Straßenproteste statt Onlinedemos
Zurück zur großen Bedeutung sozialer Bewegungen.
Wer Einfluß auf das Denken und Handeln der einfachen Menschen hat, hat die Macht, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Die Linken sind dabei, auf diesem Gebiet wiederholt zu verkacken.
Die Linken haben als aktuelle Modebegriffe "neue Klassenpolitik", "antikapitalistisch" oder "Klassenkampf", aber das bleiben leere Worthülsen, so lange sie kein wirkliches Interesse an Malochern und sozial Abgehängten haben. Man bewegt sich in der eigenen Subkultur und kommt nicht damit klar, daß die Klasse mit dieser Subkultur nichts zu tun haben will, sprachlich ruppig und völlig anders ist, bisweilen sexistisch, auch rassistisch. Tja, bei dieser Andersartigkeit betrachtet man die Prolls eher als Feinde und grenzt sich von ihnen ab. Man hat keinen Draht zu den Unterschichten, auch wenn man man selbst von Armut betroffen ist.
Die rechten Strategen wissen was sie tun. Die Milliardäre von Koch Industries schufen mit der Tea Party Bewegung ein Sammelbecken für Mittelschichtsmenschen mit Abstiegsängsten bis hin zu den sozial Abgehängten.
Die Rechten in Deutschland sind auch ziemlich auf Zack.
Sie reden nicht von "Klassenpolitik", sie praktizieren sie. Sie kümmern sich um Betriebsarbeit, sie gehen in die Schlüsselindustrien (u.a. Autobranche), um mit großem Aufwand dort eigene gewerkschaftliche Strukturen zu schaffen.
Die Linken kennen scheinbar nicht die Stimmungen und Bedürfnisse der einfachen Leute, die sozial immer mehr unter Druck geraten.
In Frankreich entstand auf dem Land eine diffuse Bewegung der Abgehängten. Deutsche Linke diagnostizierte die Bewegung als Protest autogeiler, tendenziell rechter Prolls, die für billigen Sprit kämpfen. Sie merkten nicht, daß sich mit der Gelbwestenbewegung der seit 1968 wichtigste Sozialprotest Frankreichs entwickelte, im dem die Rechten keine Rolle mehr spielen.
Eine entsprechende Stimmung entstand auch in der deutschen Pampa, wovon die deutschen Linken nichts spürten. Die Rechten waren jedoch zur Stelle und schufen mit Pegida Strukturen für die diffuse Wut. Sie bekamen so die Kontrolle über eine neue Bewegung.
Jetzt ist es wieder das Gleiche. Den Linken fehlte es an einer kritischen Distanz zu den staatlichen Coronamaßnahmen. Und man hatte kein Gefühl für den psychischen Druck und die sozialen Ängste der Menschen. Man war völlig aufgegangen in den Zahlen und Kurven der Coronapandemie.
Auch dieses Mal ist es den Rechten gelungen, der Unzufriedenheit eine Bühne zu bieten. Sie schaffen den organisatorischen Rahmen für die berechtigten Proteste und gewinnen die Kontrolle über sie.
Jetzt dagegen zu demonstrieren, ohne den Unzufriedenen einen besseren Protestrahmen zu bieten, wird keinen Erfolg haben.