat offenbar Fahrerlaubnis und Fahrerkarte aus dem 3-D-Drucker in Bukarest und er fährt das Teil halt, wie er das mit seinem Pkw auch macht.
Das wird so weitergehen, man muss sich nur die Zugmaschinen ansehen, die für die deutschen Containerbahnhöfe die Boxen "trucken". Die sind auch alle von janzweitdraußen.
... even kijken

Kuddel

Danke für diesen treffenden Beitrag. Ein Bekannter von mir war zu DDR Zeiten noch in der Hochseeschiffahrt tätig. Er erlebte genau das, was du beschreibst. Die Ausflaggung der Schiffe gehörte zur allgemeinen Entwicklung. Mit den "Billigflaggen" kamen die Billiglöhner, oftmals Philippinos. Mein Kumpel sah sich gezwungen umzuschulen und wurde Berufskraftfahrer. Dort konnte er mit zeitlicher Verzögerung genau das beobachten, was er zuvor in der Seefahrt erlebt hat.

Du beschreibst 1:1 das, was ich zuvor gehört habe. Die EU treibt diese Entwicklungen voran. Es geht um Deregulierung, das neoliberale Mantra. Dumpingwettbewerb und freier Fall der Sozialstandards. Es wird irgendwelcher Unsinn über die EU geredet mit Bürokratie und Überregulierung, in der die Krümmung von Bananen nachgemessen wird. Das Gegenteil ist jedoch Alltag: Die gesetzlichen Schutzbestimmungen für die Branche sind weitgehend aufgeweicht und aufgehoben worden. Damit nicht genug: Es gibt kaum noch Kontrollen im Gütertransport. Es herrscht Wild West, es werden die Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten, das Arbeitsmaterial ist oft heruntergewirtschaftet, defekt und gefährlich. Und richtig, viele Papiere sind gefälscht. Das sind nicht nur unhaltbare Zustände für die Berufskraftfahrer, es sorgt für mörderische Zustände auf den Straßen. In diesen Krisenzeiten werden auch osteuropäische Billiglöhner um ihren mickrigen Lohn betrogen. Ottonormalverbraucher hat wirklich keine Ahnung unter welchen Umständen die Waren ins Supermarktregal kommen.

Das große Problem ist die Einzelkämpferhaltung der Fahrer selbst. Verdi hat ja schon vor Jahrzehnten die Schmuddelbranche aufgegeben. Man kümmert sich bestenfalls hin und wieder um Beschäftigte der Post. Ansonsten sind die Fahrer zu verstreut, zu schwer erreichbar, zu unorganisierbar. Es mag zwar verallgemeinernd klingen, aber Fahrer zeichnen sich gern durch ihre große Klappe aus. Sind Einzelkämpfer, Cowboys und alles Helden. Keiner braucht eine Gewerkschaft oder Solidarität. "Das kann ich auch allein aushandeln!" Man schimpft nicht auf die Transportbranche, auf die Spediteure, sondern auf die eigenen Kollegen, die schlecht bezahlt werden. Die bezeichnet man sogar als Lohndrücker, statt zu erkennen, daß es Opfer der Lohndrückerei sind. Der Druck in der Branche ist enorm, er kommt von oben, zumeist von der Autoindustrie, aber auch von den großen Supermarktketten. Diesem Druck auf die sozialen Bedingungen kann sich niemand entziehen, auch die Kleinspediteure nicht, die versuchen, sich noch irgendwie menschlich und sozial zu verhalten.

Die einzige Möglichkeit sich gegen diese Entwicklung zu stellen, wäre ein solidarischer Gegendruck von unten. Es gibt aber die rassistischen Spaltungen, das Einzelkämpfertum und die Realitätsverweigerung der Fahrer. Sie behaupten gern, es gäbe keinen Fahrermangel. "Es läuft doch." Man will nichts hören von den Arbeitskämpfen der Kollegen in anderen Ländern. Es gab im vergangen Jahrzehnt so manchen Versuch, die Fahrer zu einer gemeinsamen Gegenwehr zu bewegen. Es gab Druck von oben, die Polizei hat einen größeren Fahrerprotest in Berlin aufgelöst. Aber diese Selbstorganisierungsversuche und Protestbewegungen wurden nicht durch den Druck von oben zerschlagen, sondern durch die Uneinigkeit der Fahrer selbst. Jeder Protest war ihnen zu klein und sie erklärten ihn stets für "lächerlich" und jeder kleine Fehler von Veranstaltern wurde mit einem Shitstorm beantwortet. Die besten Fahreraktivisten haben irgendwann die Flinte ins Korn geworfen.

ManOfConstantSorrow

ZitatLKW-Fahrer Ausbeutung. Osteuropäische Unternehmen sind verwickelt.

[Update 31.12.2021] Bei einer zufälligen Polizeikontrolle in der belgischen Stadt Battice wurde festgestellt, dass ein ukrainischer LKW-Fahrer die letzten 17 Wochen auf Autobahnparkplätzen verbracht hatte. Außerdem sei er vier Monate lang nicht bezahlt worden, berichtet die belgische Gewerkschaft CSC Transcom in der Region Lüttich-Verviers.


Bei einer Kontrolle vergangene Woche wurde festgestellt, dass der ukrainische Fahrer seit dem 1. September nicht mehr zu Hause war, obwohl die europäischen Vorschriften vorschreiben, dass ein Fahrer alle vier Wochen eine wöchentliche Ruhezeit zu Hause oder am Hauptsitz des Unternehmens verbringen muss. Der LKW-Fahrer erhielt auch keinen Lohn, sondern bekam nur alle paar Wochen 45 Euro auf seine Karte überwiesen, von denen er sich selbst ernähren musste, berichtet dhnet.be.

Als ob die Ausbeutung des Arbeitnehmers nicht schon genug wäre, stellte sich heraus, dass der Arbeitgeber des Fahrers die Maut für das Befahren der belgischen Autobahnen nicht bezahlt hatte und dass der LKW selbst defekte Sicherheitsgurte hatte. Das Fahrzeug wurde daher von der örtlichen Polizei beschlagnahmt.
https://trans.info/de/fahrpersonalmangel-und-die-branche-versteht-es-immer-noch-nicht-262380
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatJeder vierte Berufskraftfahrer Deutschlands stammt aus dem Ausland

Laut Studie hatten 2020 insgesamt 23,6 Prozent der Lkw-Lenker einen Migrationshintergrund.
https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/transport-logistik/jeder-vierte-berufskraftfahrer-deutschlands-stammt-aus-dem-ausland-3118294

Kuddel


Kuddel

ZitatKrieg in der Ukraine: Bei Speditionen in Schleswig-Holstein werden Fahrer knapp

Speditionen in Schleswig-Holstein klagen über Personalmangel. Der Krieg in der Ukraine hat das Problem noch verschärft. Ein Großteil der Fahrer stammt aus der Ukraine und ist zum Kriegsdienst eingezogen worden.
https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Krieg-in-der-Ukraine-Bei-Speditionen-in-Schleswig-Holstein-werden-Fahrer-knapp (Paywall)

Kuddel


Kuddel

Es steht der längste Tag des Jahres vor der Tür. Aus diesem Anlaß soll an die Überarbeitung und fehlendem Schlaf von LKW Fahrern erinnert werden. Bewaffnet mit Infoblättern machte sich eine kleine Schar von Leuten von Faire Mobilität, Arbeit und Leben, Verdi und Chefduzen, auf zur Raststätte Wildeshausen, um sich mit Truckern auszutauschen.



Es waren Sprachkenntnisse in Bulgarisch, Rumänisch, Serbokroatisch, Polnisch, Bosnisch und andere in unseren kleinen Trupp vorhanden.



Es lag auch Infomaterial in verschiedenen Sprachen vor.



Faire Mobilität und Arbeit und Leben sind sonst in anderen Bereichen unterwegs, in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in Schlachtbetrieben.



Es gab interessante Gespräche mit Fahrern. Es fehlte nicht der deutsche Fahrer, der in seinen osteuropäischen Kollegen "Lohndrücker" sah und ein bosnischer Fahrer erzählte, er würde für Deutsche Unternehmen nicht fahren, denn sein kroatischer Arbeitgeber würde ihn besser bezahlen, als das, was er in Deutschland verdienen könnte.



Wir redeten auch untereinander. Faire Mobilität wird vom DGB und der Bundesregierung finanziert und Arbeit und Leben vom DGB und vom jeweiligen Bundesland. Die Vorstellungen von Organisierung und Kampfformen unterschied sich auch stark. chefduzen setzt mehr auf Eigenständigkeit und Solidarität der Fahrer. Weniger Bürokratie und weniger Beißhemmung.

Nach Gräfenhausen kann sich durchaus noch einges tun bei den Fahrern aus Osteuropa (und weiter gen Osten).






Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 18:14:31 Di. 20.Juni 2023... chefduzen setzt mehr auf Eigenständigkeit und Solidarität der Fahrer. Weniger Bürokratie und weniger Beißhemmung.

Was bei den Bürokratiegehemmten auch ohne es zu sagen ganz genehm ist, wenn Beißhemmungen bei den
Betroffenen verschwinden und dies nicht selbst verantworten müssen. Stichwort Gewerkschafts-Slapping.
Verbindungen zur Gewerkschaft, wie streikbrechende Einzelhandelshäuser sabotiert wurden "gab es nicht".
(2008) :D
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

In den letzten Jahren war das EU-Mobilitätspaket ein großes Thema. Parteien und Gewerkschaften "kämpften" darum. Viele wohlmeinende Trucker ließen sich da mit einspannen. Es galt als die politische Antwort auf die ungeregelte Ausbeutung.

Heute kommt die Fachpresse angesichts der Auseinandersetzung in Gräfenhausen zu der Feststellung, daß es ein Schlag ins Wasser war.

ZitatEU-Mobilitätspaket nur ein stumpfes Schwert

Doch so grenzenlos die Solidarität ist, so offenkundig ist die Überforderung des Staates oder vielmehr der Staatengemeinschaft. Die EU-Kommission hatte das Mobilitätspaket geschnürt, um Fahrer vor Ausbeutung zu schützen. Sie sollten ihre wöchentliche Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs verbringen und nach vier Wochen in ihre Heimatländer zurückkehren dürfen. Firmen wiederum wurden dazu verpflichtet, ihre Lkw alle acht Wochen in das Land ihrer Niederlassung zu disponieren. Bei Nichteinhaltung drohen Konsequenzen. Es gibt also Gesetze, doch in der Praxis entpuppt sich das Mobilitätspaket als stumpfes Schwert. Es hat weder einen ruinösen Wettbewerb noch ein Nomadentum verhindert.
https://www.eurotransport.de/artikel/sozialdumping-einen-riegel-vorschieben-politik-der-augenklappe-beenden-11230120.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter

Kuddel

Hier ein DVZ Artikel über die Aufarbeitung von Gräfenhausen.

ZitatGräfenhausen: BAFA von der Dimension ,,negativ überrascht"

Die Kontrollbehörde für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) benennt die Menschenrechtsverstöße der Unternehmensgruppe Mazur gegen die Fahrer im Arbeitskampf an der hessischen Raststätte. Gemeinsam mit Vertretern von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft will sie ähnliche Zustände künftig verhindern.
Ein Krisengespräch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zeigt, dass sich Menschenrechtsverstöße in komplexen Lieferketten nicht einfach abstellen lassen.


Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat Branchenverbände, Gewerkschaftsorganisationen und das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) zum Krisengespräch über die Arbeitsbedingungen in der Transportbranche eingeladen. Ziel der Zusammenkunft in der BAFA-Außenstelle Borna war es, den Arbeitskämpfen Gräfenhausen I und II keine weiteren folgen zu lassen.

Dabei stellte BAFA-Präsident Thorsten Safarik die Ergebnisse seines Vor-Ort-Besuchs an der Raststätte Gräfenhausen während der Auseinandersetzung im September vor. Die Fahrer seien Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die polnische Unternehmensgruppe Mazur gewesen. Die Vorwürfe richteten sich aber nicht direkt gegen deutsche Unternehmen, betonte er. Bisherige Untersuchungen des BAFA hätten in der überwiegenden Zahl vorbildhafte Resultate geliefert und ein starkes, ehrliches Bemühen gezeigt. Allerdings gebe es Bereiche, in denen noch deutlicher Nachholbedarf bestehe. Dazu gehöre auch die Transportbranche.

Rund 1.000 Dokumente geprüft

,,Wir waren negativ davon überrascht, wie viele dem LkSG unterliegende Unternehmen Waren auf den Lkw hatten", räumt der Behördenleiter ein. In Zahlen: Insgesamt nennen die Frachtpapiere 284 Unternehmen, davon unterliegen in diesem Jahr bereits 58 Unternehmen dem LkSG. Sie machen einen Anteil von 5 Prozent der Unternehmen aus, für die das Gesetz derzeit gilt; mindestens 64 weitere fallen ab dem kommenden Jahr zusätzlich unter die Regelung. Ein Großteil von ihnen sei nur einmal in den Unterlagen genannt, die beiden Spitzenreiter jedoch 42  und 43 Mal. ,,Insgesamt haben wir rund 1.000 Dokumente angesehen", teilt Safarik mit.

Besonders wichtig war dem BAFA-Chef, dem Eindruck entgegenzutreten, seine Organisation sei erst jetzt tätig geworden. ,,Bei Gräfenhausen I sind wir medial nicht in Erscheinung getreten, haben aber im Hintergrund ermittelt", sagt er. Die Behörde habe die Sachlage geprüft, Unternehmen angeschrieben und ihre Stellungnahme eingeholt. Durch die besonderen Umstände von Gräfenhausen II sei aber ein sofortiges Eingreifen erforderlich geworden.

,,Der zweite Arbeitskampf dauerte wesentlich länger und war umfangreicher", erklärt Safarik und fügt hinzu: ,,Vor allem ist es zum Hungerstreik gekommen, der so schnell wie möglich beendet werden musste." Die Fahrer seien in einem schlechten gesundheitlichen Zustand gewesen. Deshalb sei er sehr froh, dass einige Unternehmen die ärztliche Einschätzung als Impuls für eine Spende aufgegriffen hätten, mit der die Situation beendet werden konnte.

EU-Mobilitätspaket als Mindestmaß für Menschenrechte

Der BAFA-Chef erklärte auf Anfrage der DVZ die konkreten Menschenrechtsverletzungen gegen die Fahrer in Gräfenhausen: Sie hätten nicht die ihnen zustehenden Zahlungen erhalten, konnten nicht im vorgesehenen Rhythmus zu ihren Familien zurück und mussten viele Wochenenden im Lkw verbringen, obwohl das Unternehmen die Kosten für eine andere Übernachtungsmöglichkeit hätte tragen müssen.

Im Gespräch mit der DVZ begrüßte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) diese Einschätzung des Behördenleiters: ,,Wir haben seit langem gegen solche unmenschlichen Zustände gekämpft und es gemeinsam mit vielen Partnern geschafft, dass sie durch das EU-Mobilitätspaket heute in ganz Europa verboten sind." Umso erfreulicher sei, dass dieses geltende Recht nun auch zum Maßstab für Menschenrechtsverletzungen genommen werde.

Zum Zusammenwirken der Kontrollbehörden betonte der BAFA-Chef auf Rückfrage der DVZ, seine Einrichtung verfolge anders als das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und die dem Zoll zugeordnete Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) eine branchenübergreifende Aufgabe. Ihre Kontrollpflicht bestehe darin, bei Verdacht auf Verletzung von Menschenrechten tätig zu werden und der Frage nachzugehen, ob die verantwortlichen Auftraggeber ihren Sorgfaltspflichten gerecht geworden seien. Im Falle Gräfenhausen habe sich dabei der Menschenrechtsverstoß bewahrheitet.

BAFA überwacht die gesamte Lieferkette

Die Behörde gehe zudem der Frage nach, in wessen Lieferkette Verletzungen der Menschenrechte erfolgten und welche deutschen Unternehmen dafür eine Verantwortung trügen, ergänzte der für den Verkehrssektor zuständige BAFA-Referatsleiter Norman Müller. Die Prüfperspektive liege dabei auf der gesamten Lieferkette; darin hätte beispielsweise auch die verladende Wirtschaft die Verpflichtung, das generelle Branchenrisiko im Transportbereich über den Kreis der unmittelbaren Lieferanten hinaus zu betrachten.

,,Dazu zählen insbesondere neue Vertragspartner für Ad-hoc-Geschäfte und die Untervergabe von Transportaufträgen", verdeutlichte Müller. Dabei müsse die Lieferkette erheblich tiefer betrachtet werden, bezüglich der Vergabekriterien und möglicher Untervergabeketten.

Unmittelbar nach dem Krisengespräch könne er noch keine Lösungsansätze präsentieren, sagte Safarik. Die Lage in der Transportbranche sei so komplex, dass sich die Teilnehmer am Krisengespräch direkt zu einem Folgetermin verabredet hätten, um die komplexe Lage in der Transportbranche einer vertieften Analyse zu unterziehen im Hinblick auf den Spotmarkt und die Untervergabe von Transporten. Dafür werde das BAFA auch weitere Organisationen und Unternehmen befragen und anschließend wie bereits für andere Wirtschaftsbereiche auch eine Handreichung zum LkSG für die Transportbranche erarbeiten.

Erste Lösungsideen aus der Branche

Aus der Branche selbst gibt es bereits erste Ideen dazu, wie sich die Untervergabe von Transporten transparenter gestalten lässt. Stephan Sieber, CEO des Plattformbetreibers Transporeon berichtete im Gespräch mit der DVZ von Überlegungen dazu, anhand des elektronischen Frachtbriefs (eCMR) eine automatische Benachrichtigung an den jeweiligen Auftraggeber zu senden, wenn in den elektronischen Dokumenten ein neuer Frachtführer für einen Transport eingetragen werde.

Für die Frachtenbörse Timocom erklärte der leitende Unternehmenssprecher Gunnar Gburek gegenüber der DVZ, sein Unternehmen werde es Frachtführern ermöglichen, in der eigenen Plattform sämtliche Informationen bereitzustellen, die eine rechtskonforme Arbeitsweise bestätigten. ,,Wir sollten in der Branche auch gemeinsam mit internationalen Partnern vereinbaren, welche Informationen dafür erforderlich sind, Transportpartner im Sinne des LkSG und der kommenden europäischen Norm sorgfältig auszuwählen", so Gburek.

Eine erste Idee dazu bringt der BGL ins Spiel, dessen Vorstandssprecher Engelhardt sich seit langem für die Arbeitsweise deutscher Frachtführer verbürgt. Solange es keine besseren Informationsquellen gebe, könne ein schneller, pragmatischer und kostengünstiger Weg darin bestehen, die Echtzeitdaten aus den Fahrzeugen mit nachvollziehbaren Algorithmen auch auf die Einhaltung der Vorschriften des EU-Mobilitätspakets zu überprüfen. Das entlarve zwar noch keine schwarzen Schafe, könne Auftraggebern aber die nötige Sicherheit geben, mit verlässlichen Frachtführern zusammenzuarbeiten.
https://www.dvz.de/unternehmen/strasse/detail/news/graefenhausen-bafa-von-der-dimension-negativ-ueberrascht.html

Man war überrascht? Da lachen ja die Hühner!

Tolles Resultat:
ZitatEin Krisengespräch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zeigt, dass sich Menschenrechtsverstöße in komplexen Lieferketten nicht einfach abstellen lassen.

Kuddel

ZitatAus Protest gegen billigere Konkurrenz aus der Ukraine haben polnische Transportunternehmer mehrere Grenzübergänge in das Nachbarland blockiert. Wie die polnische Polizei der Nachrichtenagentur PAP mitteilte, ließen die Protestierenden zwar PKW durchfahren, hinderten aber ukrainische Lastwagen an der Durchreise. Nur ein Lastwagen pro Stunde werde durchgelassen, hieß es.
https://www.n-tv.de/der_tag/Polnische-LKW-Fahrer-blockieren-aus-Protest-ukrainische-Grenze-article24513631.html

BGS

"Ehrliches Bemühen ... ."

Nicht in dieser Branche. Im Polarhafen gibt es seit vielen Jahren Kollegen aus Usbekistan. der UA etc.

Man ist ans Ende der Welt gezogen, weil hier wenigstens korrekt bezahlt wird... .

Muss zur Schicht.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

ZitatPolnische Trucker heuern in Deutschland an, dafür kommen Usbeken und Inder nach Polen. Je weiter östlich der Arbeitgeber, desto geringer der Lohn, das ist die Faustformel im EU-Transportgeschäft.

Polen ist dabei die Drehscheibe im Fahrer-Roulette. Hier sind die meisten Trucker aus Nicht-EU-Staaten registriert.
https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/ausbeutung-auf-der-autobahn-trucker-aus-osteuropa-swr2-feature-2023-11-17-100.html

Kuddel

Polen ist die Drehscheibe des europaweiten Transportgeschäfts: Hunderte Unternehmen haben sich in den letzten Jahren hier angesiedelt.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/fernfahrer-polen-ausbeutung-100.html

Kuddel

Ein weiterer, guter und treffender Bericht über die neverending Story: Die Ausbeutung migrantischer Berufskraftfahrer:

ZitatAusbeutung auf Europas Autobahnen: Der harte Alltag der Lkw-Fahrer

Als Lkw-Fahrer sind in Europa zunehmend Männer aus Zentralasien unterwegs. Ein Report zeigt ihre erschreckenden Arbeitsbedingungen auf.


Sie schlafen in ihren Führerhäusern auf Raststätten, werden systematisch um ihren Lohn geprellt und fühlen sich ungeschützt und ausgeliefert...
https://www.fr.de/wirtschaft/ausgebeutet-auf-europas-strassen-92863628.html?itm_source=story_detail&itm_medium=interaction_bar&itm_campaign=share

Letztendlich ist es nur ein Update der spätestens seit den Gräfenhausen-Streiks bekannten Zustände auf den Autobahnen.

Es wird auf die Wirkung des EU-Lieferkettengesetzes gehofft, statt einen kollektiven Widerstand von deutschen und ausländischen Fahrern zu organisieren.

Kuddel

ZitatDer Streik auf der Raststätte Gräfenhausen lenkte im vergangenen Jahr eine Licht auf die Arbeitsbedingungen von ausländischen LKW-Fahrer:innen. Eine Wende zum Besseren habe es seither nicht gegeben, sagt Anna Weirich von Faire Mobilität.
(...)
In den Heimatländern dieser Menschen ist die wirtschaftliche Lage schwierig. Es ist dort kaum möglich, seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder gar eine Familie zu ernähren. (...) Sehr viele. Es sind Hunderttausende. Eine genaue Zahl ist schwierig zu benennen. Einerseits wissen wir aus der Statistik des Bundesamtes für Mobilität und Logistik, dass in Deutschland knapp 600 000 Berufskraftfahrer:innen mit deutschem Arbeitsvertrag unterwegs sind, von denen mehr als ein Viertel einen ausländischen Pass haben, in der Regel aus der EU. Am häufigsten Polen und Rumänien. Hinzu kommen aber noch die unzähligen LKW von Firmen aus anderen EU-Ländern, die ebenfalls in Deutschland be- und entladen. Hier sitzen dann auch oft Drittstaatsangehörige am Steuer. Diese brauchen für das Fahren in der EU eine sogenannte ,,Fahrererlaubnis". Ende 2020 waren davon knapp 230 000 im Umlauf, die meisten ausgestellt für Fahrer mit Arbeitsverträgen in Polen oder Litauen. Wir können davon ausgehen, dass diese Fahrer auch alle, zumindest zeitweise, in Deutschland unterwegs sind.
(...)
Es gilt die Faustformel: Je weiter weg das Heimatland liegt, desto schlechter ist die Bezahlung. Viele der Migranten haben ausländische Verträge mit ausländischen Arbeitgebern, obwohl sie im Auftrag deutscher Verlader unterwegs sind.
(...)
Nein, eine Wende zum Besseren hat es nicht gegeben. Die Arbeitsbedingungen sind immer noch gleich schlecht.
(...)
Aber es gibt immer wieder einzelne Lenker oder kleine Gruppen, die in der Beratung erzählen: Wir sind stehengeblieben, um unser Geld zu bekommen.
https://www.fr.de/wirtschaft/lkw-fahrer-je-weiter-weg-das-heimatland-desto-schlechter-ist-die-bezahlung-92883826.html

Fazit: Seit Gräfenhausen II hat sich an der Situation der migrantischen Fahrer nichts gebessert.

Es kommt weiterhin zu Mini-Arbeitsniederlegungen, die von der Öffentlichkeit und den Gewerkschaften nicht wahrgenommen werden. Ein Verdisekretär erzählte mir ähnliches aus dem Bereich der Fahrer für Amazon.

Kuddel

Ein weiterer Artikel über die unverändert katastrophale Situation der migrantischen Trucker.

ZitatHilfe aus Frankfurt für Trucker

Anna Weirich von ,,Faire Mobilität"schilderte im Frankfurter ,,Club Voltaire" die Lage von Lkw-Fahrenden. Das DGB-Netzwerk unterstützt die ausgebeuteten Menschen aus Osteuropa.

Es gibt viel zu tun für die Beraterinnen und Berater, die Lkw-Fahrern und -Fahrerinnen zu ihren Rechten verhelfen. Allein an diesem Donnerstag, an dem sie abends im ,,Club Voltaire" über ihre Arbeit sprach, hat Anna Weirich fünf Männer aus Rumänien, Usbekistan und der Ukraine in der Beratung gehabt, wie sie berichtet.

Betroffene kennen das DGB-Beratungsnetzwerk ,,Faire Mobilität" und dessen Frankfurter Standort, in dem die 41-jährige Weirich tätig ist, seit den Streiks von osteuropäischen Truckern im vergangenen Jahr im südhessischen Gräfenhausen. Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter trugen erheblich dazu bei, dass die Lkw-Fahrer des polnischen Logistik-Unternehmers Lukasz Mazur ihre ausstehenden Löhne in insgesamt sechsstelliger Höhe erhielten. Die Arbeitsbedingungen in den Mazur-Firmen seien ,,herausragend schlecht, aber überhaupt kein Einzelfall", schilderte Weirich im Gespräch mit dem früheren FR-Redakteur Claus-Jürgen Göpfert im ,,Club Voltaire".

Krank - und nicht versichert

Hunderttausende Lkw-Fahrer (und wenige Fahrerinnen) seien unter erbärmlichen Bedingungen auf deutschen Straßen unterwegs. Firmen beuteten sie systematisch aus, enthielten ihnen den Lohn vor und ließen sie in den Führerhäusern nächtigen. Zudem seien viele Fahrende krank – oft seien sie nicht krankenversichert, und wenn doch, hätten sie gar keine Zeit und örtlichen Kenntnisse, um hier zum Arzt gehen zu können. ,,Sie fahren ja die ganze Zeit", stellte Weirich nüchtern fest.

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der sich ebenfalls massiv für die Fahrer in Gräfenhausen eingesetzt hatte, war auch für das Podium vorgesehen, musste aber absagen: Ausgerechnet der Gewerkschafter konnte wegen des Streiks an deutschen Flughäfen nicht rechtzeitig nach Frankfurt kommen. Für den besseren Schutz der Lkw-Fahrer sei wichtig, ,,dass wir andere Regelungen bekommen und dass die auch durchgesetzt werden", betonte Körzell auf Nachfrage der FR.

Vorbild für andere EU-Länder

Weirich hält es für dringend notwendig, dass Beratungsstellen nach dem Vorbild von ,,Faire Mobilität" auch in anderen EU-Staaten entstehen. Verbesserungen könne auch ein Lieferkettengesetz bringen, das handhabbar ist und nicht zu viele Ausnahmen ermöglicht. Es würde Baumärkte, Supermarktketten und andere Unternehmen, deren Waren transportiert werden, mit in die Verantwortung nehmen. Weirich zeigte sich skeptisch, ob das deutsche Lieferkettengesetz dafür sorgen kann, das erst seit wenigen Monaten in Kraft ist. Für Ärger im Publikum sorgte jedenfalls, dass die Bundesregierung aus Rücksicht auf die FDP beim EU-weiten Lieferkettengesetz bremst. Dass es Regelungsbedarf gibt, machten Beiträge aus dem Publikum im ,,Club Voltaire" deutlich.

So berichtete ein Anwalt davon, dass er Lokführer aus Russland und Georgien berate, die in Deutschland führen. ,,Wir erleben in verschiedenen Bereichen der Mobilität ähnliche Handlungsstränge", berichtete er.

Robustes Vorgehen gegen Streikende


Der Frankfurter Verdi-Gewerkschafter Tiny Hobbs erzählte, dass Trucker in der Regel nicht so erfolgreich streiken könnten wie in Gräfenhausen. Immer wieder weigerten sich Betroffene weiterzufahren, weil der Lohn ausbleibe. Dann käme in der Regel ,,ein VW-Bus mit Ersatzfahrer und zwei kräftigen Jungs", die dem streikenden Fahrer den Lkw abnähmen, erzählte Hobbs. ,,Das passiert jeden Tat in Deutschland." Den Erfolg in Gräfenhausen, wo er die Fahrer unterstützte, führt Hobbs auf einen glücklichen Umstand zurück: ,,Wir hatten im letzten Jahr Landtagswahl in Hessen, sonst wäre nichts passiert."
https://www.fr.de/frankfurt/hilfe-aus-frankfurt-fuer-trucker-92893951.html

Ich habe meinen Rückblick und die Bewertung von Gräfenhausen II noch immer nicht fertiggestellt. Dabei geht es um eine extrem wichtige Sache. Es war einer der interessantesten und wichtigsten Arbeitskämpfe des Jahres. Es wurde Neuland betreten. Es wurde vieles falsch gemacht. Es gilt daraus zu lernen.

Wenn ich ein vernichtendes Urteil über die Streikführung fälle, geht es mir nicht um eine Bewertung von Einzelpersonen. Es haben die Unterstützer, auch die dafür bezahlten, meist eine bewundernswerte Arbeit geleistet, mit Herzblut und weit über ihren Job hinaus. Es geht um eine politische Bewertung der Organisationen, die in diesem Streik mitgemischt haben. Der letzte Satz des FR Artikels bringt es auf den Punkt: "Wir hatten im letzten Jahr Landtagswahl in Hessen, sonst wäre nichts passiert."
Es ist bei dieser Art der Streikführung nicht möglich gewesen, den für einen Sieg notwendigen Druck zu erzeugen. 

Kuddel

Es geht weiter mit einem guten 9 minütigen TV Bericht.
Die Grenze des Arbeitsmarkts verschiebt sich immer weiter gen Osten.
Die Situation der Arbeitsmigranten, die hohen Vermittlungsgebühren, ihre Rechtlosigkeit, teilweise sogar fehlendes Aufenthaltsrecht, werden gut beschrieben:

https://www.ardmediathek.de/video/plusminus/sklavenarbeit-hinterm-steuer-ausbeutung-auf-der-autobahn/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3BsdXNtaW51cy9jYjRlMzI2Yy01NGQzLTQ5ZDMtOTM0Zi0yMGQ5MTZjM2JkMmM

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