ROTE FAHNE 25/18
Gewitterwolken über der AutoindustrieAbsatzrückgang, drohende Arbeitsplatzvernichtung und Abbau der Ausbildungsplätze ...
... bis dahin, Ausbildungswerkstätten zu schließen, ganze Werke, wie bei VW oder Opel, zur Disposition zu stellen, Diesel-Fahrverbote in immer mehr Städten zu verhängen ... VW-Chef Herbert Diess malt schon den Untergang der gesamten Autobranche an die Wand. Gleichzeitig werden die angeblichen Chancen für Werke und Umwelt durch die Einführung der E-Mobilität gepriesen. Welche Entwicklung ist in der Autoindustrie zu erwarten, und wie hängt das mit der weltweit turbulenten Lage zusammen?
Überfallartig kündigte der Chef der Nutzfahrzeug-Sparte von VW, Thomas Sedran, auf einer außerordentlichen Belegschaftsversammlung am 14. November in Hannover an, die Produktion eines Transporter-Modells ab 2024 in die Türkei zu verlagern. Die damit verbundene Vernichtung von 6000 Arbeitsplätzen und die kurzfristige Entlassung von 500 befristet Beschäftigten in Emden wird vernebelt durch eine „Standortvereinbarung“ über eine Beschäftigungsgarantie für Hannover und Emden bis 2028. Sedran: „Das erreichen wir durch die Umstellung auf Elektromobilität.“
Der Vorstand versuchte, dies auf der ordentlichen Belegschaftsversammlung am 27. November als „Abschied von alten Zöpfen“ und „Schritt in die Zukunft“ zu verkaufen. Ihm ist es aber nicht gelungen, die Kolleginnen und Kollegen für das Programm der Arbeitsplatzvernichtung und angeblichen Zukunftssicherung zu gewinnen. „Denen geht es doch immer nur um den Profit!“ – so denken viele. „Uns hat der Vorstand schon viele Modelle versprochen, aber meist nichts gehalten. Der Sedran ist immer mehr unten durch. Der hat doch schon Opel Bochum dichtgemacht. Aber von der Opel-Belegschaft können wir viel lernen.“ Kämpferische Kolleginnen und Kollegen griffen das Vorgehen des Vorstands und die Arbeitsplatzvernichtung an, die auch weitreichende Folgen für die Jugend hat. Die Zusage des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen wirkt allerdings auch dämpfend. Sie fördert ein Denken, erst mal den eigenen Standort zu sehen. Verunsichert sind viele Kolleginnen und Kollegen auch über die Ursachen der Arbeitsplatzvernichtung: „Übertriebener Umweltschutz“ – oder die Jagd nach immer höheren Profiten?
Was kommt auf die Automobilarbeiter zu?
Der Blick über VW hinaus zeigt, dass auch andere Belegschaften vor denselben Problemen stehen. In den USA kündigte General Motors die Vernichtung von 15 Prozent der Arbeitsplätze und die Schließung von fünf Werken an, Ford hat ähnliche Pläne, dem Opelwerk in Eisenach droht ein Tod auf Raten und so weiter. Das hat auch drastische Folgen für die Familien der Automobilarbeiter, die Zukunft der Jugend und ganze Regionen, die von der Autoindustrie geprägt sind.
Die Pläne für Hannover geben eine Vorstellung, was für Folgen die Einführung der E-Mobilität unter dem Diktat der Automonopole hat. Dazu schreibt der Vorwärtsgang, Zeitung von Kollegen für Kollegen bei VW: „Hochgerechnet auf alle Werke sind wir Ende des nächsten Jahrzehnts nur noch 70.000 statt 120.000 VWler in Niedersachsen – und da ist kein pleitegegangener Zulieferer, kein aufgegebenes Geschäft eingerechnet.“
Im Kampf um die künftige Weltmarktführerschaft haben die bisher den Weltmarkt bestimmenden Autokonzerne in den USA, Europa und Japan an Boden verloren. Das ist eine Folge der Internationalisierung der kapitalistischen Produktionsweise. Mit der Entstehung neuer imperialistischer Länder wie China, Indien, Südkorea, Türkei usw. sind neue Konkurrenten entstanden, die mithilfe der E-Mobilität eine weltmarktbeherrschende Stellung erreichen wollen. Das macht den internationalen Konkurrenzkampf zu einer regelrechten Vernichtungsschlacht, die auf Kosten der Belegschaften und der ganzen Gesellschaft ausgetragen wird. Sie findet zurzeit noch hauptsächlich in Form von strategischen Allianzen, Fusionen, Joint Ventures usw. statt. Jüngstes Beispiel ist die strategische Allianz zwischen VW und Ford.
Der Konkurrenzkampf wird mit harten Bandagen und der Verbreitung von nationalistischem Gedankengut geführt. So fordert US-Präsident Donald Trump von GM, Werke in Mexiko, Kanada und anderen Länder zu schließen, nicht aber in den USA – „America first“! Der Chef von BMW, Harald Krüger, spricht bereits von einem „Krieg“ mit China. Der Kampf um die Weltmarktführerschaft in der Autoindustrie wirkt als Triebkraft für die allgemeine Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung.
Die Verbreitung der sozialchauvinistischen Denkweise in den Belegschaften dient auch der psychologischen Kriegsvorbereitung. Von faschistoiden und faschistischen Kräften wird – zum Teil mit Tolerierung der Konzernvorstände – reaktionärer Nationalismus zur Spaltung und Vergiftung der Belegschaften verbreitet. Für die Arbeiter verlaufen die Grenzen aber nicht zwischen den Nationen und Nationalitäten, nicht zwischen GM oder Daimler und deren Belegschaften. Die Grenze verläuft zwischen dem allein herrschenden internationalen Finanzkapital und der internationalen Arbeiterklasse sowie den Volksmassen. Die MLPD unterstützt deshalb den Zusammenschluss der internationalen Automobilarbeiter, ihre Kooperation und die Koordination ihrer Kämpfe.
Die heraufziehende Strukturkrise auf der Grundlage der Umstellung auf die E-Mobilität und die Strukturkrise als Folge der Internationalisierung der kapitalistischen Produktion durchdringen sich mit weitreichenden Veränderungen durch die Digitalisierung in Produktion, Handel und im gesellschaftlichen Leben.
Im Augenblick melden fast alle Autokonzerne Absatzrückgänge, geben Gewinnwarnungen heraus, auch Zulieferer. Der von Präsident Trump angezettelte Handelskrieg verschärft die Faktoren für eine Überproduktionskrise. Der mögliche Ausbruch einer neuen Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise wird verbunden sein mit der gewaltigen Vernichtung von Kapital und Arbeitsplätzen, zumal den imperialistischen Regierungen nicht mehr dieselben finanziellen Mittel zur Krisendämpfung zur Verfügung stehen wie bei der letzten Weltwirtschaftskrise.
„Zu viel Umweltschutz“?weiter im Texthttps://www.rf-news.de/rote-fahne/2018/nr25/gewitterwolken-ueber-der-autoindustrie-absatzrueckgang-drohende-arbeitsplatzvernichtung-und-abbau-der-ausbildungsplaetze