Aus Freies Landvolk - Zeitung für die freie Landvolkbewegung, Jg. 4, Nr. 12, Stadland (Nds.), Juli 1981„Wir sind Eure Untertanen nicht…“Jeverland 1765: Während der Bauarbeiten zur Eindeichung des Friedrich-August-Grodens kommt es zu mehrfachen Arbeitskämpfen der etwa 2000 Deicharbeiter, die erst unter den Kanonenschüssen des Militärs gewaltsam beendet werden.
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Die Kojerarbeit erforderte einen hohen Menschenbedarf, der in der Regel in den unmittelbaren Küstenregionen nicht zu decken war. Deshalb schickte die Regierung Werber in die Nachbargebiete und heuerte dort Arbeiter an.
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Die Deicharbeiter wurden direkt an der Baustelle untergebracht, es wurden Hütten aus Stroh und Rieth gebaut. Nur die Aufsichts-, Material und Kommandobaracken wurden aus Brettern gezimmert. Von einem stets wehenden Küstenwind und starker Luftfeuchtigkeit umgeben, waren die Arbeiter schweren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt, bevor überhaupt die Arbeit begonnen hatte. Problematisch war auch die Versorgung der Deicharbeiter mit Getränken und Lebensmitteln. In der Regel brachten die Deicharbeiter von zu Hause die Nahrungsmittel mit, womit die Verpflegung für einige Zeit gesichert war. Anders war die Situation in bezug auf Brot und Getränke. Beides mußte im Land besorgt werden und oft haperte der Nachschub, oder es wurden verdorbenen Waren geliefert.
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Im Mittelpunkt der Streiks der Deicharbeiter stand die Forderung nach höheren Löhnen, die auch im Verlaufe der Kämpfe um das Doppelte gesteigert wurden.
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Mit dem Hissen der Fahne begannen zumeist die Streiks, sie signalisierten die Arbeitsniederlegungen. Viele Kojer tranken sich erst Mut an und zogen dann gemeinsam zum Bauleiter, um die Forderungen zu präsentieren.
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Die Deichbeamten mußten sich vor der zu einem Teil mit Gewehren bewaffneten Menge bis Hohenkirchen zurückziehen.
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Auf heranstürmende Deicharbeiter wurden mehrere Kanonenschüsse abgefeuert. Elf Deicharbeiter erlitten schwere Verletzungen, an denen zumindest einer von ihnen starb.
Aber selbst die Kanonensalven vom 1. Juli 1765 verhalfen der Regierung nur zu einem oberflächlichen Sieg. Zwar wurde allmählich die Arbeit wieder aufgenommen, nachdem die Regierung den meisten Deichern Generalpardon gewähren mußte, doch auch in den folgenden Jahrzehnten gab es viele Lohnkämpfe an den Deichbaustellen.
Obwohl die Deicharbeiter aus den unterschiedlichsten Ständen und Regionen kamen und nur ein knappes halbes Jahr auf einer Baustelle vereint waren, wurde aus den Arbeitsbedingungen heraus eine große Solidarität gegenüber den Herrschenden geschaffen. Oft gelang es sogar, die einheimischen Bauern, die Hand- und Spanndienste am Deich zu leisten hatten, mit in die Kampffront einzubeziehen. Gab es auch Widersprüche untereinander, so stand man fest gegen den gemeinsamen Hauptgegner. Eine wichtige Lehre der Geschichte für die heutige freie Landvolkbewegung.
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