Frankreich aktuell

Begonnen von Kuddel, 11:59:51 Sa. 22.Juli 2017

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admin

Ich hatte ja einen "direkten Draht nach Paris" angekündigt.
Es handelt sich um eine Deutsche, die in Paris lebt, sich an den Aktionen und Treffen der "Gilets Jaunes" beteiligt und dazu ihre Gedanken verfaßt. Sie ist nicht hier im Forum angemeldet. Sie freute sich über unser Interesse und sagte, ich könne Ausschnitte aus ihren Textentwürfen zum Thema veröffentlichen.  Das habe ich gemacht und ihr nochmal zugemailt, sie hat es überarbeitet und aktualisiert. Dies ist das Ergebnis:

ZitatAuszüge aus ,,meinem gelben Tagebuch" (Dez. 2018, Jan., Feb. 2019)
(aus einer Mail an Karsten:)
,,Ich hab mir inzw. euer Forum angesehen und mich über die Beiträge zu den Gilets Jaunes gefreut. Bin morgen wieder den ganzen Tag mit ihnen unterwegs. Von meinem Pariser Viertel aus gehen wir zusammen los zu den Demos und Aktionen, die diesmal wieder ohne offizielle Anmeldung, wild und spontan ablaufen. Am Nachmittag wird in Montreuil (Vorstadt v. Paris) eine Versammlungshütte der GJ eingeweiht und am Abend findet in der Nähe eine wichtige Debatte darüber statt, wie wir der Repression begegnen können.

Seit Mitte Dez. schreibe ich an einer Reportage über die Bewegung, ihre Akteur*innen (soweit ich ihnen begegne), meine Eindrücke und die Debatten, die mit der Bewegung, wie befreit, zwischen ganz unterschiedlichen Menschen im Land losgegangen sind.
Hier passiert und entwickelt sich grad so viel gleichzeitig, dass ich mit der Verarbeitung gedanklich und über die Tasten kaum nachkomme. Ist aber sehr spannend und inspirierend. Bin inzw. (Jan. 2019) auch regelmäßig bei den Versammlungen, Debatten, Aktionen meiner örtlichen Gilets Jaunes (Paris Belleville, ein traditionelles Arbeiter*innen-, Handwerker*innen-, Immigrant*innen-Viertel, heute natürlich schwer angeschlagen durch die von der Stadt gnadenlos geförderte Gentrifizeirung und Touristifizierung, aber die aufständische Tradition - Commune, breiter Wiederstand – mit zahlreichen Opfern - gegen die deutsche Besatzung - bleibt wach). Außerdem bin ich oft draußen in der Banlieue, wo sich ebenfalls viel tut, die Kämpfe zusammenfließen.

Nehme auch die bedeutenden Streik- & Blockadeaktionen der Logistikknotenpunkte & des Lebensmittelgroßmarkts Rongis wahr, ohne direkt teilzunehmen.

Wie gesagt, ich schreibe laufend darüber (auf Dt.), wann immer ich Zeit habe, aus meiner Perspektive, sprunghaft, wobei auch die Reflexionen anderer einfließen. Ist keineswegs abgeschlossen, bisher auch noch Passagen auf Franz. Reinkopiert, damit sie mir nicht verloren gehen. Alles im Fluß - wie draußen unter meinem Fenster : )

Ich häng Dir das mal an. Wenn Du magst, kannst Du ja einen Ausschnitt, der Dir interessant erscheint, rausgreifen..."


ZitatVielleicht bin ich zu optimistisch, aber ich denke, wir sollten uns vertrauen.
(ein anonymer Gilet Jaune)


(...) Wenn die Regierung "Repräsentanten" empfangen will, dann nicht um unsere Wut und unsere Forderungen besser zu verstehen – sie will uns eingrenzen und unterkriegen! Genau wie sie es mit den Gewerkschaftsführungen macht, sucht sie Vermittler, Leute, mit denen sie verhandeln kann. Auf die sie Druck ausüben kann, um den Aufstand zu befrieden. Leute, die sie dann vereinnahmen und dazu bringen kann, die Bewegung zu spalten, um sie schließlich ad Acta legen zu können.
Bei all dem rechnet sie aber nicht mit der Kraft und der Intelligenz unserer Bewegung. Sie kapiert nicht, dass wir uns sehr wohl was überlegen, uns organisieren, unsere Aktionen weiterentwickeln, so dass sie ihr den Arsch ganz schön auf Grundeis gehen lassen und die Bewegung immer weiter wächst!(...)
Wir aus Commercy rufen euch daher auf, überall in Frankreich Basiskomitees zu bilden, die als regelmäßige Generalversammlungen funktionieren. Orte, an denen das Wort sich befreit, wo wir es wagen, uns auszudrücken, uns gegenseitig auszubilden und zu unterstützen. (...)
(aus dem ersten Aufruf der Gilets Jaunes von Commercy, einer 6000-Einwohner zählenden Kleinstadt, die bisher kaum jemand kannte)

,,Damals", Anfang Dezember, hatte ich keine Ahnung und vor allem, keine Ahnung, dass ich keine Ahnung hatte.
Meine herablassenden Vermutungen und Fragen z.B.: Warum sind diese Leute nicht längst organisiert, in Parteien, in Gewerkschaften oder Initiativen, um ihre sozialen Anliegen und Forderungen voranzubringen? Sind das Reaktionäre, die den Klimawandel für eine Fiktion halten? Womöglich Nationalist*innen, Rassist*innen, worauf einiges hindeutet: Berichte von rassistischen Übergriffen der Gilets Jaunes, in ihrer Mehrheit weiße Französinnen und Franzosen. Werden sie sich im Handumdrehen von Marine Le Pen oder Jean-Luc Melenchon vereinnahmen lassen?
Ich sah mir die u-tubes von den rassistischen Übergriffen durch GJ an und las die Berichte. Einzelfälle, aber sicher gibt's mehr davon, die nicht dokumentiert sind. Doch - es ist nichts Neues: Unter einigen hunderttausend Durchschnitts-Französinnen und -Franzosen (wie unter einer solchen Anzahl von Durchschnitts-Deutschen ...) hegt leider ein gewisser Prozentsatz rassistische Einstellungen. Das ist überhaupt nicht lustig, egal ob der Prozentsatz höher oder niedriger ist. Aber warum sollte es bei den Gilets Jaunes anders sein als bei allen anderen? Und was bei ihnen übrigens auch nicht anders ist: Ein gewisser Prozentsatz griff sofort zum Schutz der Angegriffenen ein und verurteilte den Rassismus. Laut einer Mitte Dezember von Le Monde veröffentlichten soziologischen Studie auf der Grundlage der Befragung von – allerdings nur – 166 Gilets Jaunes (mittels Fragebögen und Gesprächen bei deren Blockadeaktionen und Demos) zählen sich 5% von ihnen zur extremen Rechten, über die Hälfte zur Linken oder extremen Linken. (...)

Als ich am 8.12. ein paar Gelbwesten treffe, von denen eine die Trikolore dabei hat, frage ich sie, warum, in diesem Kontext. Sie und die anderen um sie herum antworten bereitwillig, ihr Protest richte sich nicht gegen Frankreich, es gehe ihnen um gleiche Rechte für alle in Frankreich. Dieser Bezug auf die Nation – er bleibt mir fremd, obwohl ich ihn natürlich ansatzweise kenne, weiß, dass er in Frankreich grundsätzlich ein anderer ist als z.B. in Deutschland. Eine französische Freundin, L., die schon lange in Berlin lebt, geht darauf in einer Mail ein, mit der eine Mail von mir an verschiedenen linke internationalistische Berliner Gruppen (s.u.) beantwortet. Letztere planten eine Kundgebung in Solidarität mit den Gilets Jaunes planten:
Ich spreche hier mal vor allem aus meiner Erfahrung als im Ausland-lebende-linke-wannabe-dekolonial-priotisierende-Französin. (...) Ich finde internationale Solidarität und Internationalität wichtig. Aber oft verlieren Bewegungen, aus dem "Ausland" gesehen, ihre Komplexität, werden auf ein paar plakative Parolen reduziert. (...)

(An einem der gelben Demo- und Aktions-Samstage in Paris scheint wenig los zu sein:)
Erleichtert gewahre ich unweit der alles überblickenden ,,Republik" (auf der Place de la République) einen Mann nebst Fahrrad, der eine gelbe Weste trägt und an dessen Rad ein T-shirt mit message angebracht ist. Strebe dorthin, begrüße ihn, frage, ob er hier demonstriere. Ja, tut er. Von dem Großen Spiel (auf demosphère angekündigt) weiß er nichts. Aber Leute seien vorhin aufgebrochen in Richtung ... da lang, deutet er an ... Er wartet auf andere, die demnächst mit der Metro eintreffen. Auf dem t-shirt steht in aufgenähten Lettern: Ich bin mittel. (?) Er meint, lächelt mit charmanten Grübchen, ich sei nicht die Erste, die das nicht kapiert. Er muss es alle Nase lang erklären: Also ... Charlie Hebdo ... je suis ...? – Ahh...: Ich bin Mittelschicht! Verstehe ... Ja, erläutert er, ich bin ganz normale Mittelschicht. Hab – noch – meinen Job. Meine Frau arbeitet auch, wir haben drei Kinder. Ganz normal. Aber, alles immer knapper, immer prekärer. Wir haben die Nase voll, es reicht! Und wir sind keine Rassisten, meine Frau ist schwarz. Er sagt das alles leichthin, weiterhin lächelnd. Das Wasser steht ihm nicht bis zum Hals, er ist nicht verbittert. Wir plaudern, ganz normal. Aber es ist überhaupt nicht normal, dass jemand wie er, der knapp 40-jährige Familienvater aus einem Vorort von Paris, und ich, die ich eigentlich nichts mit ihm zu tun habe, auf der Place de la République aufeinander zugehen, um uns politisch auszutauschen, um uns zu verständigen: Was ist los, was steht an? Warum bist du hier?
Unterdessen sind einige weitere Gilets Jaunes eingetroffen, wir verabschieden uns vorläufig, er fährt zu einer Gruppe, die sich am Sockel der ,,Republik", niedergelassen hat. Sie hören einer jüngeren Frau zu, die immer wieder auf ihr Smartphone schaut, während sie redet. Vermutlich verschafft sie sich und den anderen gerade einen Überblick darüber, was an anderen Orten in der Stadt läuft. Sie beraten sich, wo sie sich anschließen wollen.
(...)
Die Regierung, und nicht nur sie, fühlt sich bedroht: Wenn erst einmal, wie an diesem Tag ein junger Typ ganz in Schwarz (plus neongelbe Weste) und mit viel Demo- und Aktionserfahrung, eine Mutter aus einem der Übersee-Départements, die anderer (weißer) Leute Kinder hütet, während ihr Mann beim Mülllrecycling-Unternehmen schuftet, eine elegante Rentnerin, Ex-Lehrerin, ein Eisenbahner, Gewerkschafter von Sud-Solidaire – wenn die zusammen die Straße eingenommen haben (selbstverständlich ohne Genehmigung)!, wenn die dann auch noch lachend rufen: Steh auf, Belleville, erhebe dich! Und: Wem gehört die Straße? Wem? Wem? Wem? Uns! Uns! Uns! Und: Re-vo-lu-tion!!! Dann, ja dann ist durch all die Blockaden der GJ etwas in Fluss geraten, etwas entfesselt, etwas endlich durchbrochen, was uns alle bisher hat zögern und zaudern lassen. Was uns bisher trennte. Wir sind nur knapp hundert, immerhin hundert ganz Verschiedene, die wir die Rue de Belleville runter schlendern, mitten auf der Fahrbahn, und selbstbewusst den Verkehr stauen!
(...)
Am Abend treffen sich Gelbwesten (und andere) aus Montreuil und viele aus Paris, die von den Demos zurückkommen, um sich in La Parole Errante, einem selbstverwalteten und von Schließung bedrohten Zentrum, darüber zu beraten, wie wir der Polizeigewalt begegnen können.
In der großen Halle der Parole Errante, die ab 18 Uhr geöffnet ist, probiert einer die Anlage aus, andere machen sich an der Bar zu schaffen, und jemand hat ein großes Banner hinter der Bühne angebracht: in der Mitte das verschmitzt lächelnde Gesicht einer alten Bäuerin – so meine spontane Deutung, für die auch das Stichwort ländliche Welt spricht. Doch allmählich setze ich zusammen, worum es hier geht: Die Quartiers Populaires und die ländliche Welt – soziale und fiskale Gerechtigkeit. Und: Amnestie für alle, die revoltieren (Komitee Adama). Das Gesicht ist das von Zineb Redouane, 80 Jahre, getötet durch eine von der Polizei abgeschossene Granate. Gerechtigkeit für alle Opfer der Polizeigewalt. Auf einem kleineren Banner daneben: Gegen den Rassismus und die Polizeigewalt – Selbstverteidigung des Volkes, Paris – Banlieue.

Dieses Banner sehe ich seither immer wieder. Sicher wird es auch am 16.3. dabei sein bei der großen Demo gegen Rassismus und Polizeigewalt, ein Samstag, an dem auch die GJ wieder demonstrieren werden – falls Macron nicht bis dahin abgetreten ist und die Forderungen der GJ erfüllt sind... Außerdem wird in Paris gleichzeitig eine Demonstration der ökologischen Bewegungen stattfinden. Derzeit (Ende Feb./Anf. März) sind die Organisator*innen der drei Demos dabei, den Protest zusammenzuführen.

(An jenem Abend in Montreuil erfuhren wir von einem weiteren verletzten Demonstranten, Sebastien, einem Klempner aus der Banlieue, dem an diesem Tag in Paris drei Finger durch ein Polizeigeschoss weggerissen worden waren. Aus dem Aufruf zu einer Solidaritäts-Demo für Sébastien und seine Familie: )

Die zahlreichen Verletzten seit Beginn November und die Toten wie Zineb Redouane zeugen von der desaströsen Verbohrtheit der Regierung, die unbedingt daran festhält, die sozialen Ungleichheiten weiter zu verschärfen und die militarisierte Polizei gegen diejenigen einsetzt, die sich dagegen erheben.

In dem Aufruf wird an die Revolten der Banlieue von 2005 erinnert, die sich daran entzündet hatten, dass dort – wieder einmal – Jugendliche durch die Polizei zu Tode gekommen waren. Ich erinnere mich an die Berichterstattung damals, besonders in Deutschland: verständnislos bis verächtlich, garniert mit pseudo-wissenschaftlichem Bla-Bla über ,den Islam' ... ,kulturelle Unvereinbarkeiten' ... ,westliche Werte' etc. Ich erinnere mich, damals gelegentlich in der Banlieue gewesen zu sein – selbstverständlich nicht, um mich dieser urbane Wüste und ihren gefährlichen! Bewohner*innen auszusetzen oder sie zu besichtigen. Ich war mit anderen eingeladen, weil es um Palästina ging. Und ich erlebte damals, was ein Artikel von einem der Aktivisten des MRAP vor ein paar Jahren unter der Überschrift zutreffend beschrieb: Unsere Viertel sind keine politische Wüste.

Alle Regierungen, heißt es in dem Aufruf für Sébastien weiter, haben aus den Quartiers Populaires rechtlose Gebiete gemacht, nicht, weil das Recht dort nicht respektiert würde, sondern weil die, die dort leben, immer weniger Zugang zu den elementarsten Rechten haben.
Und, wie es seit ein paar Wochen für uns alle immer evidenter wird: Es ist der Regierung Macron – durch ihre unerbittliche Repression gegenüber den GJ – gelungen, erstmals in der Geschichte Frankreichs (wage ich mal zu behaupten) die Bewohner*innen der Banlieue, der ländlichen oder halb-ländlichen Regionen und auch die des Pariser Nordostens zusammenzuführen.
(...)"

Zum Aktuellen, wonach Du fragst (Anfang März):

ZitatNicht nur in Deutschland, auch in Frankreich weist die Berichterstattung gerne darauf hin, dass die Bewegung ,,abflaue". Sicher schaffen es weniger Menschen, jeden Samstag in Paris oder anderen größeren Städten in so großer Zahl auf die Straße zu gehen wie im November und Dezember letzten Jahres an manchen Samstagen. Immer weniger Menschen können es mit ihrem Alltag vereinbaren, jeden Samstag von außerhalb nach Paris zu fahren. Trotzdem war auch heute (2.3.) viel Gelb in Paris zu sehen. Im Übrigen habe ich den Eindruck, dass hier in Paris und vielleicht auch anderswo, die GJ lokal wachsen, neue Leute dazukommen, die sich auf einen dauerhaften Diskussions- und Mobilisierungsprozess einlassen. Das ist naturgemäß für ein gewisses oberflächliches Medieninteresse weniger von Belang. Ich weiß nicht, woher man so eine Aussage über die französische Bevölkerungsmehrheit nimmt, sie wolle ein Ende der Gelbwestenproteste. Mag sein, mag nicht sein.

Eine Freundin aus Marseille (linke Aktivistin und auch mit den GJ auf der Straße) erzählte mir, dass die Besetzung der Kreisverkehre, die sie Wochen lang zu Treffpunkten gemacht hatten, während sie den Verkehr blockierten oder verlangsamten, längst von der Polizei zerschlagen worden sind, desgleichen ihre Versammlungshütte in Marseille. Auch das registrieren die Medien als ,,Abflauen".

Zum Stichwort ,,Antisemitismus", das wiederum für die Medien und die Regierung sehr interessant ist: Am 16.2. (Akt XIV der GJ) wurde der bekannte französische Intellektuelle Alain Finkielkraut vor seiner Haustür von GJ, deren Demo gerade vorüberzog, als er auf die Straße trat, wüst beschimpft. Einzelne hatten ihn erkannt, und, soweit ich auf y-tubes nachvollziehen konnte, wurde ihm einerseits an den Kopf geworfen, dass er ein mieser Zionist sei, und Gott werde ihn bestrafen, anderseits, wörtlich: ,,Frankreich gehört uns!" (Ich war auch auf dieser Demo, allerdings nicht Zeugin dieses Vorfalls. Statt dessen fiel mir an jenem Samstag im Demo-Zug ein Mann mit Kipa auf, der eine gelbe Weste trug und die Trikolore.)

Es gibt nun viele in Frankreich, auch Jüdinnen und Juden, die die Wandlung Finkielkrauts von einem linken, universalistisch eingestellten Intellektuellen zu einem national-konservativen Verfechter der laicité (als Kampfbegriff gegen die französischen Muslime und den Islam) und der Politik Israels gegenüber den Palästinenser*innen – scharf kritisieren.

Ich habe bei den Filmaufnahmen deutlich die Rufe verschiedener Demonstrant*innen gehört, über die sich Finkielkraut in den Medien zu Recht empört und entsetzt äußerte. Es ist eindeutig antisemitisch, einem Juden zu sagen, dieses Land, welches auch immer, dessen Staatsbürger er ist, ,,gehört uns", (implizit) nicht ihm, und er soll abhauen. Es ehrt Finkielkraut, dass er kein Verfahren gegen diejenigen anstellen wollte, die ihn angegriffen haben. Doch der Staat hat ein solches eröffnet. Dabei geht es um das strafbare Vergehen der ,,öffentlichen Beschimpfung einer Person aufgrund ihrer Rasse oder Religion".

In den vergangenen Wochen gab es weitere eindeutige antisemitische Vorfälle, die aber nicht mit GJ in Verbindung zu bringen waren.
Die Regierung Macron und der CRIF (franz. Entsprechung zum dt. Zentralrat der Juden) nahmen den Vorfall Finkielkraut zum Anlass, die GJ pauschal als antisemitisch (rechtsradikal, faschistoid etc.) zu brandmarken und heuchelten öffentlich Empörung, die sie mit einer Demo auf der Place de la République inszenierten.

Michèle Sibony von der UJFP (franz. Schwesterorganisation der dt. Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost) schrieb dazu u.a.: Der Antisemitismus (und der Kampf dagegen) ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie denen überlassen könnte, die sich Tag für Tag damit beschäftigen, die Minoritäten zu stigmatisieren und zu unterdrücken. Damit meint sie die politischen Eliten, die Regierung, die rassistisch agierende Polizei. Sie wirft der Regierung Macron eine gefährliche Instrumentalisierung des tatsächlich vorhandenen Antisemitismus vor, um die eigene politische Agenda zu befördern. Weiter: Wir stellen uns all jenen entgegen, die den Raum mit dem Thema Antisemitismus ausfüllen. Die Disproportionalität, die er im Vergleich zu anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit einnimmt, ist empörend. Beispielsweise die Berichterstattung über die Anwürfe gegen Finkielkraut nehmen in den Medien einen Raum ein, wie er in keinem Vergleich zu der minimalen Aufmerksamkeit steht, die man beispielsweise den allzu häufigen gewaltsamen rassistischen Übergriffen widmet. Den Juden in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte zu stellen, sei gefährlich und immer schon die rechte antisemitische Agenda gewesen.

Die UJFP rief parallel zu der offiziellen Demonstration gegen Antisemitismus zusammen mit zahlreichen anderen antirassistischen und linken Organisationen zu einer eigenen Demo gegen Antisemitismus und seine Instrumentalisierung auf. Ein paar hundert Teilnehmer*innen kamen zusammen, darunter auch einige GJ. Einer von ihnen hatte sich den Button der UJFP an die gelbe Weste gesteckt.

Ich hatte ganz konkrete Fragen gestellt, da ich bei der in Deutschland herrschenden Berichterstattung Probleme habe, mir ein nur annähernd realistisches Bild von der Situation in Frankreich zu machen.

Hier haben wir zwar auch nur winzige Ausschnitte vom Geschehen und persönliche Einschätzungen, doch die sind von jemandem, der weiß, daß bessere Verhältnisse nur dann möglich sind, wenn die einfachen Menschen aufstehen und sie erkämpfen. Wir werden damit zu Zeugen einer Situation, in der genau das versucht wird.

Troll

Riesiges Dankeschön von mir!
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Tiefrot

Hänge auch ein dickes Danke drunter.
Hilft schon etwas, das Bild abzurunden.
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet Facebook ab !

Kuddel

ZitatFrankreich muss die Polizeigewalt gegen die «Gelbwesten» untersuchen lassen
Die Uno ist ob des Ausmasses der «Gelbwesten»-Proteste besorgt. Sie fordert Frankreich auf, Fälle von übermässiger Gewalt von Sicherheitskräften gegenüber Demonstranten untersuchen zu lassen.
https://www.nzz.ch/international/gelbwesten-proteste-uno-will-untersuchung-von-polizeigewalt-ld.1465067

counselor

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Ein Gelbwestenprotest auch am Sonntag?
Cool. In welcher Stadt ist das?

Troll

Gerade aus dem Chat gefischt:

À Besançon
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Kuddel

ZitatBesançon

Wow. Erinnere das Nest aus meiner Teenagerzeit als Hochburg des Arbeiterwiderstands. Da war die Uhrenfabrik LIP, die von den Arbeitern besetzt und militant verteidigt wurde. Sie haben vor der erwarteten Schließung viele Uhren für die Finanzierung ihres kommenden Widerstandes produziert und beiseite geschafft. Sie haben sich in der verbarrikadierten Fabrik damit eine weiteres Jahr Löhne auszahlen können. 



Die Kämpfe hinterlassen lange Schatten.

https://www.mao-projekt.de/INT/EU/F/Frankreich_Besancon_Lip.shtml

Ich halte die Gelbwestenbewegung für irre interessant und unglaublich bedeutend. Wir können viel davon lernen. Deshalb haben unsere Medien nichts anderes zu tun, als die Gilets Jaunes niederzumachen und stets von sinkender Beteiliigung zu berichten.


Kuddel

Ich hatte vorhin einen Teil des Gelbwestenprotests mit Algerischen Flaggen gesehen.
Bestandteil des Protests in Nordafrika.
Vorbildlich!

counselor

Bisher ist auch in Frankreich der Widerstand gegen die Ausbeuterordnung nach wenigen Wochen teils härterer Auseinandersetzung immer wieder zusammengebrochen. Bei den Gilet Jaunes ist das offensichtlich anders. Die kommen wieder, bis sich was ändert. Das ist ein Lernprozess, dass das Erkämpfen von Verbesserungen im Kapitalismus einen langen Atem und Beharrlichkeit braucht. Auch die Jugendbewegung "Fridays for Future" will demonstrieren, bis die Forderungen erfüllt sind. Das ist etwas Neues und in der Tat spannend.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Troll

ZitatTeilnehmerzahl bei ,,Gelbwesten"-Protesten auf Tiefststand
Welt und Spiegel
ZitatZahl der protestierenden Gelbwesten sinkt auf Tiefstand

Immerhin genug sind es noch für Tränengaseinsatz, vorhin Paris.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

counselor

Zitat von: Kuddel am 16:28:27 So. 10.März 2019Deshalb haben unsere Medien nichts anderes zu tun, als die Gilets Jaunes niederzumachen und stets von sinkender Beteiliigung zu berichten.
Die staatstragende Millionärspresse wird solch eine Basisbewegung niemals bejubeln; sie werden alles tun, um die Bewegung kleinzuschreiben. Inklusive Lügen, Halbwahrheiten und Diffamierungen.

Aber es ist gut, dass es in Frankreich gärt!
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

BGS

Zitat von: counselor am 19:25:31 So. 10.März 2019
Zitat von: Kuddel am 16:28:27 So. 10.März 2019Deshalb haben unsere Medien nichts anderes zu tun, als die Gilets Jaunes niederzumachen und stets von sinkender Beteiliigung zu berichten.
Die staatstragende Millionärspresse wird solch eine Basisbewegung niemals bejubeln; sie werden alles tun, um die Bewegung kleinzuschreiben. Inklusive Lügen, Halbwahrheiten und Diffamierungen.

Aber es ist gut, dass es in Frankreich gärt!

Sehr gut. In Skandinavien werden die "Gilets Jaunes" eher totgeschwiegen.

Man erfährt so gut wie nix. Uebrigens trat letzten Freitag die finnische Regierung zurueck (off topic).

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Kuddel

Es ist aber noch ordentlich Dampf in der Bewegung.

https://www.youtube.com/watch?v=Lh9H0eL1bOw
Selbst in Tourinestern wie Montpellier werden McDonaldsfilialen und Banken angegriffen.
Sehr schön.

Kuddel

Schwerpunkt: feministische Forderungen der Gelbwesten.


https://www.youtube.com/watch?v=asJJwY_-4ek

counselor

Zitat von: Kuddel am 20:50:12 So. 10.März 2019
Selbst in Tourinestern wie Montpellier werden McDonaldsfilialen und Banken angegriffen.
Da entlädt sich ordentlich die Wut der Ausgebeuteten auf das Großkapital.

Bevor man das Kapital enteignen kann, muß man den es schützenden Staatsapparat (Polizei, Militär und Geheimdienste) ausschalten. Soweit sind wir aber noch nicht.

Die Gilets Jaunes greifen zurecht die französische Regierung an. Ich hoffe, die Bewegung erreicht ihre Ziele.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Jo, sogar ein kleiner Hund in einer gelben Weste rebelliert mit.  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

CubanNecktie

Tourinestern? WTF? Aber ich glaube du meinst Touristenzentren, also da wo auch die High Society zu Hause ist?! Ich hoffe auch, dass die Erfolgreich sind. Aber meine Befürchtungen sind, dass dann sowas als Reaktion auch noch kommen wird, zB. man die alten EUROGENDFOR Pläne hervorholt. Deswegen träumt Macron auch von einer Demokratie-Polizei ... (nichts weiter als eine EU Gestapo).

https://www.heise.de/tp/features/Bald-EU-Aufstandsbekaempfung-bei-Generalstreiks-und-Schweinegrippe-3397546.html

Offtopic - warum finde ich nicht mehr alle alten CD Beiträge?
Vorstellungsgespräch bei einer Leihbude?
ZAF Fragebogen
Passwort: chefduzen.de

Kuddel

Ich meinte das, was ich sagte.
Frankreich ist total zentralistisch und die Politik scheint nur in der Hauptstadt stattzufinden.
Auch die deutsche Presse berichtet nahezu auschließlich aus Paris, was gerade in Bezug auf die Gelbwesten völlig idiotisch ist. Die Gelbwestenbewegung hat erstmals die Menschen in der Provinz politisiert und Kämpfe in den Banlieus, Kleinstädten und auf dem Land zusammengebracht. Ich finde deshalb die Orte, die man hierzulande nicht aus der politischen Berichterstattung, sondern aus eher aus Reiseführern kennt, weitaus wichtiger, als die Berichte der Mainstreampresse aus der Hauptstadt, wie "Zahl der protestierenden Gelbwesten sinkt auf Tiefstand" (Spiegel).

counselor

Die Millionärspresse hebt immer einseitig auf die Quantität, also die Beteiligungszahlen, von sozialen Bewegungen ab und läßt die Qualität völlig außen vor. Dabei ist Qualität, also das politische Bewußtsein der Teilnehmer, mindestens genauso wichtig. Und ich denke, dass das politische Bewußtsein der Gelbwesten in punkto Antikapitalismus relativ hoch ist. Und das macht die Gelbwesten für die herrschende Klasse gefährlich.

Und was die Quantität der Teilnehmer angeht: Nicht jeder, der die Ziele der Bewegung teilt, geht auch auf die Straße.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Rudolf Rocker

ZitatAuch die deutsche Presse berichtet nahezu auschließlich aus Paris, was gerade in Bezug auf die Gelbwesten völlig idiotisch ist
Die ganzen Medienagenturen und Fernsehsender haben ihren Sitz in Paris und berichten über das, was da vor der Haustür los ist. Mal einen Praktikanten auf´s Land schicken ist wohl nicht mehr drinn! Budget zu klein, keine Zeit? Ich weiß es nicht!
Den Protest zu dezentralisieren macht Sinn. Alleine schon, weil es mit hohen Kosten verbunden ist, jedes Wochenende nach Paris zu gurken. Wer von uns könnte sich das leisten, jedes Wochenende zu einer Demo nach Berlin zu fahren? Da würden wir die Proteste auch besser auf mehrere Städte verteilen.

counselor

Ich halte wiederkehrende dezentrale Demos für viel wirkungsvoller, als einmal eine riesige zentrale Demo (die dann nie wieder stattfindet) durchzuführen. Widerstand muss überall, also auch kleinen Städten, koordiniert und langfristig stattfinden, um wirkungsvoll zu sein.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Ich finde die Gelbwestenproteste superspannend, egal was unsere Drecksmedien dazu sagen mögen.

Zitat von: counselor am 21:20:58 So. 10.März 2019
Ich hoffe, die Bewegung erreicht ihre Ziele.

Klar hoffe ich das auch, aber ich zweifle daran.
Das finde ich aber auch nicht so wild. Das zentrale Ziel der Gelbwesten ist der Rücktritt Macrons. Das dürfte zur Zeit schwer hinzukriegen sein.

Aber selbst wenn die Bewegung zerfallen und das neoliberale Arschloch Präsident bleiben sollte, haben die Gilets Jaunes die Karten im Spiel der Kräfte neu gemischt und die Koordinaten der politischen Verhältnisse verschoben. Macron hat nun gefordert, eine soziale Grundsicherung einzuführen, die Arbeitnehmern "gleiche Bezahlung am gleichen Arbeitsplatz und einen an jedes Land angepassten und jedes Jahr gemeinsam neu verhandelten europaweiten Mindestlohn gewährleistet". Das gehörte nicht zu seinen ursrpünglichen politischen Plänen, ganz im Gegenteil. Es ist sein Versuch, den schwelenden Flächenbrand im Land zu befrieden. Da sieht man, wieviel Macht auch die politisch unerfahren Menschen haben, wenn sie zusammenkommen, ihrer Wut Ausdruck verleihen, Banken angreifen, Verkehrswege, Handelsknotenpunkte und Produktionstätten blockieren und trotz aller Polizeigewalt und Diffamierungen durch die Medien nicht klein beigeben, sondern wiederkommen. Sie haben damit massiv Einfluß auf die politische Diskussion Europas gernommen. Deutschland und Österreich gehen politisch gerade völlig ab, weil Macron sich zu den Forderungen nach einem europäischen Mindestlohn und gleichem Lohn für gleiche Arbeit hat zwingen lassen. Das haben die Gelbwesten bewirkt ohne eine politische Partei gegründet zu haben, ohne jemanden im Parlament sitzen zu haben, ohne Führer, zentrale Sprecher und Stars. Medienliebling Ingrid Levavasseur hat nach ausgiebiger Kritik aus der Bewegung ihre Kanditatur zurückgezogen.

Wir können noch viel von der Bewegung lernen.

Ein der größten Überraschungen war wohl die, daß die politisch nie wahrgenommene Menschen auf dem Lande, in der tiefsten Provinz sich politisieren und aktiv werden konnten. Es gab viele neue Schulterschlüsse, die Abgehängten vom Lande, die Migranten der Vorstädte und die durch Mietpreisexplosion verarmten Bewohner der Innenstädte tragen gemeinsam ihre Wut auf die Straße.



Mir fällt auf, daß hierzulande die Menschen fast noch mehr an ihrer Vereinzelung und Vereinsamung leiden, als an der Verarmung. Die Verhältnisse lösen die menschlichen Gemeinschaften und Verbindungen auf und hinterlassen Individuen als psychische Wracks.

Ein paar Gedanken aus einem ZEIT-Artikel sind für mich zitierenswert:
ZitatAls jugendlicher Schulabbrecher tingelte er ein paar Monate durch Indien, arbeitete auf Baustellen und kaufte schließlich ein Bergrestaurant in den französischen Alpen. "Damals konnten wir alles ausprobieren. Die heutigen Jugendlichen sind nur noch gestresst."(...)
Sie seien an den "Quatsch in den Supermärkten" gewöhnt worden, deshalb komme er gerade eben so über die Runden. Dieses Gefühl, von der Gesellschaft enttäuscht und vom Staat verlassen worden zu sein, ist ein typisch französisches. "Ich bin ein Einzelgänger, der andere Menschen braucht", sagt er. 
Zitat"Früher wurde mehr gefeiert", sagt Giardina und stimmt ein viel gesungenes Lied an: darüber, wie früher karaffenweise Wein in jeder Mittagskantine getrunken wurde, die Menschen mehr zusammenhielten, mehr zusammensaßen.
ZitatSie meint, die Aufständischen seien vor allem einsam. "Vorher saßen sie traurig zu Hause, jetzt stehen sie zusammen am Kreisverkehr und trinken Kaffee", sagt sie. (...)Tatsächlich gibt es seit Ausbruch der Proteste ein Thema, das im Reden mit und über die Gelbwesten immer wiederkehrt: das neue Gemeinschaftsgefühl. Viele Demonstrierende erzählen, wie sehr sie ihre neuen Freunde am Kreisverkehr oder auf der Samstagsdemo schätzen. Sie entwickeln Gruppentänze am Kreisel, chatten nächtelang über Facebook und nicken allen Menschen mit Warnweste freundlich zu. Die Bewegung ist für viele das Erleben von Solidarität.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/gelbwesten-frankreich-wut-demonstranten-sexologin-einsamkeit/komplettansicht


Besonders beeindruckend finde ich weiterhin, daß es sich um eine führerlose Bewegung handelt. Ähnlich scheint es bei den momentanen Massenprotesten in Osteuropa und Nordafrika zu sein. Ich hörte in mehreren Medien Kommentaren, man halte das für besonders bedrohlich.
Das will ich auch hoffen!

Kuddel

ZitatIch halte wiederkehrende dezentrale Demos für viel wirkungsvoller, als einmal eine riesige zentrale Demo (die dann nie wieder stattfindet) durchzuführen. Widerstand muss überall, also auch kleinen Städten, koordiniert und langfristig stattfinden, um wirkungsvoll zu sein.

Ganz deiner Meinung!

Das hatten Aktivisten bereits in den 80er Jahren in die Diskussion gebracht und auch belegt, daß die wöchentlichen "Sonntagsspaziergänge" zum Bauzaun der Startbahn West (Flughafen Frankfurt) mit wenigen hundert Teilnehmern mehr bewirken, als zentrale Großdemos mit mehreren Zehntausend Demonstranten, denn diese Großereignisse hinterlassen erschöpfte Organisatoren, die die Kontinuität ihrer Arbeit nicht aufrecht erhalten können. Das bewahrheitete sich wieder und wieder, doch diese Diskussion wurde nicht weiterverfolgt.

Hamburg G20. Anti Acta Proteste. Riesendemos. Danach der große Katzenjammer. Bestenfalls noch kontinuierliche Antirepressionsarbeit, zu der man gezwungen wurde.


Rudolf Rocker

ZitatHamburg G20. Anti Acta Proteste. Riesendemos. Danach der große Katzenjammer. Bestenfalls noch kontinuierliche Antirepressionsarbeit, zu der man gezwungen wurde.
Ich halte dezentrale Aktionen auch für wirkungsvoller. Andererseits gibt es Demos, die nunmal an den Orten stattfinden, an denen sie besonderen Symbolcharakter haben.
Der G20 Protest in HH fand in HH statt, weil das der Ort war, an dem das Treffen stattfand. Die Proteste am Hambacher Forst fanden dort statt, weil es um den Hambacher Forst ging.

Beim Protest der GJ geht es ja nicht um bestimmte Orte oder Projekte, sondern um grundlegende Fragen. Kann man nicht so wirklich vergleichen das Ganze.
Nebenbei: Ohne die "Scherbendemos" in Paris hätten die GJ wohl nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie heute haben, wenn sie von Anfang an nur in der Provinz agiert hätten.
Die Mischung macht´s eben!

Kuddel

Die Bewegung in Frankreich ist nicht einheitlich. Wir sollten nicht alles glorifizieren, einiges ist widersprüchlich, anderes auch scheiße. Insgesamt finde ich die Bewegung der Gilets Jaunes sehr inspirierend. Es ist eine soziale Erhebung, die dort entstanden ist, wo man sie am wenigsten erwartet hat. Es sind die rechten Tendenzen in der Bewegung zurückgedrängt worden, doch nicht verschwunden.

ZitatAuch die ,,Gelbwesten" sind vom Thema Polizeigewalt betroffen. Seit Jahren wird dieses Thema in der Öffentlichkeit allerdings besonders durch Einwohner/inne/n von Trabantenstädten mit ,,sozialen Brennpunkten" sowie Migrantenfamilien in der französischen Öffentlichkeit aufgegriffen.

Die ,,Gelben Westen" selbst sind drei Monaten selbst mit massiver Polizeigewalt konfrontiert. Ausschlaggebend dafür sind sicherlich drei Faktoren: Erstens sind alle sozialen Bewegungen seit dem Herbst 2015/Frühjahr 2016 in Frankreich damit konfrontiert, dass der infolge der mörderischen djihadistischen Attentate vom 13. November 2015 verhängte (und in der damaligen Form noch bis November 2017 geltende) Ausnahmezustand die Polizeipraktiken und polizeilichen Mentalitäten verändert hat. Die ,,Ordnungskräfte" fühlen sich seitdem mit einer nie dagewesenen Legitimität ,,im Namen der Nation" und ihres Schutzbedürfnisses ausgestattet, während zugleich auch Stress und Druck auf viele Polizeibedienstete selbst zugenommen haben – die ersten Monate nach dem 13. November 15 waren bei der Polizei durch massenhafte Urlaubssperren geprägt. ,,Als Ausgleich" (sozusagen) hat die Regierungspolitik den Polizeikräfte weitgehend carte blanche gewährt, was Übergriffe und Exzesse im Dienst betrifft. Dadurch wurden etwa die Klimapolitik-Demonstrationen Ende November 2015 und die ersten Proteste gegen die damals angekündigte, inzwischen in Kraft getretene Arbeitsrecht-Novelle (la Loi Travail) mit einem sehr offensiven Vorgehen der Polizei konfrontiert. Deren Apparat begann damals, Proteste mit repressiven Mitteln als ,,ordnungspolitisches Problem" zu händeln, während zuvor bei Demonstrationen mit Unterstützung etwa durch etablierte Gewerkschaften starke Zurückhaltung geübt wurde.

Nach neuesten vorliegenden Zahlen wurden seit Beginn der ,,Gelbwesten"-Proteste am 17. November 18 und bis vor kurzem über 13.000 Hartgummigeschosse abgefeuert. Dies bedeutet, dass im Durchschnitt pro Protest-Samstag rund 900 mal aus dieser ,,Defensivwaffe" geschossen wurde.

Dennoch stellt sich nunmehr die – bislang offene – Frage, ob die Mobilisierung am kommenden Samstag (16. März 19) zum Erfolg werden kann.

Politisch Irre am Werk


Ein leider nötiges Schlusswort: Nach wie vor mangelt es auch nicht an Quartalsirren, Vollverstrahlten und politisch Verrückten, welche in dieser Bewegung mitschwimmen. So hielten einige Leute es am Rande einer in der Nacht stattfindenden Demonstration von ,,Gelbwesten" im südwestfranzösischen Tarbes in der Nacht vom 09. zum 10. März d.J. für angezeigt, einen ,,Tempel" – eine Kultstätte – von Freimaurern zu attackieren und dort Sachbeschädigungen anzurichten.
http://www.labournet.de/?p=145649

ManOfConstantSorrow

Die Gedanken der Wildcat über die Gilets Jaunes haben mich beeindruckt.
Ein langer Text, aber auch die beste Einschätzung, die ich kenne.

https://www.wildcat-www.de/wildcat/103/w103_gilets.html

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Der heutige Tag gilt als entscheidender Tag, wie es mit der Gelbwestenbewegung weitergeht.



Die Gelbwesten haben den Mund recht voll genommen:
Für den heutigen Samstag, den 16. März wurde eine ,,frankreichweiten Mobilmachung" zu einem Zentralprotest in Paris aufgerufen. Selbiger steht unter dem Motto ,,Ultimatum an Macron". Funktioniert die Mobilmachung?

Youtube zeigt reichtlich zertrümmerte Schaufenster an der Champs Elysee. Im Youtube Chat von RT Deutsch tobt der deutsche faschistische Mob.

https://www.youtube.com/watch?v=jo9EFkB4Vjw

Der Staat wütet mit seinen "Odnungshütern" gegen die aufgebrachte Bevölkerung.



Die Bilder der zertrümmerten Luxusläden in der so symbolischen Prachtstraße der französichen Hauptstadt erschrecken mich nicht. Sie geben mir Hoffnung.

Sie zeigen, daß die Treffpunkte der Reichschweine und die Tempel des Konsums nicht länger sicher sind.

Wunderbar!

Kuddel

RT Deutsch ist ziemlich widerlich.
In den letzten Wochen wurde im Chat stets dazu aufgerufen Juden zu töten.

Jetzt wird es selbst den Kacksender zuviel.
Der Chat wurde gerade geschlossen.

Kuddel

ZitatAm Vormittag hatte [der franzsösiche Innenminster] Castaner erklärt, dass sich professionelle Randalierer unter die Demonstranten gemischt hätten.

Frage: Wo kann man diesen Beruf erlernen? Woher kriegt man den Lohn?

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