Beengtes Wohnen als Kündigungsgrund

Begonnen von Kuddel, 15:20:38 Fr. 22.April 2016

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Kuddel

ZitatUrteil: Vierköpfige Familie darf nicht in Ein-Zimmer-Wohnung leben

   

  • In München ist bezahlbarer Wohnraum für Familien zwar kaum zu haben - eine vierköpfige Familie darf aber nach Auffassung des Amtsgerichtes trotzdem nicht in einer Ein-Zimmer-Wohnung leben.
  • Der Mieterverein hält das Urteil für fragwürdig: "Mieter wohnen sicher nicht freiwillig mit zwei Kindern auf 25,88 Quadratmetern."

Nur vier Quadratmeter pro Person, das ist zu wenig: Eine vierköpfige Familie aus Obersendling muss eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung räumen. Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Überbelegung der Wohnung den Vermieter zur ordentlichen Kündigung berechtigt - auch wenn die Kinder des Mieters der Grund für die Überbelegung sind. Der Mieterverein München kritisiert diese Entscheidung.

Der Münchner mietete im Februar 2011 eine Erdgeschosswohnung in der Mühlhauserstraße: Ein Wohnraum, eine Küchenzeile, Bad mit Toilette und ein Kellerabteil. Im Mietvertrag steht ausdrücklich: "Aufgrund der geringen Größe der Wohnung ist der Mieter nicht berechtigt, eine weitere Person auf Dauer in die Wohnung aufzunehmen, soweit es sich hierbei nicht um die Ehefrau des Mieters bzw. den Ehemann der Mieterin handelt." Die kleine Wohnung ist nicht einmal 26 Quadratmeter groß, der eigentliche Wohnraum hat lediglich 16 Quadratmeter. Das kostet 270 Euro Miete plus 80 Euro Nebenkosten.

In dieser Wohnung lebten dann tatsächlich vier Personen: der Mieter, seine Ehefrau und die gemeinsamen, 2010 und 2013 geborenen Kinder. Die Hausverwaltung forderte den Familienvater auf, die Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen zu reduzieren - der Mann reagierte darauf aber nicht. Deshalb kündigte der Hauseigentümer das Mietverhältnis. Auch das ließ den Mann zunächst kalt, er blieb mit seiner Familie in der kleinen Wohnung. Der Vermieter erhob deshalb Räumungsklage am Amtsgericht. Die Mietrichterin gab dem Eigentümer Recht, gewährte jedoch der Familie eine Räumungsfrist von fünf Monaten.

Wie das Urteil begründet wird


Das Gericht erklärte die Entscheidung damit, dass der Mieter durch die Überbelegung der Wohnung gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen habe. In der Urteilsbegründung heißt es: "Als Faustregel kann insoweit gelten, dass keine Überbelegung vorliegt, wenn auf jede erwachsene Person oder auf je zwei Kinder bis zum 13. Lebensjahr ein Raum von jeweils circa 12 Quadratmeter entfällt ( . . . ) oder durchschnittlich zehn Quadratmeter pro Person bei der Unterbringung von Familien gegeben sind." Diese Richtwerte seien im vorliegenden Fall weit unterschritten worden. Auf eine Person seien gerade einmal rund vier Quadratmeter Wohnfläche gekommen, und es habe sich lediglich um eine Ein-Zimmer-Wohnung gehandelt.

Grundsätzlich dürfe ein Mieter seine Kinder und seinen Ehegatten zwar in die Wohnung aufnehmen, sagte die Richterin. Allerdings dürfe dadurch keine Überbelegung eintreten: "Der Beklagte hatte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ein Kind, welches in die Wohnung mit einzog. Bereits zu diesem Zeitpunkt lag eine Überbelegung vor, welche sich durch die Aufnahme des zweiten Kindes noch erhöhte", heißt es in der rechtskräftigen Entscheidung (Az.: 415 C 3152/15).
Was der Mieterverein dazu sagt

"Wir halten dieses Urteil für sehr fragwürdig", sagt Anja Franz vom Mieterverein München. Für eine Kündigung des Vermieters wegen Überbelegung müsse die Mietsache gefährdet sein. "Wie eine solche Gefährdung wegen zwei kleiner Kinder aussehen soll, ist nicht nachvollziehbar." Die Tatsache, dass im Mietvertrag vereinbart wurde, dass weitere Personen nicht aufgenommen werden dürfen, könne eine Kündigung nicht rechtfertigen, meint Franz. "Hier wurde ja nicht eine weitere Person aufgenommen, sondern ein Kind kam auf die Welt - das lässt sich oft nicht planen."

Der Fall zeige mal wieder, sagt die Sprecherin des Mietervereins, wie groß die Wohnungsnot in München sei: "Mieter wohnen sicher nicht freiwillig mit zwei Kindern auf 25,88 Quadratmetern." Wenn die Familie eine bezahlbare Alternative gehabt hätte, wäre sie sicher gerne umgezogen. Mit kleinen Kindern sei es allerdings schwierig, auf dem Münchner Wohnungsmarkt fündig zu werden, da Vermieter kinderlose Paare oder Alleinstehende häufig bevorzugten. "Die Tatsache, dass die Mieter aus dieser Not heraus nun auch noch ihre kleine Bleibe verloren haben und gezwungen sind auszuziehen, ist tragisch", findet Anja Franz.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-urteil-vierkoepfige-familie-darf-nicht-in-ein-zimmer-wohnung-leben-1.2961835

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