Die Medikamente sind zu teuer, der Arzt zu weit weg: Viele Europäer können sich in der Finanzkrise ihre Gesundheit nicht mehr leisten. Mit drastischen Worten machen Mediziner auf manchmal tödliche Folgen aufmerksam und fordern politische Konsequenzen.Die Finanzkrise in Europa tötet Menschen. Das ist die Botschaft einer aktuellen Analyse von Gesundheitsexperten, die die Auswirkungen der drastischen Sparpolitik in einigen Ländern der Europäischen Union untersucht haben. Vor allem in Griechenland, Spanien und Portugal geht es den Menschen der Studie zufolge schlecht: Kranke müssen pro Arztbesuch plötzlich mehr zahlen, sie bekommen weniger finanzielle Unterstützung für Medikamente, Krankenhäuser schließen und immer mehr Menschen leiden unter Depressionen. Andere Staaten hingegen haben ihre Einwohner offenbar vor einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung bewahren können.
Die Autoren des Gutachtens, das jetzt in einem Dossier des renommierten Medizinjournals "The Lancet" erschienen ist, erheben schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen: "Die wichtigste Botschaft unserer Untersuchung ist, dass die Regierungen in Europa und die Europäische Kommission die Auswirkungen auf die Gesundheit nicht berücksichtigt haben", sagte der Mediziner Martin McKee, einer der Hauptautoren, in einer Pressekonferenz. Das von Politikern vorgeschobene Argument, die erhobenen Daten seien unzureichend, erinnere ihn "schon fast an die Tabakindustrie."
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"Die Stimme der Gesundheit ist wesentlich schwächer als die aus der Finanzwelt", sagt McKee. "In einigen Ländern, besonders in Griechenland, haben wir unverblümtes Leugnen beobachten können."
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Länder wie Griechenland, Dänemark, Portugal und Lettland beispielsweise haben den Hebel vor allem bei Verhandlungen mit der Pharmaindustrie und bei den Krankenhäusern angesetzt. Zusätzlich wurden etwa in Zypern, Griechenland, Portugal und Irland die Gehälter von Beschäftigten im medizinischen Sektor reduziert. Häufig wurde die Bevölkerung stärker an direkten Gesundheitskosten etwa beim Arztbesuch oder in der Nothilfe beteiligt.
Das internationale Forscherteam bezeichnet Europa als "natürliches Labor für Gesundheit und Gesundheitspolitik"...
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/gesundheit-in-europa-wirtschaftskrise-toetet-menschen-a-891203.html