17.10. (ein Tag vor der Leiharbeitsveranstaltung) Werbung für die Veranstaltung im Stadtteil


Gröpelingen hat einen hohen Migrantenanteil und gehört zu den Stadtteilen mit der ärmsten Bevölkerung Deutschlands.

Ein Ort diverser sozialer und politischer Auseinandersetzungen

Auch die Faschisten versuchen dort einen Fuß in die Tür zu kriegen.

Die Einladungsflyer gingen weg wie geschnitten Brot, zu 90% an Migranten, jeder 3. oder 4. mit afrikanischem Hintergrund.
Die Stimmung war super! Die Leute hatten einen Mordsbrass auf die Jobbedingungen.

Wir hatten viele Gespräche mit den Passanten. Als wir das "Leiharbeit ist Scheiße" ausrollten, wurden wir mit lautem Hallo von 2 jüngeren Afrikanern empfangen, die uns bei dem Aufhängen der Transparente halfen. Sie erzählten von ihren Erfahrungen in der Leiharbeit, auch einer kurzen Phase einer besseren, aber befristeten Anstellung und waren richtig am Abkotzen. Sie versprachen, zur Veranstaltung zu kommen.
Alle Straßendiskussionen waren astrein. Die einzige Ausnahme war ein Deutscher, ein echter Vollpfosten. Der war selbst Leiharbeiter, fand die Leiharbeit aber ganz toll. Er war der Meinung, es sei alles Verhandlungssache. Er könnte für sich immer ganz tolle Arbeitsbedingungen aushandeln, so ein genialer Verhandler war er.
18.10. (Die Leiharbeitsveranstaltung) Es sind ein Dutzend Leute gekommen. Weniger als erhofft, doch es war ok.
Die große Mehrheit war migrantisch. Die Afrikaner sind leider nicht gekommen. Vielleicht die Hälfte waren selbst Leiharbeiter/leiharbeitsgeschädigt. Die anderen interessierten sich allgemein für Erfahrungen aus der Arbeitswelt und Möglichkeiten sich zu wehren.
Es gab viele Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen. Auch dort halfen sich einige gegenseitig beim sprachlichen Verständnis von Vortrag und Film(en). Bei der Diskussion fand man kein Ende. Mir fiel auf, daß man bei Migranten ein ausgeprägteres Klassenbewußtsein findet und bei einigen auch ein klareres politisches Grundwissen, als bei deutschen Malochern. Ein iranischstämmiger Taxifahrer wies darauf hin, daß wir uns nicht auf die Leiharbeit allein einschießen sollten. Es gibt so viele andere Formen mieser Jobs, doch auch die sogenannte "gute Arbeit" als Stammbeschäftigter sei letztendlich auch nur Lohnsklaverei und zu bekämpfen. Wir sollten nicht vergessen, die verschiedenen Bereiche der Ausbeutung zusammenbringen.
Die Stimmung bei der Veranstaltung war, ebenso wie auf der Straße, ganz klar, was Leiharbeit für eine Pest ist und daß es insbesondere für Migranten keine Alternative gibt. Man einigte sich schnell darauf, daß "
Leiharbeit abschaffen" eine bessere Forderung ist, als "Leiharbeit verbessern". Es ging noch ein wenig hin und her, welches Interesse das Kapital an der "Arbeitnehmerüberlassung" hat, selbst wenn sie teurer ist, als die Stammbeschäftigten. Schließlich kriegt ein Leiharbeiter in Frankreich den Lohn eines Stammbeschäftigten + 10%. Dann hat die Leihbude Verwaltungskosten und will auch noch einen Profit für die eigene Tasche erwirtschaften. Man will die Beschäftigen spalten und gegeneinander ausspielen. Das läßt man sich schon einiges kosten. Auch die Stammbeschäftigten werden unter Druck gesetzt damit, daß man die Beschäftigenzahl stets den momentanen wirtschaftlichen Anforderungen anpassen kann (man also ständig 100% Arbeitsleistung bringen muß), man aber gleichzeitig viele Kollegen kaum richtig kennt.
Es kamen viele Geschichten, Fragen, Anekdoten und Beispiele. Auch Beispiele von erfolgreichen Kämpfen. Aber viele der Voraussetzungen paßten nicht auf die jeweils eigene Situation. Die Frage, wie man sich trotzdem wehren kann, stand weiter im Raum. Bis der Vorschlag kam, man könnte, gerade bei Auftragsspitzen, wenn es im Betrieb besonders eng ist, sich mit Kollegen verabreden und sich gemeinsam krankschreiben lassen. Schließlich ist es bewiesen, daß Leiharbeit krank macht. Es ging ein zustimmendes Raunen und Nicken durch die Reihen. Diese Idee schien jeden anzusprechen.
Die Veranstaltung und Diskussion war erst nach gut zweieinhalb Stunden beendet. Man hatte das Gefühl, ein wenig besser die Situation zu verstehen und daß Leiharbeit nicht nur jeweils ein individuelles "Schicksal" ist. Es ist eine recht kampfeslustige Stimmung entstanden. Daran gilt es anzuknüpfen.
19.10. (Treffen der Stadtteilgewerkschaft am gleichen Ort)Es wurde diskutiert, wie man die verschiedenen Aktionen, Auseinandersetzungen und Kämpfe denn im Stadtteil zusammenbringen kann. Z.B. die Mieterkämpfe mit möglichen Arbeitskämpfen. Es wurde entschieden, an dem Ort, an dem wir mit Transparenten und Flyern die Leihsklavenveranstaltung beworben haben, demnächst eine gemeinsame Aktion zu machen, mit mehr Beteiligten, mit Infotisch und Bannern zu Mieterprotesten und zum Kampf gegen Leiharbeit. Mit Anlage, Musik und Redebeiträgen.
Mit etwas Verspätung gesellte sich ein junger deutscher Leiharbeiter, der von der Veranstaltung am Vortag wohl recht angetan war, mit hinzu. Er hatte noch einen Kumpel mitgebracht. Die beiden sind auch auf der Suche nach Möglichkeiten sich zu wehren und nach Mitstreitern. Sie hatten schon recht klare Vorstellungen und eine gute Portion Wut. Mal sehen, ob sich auch daraus noch etwas entwickelt.
Es ging auch noch um ein neues Flugblatt, das vor Logistikunternehmen verteilt werden soll.
Damit lasse ich es erstmal gut sein, obwohl bei dem Treffen noch vieles anderes diskutiert worden ist.