Das Langzeitstundenkonto

Begonnen von Chlorophytum, 19:25:15 Mi. 30.November 2016

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Chlorophytum

Hallo!

Mein Arschlochchef und sein verblödeter Junior hatten wieder einmal einen fantastischen Einfall. Grob hatte ich ja bereits geschildert, wie es so bei uns abläuft.
Leider war auf mein Stellenprofil nur eine Stelle ausgeschrieben, bei der Bezahlung etc. passte, also musste ich den Sommer und Herbst und den Anfang des Winters leider noch bleiben.
Wie bereits erwähnt sind wir gezwungen dieses Langzeitstundenkonto aufzufüllen. Wir arbeiten also im Frühling 60 Stunden die Woche, die Überstunden dürfen wir dann im Winter abfeiern.
Das bedeutet, kein Wochenende frei, auch nicht, wenn die Großmutter des Partners stirbt. Keine Partys, kein Kino, kein Schwimmbad, manchmal schafft man es nicht mal einkaufen zu gehen. Vom Haushalt ganz zu schweigen. Und jeden Tag bis mindestens 18 Uhr.

Ich hatte mich mit dem Thema bereits befasst, allerdings ist das alles recht schwammig formuliert und ich bin keine Juristin, auch wenn es klüger gewesen wäre, etwas in die Richtung zu studieren als sich jeden Tag dieses Scheisse reinzuziehen.
Die Jahre davor haben wir immer bis kurz vor Weihnachten gearbeitet. Dieses Jahr soll plötzlich morgen oder übermorgen der letzte Arbeitstag sein. Und dann nur noch auf Abruf. Urlaub und Überstunden werden dabei zu unübersichtlichen Masse vermischt und man kann jederzeit wieder heranzitiert werden.
Eine Kollegin geniesst aufgrund eines Behindertenausweises Kündigungsschutz und muss diese Konto auffüllen. Da sie dieses aber aufgrund mangelnder Belastbarkeit nicht wirklich kann, hat sie nicht allzu viele Überstunden gesammelt. Der Chef will sie raushaben fürchtet wohl aber Konsequenzen.
Ich habe mir dann heute den Chef gegriffen und ihn gefragt, wie er sich das denn vorstellen würde. Wie wir seiner Meinung nach 320 Minusstunden, es könnte auch weniger sein, aber nicht allzu viel, nacharbeiten sollte. Und ob es nicht klüger wäre, die Leute saisonal abzumelden, damit man dieses Konto nicht mehr so exessiv füllen müsste,  denn man kann ja sein Leben nicht "Auf Vorrat" leben. Und habe die Befürchtung geäußert, er könnte mir im Sommer meine zwei Wochen Urlaub streichen.
Eine eindeutige Antwort habe ich nicht von ihm bekommen. Nur: Ja sonst habt ihr ja länger gearbeitet...
Ich bin immer noch total gebafft und werde, wenn er seine Drohung tatsächlich wahrmacht, zum Arzt gehen und mich krankschreiben lassen. Was mich immer noch brennend interessiert, ist dieses abgefuckte Stundenkonto. So wie er das handelt, ist es doch Erpressung. Und 320 Minusstunden das geht doch gar nicht. Gibt es da kein Gesetz, dass das verbietet?

Danke im Vorraus und Lg Chlorophytum

Rudolf Rocker

Ich glaube ich hatte es irgendwo in deinem letzten Thread mal erwähnt:
Geh zur IG BAU, werde da Mitglied und lass dich über deine Rechte beraten.
Nebenbei kannst du mal gucken, ob dein Chef im Arbeitgeberverband und somit Tarifgebunden ist. Sollte das der Fall sein, guck dir den TV und den RTV an und vergleiche das mit deiner Situation.

dagobert

Zitat von: Chlorophytum am 19:25:15 Mi. 30.November 2016Und dann nur noch auf Abruf. Urlaub und Überstunden werden dabei zu unübersichtlichen Masse vermischt und man kann jederzeit wieder heranzitiert werden.
Das geht gar nicht, entweder du hast frei oder du hast nicht frei.
Der Erholungsurlaub (wird auch im Bundesurlaubsgesetz so genannt!) heißt genau so, weil er zur Erholung dienen soll. Bei ständiger Abrufbereitschaft wird dieses gesetzliche Ziel nicht erreicht.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Chlorophytum

So,
ein Kollege und ich sind jetzt beide Gewerkschaftsmitglieder. Und haben beide Angst, dass wir zu unpassenden Zeiten gefeuert werden, aber dann ist es auf jeden Fall besser als sich diesen Dreck noch länger reinzutun.
Anscheinend kann man in dieser herrlichen Wirtschaftswelt nicht einmal mehr ohne Rechtsbeistand arbeiten gehen.

Wir haben uns intensiver mit dem Stundenkonto befasst und sind uns fast sicher, dass 320 Minusstunden gar nicht erst entstehen dürfen.  Trotzdem geht man mit Bauchschmerzen zur Arbeit und sitzt mit einem dumpfen Gefühl zu Hause.
Bis jetzt hat noch jeder wegen dieses Kontos gekündigt, weil die Leute am Ende einfach nicht mehr konnten. Ein Exkollege meinte, es sei ihm in der Firma so schlecht gegangen, dass er das gar nicht mehr gemerkt hätte.
Inzwischen wird wenigstens nicht mehr bis 23h gearbeitet.
Meine Kollegin darf ab morgen zu Hause bleiben. Es hieß dann, sie müsse dann Samstags arbeiten. Oder Abends mal länger. Sie hat einen Arbeitsweg von über eineinhalb Stunden. Sie traut sich nicht, sich zu wehren und wird vermutlich kündigen. Das Klügste, was sie machen kann. Der Laden steht sowieso kurz vor der Auflösung.
was den Urlaub betrifft: Das macht er jedes Jahr so. Bislang hat niemand was gesagt, weil man immer drei Wochen am Stück Urlaub hatte. Nur dieses Jahr ist irgendwie alles bekloppter und außer Kontrolle geraten. Sonst war immer alles nervig und unangenehm aber vorhersehbar. Dieses Jahr konnte man seinen Irrsinn nicht einmal mehr berechnen.

dagobert

Zitat von: Chlorophytum am 20:00:50 Mo. 05.Dezember 2016Wir haben uns intensiver mit dem Stundenkonto befasst und sind uns fast sicher, dass 320 Minusstunden gar nicht erst entstehen dürfen.
Dafür müsste man den Arbeits- und (soweit vorhanden) auch den Tarifvertrag komplett unter die Lupe nehmen. Das wäre dann aber eher eine Sache für einen Anwalt.

Weiß nicht, ob ihr dieses Urteil schon kennt, ist in dem Zusammenhang recht interessant:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.1.2011, 5 AZR 819/09
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Chlorophytum

Ich hab mir das gerade durchgelesen, es ist tatsächlich ein Überstundenkonto, das wir führen. Kein Arbeitszeitkonto. es wurde auch nirgendwo vereinbart und wenn ein solcher Passus aufgetreten wäre, hätte wahrscheinlich keiner den Vertrag unterschrieben.
Also, das wir einen Anwalt brauchen, da sind wir uns ganz sicher. Der Chef hat ständig mit irgendwem Ärger und schaltet jedesmal einen Anwalt ein, da ist er Experte.
Das wird auf so oder so eine übelst hässliche Angelegenheit.

dagobert

"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

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