Frankreich aktuell

Begonnen von Kuddel, 11:59:51 Sa. 22.Juli 2017

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Kuddel

Mal eine etwas andere Meinung:

ZitatIch bin der Meinung, daß es für uns - sei es für den einzelnen, für eine Partei, eine Armee oder eine Schule - schlecht ist, wenn der Feind nicht gegen uns Front macht, denn in diesem Fall würde es doch bedeuten, daß wir mit dem Feind unter einer Decke steckten. Wenn wir vom Feind bekämpft werden, dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, daß wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten läßt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, daß wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern daß unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat.
(Mao Tse Tung, 26. Mai 1939)

Kuddel

Zitat,,Gilets jaunes" proben den Generalstreik

Gelbwesten und Gewerkschafter gehen in Frankreich gemeinsam auf die Straße - Macron steht unter Druck von links.


Gut, dass sie Leuchtwesten trugen: Schon mitten in der schwarzen Nacht blockierten 300 ,,gilets jaunes" und Gewerkschafter die Zufahrt zum Pariser Frischmarkt Rungis, dem größten Umschlagplatz Europas für Früchte, Fleisch und Gemüse. Obwohl die Polizei die Sperren immer wieder zu räumen versuchte, bildeten die Sattelschlepper an den Eingangsportalen lange Warteschlangen.

,,Generalstreik – Frankreich pausiert", twitterte Eric Drouet, ein prominenter Vertreter der Gelbwesten. Der Appell des 33-jährigen Fernfahrers paarte sich mit dem gleichlautenden Appell der wichtigsten französischen Gewerkschaft, der CGT. Viele Schulen und Ämter blieben am Dienstag geschlossen. Der öffentliche Verkehr kam regional und national teilweise zum Erliegen, während der internationale Bahn- und Flugverkehr kaum gestört wurde. Die gemäßigteren Gewerkschaften CFDT und Force Ouvrière hatten sich dem Aufruf nicht angeschlossen; einzelne Sektionen und Mitglieder beteiligten sich allerdings an dem Ausstand.
https://www.fr.de/politik/frankreich-gilets-jaunes-proben-generalstreik-11735452.html

counselor

Die Ausweitung der Demonstrationen zum (General)streik ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um Macron zu stürzen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Über diesen Protesttag hatten unsere Mainstreammedien bestenfalls eine Kurzmeldung übrig. Dabei handelt es sich um eine neue Dimension des Protests, nicht nur zahlenmäßig. Es war auch ein Schritt, Belegschaften mit in den Kampf einzubeziehen.

ZitatAuf der nördlichen Seite der Seine fand zugleich eine Demonstration relativer Stärke der Protestbewegung statt. Laut Angaben der linken Gewerkschaft CGT gingen am Dienstag rund 300 000 Menschen frankreichweit auf die Straße, um gegen die Regierungspolitik zu protestieren. Dies entspricht einer erheblichen Steigerung der Teilnehmerzahlen gegenüber den Protesttagen der Gelbwesten an den Samstagen zuvor mit jeweils mehreren Zehntausend Menschen. Das Vorliegen mehrerer paralleler Protestaufrufe seitens der CGT, von Vertretern der Gelbwesten, aber auch von Exponenten der unterschiedlichen Linkskräfte wie Jean-Luc Mélenchon und Olivier Besancenot, hatten dafür gesorgt, dass die unterschiedlichen Protestfronten sich gegenseitig verstärkten. Das französische Innenministerium seinerseits sprach am Abend von 137 000 Demonstrierenden.
(...)
In anderen Städten wie dem ostfranzösischen Grenoble hingegen war der Personennahverkehr infolge von Arbeitsniederlegungen verlangsamt. Hingegen schlossen auch in Paris manche Postämter ihre Türen am Spätnachmittag früher als vorgesehen. Manche Zugverbindungen auf Fernstrecken entfielen. In Le Havre oder am Flughafen von Nantes fanden Blockaden statt, an denen Gewerkschaftsaktive und Anhänger*innen der Gelbwesten gemeinsam teilnahmen. In der Nacht von Montag auf Dienstag hatten mehrere Hundert Protestierende aus den Reihen von CGT und Gelbwesten die Großmarkthallen in Rungis, südlich von Paris, zeitweilig blockiert.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1111694.parlament-in-frankreich-proteste-von-linker-cgt-und-gelbwesten.html

Mich ärgert aber die Einschätzung des Neuen Deutschland, die CGT sei "links". Nur weil sie weniger weit im Arsch der Wirtschaft steckt, ist sie noch längst nicht links.




Rudolf Rocker

Naja, bei der CGT sind schon ein paar echte Haudegen dabei! Ich hatte mit denen eine tolle Zeit in Strasbourg!
So langsam scheint der Funke überzuspringen. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die Studenten und die Soldaten und dann gehts los!

Kuddel

Wir sollten nicht vorschnell euphorisch werden.
Laut Bernard Schmid war es durchwachsen...
ZitatEs handelte sich um eine relative Stärkedemonstration...auf [der] Straße...
Allerdings hinkt bislang die Auswirkung des Protests, was die Beteiligung an Streiks und Arbeitsniederlegungen betrifft, dahinter zurück...
http://www.labournet.de/?p=143906

Rudolf Rocker

Also weiterhin nur ein Schwelbrand!

Troll

Bisher scheint mir der Protest nicht blind geführt, die Reaktionen waren durchdacht, daher würde ich nicht vorschnell ein Urteil abgeben, derartige Proteste sind Beispiellos.
Sie werden ganz sicher nicht stellvertretend das Heil über die gesamte Welt bringen!

Bisher haben sie eigentlich nichts erreicht, es ist bloßes Durchhaltevermögen gefragt, sich nicht aussitzen oder durch billige Kompromisse abspeisen lassen.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Rudolf Rocker

Naja, man kann schon davon ausgehen, das Proteste erst dann einen Erfolg erzielen, wenn sich möglichst viele Menschen diesen Protesten anschließen.
Ein gutes Beispiel ist Ägypten unter dem damaligen Mubarak- Regime. Da sind jede Woche mehr Menschen auf die Straße gegangen, bis es am Ende hunderttausende waren.
Genau diese Dynamik gibt es in Frankreich nicht bzw. noch nicht.

counselor

Die Gelbwesten sind mehr als nur eine Protestbewegung. Sie sind eigentlich eine Volksbewegung, weil Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Schüler und Studierende, Kleinbauern, Kleinhändler gemeinsam für eine echte Verbesserung ihrer sozialen Lage auf die Straße  gehen. Erreicht haben sie Zugeständnisse; der Sturz von Macron steht noch aus.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Rudolf Rocker

ZitatBei erneuten "Gelbwesten"-Protesten in Frankreich ist ein Demonstrant schwer verletzt worden. Die Bewegung ging zum 13. Mal in Folge auf die Straße - diesmal auch gegen neue Demonstrationsgesetze.

Bei den "Gelbwesten"-Protesten in Paris ist es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit mindestens einem Schwerverletzten gekommen. Einem Mann wurde bei einem Zwischenfall nahe des Parlamentsgebäudes die Hand zerstört. Mindestens ein weiterer Demonstrant wurde am Kopf verletzt Die Hintergründe sind bisher unklar.
https://www.tagesschau.de/ausland/gelbwesten-179.html

BGS

Zitat von: counselor am 14:03:21 Sa. 09.Februar 2019
Die Gelbwesten sind mehr als nur eine Protestbewegung. Sie sind eigentlich eine Volksbewegung, weil Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Schüler und Studierende, Kleinbauern, Kleinhändler gemeinsam für eine echte Verbesserung ihrer sozialen Lage auf die Straße  gehen. Erreicht haben sie Zugeständnisse; der Sturz von Macron steht noch aus.

Ganz meine Meinung.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

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ManOfConstantSorrow

Zitat

Demonstrant in Paris schwer verletzt

Stand: 09.02.2019 16:13 Uhr

Bei erneuten "Gelbwesten"-Protesten in Frankreich ist ein Demonstrant schwer verletzt worden. Die Bewegung ging zum 13. Mal in Folge auf die Straße - diesmal auch gegen neue Demonstrationsgesetze.

Bei den "Gelbwesten"-Protesten in Paris ist es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit mindestens einem Schwerverletzten gekommen. Einem Mann wurde bei einem Zwischenfall nahe des Parlamentsgebäudes die Hand zerstört. Mindestens ein weiterer Demonstrant wurde am Kopf verletzt Die Hintergründe sind bisher unklar.



Ein Augenzeuge sagte der Agentur AFP, bei dem Verletzten handle es sich um einen Fotografen der "Gelbwesten". Er habe eine heranfliegende Granate mit der Hand abwehren wollen, "daraufhin ist sie explodiert, als er sie berührte". Aus Polizeikreisen verlautete, der Mann habe eine Blendgranate der Polizei zurückwerfen wollen. Eine unabhängige Bestätigung gibt es bisher nicht. Ein Polizeisprecher sagte lediglich, dass ein Mensch an der Hand verletzt worden sei.



Mehrere Tausend Menschen waren zum 13. Protesttag der "Gelbwesten" in der Hauptstadt zusammengekommen. Dieses Mal richteten sich die Proteste auch gegen ein geplantes Gesetz, das erleichterte Demonstrationsverbote und harte Strafen für Vermummte vorsieht. Einige Aktivisten hatten dazu aufgerufen, sich gezielt zu vermummen. Weitere Kundgebungen waren unter anderem in Bordeaux, Toulouse und Nantes angekündigt.



Die Beteiligung an den seit fast drei Monaten anhaltenden Protesten war zuletzt zurückgegangen. Am vorangegangenen Samstag gingen nach Angaben des französischen Innenministeriums 58.600 Menschen gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron auf die Straße. Die "Gelbwesten" selbst sprachen allerdings von 116.000 Demonstranten.
https://www.tagesschau.de/ausland/gelbwesten-179.html
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Kuddel

ZitatJoshua Clover ist Literaturprofessor an der University of California Davis. Die deutsche Übersetzung seines Buchs Riot. Strike. Riot erscheint im Frühjahr im Laika-Verlag. Dieser Essay wurde zuerst bei Verso Books veröffentlicht.

Der amerikanische Intellektuelle Joshua Clover hat sich lesenswerte Gedanken zu dne Gelbwesten gemacht. Ich habe ein paar davon herausgepickt.

ZitatDer Brotaufstand ist zurück

Frankreich Der Protest der Gelbwesten dreht sich nicht um Arbeit, sondern um hohe Preise. So wie 1789. Nur eben mit Gabelstaplern

...
Die Bewegung der Gelbwesten ist ein Aufstand wie aus dem Lehrbuch. Es ist kein Arbeiterprotest. Jener kreist, selbstredend, um arbeitsbezogene Forderungen. Arbeiterinnen kämpfen – in ihrer Rolle als Arbeiterinnen – um den Preis und die Bedingungen ihrer Arbeit. Ein Arbeitskampf spielt sich im Bereich der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, im Bereich der Wertschöpfung ab.

Dagegen ist der klassische Aufruhr, wie er im Europa des Mittelalters und der Frühen Neuzeit entstanden ist, ein kollektives Handeln, das 1. darum kämpft, die Preise von Marktgütern zu beeinflussen; 2. Menschen zusammenbringt, die nichts verbindet als ihre Enteignung; und 3. sich in der Sphäre der Konsumption entfaltet und auf die Störung der Warenzirkulation setzt.

Vom 14. bis 18. Jahrhundert ging es dabei oft darum, das Gemeinwesen gegen einen Bäcker oder Getreidehändler zu mobilisieren. Der ,,Brotaufruhr" in Frankreich gipfelte im ,,Mehlkrieg" von 1775, der schon an die nationale Krise erinnert, die der Monarchie ein Ende setzen sollte: Ein Aufstand der Marktfrauen gegen die Lebensmittelpreise führte 1789 zum heugabelschwingenden Frauenmarsch auf Versailles. Bis zu den Arbeitskämpfen im 19. Jahrhundert waren Aufstände gegen die Preisgestaltung die häufigste Form kollektiven Handelns.
...
Der Zirkulationskampf beschreibt somit die soziale Auseinandersetzung derer, die aus der Sphäre der Produktion gedrängt wurden. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Produktion selbst zurückgeht und das Kapital sich auf der Suche nach Profit vermehrt Strategien zuwendet, die in der von Marx beschriebenen ,,geräuschvollen Sphäre der Zirkulation" verortet sind. Bei den Gelbwesten treffen sich Lagerarbeiter, arbeitslose Elektroinstallateure, Nachtschwestern, ehemalige Teppichleger – die nun freiberuflich auf Haustiere aufpassen – und Fahrer von Betonmischern. Sie verkörpern ein bestimmtes Spektrum: die Überreste des Bauwesens, den stagnierenden Dienstleistungsbereich, die Prekären und Aussortierten.

Weil sie nicht in einer Arbeiterbewegung organisiert sind, ist es für manch orthodoxen Denker fraglich, ob es sich hier überhaupt um einen Klassenkampf handelt. Doch keine Kritik könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Was wir beobachten, ist das Schicksal der Klassenorganisation heute. Nicht, dass diese Leute nicht arbeiten würden – einige tun es, andere nicht. Man kann sich schwerlich den Arbeitskampf vorstellen, der diese grundverschiedenen Typen vereint. Doch die steigenden Lebenshaltungskosten machen sie alle zu Bettlern. Die Preisgestaltung sorgt dafür.
...
Ein Aufruhr ist von Anfang geprägt durch einen Kampf um seine Richtung. Während wir mit Straßenprotesten vertraut sind, die nach rechts abdriften – wie das desaströse Beispiel in Brasilien etwa –, haben es die Gilets Jaunes vermocht, diesen Kurs in bestimmten Momenten umzukehren. Dies gelang auch, weil die allwöchentliche Mobilisierung am Samstag eine gewisse Urbanisierung der Bewegung mit sich brachte und sie einer breiteren proletarischen Basis zugänglich machte, zu der Akteure wie das Adama Komitee zählen. Das Komitee ,,Aufklärung und Gerechtigkeit für Adama Traoré" gründete sich 2016 nach Traorés Tod in Polizeigewahrsam, der ähnliche, wenn auch nicht ganz so heftige Riots hervorrief wie die, die 2005 von Clichy-sous-Bois auf andere Viertel von Paris und schließlich auf andere französische Vorstädte übergriffen.
...
Die Schwäche von Randale, die durch staatliche Gewalt ausgelöst wird, besteht oft darin, dass sie genau an dieser Stelle steckenbleibt. Allzu oft wird ihr durch kosmetische Modifikationen des Staatsapparates beigekommen: Ein Amtsträger tritt zurück, eine Expertengruppe tritt zusammen. Dagegen besteht die Stärke des Preis-Aufstands darin, dass er direkt bei der Wirtschaft ansetzt. Das kann jedoch zugleich auch seine Schwäche sein: wenn sich die Gelbwesten nur allzu leicht revanchistischen Sehnsüchten nach dem Klassenkompromiss der ,,goldenen Nachkriegsjahrzehnte" öffnen und dessen beschränkter Vision davon, für wen dieser Deal gilt.
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Die Schwäche von Randale, die durch staatliche Gewalt ausgelöst wird, besteht oft darin, dass sie genau an dieser Stelle steckenbleibt. Allzu oft wird ihr durch kosmetische Modifikationen des Staatsapparates beigekommen: Ein Amtsträger tritt zurück, eine Expertengruppe tritt zusammen. Dagegen besteht die Stärke des Preis-Aufstands darin, dass er direkt bei der Wirtschaft ansetzt. Das kann jedoch zugleich auch seine Schwäche sein: wenn sich die Gelbwesten nur allzu leicht revanchistischen Sehnsüchten nach dem Klassenkompromiss der ,,goldenen Nachkriegsjahrzehnte" öffnen und dessen beschränkter Vision davon, für wen dieser Deal gilt. Dieses Denken samt seinen Ausschlüssen ist gemeint, wenn die Menge die ,,Marseillaise" anstimmt – und nicht 1792.

Doch die aktuellen Proteste zeigen gerade, dass diese Zeit nicht zurückkommt, nicht für Linke und nicht für Nationalisten. ,,Die Wirtschaft" in ihrer heutigen Ausformung muss in Wahrheit durch den Staat vertreten werden. Man kann plündernd über die Champs-Élysées ziehen – quasi Einkauf zum Nulltarif –, doch ist allen bewusst, dass Macrons Regierungspalast der Winterpalais des Geldes ist. Trotzdem wollen die Leute nicht mit ihm sprechen. Am 5. Januar schlugen die Demonstranten mit einem Gabelstapler ihren Weg in ein Ministerium in Paris. Dieses Fahrzeug, das im Allgemeinen nur für den Transport von Handelswaren verwendet wird, ist zu einem Totem geworden. Wo früher Heugabeln waren, sind heute Gabelstapler.

Der Sprung ins Politische hat bereits einen nachhaltigeren Kampf ermöglicht, als man es sich vorgestellt hat. Die Gelbwesten haben begonnen, die Einheit von Politik und Wirtschaft wiederzuentdecken, jene grundlegende Wahrheit der sozialen Existenz, die der bürgerliche Fetisch zu verbergen trachtet.
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/der-brotaufstand-ist-zurueck

BGS

11.Februar 2019
Zitat
Frankreich: Polizeigranate reisst einem Gelbwesten-Demonstranten die Hand ab

Erneut haben in ganz Frankreich mehrere zehntausend Menschen in gelben Westen gegen Präsident Macron und die Politik der Regierung demonstriert. Nach offiziellen Angaben des Staates gingen am 13. Gelbwesten-Aktionstag 51.400 Menschen auf die Straßen. Besonders zahlreich versammelten sich die DemonstrantInnen in der Hauptstadt Paris sowie in Bordeaux, Toulouse und Lyon.

In Paris beteiligten sich nach Behördenangaben etwa 4.000 Personen an den Protesten. Videos in den sozialen Medien lassen dabei eine deutlich höhere TeilnehmerInnenzahl vermuten. Hier kam es erneut zu schweren Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei. Besonders heftig waren diese vor der Nationalversammlung, dem französischen Parlament. Dort sollen einige AktivistInnen nach Angaben des Senders franceinfo versucht haben, Zäune zu durchbrechen. Bei den darauf folgenden Kämpfen mit der Polizei wurde ein Demonstrant schwer an der Hand verletzt. Offenbar explodierte eine Blendgranate der Polizei, als er versuchte, sie abzuwehren. Medienberichten zufolgehabe der Mann mindestens vier Finger verloren. Es soll sich um einen Fotografen der Gelbwesten handeln.

Seit geraumer Zeit steht die französische Polizei wegen ihres brutalen Vorgehens gegen die Gelbwesten-Proteste in der Kritik. Das betrifft vor allem den Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und mit dem Sprengstoff TNT gefüllte Granaten. Berichten zufolge sollen Polizisten bei verschiedenen Gelegenheiten in den letzten Wochen Gummigeschosse gezielt auf Unbewaffnete abgefeuert und damit schwerste Verletzungen in Kauf genommen haben. Auch an diesem Samstag setzten die Sicherheitskräfte wieder Tränengas ein.

Am Nachmittag zogen die DemonstrantInnen in der Hauptstadt auf der linken Seine-Seite in Richtung  Eiffelturm. Dort ging am frühen Abend ein Auto der Anti-Terror-Einheit Sentinelle in Flammen auf. Ansonsten seien die Proteste an diesem Wochenende weitgehend friedlich verlaufen

Quelle: https://perspektive-online.net/2019/02/frankreich-polizeigranate-reisst-gelbwesten-demonstrant-die-hand-ab/

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

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Kuddel

Liveübertragung aus Frankreich mit mehreren Kameras.
Als ich dachte, das war's für heute, ist nochmal Leben in die Bude gekommen.


https://www.youtube.com/watch?v=BFz0yBL_Ino

Unten links ist die Übertragung aus Bordeaux-

ManOfConstantSorrow

In Frankreich thematisieren die Gelbwesten immer wieder, daß sie es mit Medien zu tun haben, die gegen sie arbeiten.

In Deutschland ist es nicht besser.
Auch die deutschen Medien wissen, daß die Bevölkerung hier voller Neid nach Frankreich blickt.
Deshalb tun sie alles, um die Bewegung zu schwächen und zu diskrediteren.
Die Stärke der Bewegung liegt in ihrer Autonomie und Führerlosigkeit. Deshalb werden jetzt angebliche Führer gehypt. Ansonsten geht es stets um Gewalt, Rechtsradikale und Antisemitismus.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Rudolf Rocker

ZitatAnsonsten geht es stets um Gewalt, Rechtsradikale und Antisemitismus.
Ich halte die Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen in der Gelbwestenbewegung für einen zentralen Punkt. Es ist von absoluter Bedeutung, den Einfluss von Rechtsradikalen zurückzudrängen, wenn man nicht so enden will, wie in der Ukraine.
Der antifaschistische, linke Teil der Gelbwesten hat das aber erkannt und wirkt dem entgegen.
Zu den antisemitischen Übergriffen, die von Teilen der Gelbwesten ausgegangen sind wird sich die Bewegung ebenfalls positionieren müssen.

Kuddel

Damit hast du völlig recht.
Wir haben das bisher wenig diskutiert.
Wir sollten aber kritisch mit den Quellen umgehen, ihre Glaubwürdigkeit prüfen. Wir könnten allzuleicht Zerrbilder diskutieren, statt die wirklichen Verhältnisse.

ZitatDie Berichterstattung im deutschsprachigen Raum ist oftmals lückenhaft. Oftmals werden die Proteste rechtslastig dargestellt. Wie sehen denn aktuell die groben Gewichtsverhältnisse der politischen Lager innerhalb der Gilets Jaunes aus?

Die empirische Forschung durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des politikwissenschaftlichen Instituts in Bordeaux hat schon im Dezember gezeigt, dass die Gilets Jaunes in ihrer Breite viel weiter links stehen, als medial vermittelt wird. Intern ist es ein Hin und Her, aber insgesamt stimmt mich die Entwicklung hoffnungsfroh. Der 5. Februar war ein wichtiger Schritt.

Wie verhalten sich die antifaschistischen Gruppen? Sie waren anfangs vermutlich überrumpelt durch die Ausmaße, inzwischen gibt es diverse Videos von handgreiflichen Auseinandersetzungen.

Ich habe einen riesigen Respekt vor den Genossinnen und Genossen, die seit bald vier Monaten nahezu ununterbrochen antifaschistisch intervenieren, oft eben auch handgreiflich. Die Auseinandersetzungen werden auch nicht weniger, im Gegenteil. Seit sich herausgestellt hat, dass die Vereinnahmung der Bewegung nicht wie erhofft funktioniert, werden die Rechten aggressiver. Während es in der Vergangenheit vor allem einzelne organisierte Rechte waren, die die lokalen Antifa-Gruppen recherchiert und aus den Demozügen geschmissen haben, kommt es jetzt vermehrt zu Blockkonfrontationen. Vorletzten Samstag hatten Faschos in Paris sowohl den Block der linken Kleinpartei NPA gezielt als auch »unpolitische« Gilets Jaunes eher random angegriffen. Auch in anderen Städten kam es Angriffen, dort konnten die Faschos aber verjagt werden. Letzten Samstag ist dann in Lyon eine größere Gruppe Rechter, die zuvor bereits kleinere Überfälle auf migrantische und antirassistische Gilets Jaunes verübt hatte, in einer Gasse mit einer größeren Gruppe Antifas aufeinandergetroffen. Den Genossen und Genossinnen ist es dann mit geschlossenem Vorgehen gelungen, die Faschos in die Flucht zu schlagen. Das war aber sicher nicht das letzte Mal.

Wie versuchen rechte Gruppierungen Einfluss zu gewinnen?

Da gibt es zum einen die rechten Trolle online, von denen manche Bots sein mögen und manche authentische Spinner, die ihre antisemitischen Verschwörungstheorien mit beträchtlicher Energie in die Timelines der großen Facebookgruppen spammen. Auf der Ebene der Parteipolitik versucht der Rassemblement National (der frühere Front National) unter Marine Le Pen, den Volkszorn in Stimmgewinne für sich zu verwandeln, nachdem das Vereinnahmen der Bewegung selbst nicht funktioniert. Auffällig ist, dass die Rechten auf mehreren Ebenen mit der Staatsgewalt kollaborieren, um gegen die antifaschistischen Kräfte vorzugehen. An vorderster Front dieser Taktik stehen selbsternannte »Sicherheitsdienste«, die in den letzten Wochen plötzlich aufgetaucht sind, für sich autoritäre Kompetenzen einfordern und auch schon Gilets Jaunes an die Polizei ausgeliefert haben. Oft handelt es sich dabei um Soldaten oder Polizisten. Ihr Kopf in Paris ist der Soldat Victor Lenta, der auch schon aufseiten rechter pro-russischer Milizen in der Ukraine gekämpft hat.

Der ideologische Gegensatz von Rechten und Linken spiegelt sich hier auch auf taktischer Ebene als Unterschied von Militarismus und Militanz wieder. In der Pariser Antifa will man den Demonstrationszügen nun nach Möglichkeit schwarze Blöcke voranstellen, um den Einfluss dieser »Sicherheitsdienste« zurückzudrängen. Vorletzten Samstag ist es dann in Paris auch zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen »Sicherheitsdienst« und Antifas gekommen. Die Rechten haben dann versucht, die antifaschistische Intervention als Angriff der Antifa auf Jérôme Rodriguez auszugeben, der in der Bewegung zur Symbolfigur für die Opfer der brutalen Repression geworden ist. Die Admins der großen Facebookgruppen sind kaum hinterher gekommen damit, diese Fake News zu löschen. Letztlich ging der Schuss für die Faschos aber nach hinten los, da Rodriguez nach einem ersten Anflug von Panik in der unübersichtlichen Situation vor Ort sehr wohl verstanden hat, was da vorgeht, und sich öffentlich von den rechten Fake News ziemlich angepisst gezeigt und die Darstellung der Antifa Paris-Banlieue bestätigt hat.
https://rambazamba.blackblogs.org/2019/02/11/interview-zum-stand-der-gilets-jaunes/



Rudolf Rocker

ZitatIn der Pariser Antifa will man den Demonstrationszügen nun nach Möglichkeit schwarze Blöcke voranstellen, um den Einfluss dieser »Sicherheitsdienste« zurückzudrängen. Vorletzten Samstag ist es dann in Paris auch zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen »Sicherheitsdienst« und Antifas gekommen.
Das sind interessante News, weil ich mir schon mit mit dem Auftauchen dieses "Sicherheitsdienstes" die Frage gestellt habe, wie die Gelbwesten damit umgehen.

ZitatWir sollten aber kritisch mit den Quellen umgehen, ihre Glaubwürdigkeit prüfen. Wir könnten allzuleicht Zerrbilder diskutieren, statt die wirklichen Verhältnisse.
Da haben wir das Problem, das hier keiner französich kann und wir somit nicht auf Originalquellen zurückgreifen können, sondern uns auf Übersetzungen und Informationen aus zweiter oder dritter Hand verlassen müssen.
Wir haben ja hier im Thread auch schon eine ganze Menge an Informationen zusammengetragen.

Kuddel

Jaja, es macht mich wirklich irre, wie der Spiegel mit seinen Wahrheiten um sich schmeißt:

"für mehr Kaufkraft für die untere Mittelschicht"
"Eine der bekanntesten Gelbwesten-Führerinnen, die Krankenschwester Ingrid Levavasseur"
"die Stimmung gegen die Gelbwesten kippen könnte"
"nur eine Bewegung von Rechts- und Linksextremisten"
"scheinen in ein linkes und ein rechtes Lager zu zerfallen"
"Könnte dies das Ende der Bewegung werden"

In anderen Medien sieht es kaum besser aus.

Kuddel

Die Medien sind mal wieder arg bemüht, die Gelbwestenbewegung in Grund und Boden zu schreiben.
Die Bullern ballern erneut jede Menge Tränengas in die Proteste, die es laut Medien eigentlich nicht mehr gibt. Man geht mit allen Mittel gegen sie vor. Bereits 1.796 Protestler wurden verurteilt, weitere 1.422 warten noch auf ein Gerichtsverfahren. Über 1.300 Menschen wurden bisher festgenommen, gegen 316 wurde ein Haftbefehl erlassen. Julien Terrier, angeblicher "Anführer" der Gelbwesten-Bewegung in Grenoble ist in Gewahrsam. Ihm wird die Durchführung einer nicht angemeldeten Demonstration vorgeworfen.


Frauenpower

Der Europarat fordert Frankreich auf, die Gummimunition bei Demos wegzulassen! https://www.tagesschau.de/ausland/gelbwesten-199.html
ZitatDie Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, hat das Vorgehen der französischen Sicherheitskräfte gegen "Gelbwesten"-Demonstranten scharf kritisiert. Angesichts vieler Verletzter forderte sie ein vorläufiges Verbot von Hartgummigeschossen.
ich bin dafür!

admin

Wir haben nun einen direkten Draht nach Paris.
Es gibt die Möglichkeit etwas jenseits der offiziellen Berichterstattung zu erfahren.
Ich werde in den nächsten Tagen ein wenig davon zu veröffentlichen.

BGS

Zitat von: admin am 16:39:01 Mi. 27.Februar 2019
Wir haben nun einen direkten Draht nach Paris.
Es gibt die Möglichkeit etwas jenseits der offiziellen Berichterstattung zu erfahren.
Ich werde in den nächsten Tagen ein wenig davon zu veröffentlichen.

Hört sich gut am.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
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Tiefrot

Wäre auch neugierig. Die unkommentierten Bilder von RT &Co. sagen ja auch nicht viel.
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet Facebook ab !

Kuddel

ZitatFür den Nachmittag wurden Demonstrationen in weiteren Landesteilen erwartet, unter anderem in Montpellier, Straßburg und Nantes.
Im Norden riefen die Organisatoren Gelbwesten aus der Region und den Nachbarländern Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland dazu auf, in Lille zusammenzukommen. "Der Kampf ist international", hieß es in einem auf englisch und deutsch übersetzten Demonstrationsaufruf
https://www.derstandard.de/story/2000098865451/gelbwesten-demonstrierten-den-16-samstag-in-folge-in-frankreich

Kuddel

Wir bekmmen normalerweise nur Berichte aus der Hauptstadt.

Hier ist ein zweiminütger Zusammenschnitt von den Protesten anderswo im Land, teilweise in der tiefsten Provinz:

https://www.youtube.com/watch?v=MMxkF5Oy_U4

Troll

Klasse!
Ich würde immer noch gerne hören was hinter verschlossenen Türen der Politik dazu gesprochen wird, mit Demokratie hat das ganz sicher nichts zu tun, eher mit möglichen Schießbefehlen weil die französischen Proteste den gesamten westlichen Wohlstand in Frage stellen, man riecht die vollen Hosen förmlich.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

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