Wenn VW ernsthaft dabei mithelfen will, seine Rolle in Brasilien aufzuklären, darf ein Name auf keinen Fall fehlen: Friedrich Wilhelm Schultz-Wenk.
Dieser glühende Nazi war 1948 nach Brasilien ausgewandert, hatte Kontakte geknüpft und dann den Nazi und ehemaligen Rüstungsmanger Heinrich Nordhoff davon überzeugt, in Brasilien ein Werk zu bauen. Nordhoff war begeistert, zumal nach seinen Worten im unterentwickelten Brasilien die Menschen direkt vom Baum ins Auto steigen.
Schultz-Wenk war von 1950 bis 1968 Chef von VW Brasilien. Aus dem Jahr 1966 stammt eine Stern-Reportage über Schultz-Wenk, die aufschlussreiche Einblicke in die Welt von VW in Brasilien liefert. Es gebe vielleicht 200 wichtige Leute, Minister, Governeure, Generäle, Banker und so weiter, die man kennen müsse, um etwas zu erreichen. Er kenne alle persönlich.
Auf die Frage, wie seine Beziehungen zu den Gewerkschaften sind, sagte er: "Ich bin meine eigene Gewerkschaft. Diese Beziehungen sind nicht wichtig, es gibt keine Streiks. Wer so etwas propagiert, wird gefeuert." Erst vor kurzem habe er die Produktion gesteigert, indem er einfach die Geschwindigkeit erhöhte. Aufseher übten Druck auf die Beschäftigten aus, die auf wundersame Weise parieren.
Quelle: STERN, 16 Oktober 1966
Dazu passt, dass ausgerechnet der KZ-Massenmörder Franz Stangl laut Abschlussbericht der brasilianischen Wahrheitskommission nicht nur als Mechaniker bei VW beschäftigt war, sondern auch den Werkschutz aufgebaut habe und für die Sicherheit zuständig gewesen sein soll.
Nachfolger von Schultz-Wenk in Brasilien wurde Rudolf Leiding, der auf das von seinem Vorgänger geschaffene Korruptionsnetz aufbauen konnte. Dafür wurde er 1971 sogar zum Ehrenbürger von Sao Paulo ernannt, ausgerechnet vom damaligen Bürgermeister Paulo Maluf, der bis heute als Inbegriff der Korruption in Brasilien gilt.
Leiding ging zurück nach Wolfsburg und war bis 1975 Vorstandsvorsitzender. In diese Zeit fallen die Umstellung der Produktion auf den Golf, vereinzelte Arbeitsniederlegungen und Massenentlassungen der italienischen Gastarbeiter, die Installation von Gittern im "Tunnel" (einem Eingang, der unter dem Mittellandkanal zum Werk führt), weil man Aufruhr befürchtete und schriftliche Einschüchterungen an die Belegschaft. Auf Betriebsversammlungen betonte er stets, dass nur die Tochtergesellschaften Gewinn einbringen. Damit dürfte er hauptsächlich Brasilien gemeint haben, wo er sich bestens auskannte und um die Methoden wusste, wie man Leute ausbeutet.
Es ist eigentlich ziemlich offensichtlich, dass VW in Brasilien nicht nur deswegen recht früh aktiv wurde, weil es sich zu lohnen schien, sondern gerade weil eine personelle und ideelle Kontinuitat zwischen den Altnazis in Wolfsburg und den Altnazis in Brasilien vorhanden war. Durch diese alten Seilschaften hat sich VW in Brasilien und anderswo einen Einfluss ergaunert wie kaum eine andere Firma.
Das alles mag zwar lange her und deswegen vielleicht nicht mehr so interessant sein, das Problem ist aber, dass VW seine Geschichtsschreibung in die eigenen Hände genommen hat und deshalb unangenehme Fragen nicht vollständig beantworten wird. Die Geschichtsschreibung gehört zur Konzernkommunikation und im Zweifelsfall kann VW auch genug Druck auf unabhängige Forschung ausüben. Ausserdem sterben diejenigen, die den Finger in die offene Wunde gelegt haben, allmählich aus.
Aus
Porsche & Piëch haben gesiegt:http://www.sopos.org/aufsaetze/488762df75794/1.phtml Ein unnatürliches Ende nahm auch das Leben des SS-Hauptsturmführers Hans Körbel, der als VW-Betriebsarzt verantwortlich gewesen war für die Ermordung von über 300 Kleinkindern osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen durch »vorsätzliche Vernachlässigung«. (...) Im Helmstedter Kriegsverbrecherprozeß wurde Körbel 1946 zum Tode verurteilt und 1947 in Hameln gehängt, woran auch der evangelische Ortspfarrer nichts ändern konnte, der ihm bescheinigt hatte, sich geradezu aufopferungsvoll um die Kinder bemüht zu haben. Später machte er aus dem Mörderarzt sogar einen »Regimegegner«.
Dieser evangelische Ortspfarrer war nicht irgendeiner, sondern er galt als eine Seele von Mensch, war eine weitere wichtige mythologische Figur für die junge Stadt und hatte großen Einfluss auf die allgemeine Meinungsbildung. Dass der Verfasser des Aufsatzes den Namen nicht nennt, mag auch damit zusammenhängen, dass er gewaltig ein auf den Deckel bekommen hatte, als er es anfang der 90er ansprach.
Dieser Ortspfarrer, der den Massenmörder Körbel reinwusch, hieß Pastor Erich Bammel und war in der Nazizeit Mitarbeiter am
Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben und wusste schon recht früh, welche Antworten es ansonsten so gab, wenn es um
jüdischen Einfluss ging.