Die Befreiung der Frau ist nur gegen und ohne die Kapitalisten erreichbar

Begonnen von Rappelkistenrebell, 09:18:19 So. 05.April 2015

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Rappelkistenrebell

Diesen guten Artikel möchte ich Euch nicht vorenthalten  ;D

Die Befreiung der Frau ist nur gegen und ohne die Kapitalisten erreichbar
Eine Kritik der feministischen Sprachkritik



Die Befreiung der Frau ist nur gegen und ohne die Kapitalisten erreichbar
Eine Kritik der feministischen Sprachkritik

Auf dem Som­mer­camp ,,An­ton Ma­ka­ren­ko" der KAZ 2014 wur­de über das The­ma ,,Bürger­li­che und pro­le­ta­ri­sche Frau­en­be­we­gung" re­fe­riert. Der ers­te Teil setz­te sich schwer­punktmäßig mit ei­nem be­stimm­ten As­pekt der bürger­li­chen Frau­en­be­we­gung aus­ein­an­der – der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik –, die großen Ein­fluss bis in die Ar­bei­ter­be­we­gung (Ge­werk­schaf­ten, Par­tei­en) ge­nom­men hat. Die­ses Re­fe­rat ist im Fol­gen­den leicht verändert und ak­tua­li­siert ab­ge­druckt. Dem wur­de ge­genüber­ge­stellt, was tatsächlich die ma­te­ri­el­len Be­din­gun­gen zur Be­frei­ung der Frau sind, an­hand des Bei­spiels der DDR im Ver­gleich zur BRD. Die­ses zwei­te Re­fe­rat wur­de un­ter der Über­schrift ,,Mit der Mau­er fie­len Frau­en­rech­te" be­reits in der KAZ Nr. 348 veröffent­licht.

Zunächst eine Vor­be­mer­kung:

Bei der Kri­tik an bürger­li­cher Frau­en­be­we­gung, am Fe­mi­nis­mus, gibt es oft Zu­stim­mung von fal­scher, re­ak­ti­onärer Sei­te. Das ist un­ver­ein­bar mit der pro­le­ta­ri­schen Po­si­ti­on.

Es gibt so­gar auch bei Lin­ken eine Un­sit­te, wenn es um die­ses The­ma geht. Da heißt es ger­ne: Die Frau­en­fra­ge ist ein Ne­ben­wi­der­spruch.

Was ist denn dann der Haupt­wi­der­spruch?

Das ist der Wi­der­spruch zwi­schen Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se und Ar­bei­ter­klas­se. Das Wort ,,Ne­ben­wi­der­spruch" wird bei kei­nem an­de­ren The­ma so oft und gern be­nutzt wie bei der Frau­en­fra­ge. Und da­bei ar­bei­ten wir uns doch ständig nur an Ne­ben­wi­dersprüchen ab und müssen das auch tun. Wir kümmern uns um die Ab­wehrkämpfe der Ar­bei­ter ge­gen das Ka­pi­tal, die in­ner­halb des Ka­pi­ta­lis­mus ver­blei­ben, wir ver­su­chen, de­mo­kra­tisch-an­ti­fa­schis­ti­sche Kämpfe zu for­cie­ren oder zu or­ga­ni­sie­ren – all das tun wir, um an die Lösung des Haupt­wi­der­spruchs, den Sturz der Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se durch die Ar­bei­ter­klas­se, her­an­zu­kom­men.

Die Frau­en­fra­ge ist nicht nur ein Ne­ben­wi­der­spruch. Sie enthält meh­re­re Ne­ben­wi­dersprüche – je nach­dem, ob es sich um Frau­en aus dem Pro­le­ta­ri­at, aus den Zwi­schen­schich­ten oder aus der Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se han­delt. Die Ar­bei­te­rin ist dop­pelt be­las­tet, wird verstärkt aus­ge­beu­tet, ist durch die Abhängig­keit vom Mann auch dop­pelt un­ter­drückt. Die Bour­geois­frau wird u.a. als Gebärma­schi­ne be­nutzt, um Er­ben zu züch­ten, aber auch als Sex- und Vor­zei­ge­ob­jekt ge­braucht. In den Zwi­schen­schich­ten mi­schen sich bei­de Pro­ble­me.

Der große Uto­pist Fou­rier sah sehr rich­tig die Be­deu­tung der Frau­en­fra­ge für die Ge­sell­schaft: ,,Die Er­nied­ri­gung des weib­li­chen Ge­schlechts ist ein we­sent­li­cher Cha­rak­ter­zug der Zi­vi­li­sa­ti­on wie der Bar­ba­rei, nur mit dem Un­ter­schied, dass die zi­vi­li­sier­te Ord­nung je­des Las­ter, wel­ches die Bar­ba­rei auf eine ein­fa­che Wei­se ausübt, zu ei­ner zu­sam­men­ge­setz­ten, dop­pel­sin­ni­gen, zwei­deu­ti­gen, heuch­le­ri­schen Da­seins­wei­se er­hebt ... Kei­nen trifft die Stra­fe, das Weib in der Skla­ve­rei zu er­hal­ten, tie­fer als den Mann selbst."[1]

Die Frau­en­fra­ge ist ein Grad­mes­ser für den Zu­stand der je­wei­li­gen Ge­sell­schaft, nicht nur in der All­ge­mein­heit, wie Fou­rier sie be­schreibt, son­dern bis ins De­tail.

Hier ein Bei­spiel aus ei­ner bürger­li­chen Zei­tung[2]. Da geht es um die Frau­en in Führungs­po­si­tio­nen – ein Punkt, der uns im prak­ti­schen Le­ben zwar ge­ra­de nicht un­mit­tel­bar in­ter­es­siert – aber es ist in­ter­es­sant, wie hier auch die Frau­en­fra­ge Spie­gel­bild der Ge­sell­schaft ist. Da heißt es:

,,Den größten Frau­en­an­teil in den Führungs­eta­gen wei­sen im eu­ropäischen Ver­gleich die ehe­ma­li­gen So­wjet­staa­ten auf. An der Spit­ze liegt Li­tau­en (44 Pro­zent), ge­folgt von Bul­ga­ri­en (Bul­ga­ri­en war kein Teil der So­wjet­uni­on, aber das wis­sen die nicht so ge­nau, E.W.-P.) (43 Pro­zent) und der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on (40 Pro­zent). Die Erklärung hier­zu liegt in dem Gleich­heits­vermächt­nis aus So­wjet­zei­ten, die ak­tu­el­le Ent­wick­lung ist je­doch rückläufig."

Das ist das eine zu den frühe­ren ge­sell­schaft­li­chen Verhält­nis­sen, die so stark nach­wir­ken.

Wei­ter heißt es in dem Ar­ti­kel:

,,In West­eu­ro­pa weist fast er­war­tungs­gemäß Schwe­den ei­nen ho­hen Frau­en­an­teil von 30 Pro­zent in Führungs­po­si­tio­nen auf. Spit­ze sind Grie­chen­land und Ir­land mit je 33 Pro­zent. Die Schluss­lich­ter im west­eu­ropäischen Ran­king bil­den Deutsch­land (20 Pro­zent) und die Nie­der­lan­de (19 Pro­zent)."

Man sieht wie­der mal die Be­son­der­hei­ten des deut­schen Im­pe­ria­lis­mus. Die Nie­der­lan­de sind kein im­pe­ria­lis­ti­sches Land. In­ner­halb der im­pe­ria­lis­ti­schen Länder aber ist der deut­sche Im­pe­ria­lis­mus Schluss­licht – ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de in ei­ner Fra­ge, die ein Test auf die ge­sell­schaft­li­chen Zustände ist.

Die Frau­en­fra­ge ist sehr nahe am Haupt­wi­der­spruch. Die Frau­en sind im­mer­hin die Hälfte der Mensch­heit. Das ist also kei­ne Klei­nig­keit, kei­ne Fra­ge ei­ner klei­nen Min­der­heit. Dazu gibt es ein sehr schönes Zi­tat von Au­gust Be­bel, das am Schluss sei­nes Bu­ches ,,Die Frau und der So­zia­lis­mus" steht: ,,Dem So­zia­lis­mus gehört die Zu­kunft, das heißt in ers­ter Li­nie – dem Ar­bei­ter und der Frau." Mir ist manch­mal ge­sagt wor­den, das müsste doch Ar­bei­ter­frau heißen oder Ar­bei­te­rin. Stimmt aber nicht, son­dern: Mit ,,dem Ar­bei­ter" ist hier die ge­sam­te Ar­bei­ter­klas­se ge­meint, Männer und Frau­en. Es geht in die­sem Satz von Be­bel nicht dar­um, wer den So­zia­lis­mus erkämpft, son­dern wer wird durch den So­zia­lis­mus be­freit und wem gehört da­mit die Zu­kunft. Das ist die Ar­bei­ter­klas­se und das sind die Frau­en. Für die Frau­en der Ar­bei­ter­klas­se trifft das also dop­pelt zu. Die Frau­en der Ar­bei­ter­klas­se sind be­son­ders un­ter­drückt, lei­den be­son­ders un­ter dem Ka­pi­ta­lis­mus, ha­ben eine Dop­pel­be­las­tung. Nur die Ar­bei­ter­klas­se kann die­se Be­frei­ung wirk­lich erkämp­fen, aber wer be­freit wird, das geht über die Ar­bei­ter­klas­se hin­aus, das be­trifft auch die Frau­en ins­ge­samt.
Bürgerliche Frauenbewegung und Sprachkritik

Es ist nichts Neu­es, dass die bürger­li­che (d.h. auch die kleinbürger­li­che) Frau­en­be­we­gung ver­sucht, vom Klas­sen­wi­der­spruch ab­zu­len­ken und die So­li­da­rität zwi­schen Bour­geois­frau und Ar­bei­te­rin, zwi­schen der Gnädi­gen und dem Dienstmädchen, zwi­schen der fe­mi­nis­ti­schen Kar­rie­re­frau und ih­rer pol­ni­schen oder türki­schen Putz­frau her­zu­stel­len. Neu ist die fe­mi­nis­ti­sche Sprach­kri­tik, die in West­deutsch­land seit ca. Ende der sieb­zi­ger Jah­re und schließlich auch in der ein­ver­leib­ten DDR um Ein­fluss kämpft und in­zwi­schen auch sehr viel Ein­fluss ausübt (auf an­de­re Länder wird in die­sem Ar­ti­kel nicht ein­ge­gan­gen). Der Ein­fluss ist ins­be­son­de­re sicht­bar in Par­tei­en, po­li­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen, Ge­werk­schaf­ten, staat­li­chen Ver­wal­tun­gen. Das ist der Preis dafür, dass das Pro­le­ta­ri­at in der de­mo­kra­tisch-an­ti­fa­schis­ti­schen Be­we­gung längst die He­ge­mo­nie – also die führen­de Rol­le – ver­lo­ren hat, ja dass so­gar sei­ne Exis­tenz ge­leug­net wird und kleinbürger­li­che Strömun­gen ganz selbst­verständ­lich in al­len Kämp­fen die Führung über­neh­men.

Die fe­mi­nis­ti­sche Sprach­kri­tik be­ruht auf min­des­tens drei Irrtümern[3].

Es wird be­haup­tet, dass die Ge­sell­schaft, in der wir le­ben, eine pa­tri­ar­cha­li­sche Struk­tur habe.

,,Da die Spra­che das Den­ken und die Wahr­neh­mung ei­ner Sprach­ge­mein­schaft be­ein­flusst, kann nach An­sicht der Fe­mi­nis­tin­nen der Be­nach­tei­li­gung der Frau nur durch ein ge­schlech­ter­ge­rech­tes Deutsch ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den."[4]

Das Weib­li­che wird mys­ti­fi­ziert, es wird be­haup­tet, die Un­ter­drückung der Frau­en läge an ih­rer Un­sicht­bar­keit in der Spra­che, die Frau­en müss­ten in der Spra­che be­son­ders sicht­bar ge­macht wer­den.
Irrtum Nr. 1:

Es wird be­haup­tet, dass die Ge­sell­schaft, in der wir le­ben, eine pa­tri­ar­cha­li­sche Struk­tur habe.

Wir le­ben in ei­ner ka­pi­ta­lis­ti­schen Klas­sen­ge­sell­schaft und nicht in ei­ner pa­tri­ar­cha­li­schen Ge­sell­schaft.

Se­hen wir uns mal die Ge­schich­te der Mensch­heit an:

Die ursprüng­li­che mensch­li­che Ge­sell­schaft war ma­tri­ar­cha­lisch struk­tu­riert, d.h. die Frau­en hat­ten eine be­son­ders hohe und ge­ach­te­te Stel­lung als Mütter. Sie wa­ren kei­ne Aus­beu­ter­klas­se, hat­ten aber eine be­son­ders her­vor­ra­gen­de Stel­lung. Mit dem be­gin­nen­den Pri­vat­ei­gen­tum wird das Ma­tri­ar­chat durch das Pa­tri­ar­chat er­setzt – das nennt En­gels ,,die welt­ge­schicht­li­che Nie­der­la­ge des weib­li­chen Ge­schlechts"[5]. Die pa­tri­ar­cha­li­schen Ge­sell­schaf­ten sind dann Ge­mein­schaf­ten des be­gin­nen­den Pri­vat­ei­gen­tums, noch ohne Staat. Im al­ten Rom bil­de­te sich die Fa­mi­lie: ,,Das Wort fa­mi­lia be­deu­tet ursprüng­lich nicht das aus Sen­ti­men­ta­lität und häus­li­chem Zwist zu­sam­men­ge­setz­te Ide­al des heu­ti­gen Phi­lis­ters; es be­zieht sich bei den Römern anfäng­lich gar nicht ein­mal auf das Ehe­paar und des­sen Kin­der, son­dern auf die Skla­ven al­lein. Fa­mu­lus heißt ein Haus­skla­ve und fa­mi­lia ist die Ge­samt­heit der ei­nem Mann gehören­den Skla­ven. (...) Der Aus­druck wur­de von den Römern er­fun­den, um ei­nen neu­en ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­nis­mus zu be­zeich­nen, des­sen Haupt Weib und Kin­der und eine An­zahl Skla­ven un­ter römi­scher väter­li­cher Ge­walt, mit dem Recht über Tod und Le­ben al­ler, un­ter sich hat­te."[6] Der Staat der Skla­ven­hal­ter ist ent­spre­chend or­ga­ni­siert. Das ist nicht ein­fach ein Pa­tri­ar­chat, eine Männer­herr­schaft. Ein Staat ent­steht und be­steht im­mer aus der Not­wen­dig­keit der Klas­sen­un­ter­drückung, er ist der Staat der herr­schen­den Klas­sen. Im Skla­ven­hal­ter­staat herrsch­ten zwar in­ner­halb der Skla­ven­hal­ter die Männer über die Frau­en (sie­he die Be­schrei­bung der römi­schen Fa­mi­lie von En­gels), aber in­ner­halb der Klas­se der Skla­ven gab es kei­ne pa­tri­ar­cha­li­sche Struk­tur. Sie wur­den wie Tie­re ge­hal­ten, eine ge­sell­schaft­lich re­le­van­te Be­zie­hung gab es zwi­schen Skla­ven und Skla­ven­hal­ter, aber un­ter den Skla­ven gab es sol­che Be­zie­hun­gen nicht – kei­ne Ehen, kei­ne Fa­mi­li­en etc. D.h. ge­ra­de da, wo die hauptsächli­che Pro­duk­ti­on statt­fand, wo also die Ge­sell­schaft genährt und ma­te­ri­ell auf­recht­er­hal­ten wur­de, gab es kein Pa­tri­ar­chat.

An­ders ver­hielt es sich in der Feu­dal­ge­sell­schaft. Nicht nur in den herr­schen­den Klas­sen, son­dern auch bei den Un­ter­drück­ten und Aus­ge­beu­te­ten, den Leib­ei­ge­nen, herrsch­ten pa­tri­ar­cha­li­sche Zustände, die der bäuer­li­chen Ar­beits­tei­lung ge­schul­det wa­ren, aber auch dem be­schei­de­nen Be­sitz an Pro­duk­ti­ons­mit­teln, die ein pa­tri­ar­cha­li­sches Erbrecht er­for­der­ten. Den­noch wa­ren auch im Mit­tel­al­ter die Klas­sen­wi­dersprüche die ent­schei­den­den ge­sell­schaft­li­chen Wi­dersprüche.

Die bürger­li­che Re­vo­lu­ti­on mach­te mit der Leib­ei­gen­schaft Schluss. Sie schrieb sich die Gleich­heit auf die Fah­nen. Die Gleich­heit ent­spricht der ka­pi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­on. Dem Ka­pi­ta­lis­ten kann es egal sein, ob sei­ne Ar­bei­ter männ­lich oder weib­lich sind, von hier oder aus an­de­ren Ländern etc. kom­men. Er will auf alle Zu­griff ha­ben, die ihre Ar­beits­kraft ver­kau­fen wol­len und können. Der Ka­pi­ta­lis­mus ist der große Gleich­ma­cher. Das ist ein großer Fort­schritt. Es ist im Grun­de ge­nom­men die Ver­nich­tung al­ler pa­tri­ar­cha­li­schen Struk­tu­ren. Da­ge­gen gibt es nun al­ler­dings be­kannt­lich ei­nen hef­ti­gen Ge­gen­wind von Frau­en­ver­ach­tung, Frau­en­feind­lich­keit und Frau­en­un­ter­drückung. Den kann man nur dann er­folg­reich bekämp­fen, wenn man die ma­te­ria­lis­ti­sche Grund­la­ge an­er­kennt, dass der Ka­pi­ta­lis­mus ein an­ti­pa­tri­ar­cha­li­scher Gleich­ma­cher ist und da­bei ständig über sei­ne ei­ge­nen Füße stol­pert. Zum Bei­spiel be­ruht er auf Pri­vat­ei­gen­tum, und Pri­vat­ei­gen­tum heißt: Männer­herr­schaft. Die Erb­fol­ge muss ge­si­chert wer­den (nicht bei Ar­bei­tern, die nichts ha­ben, aber bei den Ka­pi­ta­lis­ten). Die Mütter sind die ein­zig si­che­ren El­tern ih­rer Kin­der – und um halb­wegs auch die Va­ter­schaft zu si­chern, muss die Frau in der Ehe ge­fes­selt wer­den (in­zwi­schen ist hier die Po­si­ti­on der Frau­en so­gar durch die Ent­wick­lung der Pro­duk­tiv­kräfte ver­schlech­tert wor­den – nämlich durch die Möglich­keit des Va­ter­schafts­tests). Eine wei­te­re Fra­ge der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft ist: da in ihr je­der nur für sich sel­ber sorgt, wer ernährt und ver­sorgt dann die Kin­der, die künf­ti­gen Lie­fe­ran­ten der Ar­beits­kraft? Die Ant­wort ist: Die Ar­bei­ter müssen Fa­mi­li­en ha­ben, die die künf­ti­gen Ar­bei­ter auf­zie­hen. Wenn es an Möglich­kei­ten der Kin­der­be­treu­ung man­gelt, dann muss sich der männ­li­che Ar­bei­ter ganz wie ein Pa­tri­arch eine Frau hal­ten, die er ernährt und die die­se Auf­ga­be er­le­digt und – wie eine Pro­sti­tu­ier­te – froh sein kann, dass die se­xu­el­le Ver­bin­dung mit ei­nem Mann ihr den Le­bens­un­ter­halt si­chert. Und das al­les, wo doch der Ka­pi­ta­lis­mus tagtäglich die Fa­mi­lie zerstört, die Fa­mi­lie kei­nen öko­no­mi­schen Sinn mehr hat. Und ge­nau die­ses Elend wird auch noch aus­ge­nutzt, um die Löhne der ar­bei­ten­den Frau­en zu drücken und ih­nen die mie­ses­ten Ar­beits­be­din­gun­gen auf­zu­zwin­gen.

Wir se­hen, was für schrei­en­de Wi­dersprüche der Ka­pi­ta­lis­mus pro­du­ziert – er macht alle gleich, be­freit die Frau­en und tritt sie gleich­zei­tig in den Staub, demütigt und verhöhnt sie. Dass da eine Frau­en­be­we­gung ent­stand – die im Mit­tel­al­ter so gar nicht denk­bar ge­we­sen wäre – ist kein Wun­der. Es ist aber auch kein Wun­der, dass die­se Frau­en­be­we­gung aus ih­rer be­grenz­ten bürger­li­chen Per­spek­ti­ve nicht die an­ti­pa­tri­ar­cha­li­sche Grund­la­ge die­ser Ge­sell­schaft er­ken­nen kann, auf der es möglich ist, dass Mann und Frau ge­mein­sam eine Welt ohne Aus­beu­tung und Un­ter­drückung erkämp­fen.

Wie es sich mit der Ge­gen­wart (Ka­pi­ta­lis­mus), der Ver­gan­gen­heit (Feu­da­lis­mus – Leib­ei­gen­schaft) und der Zu­kunft (So­zia­lis­mus) bei der Fra­ge der Gleich­be­rech­ti­gung der Frau verhält, hat Le­nin nach der Ok­to­ber­re­vo­lu­ti­on ein­mal so zu­sam­men­ge­fasst: ,,Bei uns in Rußland gibt es kei­ne sol­che Ge­mein­heit, Ab­scheu­lich­keit und Nie­der­träch­tig­keit wie die Recht­lo­sig­keit oder nicht vol­le Gleich­be­rech­ti­gung der Frau, die­ses empören­de Über­bleib­sel der Leib­ei­gen­schaft und des Mit­tel­al­ters, das von der ei­gennützi­gen Bour­geoi­sie und dem stumpf­sin­ni­gen, ein­geschüchter­ten Kleinbürger­tum in aus­nahms­los al­len Ländern des Erd­balls im­mer wie­der auf­ge­frischt wird."[7]

Zu­sam­men­fas­send ist fest­zu­stel­len: Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaft ist nicht pa­tri­ar­cha­lisch struk­tu­riert – sonst hätte die fe­mi­nis­ti­sche Sprach­kri­tik auch nie­mals die­se schnel­len Er­fol­ge ha­ben können. Die Dar­stel­lung der heu­ti­gen Ge­sell­schaft als pa­tri­ar­cha­lisch bleibt an der Oberfläche, ver­harm­lost den Ka­pi­ta­lis­mus und ver­neint gleich­zei­tig sei­ne Fort­schritt­lich­keit ge­genüber dem Feu­da­lis­mus. So ist es übri­gens auch zu erklären, dass sich oft Fe­mi­nis­mus mit Hin­wen­dung zum Mit­tel­al­ter, Eso­te­rik usw. durch­aus ver­ein­ba­ren lässt und auch der Fa­schis­mus fe­mi­nis­ti­sche Strömun­gen für sich nut­zen und or­ga­ni­sie­ren kann.
Irrtum Nr. 2:

,,Da die Spra­che das Den­ken und die Wahr­neh­mung ei­ner Sprach­ge­mein­schaft be­ein­flusst, kann nach An­sicht der Fe­mi­nis­tin­nen der Be­nach­tei­li­gung der Frau nur durch ein ge­schlech­ter­ge­rech­tes Deutsch ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den."

Die­se Be­haup­tung ist ein­fach eine Um­keh­rung der Tat­sa­chen.

,,Die Spra­che ist ein Mit­tel, ein Werk­zeug, mit des­sen Hil­fe die Men­schen mit­ein­an­der ver­keh­ren, ihre Ge­dan­ken aus­tau­schen und eine ge­gen­sei­ti­ge Verständi­gung an­stre­ben. Mit dem Den­ken un­mit­tel­bar ver­bun­den, re­gis­triert und fi­xiert die Spra­che in Wörtern und in der Ver­bin­dung von Wörtern zu Sätzen die Er­geb­nis­se der Denktätig­keit, die Er­fol­ge der Er­kennt­nistätig­keit des Men­schen und ermöglicht so­mit den Ge­dan­ken­aus­tausch in der mensch­li­chen Ge­sell­schaft."[8] Die Spra­che ist also dazu da, Ge­dan­ken aus­zu­tau­schen. Ent­spre­chend der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik soll ich aber mit dem Ge­dan­ken, den ich aus­tau­schen will, ei­nen wei­te­ren Ge­dan­ken trans­por­tie­ren, nämlich die Ge­schlech­ter­ge­rech­tig­keit. Kein Mensch kann aber zwei Ge­dan­ken gleich­zei­tig den­ken, das ist längst wis­sen­schaft­lich er­wie­sen. Stellt euch vor, Feu­er­wehr­leu­te wer­den zum Ein­satz ge­ru­fen und gleich­zei­tig mit Ein­satz­ort und Ret­tungs­auf­trag be­kom­men sie ge­sagt, dass sie auf kei­nen Fall die lei­den­den Kin­der auf der gan­zen Welt ver­ges­sen sol­len. Was ge­schieht: die vol­le Kon­zen­tra­ti­on ist nicht mehr ge­ge­ben, der Ret­tungs­ein­satz miss­lingt und die lei­den­den Kin­der sind auf die­se Wei­se auch nur durch den Ka­kao ge­zo­gen wor­den. Mei­ne Dar­stel­lung ist über­trie­ben? Ich glau­be nicht, so habe ich zum Bei­spiel in ei­nem fe­mi­nis­ti­schen In­ter­net­bei­trag den Rat­schlag ge­le­sen: Ich soll mir im­mer eine Al­ter­na­tiv­for­mu­lie­rung über­le­gen. Zum Bei­spiel falsch ist: Ei­nen Arzt ho­len, rich­tig ist: ärzt­li­che Hil­fe ho­len. Die­ses Bei­spiel zeigt die Pe­dan­te­rie und Le­bens­fremd­heit die­ser Sprach­kri­tik. Wenn also je­mand vor mei­nen Au­gen mit ei­nem Herz­in­farkt zu­sam­men­bricht, dann soll ich wohl erst mal ins Vo­ka­bel­heft nach der rich­ti­gen For­mu­lie­rung schau­en und auf kei­nen Fall ei­nen Arzt ho­len.

So wird die Spra­che ent­waff­net. Durch die Pe­dan­te­rie der Wort­endun­gen etc. wird es ko­los­sal er­schwert, die Mit­tel, die uns die Spra­che lie­fert, zu ver­wen­den. Wis­sen­schaft­lich­keit, Lei­den­schaft, Iro­nie, Witz, Trau­er, Hoff­nung, Lie­be und Hass – all die­se Möglich­kei­ten ma­chen die Spra­che zu ei­ner Präzi­si­ons­waf­fe. Ohne das al­les ist übri­gens auch eine gute kom­mu­nis­ti­sche Agi­ta­ti­on gar nicht möglich. Und all das wird durch eine pe­dan­ti­sche Sprach­kri­tik und ab­sur­de Wort­verände­run­gen, die sich nicht mal spre­chen las­sen, be­hin­dert oder zerstört.

Was leis­tet denn die­se Sprach­kri­tik? Wir kom­men doch aus der männer­do­mi­nier­ten Spra­che nicht her­aus, wenn wir übe­r­all eine En­dung her­anhängen. Vie­le von euch wer­den ja die Schöpfungs­ge­schich­te aus der Bi­bel ken­nen – übri­gens eine in­ter­es­san­te Re­fle­xi­on auf den sieg­rei­chen Kampf des Pa­tri­ar­chats ge­gen das Ma­tri­ar­chat. Der ers­te Mensch Adam wur­de aus Lehm her­ge­stellt und Eva wur­de aus Adams Rip­pe ge­macht. Nicht an­ders verhält es sich mit der Spra­che. Die Ar­bei­te­rin ist sprach­lich ge­se­hen lei­der auch nur aus der Rip­pe des Ar­bei­ters ge­schnitzt. Eine be­son­ders ab­sur­de Sprach­verände­rung ist die des Wört­chens ,,man", klein­ge­schrie­ben. Gram­ma­tisch nennt sich das In­de­fi­nit­pro­no­men. Es ist aus dem­sel­ben Wort­stamm wie das Wort Mann (Sub­stan­tiv), großge­schrie­ben mit zwei ,,n". Das ist aber auch al­les. Sol­len wir alle Wörter kri­ti­sie­ren, die die­sen Wort­stamm ha­ben? Sol­che Be­stre­bun­gen gibt es durch­aus in der fe­mi­nis­ti­schen Be­we­gung. In den acht­zi­ger Jah­ren bin ich zufällig auf die Ton­auf­nah­me ei­nes Kin­der­ge­dichts von Brecht ges­toßen (Der Fisch-Fasch). Da heißt es in ei­ner Stro­phe:

,,Und wenn die Men­schen ein Haus bau­ten

Und wenn die Men­schen Holz hau­ten

Und wenn die Men­schen Sup­pe koch­ten

Und wenn die Men­schen ei­nen di­cken Berg durch­loch­ten

Dann schau­te der Fisch­fasch ih­nen stumpf­sin­nig zu ..."

Eine wun­der­ba­re Dar­stel­lung der mensch­li­chen Ar­beit ... Die Grup­pe aber, die den Vor­trag die­ses Ge­dichts ge­stal­tet und auf­ge­nom­men hat­te, hat­te das Wort ,,Men­schen" durch ,,Leu­te" er­setzt. Das ist schlimm ge­nug. Die mensch­li­che Ar­beit, der Mensch im Ge­gen­satz zum Tier, die Mensch­wer­dung des Af­fen, die Mensch­heit, die Mensch­lich­keit – das al­les müsste der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik zum Op­fer fal­len – und wie man an die­sem Ge­dicht sieht, tut es das teil­wei­se auch.

Das Wört­chen ,,man" ist ge­nau­so schul­dig oder un­schul­dig wie das Wort ,,Mensch" mit all sei­nen Ab­lei­tun­gen. Die Form man/​frau ent­wer­tet das Wort man, eben­so die Form ,,mensch" (klein­ge­schrie­ben) statt ,,man", denn die­ses Wört­chen ,,man" stellt eine ge­woll­te Ver­all­ge­mei­ne­rung und Pau­scha­li­sie­rung dar, die man (!) oft in der Spra­che braucht und die sehr oft auch iro­nisch ver­wen­det wird.

Die Spra­che hinkt den Verhält­nis­sen im­mer hin­ter­her. Sie verändert sich zwar mit der Ent­wick­lung der Pro­duk­tiv­kräfte und der ge­sell­schaft­li­chen Verhält­nis­se, aber nicht grundsätz­lich und im­mer nur so weit, dass eine präzise Verständi­gung möglich ist. Wenn wir zum Bei­spiel sa­gen: ,,Wir se­hen uns mor­gen den Son­nen­auf­gang an", dann ist das eine präzise Ver­ein­ba­rung. Ei­gent­lich ist der Satz un­sin­nig, weil sich ja die Son­ne gar nicht um die Erde be­wegt. Den­noch können wir uns so verständi­gen, ohne da­mit ei­nem Ga­li­lei Fol­ter an­zu­dro­hen oder ei­nen Gior­da­no Bru­no auf den Schei­ter­hau­fen zu stel­len. Es wer­den aber auch ab­sicht­lich Kampf­be­grif­fe ge­gen uns ge­bil­det, so z.B. der ty­pisch deut­sche Jar­gon ,,Ar­beit­ge­ber" und ,,Ar­beit­neh­mer". Das ist nicht Alt­her­ge­brach­tes, son­dern Kampf ge­gen die Ar­bei­ter­klas­se und re­la­tiv neu. Da wäre eine mas­si­ve pro­le­ta­ri­sche Sprach­kri­tik sinn­voll.

Et­was An­de­res ist die Fra­ge, ob ein­zel­ne Wörter ta­bui­siert wer­den – wie z.B. die Wörter ,,Zi­geu­ner" oder ,,Ne­ger". Die­se Ta­bui­sie­rung ist zu re­spek­tie­ren, sie kenn­zeich­net al­ler­dings auch Nie­der­la­gen im Kampf ge­gen den Ras­sis­mus oder an­de­re re­ak­ti­onäre Be­dro­hun­gen. Die­se Ta­bui­sie­run­gen be­hin­dern auch die le­ben­di­ge Spra­che nicht – ich möchte fast sa­gen lei­der. Denn ich habe schon übels­te an­ti­zi­ga­nis­ti­sche Het­ze ge­gen Roma gehört, bei der ,,völlig kor­rekt" das Wort ,,Roma" ver­wen­det wur­de ... Sol­che Verände­run­gen gibt es in der Spra­che öfters. So ist z.B. das Wort ,,Weib" als nor­ma­le Be­zeich­nung für eine Frau in­zwi­schen verpönt, sie war früher ganz nor­mal.

Dass der Be­nach­tei­li­gung der Frau durch Verände­rung der Spra­che ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den könnte, hat sich nicht be­wahr­hei­tet. Umso schlim­mer, dass auch noch be­haup­tet wird, dass dies nur durch die Um­set­zung der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik ge­sche­hen könnte. Nach Aus­we­gen aus dem Elend der Ar­bei­ter­frau­en und al­ler Frau­en zu su­chen, hat sich da­mit er­le­digt. Nur die Spra­che wird ge­se­hen, die in Wirk­lich­keit nichts verändert, die Rea­lität spielt kei­ne Rol­le.
Irrtum Nr. 3:

Das Weib­li­che wird mys­ti­fi­ziert, es wird be­haup­tet, die Un­ter­drückung der Frau­en läge an ih­rer Un­sicht­bar­keit in der Spra­che, die Frau­en müss­ten in der Spra­che be­son­ders sicht­bar ge­macht wer­den.

Das Ziel der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik ist die Sicht­bar­ma­chung der Frau­en. Das Ziel des Pro­le­ta­ri­ats hin­sicht­lich der Frau­en­un­ter­drückung ist ein ganz an­de­res: die Gleich­heit, das Ver­schwin­den der Ge­schlech­ter aus dem ge­sell­schaft­li­chen Le­ben. Auf die Fra­ge: ,,Wel­chen Ein­fluß wird die kom­mu­nis­ti­sche Ge­sell­schafts­ord­nung auf die Fa­mi­lie ausüben?" ant­wor­te­te En­gels: ,,Sie wird das Verhält­nis der bei­den Ge­schlech­ter zu ei­nem rei­nen Pri­vat­verhält­nis ma­chen, wel­ches nur die be­tei­lig­ten Per­so­nen an­geht und wor­in sich die Ge­sell­schaft nicht zu mi­schen hat. Sie kann dies, da sie das Pri­vat­ei­gen­tum be­sei­tigt und die Kin­der ge­mein­schaft­lich er­zieht und da­durch die bei­den Grund­la­gen der bis­he­ri­gen Ehe, die Abhängig­keit des Wei­bes vom Mann und der Kin­der von den El­tern ver­mit­telst des Pri­vat­ei­gen­tums, ver­nich­tet."[9]

Zum heu­ti­gen Verhält­nis un­ter den Ge­schlech­tern schrieb En­gels: ,,In vie­len Fällen wird die Fa­mi­lie durch das Ar­bei­ten der Frau nicht ganz auf­gelöst, son­dern auf den Kopf ge­stellt. Die Frau ernährt die Fa­mi­lie, der Mann sitzt zu Hau­se, ver­wahrt die Kin­der, kehrt die Stu­ben und kocht. (...) Und doch ist die­ser Zu­stand, der den Mann ent­mannt und dem Wei­be sei­ne Weib­lich­keit nimmt, ohne im­stan­de zu sein, dem Man­ne wirk­li­che Weib­lich­keit und dem Wei­be wirk­li­che Männ­lich­keit zu ge­ben, die­ser, bei­de Ge­schlech­ter und in ih­nen die Mensch­heit aufs schänd­lichs­te entwürdi­gen­de Zu­stand die letz­te Fol­ge un­se­rer hoch­ge­lob­ten Zi­vi­li­sa­ti­on, das letz­te Re­sul­tat al­ler der An­stren­gun­gen, die Hun­der­te von Ge­ne­ra­tio­nen zur Ver­bes­se­rung ih­rer eig­nen Lage und der ih­rer Nach­kom­men ge­macht ha­ben! (...) wir müssen zu­ge­ben, dass eine so to­ta­le Um­keh­rung der Stel­lung der Ge­schlech­ter nur da­her kom­men kann, dass die Ge­schlech­ter von An­fang an falsch ge­gen­ein­an­der­ge­stellt wor­den sind."[10] In­zwi­schen sind die Pro­duk­tiv­kräfte so weit ent­wi­ckelt wor­den, dass es im­mer fragwürdi­ger wird, ob die herkömm­li­che Zeu­gung und Aus­tra­gung des Nach­wuch­ses für im­mer so blei­ben muss. So wie in den sech­zi­ger Jah­ren die Pil­le den Frau­en mehr Frei­hei­ten ge­genüber der Abhängig­keit vom Mann ge­ge­ben hat, schei­nen mir die Fort­schrit­te in der Re­pro­duk­ti­ons­me­di­zin noch wei­te­re Frei­hei­ten und Wi­dersprüche zum Tra­gen zu brin­gen. Ho­mo­se­xua­lität ist nicht mehr straf­bar, ho­mo­se­xu­el­le Männer und Frau­en kämp­fen re­la­tiv er­folg­reich ge­gen Dis­kri­mi­nie­rung (er­folg­reich je­den­falls, wenn man die Zustände in der BRD in den sech­zi­ger Jah­ren da­ge­gen hält). In­zwi­schen tra­gen auch Men­schen ihr Leid in die Öffent­lich­keit, die nicht von Staats we­gen als Frau­en oder Männer ab­ge­stem­pelt wer­den wol­len. Alle die­se Wi­dersprüche bestäti­gen, dass die ge­sell­schaft­li­chen Wi­dersprüche in die Rich­tung der of­fi­zi­el­len Ge­schlechts­lo­sig­keit, der Gleich­heit der Men­schen geht – die al­ler­dings erst durch die kom­mu­nis­ti­sche Ge­sell­schaft er­reich­bar ist.

Die Rea­lität sel­ber also ver­wei­gert sich dem Fe­mi­nis­mus – und da­mit auch der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik. Ge­ra­de die Ent­wick­lung des öffent­li­chen Her­vor­tre­tens der so­ge­nann­ten Trans- und In­ter­men­schen ist die schärfs­te Kri­tik am Fe­mi­nis­mus. Statt das zu­zu­ge­ste­hen, wird nun der sprach­li­che Un­sinn auf die Spit­ze ge­trie­ben – die Men­schen, die sich ih­rer ge­schlecht­li­che Ein­tei­lung wi­der­set­zen, be­kom­men ein Stern­chen – es ist un­fass­bar lächer­lich, und lächer­lich ge­macht wird im Grun­de auch das Leid, das hin­ter je­der staat­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen zwangs­wei­sen Ge­schlechts­zu­tei­lung steckt.

Zu den fe­mi­nis­ti­schen Vor­stel­lun­gen gehört natürlich auch un­ab­ding­bar dazu, dass die Bour­geois­da­men, die Kar­rie­re­frau­en, die höchs­te Po­li­tik von der Gleich­be­rech­ti­gung er­fasst wer­den. Bun­des­kanz­ler und Kriegs­mi­nis­ter sind in­zwi­schen weib­lich, aber von der an­geb­li­chen Fried­lich­keit und Ver­nunft der Frau­en in ho­hen Ämtern ist gar nichts zu mer­ken. Im Ge­gen­teil, Frau von der Ley­en hat so­fort mit Amts­an­tritt mit krie­ge­ri­schen Tönen los­ge­legt. Sehr schnell hat sich in ihr die Funk­ti­on ei­nes weib­li­chen Kriegs­mi­nis­ters of­fen­bart: Sie kämpft für die Fa­mi­li­en­freund­lich­keit der Bun­des­wehr. Und wie wäre die bes­ser zu er­rei­chen als mit der An­schaf­fung von leis­tungsfähi­gen Kampf­droh­nen, mit de­nen sau­ber und un­gefähr­det – viel­leicht so­gar vom hei­mi­schen Rech­ner aus –Men­schen, Häuser, Be­trie­be, Brücken, Straßen ver­nich­tet wer­den können.

Der bun­des­wei­te Auf­ruf des Bünd­nis­ses Frau­en*Kampf­tag zum 8. März 2014 in Ber­lin nimmt das nicht zur Kennt­nis, ob­wohl die Er­nen­nung der von der Ley­en zum Kriegs­mi­nis­ter be­reits Mo­na­te her war. Er nimmt auch nicht zur Kennt­nis, dass wir ei­nen langjähri­gen weib­li­chen Bun­des­kanz­ler ha­ben, der so ver­hasst in Eu­ro­pa ist wie kein an­de­rer vor­her. Er nimmt nicht zur Kennt­nis, dass Ali­ce Schwar­zer für die frau­en­ver­ach­ten­de Bild-Zei­tung ar­bei­tet, er nimmt nicht zur Kennt­nis, dass die Frau­en in den Chef­eta­gen auch nicht an­ders han­deln und nicht an­ders han­deln können als die Männer, nämlich als Cha­rak­ter­mas­ken des Ka­pi­tals. Aus dem Text geht her­vor, dass die Haus­skla­ve­rei nicht ab­ge­schafft, son­dern um­ver­teilt und neu be­wer­tet wer­den müsse (d.h. Haus­frau­en­lohn und Ver­ewi­gung der Haus­skla­ve­rei, die übri­gens auch nicht bes­ser wird, wenn sie Männern über­tra­gen wird). Und natürlich ist die­ser Auf­ruf von den un­sin­ni­gen Stern­chen durch­setzt. Er for­dert die So­li­da­rität al­ler Frau­en plus der mit den Stern­chen be­zeich­ne­ten Men­schen – d.h. egal wel­cher Klas­sen­la­ge und auch egal wel­cher po­li­ti­schen Rich­tung. In die­sem Zu­sam­men­hang ist es nicht un­wich­tig, sich zu er­in­nern, dass die fe­mi­nis­ti­sche Sprach­kri­tik sehr stark von Eli­sa­beth Schwarz­kopf und Rita Süss­muth, bei­de CDU, an­ges­toßen und gefördert wor­den war.

Ein Bünd­nis mit sol­chen An­schau­un­gen und For­de­run­gen ist von der pro­le­ta­ri­schen Sei­te her unmöglich. Das heißt aber nicht, dass es kein Bünd­nis ge­ben könnte, z.B. im an­ti­fa­schis­ti­schen Kampf mit Ver­tre­tern der fe­mi­nis­ti­schen Sprach­kri­tik. Das umso mehr, als sich in den letz­ten Mo­na­ten men­schen­feind­li­che, frau­en­feind­li­che, fa­schis­tisch in­iti­ier­te Zu­sam­men­rot­tun­gen (,,Le­bensschützer", ,,be­sorg­te El­tern", Pe­gi­da und Co., AfD...) so­wie die so of­fen­sicht­li­chen deut­schen Kriegs­vor­be­rei­tun­gen den Blick von so man­chen Fe­mi­nis­tin­nen doch ein we­nig mehr auf die de­mo­kra­tisch-an­ti­fa­schis­ti­schen Kampf­auf­ga­ben len­ken (zu­min­dest deu­tet sich das in dem Ber­li­ner Auf­ruf zum 8.März 2015 an und zeigt sich in sehr be­rech­tig­ten Ak­ti­vitäten von Fe­mi­nis­tin­nen ge­gen ,,Le­bensschützer" usw.). Bei an­ti­fa­schis­ti­schen, an­ti­mi­li­ta­ris­ti­schen Bünd­nis­sen oder Bünd­nis­sen der in­ter­na­tio­na­len So­li­da­rität muss man si­cher­lich Kom­pro­mis­se ein­ge­hen, aber man darf auch Phan­ta­sie und Klug­heit ein­set­zen, um zu ei­ner bes­se­ren Lösung zu kom­men. Wir soll­ten z.B. schon mal aus­pro­bie­ren, ob wir wirk­lich die grau­en­haf­te Wortschöpfung Ar­bei­te­rin­nen­klas­se (mit großem I oder Un­ter­strich, viel­leicht noch mit Stern­chen) er­dul­den müssen, oder man sich nicht ein­fach auf das schöne Wort ,,Pro­le­ta­ri­at" ei­ni­gen kann – was auch ei­ner not­wen­di­gen Sprach­kri­tik von un­se­rer Sei­te zu­gu­tekäme. Das Pro­le­ta­ri­at kommt ja zur­zeit nur als das Schimpf­wort ,,Proll" vor, und auch da­ge­gen müssen wir uns zur Wehr set­zen.

Die Gleich­heit von Mann und Frau, die Be­frei­ung der Frau, kann er­reicht wer­den, und es wur­de schon viel in die­ser Hin­sicht er­reicht – nicht durch die Spra­che, son­dern durch die Er­rich­tung ei­ner Ge­sell­schafts­ord­nung ohne Ka­pi­ta­lis­ten. Die Frau­en in der DDR sag­ten: Ich bin In­ge­nieur. Ich bin Ar­chi­tekt. Ich bin Kranführer. Ich bin Be­triebs­lei­ter. Ich bin Lokführer. Un­se­re Fe­mi­nis­tin­nen und Fe­mi­nis­ten schla­gen die Hände über dem Kopf zu­sam­men über solch eine ,,Männer­spra­che". Was sie nicht se­hen, ist dass die DDR und an­de­re so­zia­lis­ti­sche Länder sich tatsächlich und nicht nur in Wor­ten auf den Weg zur Frau­en­be­frei­ung ge­macht hat­ten.

Eri­ka Wehling-Pang­erl

Quelle

http://kaz-online.de/artikel/die-befreiung-der-frau-ist-nur-gegen-und-ohne-die-kapitalisten-erreichbar#seite1

Gegen System und Kapital!


www.jungewelt.de

MisterGrey

Auch die Länge dieses Text-Monstrums ändert nichts daran, dass es sich hierbei durchweg um völlig wirren Blödsinn handelt  :(

ManOfConstantSorrow

Zitat von: MisterGrey am 15:39:24 Mi. 03.Juni 2015
Auch die Länge dieses Text-Monstrums ändert nichts daran, dass es sich hierbei durchweg um völlig wirren Blödsinn handelt  :(

Ausgerechnet MisterGrey. :rolleyes:
Was ist denn so blödsinnig an dem Text?
Die veraltet wirkende Benutzung marxistischer Begriffe?

Ich finde diesen Text nun nicht toll, doch wird hier eine ähnliche Kritik an der heutigen Frauenbewegung formuliert, wie ich es seinerzeit in dem Thread "Feminsmus" versucht habe. http://www.chefduzen.de/index.php?topic=24458.0

Die Bewegung hat sich etabliert und institutionalisiert. Sie hat nicht nur ihren Biß verloren, sondern großteils auch ihren politischen Inhalt.
Es sind nun meist Frauen aus einem eher akademischen Hintergrund, die hauptsächlich um ihre Rolle und ihre Jobs und ihren Lebensunterhalt in dem institutionalisierten Feminismus kämpfen. Sie kämpfen für ihr individuelles Ding und längst nicht mehr für die Rechte der Hälfte der Menschheit. Diese Scheinkämpfe um den Sprachgebrauch halte ich für albern und nervig. Die Forderung für gleiche Löhne für Frauen wie für Männer, kam längst nicht mehr aus dieser Szene, sie kam von außen. Und das spricht Bände.

Ich kann den Grundgedanken des "Textmonstrums" jedenfalls voll unterschreiben, der Kampf um Frauenrechte kann nicht erfolgreich geführt werden, wenn man die ökonomischen- und Machtverhältnisse ignoriert.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Troll

Ja, der etablierte/integrierte Feminismus möchte mehr Karriere für Frauen, den Mann gilt es zu übertreffen, gerne auch in der Widerwärtigkeit, ein für mein Verständnis seltsamer Feminismus.   "Die Ökonomischen- und Machtverhältnisse", Konkurrenzdenken, Wettbewerb, der tagtägliche Kampf, Feminismus scheint gut integriert zu sein, wie so ziemlich alles.
Simon & Jan haben es mal schön in einem Lied formuliert (gegen Ende der Ballade).


http://youtu.be/JesWWmkzFRI

P.S. Ich habe mich nie intensiv mit Feminismus beschäftigt, aber das was aus Mündern von manchen Karrierefrauen (z.B. Schwarzer, Merkel, vdLeyen) quilt lässt mich erschauern, daß soll das Ziel von Feminismus sein?
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel

Zitat von: Troll am 20:06:03 Fr. 26.Juni 2015
... aber das was aus Mündern von manchen Karrierefrauen (z.B. Schwarzer, Merkel, vdLeyen) quilt lässt mich erschauern, daß soll das Ziel von Feminismus sein?

Ja, ansonsten gibt es diesen bildungsbürgerlichen Feminismus, der sich zu weiten Teilen um den Erhalt ihrer eigenen Sozialpädagogischen Jobs kümmert, aber herzlich wenig mit den wirtschaftlichen/sozialen Verhätnissen im Land am Hut hat. Dabei sind soziale Ausgrenzung und Verarmung brutale Formen herrschender Gewalt, von der Frauen besonders betroffen sind.

ZitatGleichstellung:
"Frauen arbeiten mehr und bekommen weniger"

Mehr Arbeit im Haushalt, schlechtere Rentenansprüche: Um die Gleichstellung ist es in Deutschland schlecht bestellt. Dies gilt vor allem in der Pflege von Angehörigen.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-06/lena-fiedler-8-26-am-gleichstellung-benachteilung-frauen-bericht-bundesregierung

Troll

ZitatJa, ansonsten gibt es diesen bildungsbürgerlichen Feminismus, der sich zu weiten Teilen um den Erhalt ihrer eigenen Sozialpädagogischen Jobs kümmert, aber herzlich wenig mit den wirtschaftlichen/sozialen Verhätnissen im Land am Hut hat. Dabei sind soziale Ausgrenzung und Verarmung brutale Formen herrschender Gewalt, von der Frauen besonders betroffen sind.

Ok, Frauen sind an/in der entsprechenden Position genauso schlecht wie Männer, tja, war wohl nix mit meinem naiven Wunschdenken das Frauen besser/sensibler in ihrem tun wären.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel

ZitatSpanischer Bürgerkrieg
Der Kampf der Frauen



Zu Beginn des Bürgerkriegs machten Hans Namuth und Georg Reisner ikonische Fotos bewaffneter Brigadistinnen.

Vor 80 Jahren endete der Bürgerkrieg in Spanien. Beim Versuch, Francos Faschisten aufzuhalten, waren Frauen vorn dabei - eine erfand den populärsten Schlachtruf des 20. Jahrhunderts.

Den populärsten Schlachtruf des 20. Jahrhunderts verdankt die Welt einer Frau. Als die Truppen des faschistischen Putsch-Generals Francisco Franco 1936 auf die spanische Hauptstadt Madrid zumarschierten, schleuderte ihnen die Kommunistin und spätere Parlamentspräsidentin Dolores Ibárruri ihr berühmtes "No pasarán" entgegen: "Sie werden nicht durchkommen!"
https://www.sueddeutsche.de/politik/spanien-franco-buergerkrieg-dolores-ibrruri-1.4385806

Kuddel

ZitatBurnout bei Müttern
Wenn der 16-Stunden-Tag normal ist

Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen ist für die meisten Mütter zwar inzwischen die Regel, für Abertausende aber auch eine so starke Belastung, dass ernsthafte Erschöpfungszustände die Folge sind. Denn im Familienalltag fallen auch moderne Paare oft in alte Rollenmuster zurück.
https://www.muensterschezeitung.de/Lokales/Staedte/Muenster/3771934-Burnout-bei-Muettern-Wenn-der-16-Stunden-Tag-normal-ist

Zitat Frauen arbeiten täglich 4,5 Stunden unbezahlt
Wäsche waschen, Kind bespaßen: Frauen in Deutschland arbeiten einer Studie zufolge rund einen halben Tag lang, ohne dafür bezahlt zu werden.
https://www.zeit.de/arbeit/2019-05/arbeitsteilung-frauen-unbezahlte-arbeit-gleichberechtigung-haushalt-kinderbetreuung


Troll

Irgend wie blöd das eigene Kind in den gleichen Topf zu werfen wie die Arbeit für einen Arbeitgeber.
Lösung: Genetisch gepimptes Klonkind, vielleicht bekommt man die (so wird es offensichtlich angestrebt) schon halb ausgebildet zu kaufen, gegen Aufpreis mit oder ohne Babyphase, stillen, windeln und so.

Wir verkommen/verrohen zusehends!
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

rebelflori

Zitat von: Troll am 10:19:24 Do. 16.Mai 2019
Irgend wie blöd das eigene Kind in den gleichen Topf zu werfen wie die Arbeit für einen Arbeitgeber.
Finde ich auch. Da kriegt die Arbeit eine Wertigkeit die sie nicht verdient.
Vielleicht könnte man die Arbeit ja mit einen 14 Tägigen, Pflichtbesuch bei Oma im Altenheim vergleichen. Obwohl das eigentlich auch noch zuviel wäre. Da Kontrolliert man ja ob das Altenheim ein betrügt.  ;D ;D

Kuddel

ZitatÜberlastet? Who cares

deutsch | 3 min | 2019 |

Am 7. März 2019 fand in Berlin vor dem Bundesgesundheitsministerium eine Aktion für bessere Bedingungen in der Sorgearbeit und Pflege statt.
zum Video: https://de.labournet.tv/ueberlastet-who-cares

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