Hartz-IV-Sanktionen vorm Verfassungsgericht

Begonnen von dagobert, 12:29:35 Do. 28.Mai 2015

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Tiefrot

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Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
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counselor

Zitat von: Rudolf Rocker am 11:01:39 Do. 22.November 2018
2003, auf dem Höhepunkt der Sozialproteste hatte sich ja die Gewerkschaftsbasis auch gegen die DGB- Führung gestellt.
Wenn ich mich richtig erinnere hatte der DGB auch nicht zu der Großdemo in Berlin aufgerufen, viele der Einzelgewerkschaften dagegen schon.
Ansonsten gibt es innerhalb der Gewerkschaften allerdings einen unerträglichen Burgfrieden.
In N war es so, dass sich die Gewerkschaften recht schnell aus den Protesten zurückgezogen haben. Ebenso das Sozialforum und die LINKE. So dass dann faktisch nur noch ein paar Aktivisten rund um die MLPD übrig waren. Wobei einzelne Mitglieder der LINKEN und der SPD (auch dort gibt es H4-Gegner) ab und an Reden hielten.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kunta

ZitatKarlsruhe prüft Hungerstrafen - Bundesverfassungsgericht wird im Januar 2019 erstmals über Hartz-IV-Sanktionen verhandeln. Anwälte der Regierung übergehen vorherige Urteile - Artikel von Susan Bonath:

Die Zahl der Hartz-IV-Bezieher ist leicht gesunken, die Sanktionswut der Jobcenter aber ungebrochen. Zwischen September 2017 und August 2018 war mehr als jeder zehnte erwerbsfähige Leistungsbezieher (rund 413.000) von einer Kürzungsstrafe betroffen. Das geht aus am Montag veröffentlichten neuen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Allein in diesem August hatten die Jobcenter mehr als 7.200 Mittellosen die gesamten Bezüge einschließlich Mietzuschuss für drei Monate gestrichen – Existenzminimum hin oder her. Knapp die Hälfte der Sanktionierten war jünger als 25 Jahre. Als Verstoß gegen die Grundrechte auf Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit und die freie Berufswahl bezeichnet das Sozialgericht Gotha in Thüringen diese Praxis. Über dessen Richtervorlage aus dem Jahr 2016 wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach mündlicher Verhandlung am 15. Januar entscheiden. Damit beschäftigt sich Karlsruhe erstmals seit der Einführung von Hartz IV vor 14 Jahren mit den umstrittenen Sanktionen.

Es sei menschenunwürdig, jemandem lebensnotwendige Mittel zu entziehen, hatten die Gothaer Richter argumentiert. Dies treibe Menschen in blanke Not, häufig verbunden mit Hunger, Obdachlosigkeit und gesundheitlichen Schäden. Betroffene verlören ihr Dach über dem Kopf, verschuldeten sich, würden in Schwarzarbeit oder Kriminalität gezwungen, heißt es. Wörtlich schreiben die Richter: »Die Folgen, die Sanktionen mit sich bringen, sind massiv und betreffen existentielle Bereiche menschlichen Überlebens wie die Versorgung mit Lebensmitteln, die ärztliche Versorgung oder die Existenz von Wohnraum.« Selbst schwere Straftaten dürften nicht mit derartigen Mitteln geahndet werden. Um solche gehe es dabei nicht einmal, sondern um unerwünschte Verhaltensweisen, wie etwa die Ablehnung eines Arbeitsangebots oder zu geringe Bewerbungsbemühungen. Die angedrohten Kürzungen von 30 bis 100 Prozent wirkten zudem wie ein mittelbarer Arbeitszwang. Den verbiete das Grundgesetz.

Im Auftrag der Bundesregierung rechtfertigte die Anwaltskanzlei »Redeker Sellner Dahs« die Repressionen in einer 90seitigen Stellungnahme vom März 2017 wie gewohnt: Erstens besage das Grundgesetz nicht, dass Sozialleistungen ohne Gegenleistung gewährt werden müssten. Zweitens könnten Jobcenter Lebensmittelgutscheine ausstellen. Laut zweier Hartz-IV-Urteile des BVerfG aus den Jahren 2010 und 2014 gehören neben Nahrung auch Wohnen, Energie, Kleidung und ein Mindestmaß an Mobilität und gesellschaftlicher Teilhabe zum Existenzminimum – das verschwiegen die Anwälte. Mit juristischer Spitzfindigkeit pochten sie auf einen Satz der Verfassungsrichter: Der Gesetzgeber müsse die Vorgaben inhaltlich ausgestalten und konkretisieren.
jW in Gefahr

Zu den Gutscheinen führten auch die Thüringer Sozialrichter einiges aus. Zum Beispiel, dass diese eine Kann- und keine Pflichtleistung seien und sich die Regierung deshalb nicht darauf berufen könne. Der Sanktionierte muss sie also beantragen, oftmals beim selben Sachbearbeiter, der ihm die Leistungen gekürzt oder gestrichen hat. Ob der den Antrag bewilligt, liegt allein in seinem Ermessen, sofern keine Kleinkinder im Haushalt sind. Darüber hinaus könnten davon, so das Sozialgericht, weder Miete und Strom noch offene Rechnungen oder Fahrtkosten finanziert werden. Der Maximalwert der Gutscheine bei einer Vollsanktion beträgt gerade einmal die Hälfte des Regelsatzes. Für unter 25jährige wären das aktuell 166 Euro pro Monat, für Alleinstehende 208 Euro. Erworben werden können nur Lebensmittel ohne Alkohol und Tabak, auf besonderen Antrag hin auch Hygieneartikel. Diese Summe unterliege – anders als vom Bundesverfassungsgericht verlangt – nicht einer Berechnung hinsichtlich des existentiellen Grundbedarfs, wie sie zur Ermittlungen von Leistungen nach ALG II vorgeschrieben ist. Dies mahnt das Sozialgericht an.

Die ehemalige Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann (Die Linke) wies am Montag im Gespräch mit junge Welt noch auf etwas anderes hin: »Die Gutscheine werden überhaupt nur als Darlehen gewährt«, erklärte sie. Betroffene müssen daher den Geldwert nach Ende der Sanktion in Raten von zehn Prozent vom Regelsatz abstottern. »Wenn Schulden hinzukommen wegen unbezahlter Rechnungen, Mietrückständen, Krankenkasse und so weiter, dann rutschen die Leute in eine Spirale, aus der sie oft nicht mehr herauskommen«, so Hannemann. Sie sei gespannt auf die Entscheidung, erwarte aber kein großes Zurückrudern nach 14 Jahren Hartz IV. »Möglicherweise werden sie die härteren Strafen für 15- bis 24jährige denen der Älteren anpassen, vielleicht auch fordern, den Jobcentern noch mehr Ermessensspielraum zu gewähren.« Letzteres würde ihrer Meinung nach »nur zu mehr Willkür führen«. Hannemann ist überzeugt, dass es letztlich um eine politische Entscheidung geht. Die Sanktionspraxis werde leider von breiten Bevölkerungsschichten mitgetragen.

Quelle und kompletter Text:

https://www.jungewelt.de/artikel/345277.hartz-iv-sanktionen-karlsruhe-pr%C3%BCft-hungerstrafen.html

Gruß
Kunta

dagobert

ZitatMündliche Verhandlung in Sachen ,,Sanktionen im SGB II" am Dienstag, 15. Januar 2019, um 10.00 Uhr

Pressemitteilung Nr. 85/2018 vom 10. Dezember 2018

Aktenzeichen: 1 BvL 7/16


Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Dienstag, 15. Januar 2019, um 10.00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe

über eine Vorlage des Sozialgerichts Gotha. Gegenstand sind die ,,Sanktionen", die der Gesetzgeber im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geregelt hat. In den §§ 31, 31a, 31b SGB II sind Mitwirkungspflichten von Leistungsberechtigten normiert, bei deren Verletzung das Arbeitslosengeld II in gestufter Höhe über einen starren Zeitraum von jeweils drei Monaten gemindert wird. Das Sozialgericht Gotha hält diese Vorschriften für verfassungswidrig. Durch die Kürzungen des Arbeitslosengelds II werde in das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eingegriffen. Der Gesetzgeber habe das Existenzminimum mit der Entscheidung über die Höhe des Regelbedarfs fixiert; dies dürfe nicht unterschritten werden. Im Fall einer Leistungskürzung werde der Bedarf nicht gedeckt, obwohl er sich tatsächlich nicht geändert habe. Damit verletze der Gesetzgeber das Gebot, eine menschenwürdige Existenz jederzeit realistisch zu sichern.

Die Regelungen verstießen ferner gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, denn eine sanktionierte Arbeitspflicht beeinträchtige die Berufswahlfreiheit und sei mittelbarer Arbeitszwang. Auch stelle sich die Frage, ob der Gesetzgeber gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoße, wenn mit den Sanktionen die Gesundheit der Leistungsberechtigten gefährdet werde.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-085.html


Ein interessanter Hinweis von Ralph Boes:
ZitatBVerfG ändert die Fragestellung

Mit der Ernennung Harbarths zum Vorsitzenden des ersten Senates des BVerfG wurde in der Jahresvorschau des BVerfG die Fragestellung unseres Prozesses verändert.
----------
Während bis dahin dort stand:
Vorlage zu der Frage, ob die Sanktionsregelungen in § 31a in Verbindung mit §§ 31 und 31b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung vom 13. Mai 2011 (BGBI I S. 850, 2094), gültig ab 1. April 2011, mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und mit Art. 12 GG vereinbar sind.

S. Eintrag im Web.arcive.org vom 09.09.2018
https://goo.gl/NVhgAE
----------
steht dort jetzt:
Vorlage zu der Frage, ob die Sanktionsregelungen in § 31a in Verbindung mit §§ 31 und 31b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung vom 13. Mai 2011 (BGBI I S. 850, 2094), gültig ab 1. April 2011, mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind.
 
S. Änderung vom 25.11.2018:
https://goo.gl/Bzuwzp
----------
D.h., der Hinweis auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und auf Art. 12 GG ist entfallen.
Ich habe jetzt beim BVerfG entsprechend nachgefragt
https://die-wuerde-des-menschen.blogspot.com/2018/12/bverfg-andert-die-fragestellung.html


http://grundrechte-brandbrief.de/Meldungen/2018-12-06-RB-to-BVerfG-Anfrage-wg-Aenderung-der-Fragestellung.pdf
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

ZitatOnlineumfrage zur Anhörung beim BVerfG wegen Sanktionen im SGB II

Am 15. Januar 2019 findet vor dem Bundesverfassungsgericht eine Anhörung statt. Es geht um die Frage, ob Sanktionen nach dem SGB II mit der Verfassung vereinbar sind. Tacheles e.V. ist als sogenannter sachverständiger Dritter geladen. Für das Bundesverfassungsgericht wird die Frage, welche Wirkungen Sanktionen nach dem SGB II erzielen, voraussichtlich eine große Rolle spielen. Das ist keine rechtliche Frage, sondern eine Frage nach Erfahrungen.

Wir haben uns daher entschlossen, diese Umfrage durchzuführen, um möglichst viele Erfahrungen aus der Praxis zusammenzutragen.

Zielgruppen der Umfrage sollen sein:

    Berater und Beraterinnen, Anwält*innen, Betreuer*innen, Verbandsvertreter*innen, Sozialarbeiter*innen die Betroffene in allen möglichen Lebenslagen unterstützen, 
    Die Empfänger*innen von Leistungen nach dem SGB II und SGB III, ungesichert Beschäftigte und ehemaliger Empfänger*innen von Leistungen nach dem SGB II
    Mitarbeiter*innen eines Jobcenters, eines kommunalen Trägers oder eines anderen Sozialleistungsträgers


Die Ergebnisse der Umfrage wollen wir in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 15.1.2019 einbringen.

Die Umfrage ist anonym, sie dauert ungefähr 5 Minuten.

Die Umfrage ist ab sofort (31.12.) bis zum 10. Januar 2019 freigeschaltet.

Ich möchte daher alle Newsletterleser und –leserinnen bitten, an der Umfrage rege teilzunehmen, die Umfrage in euren Netzwerken bekannt zu machen und zur Teilnahme aufzufordern.

Auf diese Weise könnt ihr konkret eure Meinung zur Sinnhaftigkeit und Wirkung von Sanktionen dem Bundesverfassungsgericht mitteilen.


Hier nun der Link zu der Onlineumfrage: https://www.umfrageonline.com/s/Sanktionsumfrage


Die Ergebnisse der Umfrage können ein kleinwenig die Diskussion um Sanktionen in Karlsruhe und für zukünftige Änderungen beim Gesetzgeber beeinflussen.

Die Diskussion über die Reform der Hartz IV-Gesetze kommt in Fahrt, Hubertus Heil kündigt für 2019
,,Hartz-IV-Reformen an  – ,,Überzogene Sanktionen müssen weg", Welt 31.12.19: https://www.welt.de/politik/deutschland/article186338426/Hubertus-Heil-Hartz-IV-Reform-soll-2019-kommen.html

   

Mit der Bitte um rege Verbreitung und Beteiligung

und herzlichen Neujahrsgrüßen!

Mit besten und kollegialen Grüßen



Harald Thomé
Quelle: heutiger Newsletter von H. Thome
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Tiefrot

ZitatDie Diskussion über die Reform der Hartz IV-Gesetze kommt in Fahrt, Hubertus Heil kündigt für 2019
,,Hartz-IV-Reformen an  – ,,Überzogene Sanktionen müssen weg"

Meiner Erfahrung folgend, wird es also eher schlimmer. Oder ?
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

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BGS

Garantiert, leider.

Überzogene Diäten müssen weg.

Unbefristete Regresse für alle verantwortlichen "Entscheidungsträger", die Folgen ihrer Handlungen betreffend müssen endlich her, rückwirkend für 30 Jahre!

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Onkel Tom

Habe die Befragung mit gemacht und bin der Meinung, das sowas, wie es
beim BverG-Verfahren von T.Kalley und den Reaktionen dazu von der
Flintenuschi nicht noch mal passieren darf.

Bei Verschlimmbesserungen ist es meines Erachten überfällig, das ALG-II-
Bezieher Protestmäßig auf der Straße sichtbar werden !
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

ZitatHinweis: Die Umfrage ist nun geschlossen

Am 15. Januar 2019 findet vor dem Bundesverfassungsgericht eine Anhörung statt. Es geht um die Frage, ob Sanktionen nach dem SGB II mit der Verfassung vereinbar sind. Tacheles e.V. ist als sogenannter sachverständiger Dritter geladen. Für das Bundesverfassungsgericht wird die Frage, welche Wirkungen Sanktionen nach dem SGB II erzielen, voraussichtlich eine große Rolle spielen. Das ist keine rechtliche Frage, sondern eine Frage nach Erfahrungen.

Wir, das heißt der Verein Tacheles, hat zu den Fragen des Bundesverfassungsgerichts eine Onlineumfrage gestartet. Wir hatten mit 3 - 4.000 TeilnehmerInnen gerechnet.

Die Resonanz war umwerfend, eine Resonanz mit der wir selbst in unseren kühnsten Träumen nicht gerechnet haben.

Es habe insgesamt  21.266 TeilnehmerInnen an der Umfrage teilgenommen.

Dazu möchten wir uns bei euch herzlichst bedanken, mit diesem Ergebnissen werden wir vor dem Bundesverfassungsgericht echt etwas zu berichten haben.

Durch die Menge der TeilnehmerInnen bei der Umfrage werden Eure Antworten auch Gewicht bekommen.

Euer Tacheles - Team
https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2454/
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

Ergebnisse der Onlineumfrage von Tacheles:
https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2461/
Zeit einplanen. Teil zwei umfasst über tausend Seiten, das dauert länger als 5 Minuten.  ;D

Zitat»Sanktionen als verfassungswidrig geißeln«

Ex-BGH-Richter Wolfgang Neškovic zur Notwendigkeit der Abschaffung der Hartz-IV-Strafen
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1109630.wolfgang-neskovic-sanktionen-als-verfassungswidrig-geisseln.html

ZitatVerhandlungsgliederung in Sachen ,,Sanktionen im SGB II"
Pressemitteilung Nr. 4/2019 vom 10. Januar 2019
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-004.html

Zitat[...]
Heute hat der Erste Senat in Karlsruhe diese Vorlage mündlich verhandelt. Ich bin hingefahren. Mein Eindruck: da kommt was Größeres.

Selber schuld

Ulrich Karpenstein von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs versuchte im Namen der Bundesregierung das Paradox vom minimierten Minimum wie folgt aufzulösen: An der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums wirke nicht nur der Staat, sondern auch der Mensch selbst mit. Das Maß seiner Mitwirkung gehöre bereits zum Tatbestand des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Daher sei es Teil der Ausgestaltung dieses Grundrechts, die dem Gesetzgeber aufgetragen ist, wenn er an diese Mitwirkung Anforderungen stellt. Wenn das SGB II somit Pflichten vorsieht und sanktioniert, Jobs und "Maßnahmen" nicht auszuschlagen, dann sei dies Ausgestaltung des Grundrechts – und nicht etwa ein Eingriff in das Grundrecht.

Die Sanktionen sind in dieser Lesart somit nicht so sehr etwas, das der Staat dem Leistungsempfänger zufügt, sondern sozusagen dieser sich selbst: An der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mitzuwirken, sei eine "Selbsthilfeobliegenheit", so Karpenstein. Wenn der ALG-II-Empfänger das Seine nicht beiträgt, dann schrumpft halt entsprechend sein Anspruch – nicht unähnlich zu der zivilrechtlichen Konstellation, dass jemand den Schaden mitverursacht hat, für den er Ersatz fordert (§ 254 BGB). Der "Vorrang der Selbsthilfe" folge aus nichts Geringerem als der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG höchstselbst als Frage der "Achtung und Selbstachtung der Persönlichkeit".

Da staunte ein Teil der Richterbank. Ob er damit nicht die Menschenwürde unter Abwägungsvorbehalt stelle, fragte Berichterstatterin Susanne Baer. Hinter der Menschenwürde stehe keine "Leistungsidee". Sie komme jedem Menschen qua Menschsein zu, egal was er oder sie leiste. Ihre Kollegin Gabriele Britz fragte hörbar irritiert, ob es nicht ehrlicher wäre, gleich zu sagen, worum es geht, nämlich die Gemeinschaft zu entlasten, anstatt Art. 1 "aus dem Hut zu ziehen" und die Menschenwürde ihrem Träger als Einschränkung entgegenzuhalten, als sei es "eine Wohltat für den Bedürftigen, ihn am Ende zu sanktionieren".
https://verfassungsblog.de/das-minus-zum-minimum-harz-iv-sanktionen-vor-dem-bundesverfassungsgericht/

Auch das noch:
ZitatKritiker werfen Verfassungsrichter Harbarth Befangenheit vor

Verfassungsrichter Stephan Harbarth leitet ab diesem Vormittag einen umstrittenen Prozess zur Bestrafung von unkooperativen Hartz-IV-Empfängern. Kritiker bezeichnen den früheren CDU-Abgeordneten als befangen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-kritiker-werfen-verfassungsrichter-harbarth-befangenheit-vor-a-1248077.html
Siehe dazu auch:

http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/11/harbarth.pdf
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Thomas Mann, 1936

counselor

ZitatHartz IV Sanktionen abschaffen

Berlin (kobinet) "Die Sanktionen bei Hartz IV müssen abgeschafft werden. Sie sind verfassungswidrig". Das erklärte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, anlässlich der gestrigen Anhörung beim Bundesverfassungsgericht, bei der der Verband als Sachverständiger geladen war. Aus Sicht des VdK verstoßen die aktuellen gesetzlichen Sanktionsvorschriften gegen die Menschenwürde und somit gegen das Grundgesetz.

Quelle: https://kobinet-nachrichten.org/de/1/nachrichten/39393
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Tiefrot

Die Angelegenheit verspricht spannend zu werden.
Gestern plärrten die Sanktionsbefürworter im RBB Inforadio den ganzen Tag darüber,
das es ja nicht ohne Gegenleistung (in diesem Fall wohl Fügsamkeit) ginge,
einige kamen auch über 1000 Ecken mit spätrömischer Dekadenz...

Und das von Leuten, die nie an einer Drehbank standen, oder sonstwie
ihr Buntpapier mittels Arbeit erwerben mußten.

Da stimmt doch was nicht !  :o
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Tabaluga

Hartz IV Sanktionen abschaffen - und ich will das die Post und Bahn wieder ein Monopol haben damit wieder die Staatsbahn gutes Personal einstellen kann - wir guten service haben und vor allem sehr gute Löhne und Gehälter gezahlt werden, dann suchen sich die Bürger arbeit selbst und brauchen keinen Betreuer !!!!

ach ja alg2 sollte auf 500 euro erhöht werden !

dagobert

ZitatHartz&Heil&Harbarth Eine Gratwanderung

[...]
Was war das Ziel der Hartz-Gesetze? Die Schaffung eines Niedriglohnsektors.

Das ist gelungen. Jüngere Statistiken besagen, dass die Realeinkommen der unteren 40% der Einkommensbezieher seit zwanzig Jahren sinken. Die anhaltenden Exporterfolge zeugen von hoher Wettbewerbsfähigkeit. Dass eine ausgeglichene Handels- und Leisungsbilanz dem vorzuziehen wäre, ist beim Rennen um Marktanteile vergessen worden. Es rächt sich jetzt.

Es rächt sich jetzt, weil mit dem gewollten Rückgang der Massenkaufkraft, mit einer großen Zahl von Transferleistungsbeziehern und sich schnell leerenden Rentenkassen, das eigentliche Herz einer Volkswirtschaft, nämlich der Binnenmarkt, ausblutet.
http://antides.de/hartzheilharbarth-eine-gratwanderung
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Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Habe mir so einige Freifeld-Beiträge von Umfrageteilnehmern durch gelesen.
Teils echt harter Tobak, was die Zerstörung von Existenzen und/oder Erwerbsfähigkeit angeht..
Nichts für schwache Nerven und der Tenor in dieser Sammlung geht ja klipp und klar in die
Erfahrungsrichtung, das dieses H4-Sanktionsregiem die ALG-2-Bezieher_innen darin
"fördert" unsinnige Dinge wie Sinnlosmasnahmen mit zu machen bis hin Erwerbslose in
den Selbstmord/Frühtod zu treiben.

Das die Schöpfer von H4 hinter vorgehaltener Hand sich einig darin war/wurde einen Teil der
geburtenstarken Jahrgänge zu "reduzieren", muss ich einfach vermuten, zumal angebliche
Verbesserungen bezüglich "Wer arbeitet, soll mehr vom sozialem haben" grundsätzlich an
denen vorbei geht, die ab 1961 geboren sind.

H4 hat ihre Erwerbslosen subtil zu Straftätern gemacht, die wegen Jobverlust zu bestrafen
gelten.. Anbei ganz übel, wenn ALG-Bezieher an Sachbearbeitern geraten, die auf Macht,
Controlling oder sonstig sardistischen Mist aus sind. Meine letzte SB war auch so ein
Miststück und hat massiv dazu beigetragen, mich entgültig erwerbsunfähig zu machen..
Alleinige Schuld kann ich nicht festmachen, jedoch wenn Stresshormone das Hirn regiert,
ist es normal, das die Psyche langsam aber sicher kaputt geht. Nach 10 H4 Jahren war es
so weit.  >:(
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 16:25:11 Do. 17.Januar 2019Habe mir so einige Freifeld-Beiträge von Umfrageteilnehmern durch gelesen.
Ich hoffe, die Verfassungsrichter nehmen sich auch die Zeit, um das alles zu lesen.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Tiefrot

Daran glaube ich nicht.

Woanders schrob ich ja, das die Richter und sonstige Beteiligte bei Gericht auch ein Parteibuch auf Tasche haben.
Es würde mich nach wie vor nicht wundern, wenn denen die Parteiräson vor geht.

Im Moment erwarte ich nicht viel.  ::)
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
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counselor

Ich erwarte mir da auch nicht viel vom BVerfG.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Troll

Ein Feigenblättchen wird schon rüberkommen.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti


Wernichtsweissmussallesgl

Ganz am Anfang von Hartz4 kostete eine Arbeitsloser dort 650 Euro im Schnitt. Mit dem ganzen Aparat drumrum 1650 Euro je Arbeitslosen und Monat.
Da würde sich jeder Unternehmer ins Schwert stürzen bei so einem Missverhältnis und Unsinn den die Behörde verursacht. Heute morgen war ich noch in diesem Amt wo man zuerst von der Security empfangen wird. Unglaublich was da abläuft.

dagobert

ZitatDebatte um Hartz-IV-Sanktionen

Eure Armut interessiert uns nicht

Die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der Niedergang der SPD haben die Debatte über Sanktionen gegen "Hartz-IV-Empfänger" neu entfacht. Wortreich beschweigen die Sanktionsbefürworter, worum es ihnen geht - den Fortbestand des deutschen Niedriglohnmodells - und worum es gehen sollte: Darf der Staat das Existenzminimum kürzen?

Eine erstaunliche Aussage eines Sozialdemokraten war dieser Tage in der taz zu lesen:

"Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Versagen, sondern ein gesellschaftliches und oft strukturelles Problem, das nicht nur mit "Fördern und Fordern" beantwortet werden kann. [...] In Münster gibt es vier Prozent Arbeitslose, in Gelsenkirchen über elf. Das liegt nicht daran, dass die Leute in Gelsenkirchen nicht arbeiten wollen."

Was der Landesvorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, da sagte, war früher Allgemeingut. Die Älteren werden sich erinnern. Nun wird auch heutzutage niemand behaupten, in Gelsenkirchen gebe es mehr arbeitsscheue Menschen als in Münster. Die Vorstellung, Arbeitslosigkeit sei grundsätzlich individuell verschuldet, ist jedoch seit der Einführung von Hartz IV vor 14 Jahren die Basis der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Vielen hat die begleitende Propaganda mittlerweile derart die Synapsen verklebt, dass sie die alternativen Fakten mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand verwechseln.
[...]
Sippenhaft für die Familien von ALG-II-Beziehern als Beitrag zum Kampf gegen Kinderarmut

Die Gretchenfrage, ob es rechtlich und moralisch zu rechtfertigen ist, ALG-II-Empfängern das Existenzminimum vorzuenthalten und ihre Familienmitglieder in Sippenhaftung zu nehmen, wird in den Medienbeiträgen zu diesem Thema meist erst gar nicht gestellt. Von dem zweiten Einwand des Sozialgerichts Gotha, Sanktionen seien ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit, ganz zu schweigen. Eine echte Debatte findet nicht statt, weil die Sanktionsbefürworter ihre Position meist nur tautologisch begründen. So wie Elisabeth Niejahr, Chefreporterin der "Wirtschaftswoche", die bei Maischberger verkündete:

"Es gibt kein Recht auf dauerhafte Sozialleistungen ohne eigene Anstrengungen."

Als Drohung mochte Niejahr Sanktionen aber nicht bezeichnen, das sei ein zu "martialisches" Wort. Sanktionen, die auch Kinder betreffen, möchte sie als Beitrag zur Bekämpfung von Kinderarmut verstanden wissen. Da "vererbte Armut ein Riesenproblem" sei, müsse man sich "eigentlich umso mehr Mühe geben, dass das Geld bei denen ankommt, die es dringend brauchen. Da muss man zum Beispiel in Betreuung und Schulen und so weiter investieren und vielleicht nicht in diejenigen, die den Sozialstaat eher ausnutzen." Im Klartext: Die gut situierte Journalistin vom Prenzlauer Berg findet es nicht weiter tragisch, wenn die sanktionierte kleine Chantal in Hellersdorf hungrig zur Schule geht, Hauptsache es gibt dort ein paar neue Computer. Bekommt die Kleine doch sicher zu Hause eh keine ausgewogene Ernährung, da ihre Hartz-IV-Eltern die Stütze gewohnheitsmäßig für Alkohol und Zigaretten verplempern.
[...]
Die abgestandenen Phrasen, die Heil vor dem Bundesverfassungsgericht absonderte, kennt man alle schon aus unzähligen Medienberichten und Kommentaren, in denen die regierungsamtliche Propaganda meist völlig unreflektiert wiedergekäut wird. Das Scheinargument, nur drei Prozent der Hartz-IV-Empfänger würden sanktioniert, ist schon so oft wiederholt worden, dass mittlerweile wohl weite Teile der Bevölkerung glauben, die Jobcenter handelten stets umsichtig und sanktionierten nur die "harten Brocken" (Andrea Nahles), die partout nicht bereit seien, sich an die "Spielregeln" zu halten. Um diesen Eindruck zu erzeugen, muss man nur unterschlagen, dass die drei Prozent sich auf die innerhalb eines Monats neu ausgesprochenen Sanktionen beziehen. Auf das Jahr gerechnet wird jeder zehnte Hartz-IV-Empfänger mit Sanktionen belegt. Besser nicht erwähnen sollte man auch, dass rund 40 Prozent der Klagen von ALG-II-Beziehern erfolgreich sind und dass von knapp jeder dritten Sanktion auch Kinder betroffen sind.

Keine Erkenntnisse - kein Handlungsbedarf

Auch was die Darstellung der "Spielregeln" betrifft, denen Hartz-IV-Empfänger sich unterwerfen müssen, gleichen Medienberichte oft bis aufs Wort den Verlautbarungen der dafür verantwortlichen Politiker. Die rhetorische Frage "Ist das etwa zu viel verlangt?" schwingt dabei stets mit. So etwa im Tagesspiegel, wo Cordula Eubel schrieb, ein ALG-II-Bezieher verpflichte sich, "an der Überwindung seiner Hilfebedürftigkeit mitzuwirken. Bewerbungen schreiben, Vorstellungsgespräche führen, als ,zumutbar' eingestufte Arbeit annehmen, Termine mit dem Jobcenter einhalten - all das gehört dazu." Wer seine Informationen über Hartz IV ausschließlich aus Mainstreammedien bezieht, kann leicht übersehen, dass fast jeder Job als "zumutbar" gilt und dass erzwungene Bewerbungen auf, wahllos aus der Jobbörse der Arbeitsagentur herausgefischte, Stellenausschreibungen eher selten die "Hilfebedürftigkeit" zu überwinden helfen. Da zudem "Aktivierungsmaßnahmen" oft nur nützlich für die Arbeitslosenstatistik und die Kursanbieter sind, nicht aber für die Teilnehmer, wie der Tagesspiegel selbst vor gut einem Jahr herausfand, verwundert es nicht, dass wohl die meisten ALG-II-Empfänger einen Termin beim Jobcenter eher als Bedrohung denn als Chance auffassen.

Für Journalisten wie auch für Politiker wäre das alles nicht schwer herauszufinden. Nur wollen sie es wirklich wissen? Was mit den Menschen passiert, die auf null sanktioniert werden - 2017 waren es 34.000 - , weiß die Bundesregierung jedenfalls nicht, wie eine Anfrage der Linken-Chefin Katja Kipping ergab. Ebenso wenig ist der Regierung bekannt, wie viele davon Sachleistungen erhielten und wie viele ihren Krankenversicherungsschutz einbüßten. Klar, so lassen sich Berichte über Totalsanktionierte, die auf der Parkbank übernachten und sich von Müll und Blättern ernähren, auch leichter als bedauerliche Einzelfälle abtun.

Irgendwie erinnert das frappierend an das gewollte Nicht-Wissen der Bundesregierung über die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland. Weder führt sie eine solche Statistik noch beabsichtigt sie dies für die Zukunft und verweist stattdessen auf die Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion antwortete die Regierung im Oktober 2018, die Ursachen von Wohnungslosigkeit seien "sehr individuell". Handlungsbedarf sehe sie "aufgrund der aktuell unzureichenden und ungesicherten Erkenntnisse [...] nur bedingt".

Sanktionen für die "harten Brocken", warme Worte für die "schweren Fälle"

Ebenso wenig wie es nach Auffassung der Marktgläubigen einen Zusammenhang zwischen Wohnungslosigkeit und Wohnungsmangel gibt, wollen sie einen solchen zwischen Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzmangel erkennen. Die wohl größte propagandistische Leistung der Hartz-"Reformer" bestand darin, die abstruse Idee, Arbeitslosigkeit sei allein auf individuelles Versagen zurückzuführen, in den Stand einer unhinterfragten Glaubensweisheit zu erheben. In einer Zeit, als auf 256.000 offene Stellen 4,9 Millionen offiziell registrierte Arbeitslose kamen, war dies nicht möglich, ohne die Betroffenen massiv abzuwerten und zu dämonisieren. Heute stehen 760.000 offenen Stellen geschätzt 6,5 Millionen Arbeitslose und Unterbeschäftigte (inklusive der stillen Reserve) gegenüber - in der Realität.
[...]
Dass sie zugleich an Sanktionen grundsätzlich festhalten wollen, erklären sie meist mit dem "Lohnabstandsgebot". Wer für einen Hungerlohn schuftet, fühlt sich gleich viel besser, wenn der Arbeitslose nebenan noch schlechter dran ist. Und der ominöse "Steuerzahler" aus der Mittelschicht, dem eine sanktionsfreie Grundsicherung angeblich nicht zuzumuten ist, hat gleich viel weniger Abstiegsangst, wenn ihm medial immer wieder bestätigt wird, dass Arbeitslosigkeit rein individuelle Ursachen hat. Sanktionen sind also mitnichten förderlich oder gar notwendig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie ihre Befürworter nicht müde werden zu betonen. Ganz im Gegenteil dienen sie gerade dem Zweck, die Gesellschaft auseinanderzudividieren.
https://www.heise.de/tp/features/Debatte-um-Hartz-IV-Sanktionen-4308837.html?seite=all
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

dagobert

"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Nikita

Meine Prognose:
Das Bundesverfassungsgericht wird scharf mahnen, ein paar Brocken hinwerfen und grundsätzlich die gängige Praxis bestätigen oder nur bedeutungslos verändern. Vielleicht werden sie auch wieder mal der Bundesregierung mitteilen, wie sie ohne groß etwas zu verändern, alles "verfassungskonform" hinbiegen können.

counselor

Stimmt schon. Die Abschaffung aller Sanktionen wird nicht kommen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das Sanktionsregime für die U25 entschärft wird und dass bei Totalsanktionen eine Pflicht zur Übernahme der Miete und zu Einkaufsgutscheinen kommt (die ja bisher Ermessensleistungen sind).
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Die Übernahme der Miete findet ja nicht statt, um den U25 entgegenzukommen, sondern weil die Vermieter sich beschwert haben, daß sie ihre Mieter verlieren. Jetzt wird die Kohle den Spekulaten vom Staat weiterüberwiesen. Garaniert und sicher.

counselor

Kann schon sein, dass die Vermieterlobby sich beschwert hat. Ich dachte aber ehr daran, dass die Folgekosten von Obdachlosigkeit für den Staat bzw die Kommunen auch nicht ohne sind.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

götzb

Der Tacheles Chef war nach der Verhandlung wesentlich zuversichtlicher als vorher, das Sanktionen ganz oder weitgehend abgeschafft werden.
Vor Gericht und auf hoher See; oder "die Hoffnung stirbt zuletzt.".
Sabotage als legitimes Mittel gegen Zwangsarbeit und Niedriglohn.

tleary

Für wann wird dann das Urteil erwartet?

Ich weiß auch nicht, woher immer diese irrsinnig niedrige "Sanktionsquote" von 3,1 Prozent überhaupt kommt:

Zitat
Zuletzt haben die Jobcenter etwas weniger Sanktionen ausgesprochen als in den Jahren zuvor. Die Sanktionsquote – also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – liegt bei 3,1 Prozent. Im Jahr 2017 wurden 957.000 Sanktionen ausgesprochen, die Zahlen für 2018 sind noch nicht veröffentlicht.
Quellen:
https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/bundesverfassungsgericht-hartz-iv-sanktionen-strafen-verfassungswidrigkeit-faq
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1396/umfrage/leistungsempfaenger-von-arbeitslosengeld-ii-jahresdurchschnittswerte/

Also, wenn laut obigem Bericht im Jahr 2017 957.000 Sanktionen ausgesprochen wurden, und es ca. 4,36 Mio. Hartz-IV-Bezieher (Statista, 2017) gab, dann kommt ich auf eine Sanktionsquote von mindestens 21,8 %. Mit anderen Worten: Durchschnittlich jeder 5. Hartz-IV-Bezieher ist jedes Jahr von einer Sanktion betroffen. Gut, manche dann wohl auch gleich doppelt und dreifach. Denn wenn einer psychisch am Ende ist, wehrt er sich sowieso nicht mehr, und ist ein leichtes Opfer.

Der reaktionäre Bundesagentur für Arbeit-Chef meint ohnehin:
Zitat
,,Es braucht für eine sehr geringe Zahl von Menschen ein Instrumentarium, damit sich ein Vermittler durchsetzen kann und nicht zum Bittsteller gegenüber demjenigen wird, der eine staatliche Leistung bezieht", betont Scheele.

Zitat von: counselor am 17:14:14 Sa. 23.Februar 2019
Ich dachte aber ehr daran, dass die Folgekosten von Obdachlosigkeit für den Staat bzw die Kommunen auch nicht ohne sind.
Das befeuert und sichert doch nur das staatliche Bürokratie- und Betreuungsregime weiter. Schafft also (unnütze) Arbeitsplätze bei diesen Sozialtherapeuten-Fritzen. Und "alles was Arbeit schafft", ist ja laut der herrschenden bürgerlichen Ideologie das Beste, was es überhaupt gibt in diesem System!
Denn Arbeit ist ja der zentrale Dreh- und Angelpunkt in dieser Gesellschaft, stiftet Sinn, und macht ja jeden Menschen soooo ungeheuer glücklich (oder frei?).

Weil ich den obigen Bericht von der Verhandlung gerade durchlas, fiel mir folgende Aussage von Scheele auf, die doch eine glatte Lüge ist:
Zitat
Bundesverfassungsrichterin Prof. Dr. Baer möchte vom Vorstandsvorsitzenden der BA wissen, was eine abschlussbezogene Maßnahme ist?

Detlef Scheele erklärt, dass dies Umschulungen sind, welche einen Zeitrahmen von zwei Jahren umfassen.
Also, eine 30.000 € teuere 2-jährige Umschulung bekommt garantiert kein Hartz-IV-Bezieher heutzutage jemals genehmigt. Das gab's vielleicht noch vor Hartz-IV vor 20 oder 30 Jahren, aber jetzt bestimmt nicht mehr.
Ich unternahm ja auch einmal einen Anlauf in diese Richtung, was aber gleich mit "sie hatten doch vor 4 Jahren erst eine Fortbildung" (die gerade einmal 4 Monate + 2 Monate Praktikum dauerte) abgeschmettert wurde. - Außerdem war das damals eine Zwangsfortbildung, wo ich nur zwischen 2 oder 3 vorgegebenen Fachrichtungen auswählen konnte. Aber eben nicht in den beruflichen Bereich, in den ich mich entwickeln wollte.

»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

dagobert

"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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