Wir zogen weiter durch den Stadtteil, um unsere Flyer zu verteilen.
Dann ließen wir uns vor dem Infoladen
Li(e)ber anders nieder, auf den es vor ein paar Monaten einen Brandanschlag von Nazis gegeben hat.
https://www.antifa-kiel.org/2018/12/19/brandanschlag-auf-linkes-projekt-lieberanders-in-kiel-gaarden/Es war ordentlich was zu Futtern aufgebaut.

Gaarden ist ein Stadtteil, in dem man auch jede Form der Idiotie findet. So tauchte ein opelfahrender Nachbar auf, der unbedingt da parken wollte, wo in Info- und Essenstische standen.

Es kam zu Pöbeleien und er fuhr jemanden langsam an, der sich in den Weg stellte.
Ich versuchte auch mit ihm zu reden und ich wurde gleicht mit einem finsteren Weltbild konfrontiert. "Das sind doch die Leute, die die Ausländer herholen." Ich fragte, ob er Rassist sei. Er hielt es für einen Beweis keiner zu sein, weil er seinen Kaffee immer beim Türken trinkt. Dann ging es um die Flüchtlinge, "die in Wirklichkeit keine sind". Ich fragte, wo das Problem sei. Er: "Ich zahle Steuern. Die nicht." Aha. Er rief die Bullen an. "Das hier ist die Antifa. Die steht im Weg."

Irgendwann kam ein Streifenwagen. Der fuhr vorbei ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren oder das Fenster herunterzulassen. Er drückte auf Wahlwiederholung und versuchte nochmal der Behörde zu erklären, daß die Antifa ihn davon abhält zu parken. Sie hatte aber wenig Interesse, sich um den Irren zu kümmern, der sich für einen rechtschaffenden Bürger hielt.

Es war ordentlich was los.


Ein Konzert im Hinterhof


Wir zogen weiter durch den Stadtteil, verteilten Flyer und quatschten mit den Leuten.

In der Künstlerszene, bei den Musikern, egal ob mit Dreadlocks oder schwarzrotem Stern am Revers kamen wir denkbar schlecht an. Sie fühlten sich persönlich angegriffen, weil wir sagten, daß die Kulturrotation niemand braucht. Sie freuten sich, endlich eine Spielwiese zu haben, auf der sie sich austoben können. Ihnen war es scheißegal, von wem es organisiert oder warum durchgezogen wurde. Egal wie alternativ, politisch bewußt oder "links" sie sich fühlen, sie ließen sich von Stadt, Bundesregierung und Spekulanten einspannen, doch sie interessierten sich allein für ihren Fun-Faktor bei der Sache. Sie werden die ersten Opfer der Gentrifizierung sein. Soll man dann mit ihnen solidarisch sein?
Aber unsere Flugblätter wurden auch von einfachen Leuten mit gemischten Gefühlen gesehen. Es war nicht allein das Problem, daß viele nichts mit dem Wort "Gentrifizierung" anfangen konnten, sondern es war der Aufbau des Flugblatts selbst. Erst am Ende stand, "Es spricht nichts dagegen, dass überall Konzerte und andere Kulturveranstaltungen stattfinden, zumal sie auch noch kostenfrei sind." Doch bereits in der Überschrift stand "Kulturrotation, die niemand braucht".
Die Leute haben ein zumeist tristes Leben und genossen es, daß an allen Ecken Remmidemmi war, günstiges, teilweise kostenloses Essen, billiges Bier, Rock, Hiphop und Punk in der Eckkneipe, im Obdachlosentreff und an der Straßenecke, jede Menge feiernde Leute und kaum Autos auf der Straße. Und damit sahen sie uns als Spaßbremsen, die ihnen dieses kostenlose Vergnügen nicht gönnten.
Das Konzept der Gaarden hoch 10 Arschlöcher ist zu 100% aufgegangen. Sie machten den verrufenen Stadtteil attraktiv. Die Menschen auf der Straße waren größtenteils keine Gaardener. Sie kamen nicht nur in Scharen aus den anderen Stadtteilen, sondern auch aus dem gesamten Umland. Alles, was sich irgendwie alternativ und subkulturell fühlte, ist dort aufgetaucht. Auch eine aufgeklärte, kulturbeflissene Mittelschicht war da. Ja, Gaarden kann so bunt und lebendig sein. Ach, wat is dat doch schön.
Unser Konzept war weniger erfolgreich. Die zahllosen Gespräche waren super, doch mit dem Flugi kamen wir komisch rüber.