Chef ignoriert Tarifvertrag

Begonnen von Mr. Pink, 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017

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Mr. Pink

Hallo.
Kann mir jemand vielleicht weiterhelfen, in wiefern man etwas tun kann, wenn der Chef die Tarifverträge seiner Branche einfach mal ignoriert?
Ich arbeite als Landschaftsgärtner seit 3 Monaten in einem größeren Betrieb, der Mitglied im Galabau-Verband ist. Soweit ich weiß, müssen diese Betriebe sich an die Tarifverträge halten, ich weiß aber nicht, inwiefern sowas wirklich gesetzlich bindend ist oder ob das nur so eine Verbandsinterne "Soll"-Regelung ist.
Mein Betrieb hat im Frühjahr ausgeschrieben, dass er einen Landschaftsgärtner sucht und übertariflich zahlt. Als ich mich dann beworben hab, meinte mein Chef er könne mir für die Dauer der Probezeit erstmal nur 13 Euro zahlen. Einstiegslohn wären aktuell eigentlich glaub ich 15,09 Euro.
Ich wollte den Job aber haben, also hab ich zugestimmt.
Jetzt ist es so, dass meine Probezeit nun diese Woche endet und ich meinen Chef nochmal drauf angesprochen hab, ob ich dann ab 1.7. Tariflohn bekomme. Nun meinte er, den würde er mir erst nächstes Jahr zahlen.
Ich fühl mich da grad ziemlich verarscht, zumal am Anfang auch die Rede davon war, dass von Betrieb bis zu Betrieb gezahlt wird. Jetzt ist es in der Praxis aber so, dass ich immer nur von 7 bis 17 Uhr aufschreiben darf, obwohl ich um 6.15 Uhr im Betrieb sein muss, aufladen muss, zur Baustelle fahren muss und dort meist schon um 6.45 Uhr bin und bereits arbeite.
Die Tage kam dann auch noch, dass er mir und meinen Kollegen gesagt hat, dass wir in Zukunft kein Wasser mehr kostenlos trinken dürfen, sondern wenn wir uns in der Firma Wasser aus dem Kasten nehmen wollen, dafür unser Trinkgeld abgeben müssen.
Wie dem auch sei, ich will da jetzt eigentlich weg, hab aber nichts anderes in Aussicht und würde einfach mal gerne wissen, inwiefern ich mich denn überhaupt da jetzt wehren kann oder ob ich (wäre vielleicht die schlauere Variante) wenn ich was neues gefunden hab, meinen Lohn rückwirkend einfordern kann oder ähnliches?

dagobert

Zitat von: Mr. Pink am 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017Ich arbeite als Landschaftsgärtner seit 3 Monaten in einem größeren Betrieb, der Mitglied im Galabau-Verband ist. Soweit ich weiß, müssen diese Betriebe sich an die Tarifverträge halten, ich weiß aber nicht, inwiefern sowas wirklich gesetzlich bindend ist oder ob das nur so eine Verbandsinterne "Soll"-Regelung ist.
Dafür müsstest du dir mal die Satzung des Verbandes genauer ansehen.

Inwiefern da evtl. landesspezifische Regelungen existieren, weiß ich nicht.
Einen Mindestlohn nach § 5 TVG scheint es im GaLaBau jedenfalls nicht zu geben.
http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Mindestlohn-AEntG-Lohnuntergrenze-AUeG/Branchen-Mindestlohn-Lohnuntergrenze/uebersicht_arbeitsbedingungen.html?isPopup=true&view=render%5BStandard%5D&nn=144400

Zitat von: Mr. Pink am 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017
Mein Betrieb hat im Frühjahr ausgeschrieben, dass er einen Landschaftsgärtner sucht und übertariflich zahlt. Als ich mich dann beworben hab, meinte mein Chef er könne mir für die Dauer der Probezeit erstmal nur 13 Euro zahlen. Einstiegslohn wären aktuell eigentlich glaub ich 15,09 Euro.
Ich wollte den Job aber haben, also hab ich zugestimmt.
Hast dem AG also gezeigt, dass er es mit dir machen kann.
Da wird das dann also auch so weitergehen.

Was steht zu Lohn und Tarifvertrag eigentlich im Arbeitsvertrag?

Zitat von: Mr. Pink am 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017Ich fühl mich da grad ziemlich verarscht, zumal am Anfang auch die Rede davon war, dass von Betrieb bis zu Betrieb gezahlt wird.
Was steht dazu im Arbeitsvertrag?
Mündliche Versprecher sind nichts wert.

Zitat von: Mr. Pink am 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017Jetzt ist es in der Praxis aber so, dass ich immer nur von 7 bis 17 Uhr aufschreiben darf, obwohl ich um 6.15 Uhr im Betrieb sein muss, aufladen muss, zur Baustelle fahren muss und dort meist schon um 6.45 Uhr bin und bereits arbeite.
Dokumentieren und beim Zoll melden (Verdacht auf Hinterziehung von Steuern und Sozialbeiträgen).
Den Arbeitsvertrag nach Ausschlussfristen absuchen und Lohn einklagen. (Muss evtl. erst schriftlich beim AG geltend gemacht werden, im Arbeitsvertrag nachschauen.)
Beides wird dich allerdings mit ziemlicher Sicherheit früher oder später deinen Job kosten.

Zitat von: Mr. Pink am 21:30:22 Mo. 26.Juni 2017
Wie dem auch sei, ich will da jetzt eigentlich weg, hab aber nichts anderes in Aussicht und würde einfach mal gerne wissen, inwiefern ich mich denn überhaupt da jetzt wehren kann oder ob ich (wäre vielleicht die schlauere Variante) wenn ich was neues gefunden hab, meinen Lohn rückwirkend einfordern kann oder ähnliches?
Rückwirkend Lohn einfordern ist wahrscheinlich nur begrenzt möglich, siehe oben: Ausschlussfristen.
Etwas anders wäre das, wenn die Ausschlussklausel unwirksam wäre, aber das müsste ein Anwalt beurteilen.
Eine erste Orientierung gibt es hier:
http://www.chefduzen.de/index.php?topic=29107.0
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Rudolf Rocker

Moin Mr. Pink
Tarifgebunden ist die Firma wohl nur, wenn sie im Arbeitgeberverband ist. Ansonsten zählen die im Arbeitsvertrag und im Rahmentarifvertrag vereinbarten Bedingungen.
Ich würde mich an deiner Stelle an die IG BAU wenden. (Mitglied in der Gewerkschaft sein ist grade bei kleinen Unternehmen mit wenigen Kollegen immer eine gute Sache).
Die Adresse deines OVs findest du im Internet oder hier nachfragen: https://www.igbau.de/IG_Bauen-Agrar-Umwelt.html


ZitatJetzt ist es in der Praxis aber so, dass ich immer nur von 7 bis 17 Uhr aufschreiben darf, obwohl ich um 6.15 Uhr im Betrieb sein muss, aufladen muss, zur Baustelle fahren muss und dort meist schon um 6.45 Uhr bin und bereits arbeite.
Das ist natürlich nicht zulässig! Wenn er erst ab 7 Uhr bezahlt, fängst Du eben um 7 Uhr erst an!

Mr. Pink

Zitat von: dagobert am 22:50:45 Mo. 26.Juni 2017
Inwiefern da evtl. landesspezifische Regelungen existieren, weiß ich nicht.
Einen Mindestlohn nach § 5 TVG scheint es im GaLaBau jedenfalls nicht zu geben.
[/url]


In dem Fall doch, weil mein Betrieb im Galabau-Arbeitgeberverband ist. Die Betriebe, die dort organisiert sind, haben sich verpflichtet, sich an den Tarifvertrag zu halten.
Laut dem Tarifvertrag wäre der Mindestlohn für einen Landschaftsgärtner direkt nach der Ausbildung 15,09 Euro. Und wie gesagt, ich krieg 13 Euro.



Zitat von: dagobert am 22:50:45 Mo. 26.Juni 2017
Hast dem AG also gezeigt, dass er es mit dir machen kann.
Da wird das dann also auch so weitergehen.

Was steht zu Lohn und Tarifvertrag eigentlich im Arbeitsvertrag?



Natürlich, aber welche Option hat man heute, wenn man dringend einen Job braucht, aber nicht genügend Betriebe in der Wohngegend sind. Da hat man oft einfach die Wahl zwischen keinen Job haben oder sich eben auf deutsch verarschen lassen.
Zu Lohn steht einfach nur 13 Euro im Arbeitsvertrag. In einem anderen Paragrafen steht aber, dass der Tarifvertrag des Galabaus Anwendung findet, etc.


Zitat von: dagobert am 22:50:45 Mo. 26.Juni 2017


Was steht dazu im Arbeitsvertrag?
Mündliche Versprecher sind nichts wert.


Im Arbeitsvertrag steht dazu gar nichts, aber im Tarifvertrag steht, dass Ladezeit immer Arbeitszeit ist und dass bei Fahrtzeiten der Fahrer immer die volle Zeit gezahlt bekommt, die Beifahrer jeweils die Hinfahrt nicht. Aber das ist bei uns sowieso fast nebensächlich, weil wir fast nie mehr als 5 km Anfahrtsweg haben.

Wegen Ausschlussfristen hab ich leider nichts im Arbeitsvertrag gefunden.



Mr. Pink

Zitat von: Rudolf Rocker am 08:45:32 Di. 27.Juni 2017
Moin Mr. Pink
Tarifgebunden ist die Firma wohl nur, wenn sie im Arbeitgeberverband ist. Ansonsten zählen die im Arbeitsvertrag und im Rahmentarifvertrag vereinbarten Bedingungen.
Ich würde mich an deiner Stelle an die IG BAU wenden. (Mitglied in der Gewerkschaft sein ist grade bei kleinen Unternehmen mit wenigen Kollegen immer eine gute Sache).
Die Adresse deines OVs findest du im Internet oder hier nachfragen: https://www.igbau.de/IG_Bauen-Agrar-Umwelt.html



Ja, meine Firma ist im Arbeitgeberverband.
IG Bau ist eine gute Idee. Die Frage ist, bekommt mein Chef davon Wind, dass ich mir bei der Gewerkschaft Rat hole?

Ich bin ja schon realistisch bei der Sache. Solang ich dort arbeite, werd ich wenig machen können. Ich muss zwangsläufig was neues finden. Was ich mich einfach frage, ist ob ich meine Rechte nach der Kündigung noch einfordern kann? Zumindest den zu wenig gezahlten Lohn vielleicht?
Dass ich täglich um 6.15 Uhr anfang, kann ich ja leider schlecht nachweisen, da wir keine Stempeluhr oder ähnliches haben, sondern einfach täglich 7-17 Uhr - 1 Stunde Pause eintragen müssen. Also täglich 9 Arbeitsstunden, obwohl ich eigentlich täglich 9,45 Arbeitsstunden hab. Da kommt auf den Monat gerechnet natürlich gut was zusammen, nur wie beweise ich sowas?

Rudolf Rocker

ZitatWegen Ausschlussfristen hab ich leider nichts im Arbeitsvertrag gefunden.
Steht, glaube ich, im Rahmentarifvertrag.

ZitatIm Arbeitsvertrag steht dazu gar nichts, aber im Tarifvertrag steht, dass Ladezeit immer Arbeitszeit ist und dass bei Fahrtzeiten der Fahrer immer die volle Zeit gezahlt bekommt, die Beifahrer jeweils die Hinfahrt nicht. Aber das ist bei uns sowieso fast nebensächlich, weil wir fast nie mehr als 5 km Anfahrtsweg haben.
Wenn du um 06:15 Uhr mit dem Beladen des Fahrzeugs anfängst, beginnt auch die Arbeitszeit um 06:15 Uhr.

Rudolf Rocker

ZitatDie Frage ist, bekommt mein Chef davon Wind, dass ich mir bei der Gewerkschaft Rat hole?
Spätestens, wenn du deinen dir zustehenden Lohn einforderst und das über die Gewerkschaft machst.

ZitatWas ich mich einfach frage, ist ob ich meine Rechte nach der Kündigung noch einfordern kann? Zumindest den zu wenig gezahlten Lohn vielleicht?
Nein! Die Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Lohnabrechnung geltend gemacht werden. ( § 14, Abs. 2, BRTV)
https://www.galabau-mv.de/brtv-gewerblich-vom-5.-maerz-2007_1.pdfx


Zitat...täglich 7-17 Uhr - 1 Stunde Pause eintragen müssen. Also täglich 9 Arbeitsstunden, obwohl ich eigentlich täglich 9,45 Arbeitsstunden hab.
Dazu mal § 4 Arbeitszeit, insbesondere Abs. 1.3 im BRTV beachten. Ihr habt eine 39 Std. Woche. Oder ihr habt eine Jahresarbeitszeit (§4a). Dann müsste es aber eine Betriebsvereinbarung (oder sonstige schriftliche Vereinbarung) geben.

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