1. Mai in Kiel

Begonnen von Kuddel, 22:04:21 Di. 01.Mai 2018

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Kuddel

Ein Ei für die Polizei

Hundert Jahre ist's her, da haben rebellierende Soldaten und Arbeiter den Krieg beendet und die Monarchie gestürzt.
Der DGB hat sich besonderes ausgedacht in just diesem Jahr.

Ein Erlebnisbericht

Es herrschte absolutes Scheißwetter. Wind und Regen.
Trotz allem war die Demo sehr gut besucht. Angenehm fand ich, daß die verschiedene Organisationen und Fraktionen sich nicht strikt in Blöcken versammelten, sondern sie sich in dem Zug mischten. Laute Parolen der Internationalen Solidarität. Es war wirklich bunt gemischt, türkische und kurdische Organisationen, Gewerkschaften und Antifa, linke Sekten und Parteien, Grüne, SPD, Linkspartei, Piraten und "die Partei", wobei mich wundert, was SPD und Grüne auf einer Maidemo verloren haben und wieso die sich überhaupt noch auf die Straße trauen. Es wurde dort auch folgendes Flugblatt verteilt:

Zitat
Vor 100 Jahren: Revolution in Kiel
Heute: Sozialpartnerschaft und Wurstbude

Der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung wurde oft mit grausamer Gewalt beantwortet. 1886 rief die nordamerikanische Arbeiterbewegung zur Durchsetzung des Achtstundentags zum Generalstreik am 1. Mai auf. An dem Streik beteiligten sich nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Die Situation bei Kundgebungen in Chicago eskalierte und in Auseinandersetzungen mit der Polizei gab es zahlreiche Tote. Vier Streikführer wurden wurden gehenkt. Der 1.Mai soll als Kampftag an diese Auseinandersetzungen erinnern.

Die Befehlsverweigerung einiger Schiffsbesatzungen läutenden den Anfang des Endes des 1. Weltkriegs und der Monarchie ein. In Kiel hatte es auch häufig Arbeiterunruhen gegeben. Arbeiter agitierten für einen Streik zur schnelleren Durchsetzung des Friedens. Es wurden Soldatenräte gebildet und ein Arbeiterrat. Der Sozialdemokrat Noske wurde von der Regierung als Gouverneur nach Kiel gesandt, um den Matrosenaufstand beizulegen. Noske war danach als Volksbeauftragter für Heer und Marine auch verantwortlich für die Niederschlagung des Januaraufstandes 1919 (Spartakusaufstand), bei der auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden.

Der faschistischen Machtübernahme in Deutschland folgte die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der Verfolgung ihrer Aktivisten, ihre Internierung in Konzentrationslagern und oftmals ihre Ermordung. Hitler vereinnahmte den 1.Mai, den weltweit gefeierten Kampftag des Arbeiters und benannte ihn in den ,,Tag der Arbeit" um. Es ist unerträglich, daß der DGB weiterhin vom ,,Tag der Arbeit" spricht.

Es ist bisher nicht gelungen, den Kapitalismus zu überwinden. Die Folgen sind wachsende Umweltzerstörung, eine immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, antidemokratische Tendenzen, der Ausbau des Überwachungsstaats, Aufrüstung und kriegerische Auseinandersetzungen.

Die Arbeitswelt wird immer grausamer. Arbeitsverhältnisse mit vernünftigen und gesicherten Bedingungen werden immer seltener. Leiharbeit, Werkverträge und weitere Formen prekärer Arbeit  werden zur Normalität. Die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsdruck steigen an mit der Folge einer explosiven Ausbreitung psychischer und anderer Erkrankungen. Es gibt täglich weltweit 6.300 Tote durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (nur die registrierten Fälle), das sind weit mehr Opfer, als durch alle kriegerischen Auseinandersetzungen zusammen.  Es gibt auch Tendenzen zu härterer Repression gegen Arbeitskämpfe und soziale Proteste.

In Bremen wurde von Gewerkschaftern die Forderung ,,Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung. Der 1. Mai ist unser Tag" aufgestellt und damit begründet, dass die GdP  ,,den hundertfachen Rechtsbruch durch die Staatsorgane während des G 20-Gipfels" verteidige und ,,für die massive militärische Aufrüstung" der Polizei eintrete. Es müsse diskutiert werden, ob die Polizei überhaupt im DGB bleiben dürfe. Denn Polizisten seien keine Arbeitnehmer, sondern Befehlsempfänger: ,,Im Zweifelsfall werden GdP-Polizisten genauso den Knüppel gegen Gewerkschafter schwingen wie andere."

Wir schließen uns dieser Forderung an und sind entsetzt darüber, daß der DGB den Interessen der einfachen Menschen mit und ohne Arbeit mißachtet. Die Agenda 2010 mitsamt Hartz IV wird vom DGB mitgetragen, je mehr die DGB Gewerkschaften die Leiharbeit ,,fair gestalten" wollen, desto mehr breitet sich die Pest der prekären Arbeit aus. In diese traurigen Beispiele reiht sich auch der Schulterschluß des Kieler DGB mit den Lobbyisten des Flughafens Holtenau. Mit dem Arbeitsplätzeargument haben DGB Gewerkschaften auch Rüstungsexporte gerechtfertigt.

Für die Gegenwehr gegen die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingen brauchen die Ausgebeuteten Mut und Zusammenhalt und keine gewerkschaftlichen Co-Manager in der Wirtschaft und keinen Polizeisprecher auf der Maidemo.

ZitatDas ,,Forum der Ausgebeuteten" www.chefeduzen.de gibt die Möglichkeit sich über Probleme mit Job, Vermietern, Behörden und anderes auszutauschen. Am jeweils ersten Donnerstag des Monats findet in der Bambule (Kiel Gaarden) ab 19°° der Stammtisch der Ausgebeuteten statt, das nächste Mal am 3.Mai.

V.i.S.d.P.: Claudia Scholl, Schweffelstr.6., 24118 Kiel


Das Gewerkschaftshaus war mit Roten Fahnen verziert.


Das hat es wohl die letzten 99 Jahre nicht mehr gegeben. DGB Chef Frank Hornschu machte einen auf norddeutsch volksnah, fing aber schnell an seinen Stolz auf die Wirtschaft zum Besten zu geben und daß die Arbeiter dies in ihrer harten Arbeit ermöglicht hätten. Natürlich dankte er den unterstützenden (sozialdemokratischen?) Politikern in Rauthaus, Landesregierung und Bundesregierung. Als er noch anfing sich vollends zum Wirtschaftslobbyisten zu machen, und den Pleiteflughafen Holtenau über den Grünen Klee lobte und sich über den Bau von Wohnraum lustig machte, ernte er Pfiffe. Daß ein solcher Typ es wagt, die Rote Fahne in die Hand zu nehmen, ist schon skurill:



Am Gewerkschaftshaus hingen schließlich jede Menge mehr. Ob die einen Schimmer davon haben, was diese Fahne symbolisiert?



Als er dann den Bullen Torsten Jäger als Hauptredner ankündigte, hatte ein Großteil der Demonstranten die Faxen dicke: Die Buhs und Pfiffe waren enorm.

Als dann Jäger selbst zu reden versuchte, war er kaum mehr zu verstehen.

Das lokale Schmierblatt beschrieb es so:
ZitatHauptredner Torsten Jäger, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, musste sich hingegen gegen lautstarke Buhrufe einer Gruppe von Demonstranten aus dem linken Lager zur Wehr setzen. Was wiederum andere 1.Mai-Teilnehmer auf den Plan rief, sodass es vorübergehen zu heftigen Diskussionen vor der Bühne kam.
http://www.kn-online.de/Kiel/1.Mai-Demonstration-in-Kiel-1500-Buerger-fordern-bessere-Arbeitsbedingungen

Es war sicherlich nicht allein eine "Gruppe von Demonstranten aus dem linken Lager" war, sondern ein erheblicher Teil der Demonstranten. Es stellten sich Leute mit einem Soldiarität für Afrin Transparent vor die Bühne und versperrte den Blick auf den Bullenredner. Als Gerwerkschaftordner und SPD Leute sie dort wegschubsen wollten, sprang ich dazwischen. Hatte dann einen IGM Ordner an der Wäsche, der von mir wissen wollte, wo ich arbeite und in welcher Gewerkschaft ich sei. Ich sagte, ich sei schon vor Jahren aus der IGM ausgetreten und wo ich arbeite, würde ihn nichts angehen. Er wollte, daß "ihr" doch lieber eine eigene Demo machen solltet, um "uns" nicht zu stören. Er sah "Linke" als "Ihr" und konnte sich scheinbar auch keine linken Gewerkschafter vorstellen. Der DGB sollte wohl seiner Meinung nach ungestört ein Familienfest mit Hüpfburg machen und die Linken könnten ihre komischen Proteste allein irgendwo durchziehen und dann könnte die Polizei die auch besser klarmachen.

Als Jäger einen billigen Trick versuchte und sich darauf berief, wie die Polizei aus dem Rechten Lager angefeindet wäre, die Buhrufer in eine Reihe mit den Rechten zu stellen, hallte ihm ein Sprechchor "Deutsche Polizisten - schützen die Faschisten" entgegen. Kurz vor Ende des Redebeitrags verfehlte ein Ei den Redner.

Schon wieder Streit mit dem IGM Ordner. Der wollte wissen, was "wir" auf "ihrem" 1. Mai machen würden. Er war der Meinung, der Tag würde dem DGB gehören. Ich sagte, das sei ein Tag der Arbeiterbewegung und der nicht einer Organisation.

Im Anschluß kam eine junge Rednerin von der NGG auf die Bühne. Ihre Rede war super. Sie griff auch DGB Chef Hoffmann und sein Lob für den Koalitonsvertrag an. Die NGG macht hier sowieso recht vernünftige Sachen im Hotel- und Gaststättenbereich.

Aus dem Kliníkbereich waren viele auf der Demo und die Rede von Krankenschwestern war ganz ok.
Eine Art Theaterstück von der DGB-Jugend war ziemlich mißlungen. Der Beitrag aus dem Bereich Post bis DHL Home Delivery war derart öde, daß ich nachhause ging.

Ich fand es gut, dort gewesen zu sein und es war beeindruckend, daß viel Mist vom DGB jede Menge Gegenwind bekam.
In meinen Augen ist es eine gute Strategie sich nicht in einen geschlossenen Demoblock zu begeben, sondern sich in die Gesamtdemo zu mischen um dort den Unmut auszudrücken. So ist es Polizei und Demoordner kaum möglich, gezielt gegen "Störer" vorzugehen. Überhaupt ist es ein Ausdruck dessen, daß es unsere Demo ist und wir es nicht der Minderheit der Funktionäre überlassen, den Gesamteindruck zu prägen.


tleary

Danke, Kuddel, daß wenigstens noch ein paar Bürger in diesem Land nicht die hohlen, teils nationalistisch geprägten Sprüche des DGB, unwidersprochen hinnehmen. In Nürnberg lief die 1. Mai-Demo unter dem nichtssagenden Motto: "Vielfalt, Solidarität, Gerechtigkeit". Damit hätte sich wohl sogar ein Arbeitgeberpräsident identifizieren und mitmarschieren können. Ich war jetzt selbst nicht dabei (zu weit weg), aber wenn ich die Spießer auf den Fotos der Nürnberger Nachrichten (http://www.nordbayern.de/region/nuernberg/raus-zum-1-mai-demonstranten-ziehen-durch-nurnberg-1.7540437?type=article&article=1.7538586&gallery=1.7540437&zoom=18&centerLat=49.4904742&centerLng=11.0986834&selectedType=Artikel&defaultDateRange=drei%20Monate&selectedDate=drei%20Monate) sehe und deren Plakate, kommt mir schon das kalte Kotzen.
Ein kurzer Auszug:

  • "Wir, bei der Stadt Nürnberg" (Transparent des Öffentlichen Diensts)
  • "Willkommen zum 1. Mai Nürnberg"
  • Ein "gesperrt für Fahrzeuge aller Art"-Verkehrsschild mit der Beschriftung "28h rechtzeitig einschalten" (weiß der Teufel, was das bedeuten soll)
  • "Biergarten"
  • ein roter DGB-Luftballon, ohne irgendeine sonstige Botschaft
  • EVG-Fahnen (von den Eisenbahnern), auch ohne sonstige Botschaft
    usw. usw.

Redner war der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann. Über den Inhalt der Rede ist nichts bekannt. Wahrscheinlich weil's sowieso scheißegal ist, was der zu sagen hatte.


Den geistigen Zustand der Arbeiterklasse hierzulande - und erst recht seiner Führung - halte ich für "bedenklich". Karl Marx hätte sich wohl im Grab umgedreht, wenn er sowas hätte mitansehen müssen.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

counselor

Es war in Nürnberg das übliche Bier- und Bratwurstfest. Die Rede von Rainer Hoffmann war typisch für SPD-Funktionäre. Er war voller Lob für den Koalitionsvertrag und forderte Vollbeschäftigung (also noch mehr Ausbeutung) und natürlich "gute Arbeit" (was auch immer daran "gut" sein soll). Zum Glück hat ihm niemand wirklich zugehört. Jedenfalls da, wo ich saß.

Natürlich waren linke Parteien und Sekten anwesend.

Insgesamt eine ehr langweilige Veranstaltung.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

tleary

Zitat von: counselor am 05:48:37 Mi. 02.Mai 2018
Zum Glück hat ihm niemand wirklich zugehört. Jedenfalls da, wo ich saß.
... leider hat auch niemand dagegen widersprochen und lauthals protestiert - so wie in Kiel. Was dringend nötig gewesen wäre.

Zitat von: counselor am 05:48:37 Mi. 02.Mai 2018
Die Rede von Rainer Hoffmann war typisch für SPD-Funktionäre. Er war voller Lob für den Koalitionsvertrag und forderte Vollbeschäftigung (also noch mehr Ausbeutung) und natürlich "gute Arbeit" (was auch immer daran "gut" sein soll).
Danke! - Na, wenigstens erfährt man in groben Zügen einmal etwas über den Inhalt der Rede. In den NN fand ich kein Wort darüber. Daß er die GroKotz lobt, hätte ich jetzt nicht unbedingt erwartet, eher ein Totschweigen. Aber man sieht, wie regierungshörig die Gewerkschaftsspitze in D ist, so lange ihr Kumpel, die SPD, mit in der Regierung sitzt.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Onkel Tom

Die Forderung in Bremen "die Gewerkschaft der Polizei gehört nicht dazu"
finde ich sehr vorbildlich..
In HH flatterte bei dem DGB Demozug gleich vorne an eine GdP Fahne mit.

Ja, der G20 sitzt immer noch sehr tief in den Knochen der Arbeiterklasse  :(

Lass Dich nicht verhartzen !

Fritz Linow

ZitatGewerkschafterInnen aus Bremen fordern: Keine Polizei am 1.Mai!
(...)
Wir haben mit zwei der Erstunterzeichner der Unterschriftenliste gesprochen. Julia Nanninga (IGM) und Gerhard Kupfer (IGM & Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD) sprachen mit uns darüber, warum sie gegen den GdP-Redner auf dem 1.Mai protestieren.
http://www.freie-radios.net/88781

Kuddel

ZitatForderung: Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung in Bremen!
Aber GdP-Vorsitzender Schilff war trotzdem Hauptredner!


In Hamburg am 1. Mai vom Friedhof Ohlsdorf zum Museum für Arbeit laufen? Das kam mir sehr depressiv vor. Und dann noch Katja Karger anhören, die mit höchsten Tönen kürzlich Bürgermeister Scholz in sein Ministeramt (mit der schwarzen Null) nach Berlin verabschiedet hatte und den Alibi-Linken im IGM Vorstand Hans-Jürgen Urban, da überlegte ich mir, nach Bremen zu fahren, hatte kürzlich den Aufruf von Bremer IG Metall-KollegInnen gegen das Auftreten am 1. Mai in Bremen des GdP-Vorsitzenden von Niedersachsen, Dietmar Schilff mitbekommen: ,,Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung! Der 1. Mai ist unser Tag!" und dann das Rauschen im Bremer Blätter-(Medien)Wald. Ich dachte mir: Das wird in Bremen bestimmt spannender als in Hamburg. Und etliche KollegInnen aus Bremen kenne ich auch, die man treffen könnte. Gesagt, getan.

Etwas anderes als in Hamburg ist der 1. Mai in Bremen schon, noch sozialdemokratischer! Es ging los am Weserstadion. Als erster sprach der Bürgermeister (SPD) ein Grußwort, dann ein halbstündige Rede vom Präsidenten von Werder Bremen, eine Lobrede für Werder. Alle Redner duzten sich, redeten sich mit Vornamen an, wohl alles Sozis. Den aufmüpfigen IG-Metallern gelang es nicht sich an die Spitze des Zuges zu setzen. Die erste Reihe blieb den Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften und SPD-Promis vorbehalten, den Redner, Dietmar Schilff hatten sie in ihre Mitte genommen. Dann dahinter ca. 15 Polizisten, natürlich in zivil, mit sieben grünen GdP-Fahnen.
Weiter hinten der größere IG-Metall-Block mit eine Musikgruppe ,,Roter Pfeffer" mit verjazzten Arbeiterliedern.
Und wie in Hamburg, ein relativ großer Block mit Schildern, die sie als Kurden, Türken, Aleviten auswiesen.
Dann ein kleiner Block von SPD-Anhängern mit zwei riesigen roten SPD-Fahnen, den größten auf der Demo. Jede 1. Mai-Demo ist auch eine Widerspiegelung der realen politischen Verhältnisse im Ort.

Erfreulich: Viele trugen im Zug Schilder ,,Keine Polizei auf der DGB-Kundgebung", viele Plakate dieses Inhalts rechts und links der Straße. Auch erfreulich: Viele KollegInnen aus dem Medizin-Bereich machten plakativ auf den Notstand in den Krankenhäusern aufmerksam.
Weniger erfreulich: Das Wetter. 8 Grad, dummerweise hatte ich keine Handschuh mit und keinen Pullover.

Auf der Demo mitgehört: ,,Ich bilde auch Azubis aus. Die hatten keine Ahnung von der Geschichte des 1. Mai. Und die Betriebsräte bei uns auch nicht?!" ,,Das kommt wohl daher: In den Schulen werden sie wohl absichtlich politisch dumm gehalten".

Dann im Zentrum, am Domhof angekommen das gleiche wie auch immer in Hamburg: Man unterhielt sich und kaum jemand hörte zu wenn auf dem Podium jemand redete. Das wurde schlagartig anders als Dietmar Schilff angekündigt wurde. Ab dann gellendes Pfeifkonzert – während der ganzen 35 Minuten, die Schilff redete. Nicht nur von den IG Metallern sondern auch von vielen Jugendlichen, Autonome, solid-Jugend, Falken. Nur selten übertönte er die Trillerpfeifen und man hörte Wortfetzen: Demokratie, Polizei dein Freund und Helfer, gegen Extremisten.

Danach gingen wir. Keine Rangelei mit Herrn Schilff, seinen Kollegen und den Ordnern. In den Seitenstraßen konnte man keine Polizei sichten, auch das ist anders als in Hamburg.

Wie ich mitbekam, gehen viele Linke nicht mehr auf DGB- oder 1. Mai-Demos, um sich die Sozialpartnerschafts- und Demokratiebeschwörungsreden nicht anhören zu müssen. Vielleicht wird dieser 1. Mai für die linken Gruppen ja Anlaß, sich den 1. Mai im nächsten Jahr selber zu gestalten nach dem Motto: Unser 1. Mai – Polizei nicht dabei! Und es kommen KollegInnen zu Wort, die von diesem System betroffen sind und Widerstand leisten. Und keine Sozialpartnerschaftsapologeten und Polizeivorsitzenden. Ein Tip: Man geht die Demo noch gemeinsam und steuert dann den eigenen Ort an.

So sehr der Aufruf der IG Metall-KollegInnen zu begrüßen ist, ein Kritikpunkt ist allerdings angebracht. Im Aufruf steht: ,,Wir haben vielmehr die Diskussion in unseren Gewerkschaften darüber zu führen, die Gegner (geschichtlich wie auch aktuell) der Arbeiterbewegung und auch unserer Jugend aus unseren Reihen auszuschließen. Dies ist ein unerläßlicher Schritt, wenn wir die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen wollen".

Dieser Satz verursachte das Rauschen im Blätter-/Medienwald! Die Aufrufer hatten nicht nur den Medien sondern auch dem DGB und allen DGB-Gewerkschaften eine Steilvorlage gegeben für einen Gegenangriff.

Es wäre schlauer gewesen, nicht den Holzhammer rauszuholen und den Ausschluß der GdP aus dem DGB zu fordern sondern das Florett zu gebrauchen. Also Schilff zu kritisieren und seinen Auftritt in Bremen abzulehnen, weil er der IG Metall den Mund verbieten wollte, weil die sich hinter einen Kollegen gestellt hatte, dem von Polizisten zweimal der Unterschenkel gebrochen wurde während eines Protestes gegen den AfD-Parteitag in Hannover.

Aber auch die Kritik im Aufruf an der Politik der GdP-Führung ist berechtigt und zu unterstützen. Wenn ,,wir die Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen wollen", ist es auch ,,ein unerläßlicher Schritt", daß die Gewerkschaftsführungen keinen Sozialpartnerschafts- sondern einen Klassenkampfkurs verfolgen.

Aber was unterscheidet die Führung der GdP in ihren politischen Positionen von den Führungen der übrigen sieben DGB-Gewerkschaften? Von deren Sozialpartnerschafts- und Nationalpartnerschaftskurs? Falls man konsequent wäre, müßte man auch bei diesen den Ausschluß aus dem DGB fordern.

Das ist Logischerweise ein Unding. Soll man fordern, die gewerkschaftlichen Gremien in den Rüstungsfirmen Heckler&Koch, Airbus und Blohm&Voß aus der IG Metall auszuschließen, weil die ArbeiterInnen Waffen herstellen? Aber wir müssen mit allen KollegInnen, ob in der Waffenproduktion tätig oder als Polizist, diskutieren und sie fragen: Welches Produkt, welche Dienstleistung produzierst du? Welche Wirkungen hat dieses Produkt?

Wir müssen anerkennen, daß die Gewerkschaftsspitzen in der Wolle eingefärbte Sozialpartner sind, also politisch auf der Gegenseite stehen. Unsere Aufgabe ist es, geduldig zu sein und die KollegInnen aufzuklären über diese Situation. Es ist der Ausgangspunkt unserer gewerkschaftlichen Arbeit. Es ist ein Krieg um die Köpfe und wir dürfen dem Gegner keine offene Flanke bieten.

Trotz dieses Fehlers: Der Aufruf hat bewirkt, daß über innergewerkschaftliche Demokratie, über Arbeitsinhalte und gewerkschaftliche Inhalte diskutiert wird – in Bremen und hoffentlich darüber hinaus!

Übertragen auf Hamburg, hätte das geheißen: Hartmut Dudde, Einsatzleiter bei G 20 in Hamburg hätte die Hauptrede am 1. Mai gehalten. Aber das traut sich der hiesige DGB (noch) nicht. Aber für Überraschungen war der DGB bei der Planung des 1. Mai ja immer gut: Am 1. Mai 2013 war Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE Hauptredner. Die Rede ging auch in Pfiffen unter, organisiert von Beschäftigten von Neupack und ihren Unterstützern, die was hatten gegen diese Inkarnation von Sozialpartnerschaft, der verantwortlich war für den Abbruch des Streiks bei Neupack mittels Flexi-Streik (Flexi-Verarschung) und damit der Demütigung der KollegInnen, nach drei Monaten geschlagen, gedemütigt und von der IG BCE-Führung ausgetrickst wieder reingehen zu müssen.

Und wie sieht die Demo-Route 2019 in Hamburg aus? Diesmal umgekehrt vom Museum für Arbeit zum Ohlsdorfer Friedhof. Immer mehr KollegInnen wollen sich das nicht antun, weder die Route noch die Redner und stimmen buchstäblich mit den Füßen ab, sie gehen abends zur ,,Revolutionären 1. Mai Demo". Wo die Polizei dann garantiert dabei ist, zuerst in den Seitenstraßen und dann im Einsatz.

Hier der Aufruf und das folgende Rauschen im Blätterwald:
http://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/grundrechte-all/polizeistaat/bremen-keine-polizei-auf-der-dgb-kundgebung-der-1-mai-ist-unser-tag/

Dieter Wegner, Hamburg.

counselor

Zu Nürnberg wäre noch hinzuzufügen, dass viele Leute nicht auf die DGB-Veranstaltung gehen, sondern zum revolutionären 1. Mai nach Gostenhof gehen. Entsprechend dieser Spaltung ist das Durchschnittsalter bei der DGB-Veranstaltung auch bei 50+. Die Jugend geht nach Gostenhof:

Zitat Revolutionärer 1. Mai 2018: 3000 Menschen gegen den reaktionären Vormarsch!

Am 1. Mai haben in Nürnberg etwa 3000 Menschen an der revolutionären 1. Mai Demonstration teilgenommen. Die Demonstration war laut und kämpferisch. Die Polizei provozierte durch permanentes Filmen, hielt sich aber deutlich auf Abstand.

Quelle: http://www.redside.tk/cms/2018/05/01/revolutionaerer-1-mai-2018-3000-menschen-gegen-den-reaktionaeren-vormarsch/
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Auf der kieler Maidemo ist auch folgender Flyer verteilt worden:


tleary

Zitat von: counselor am 16:24:03 Mi. 02.Mai 2018
Am 1. Mai haben in Nürnberg etwa 3000 Menschen an der revolutionären 1. Mai Demonstration teilgenommen. Die Demonstration war laut und kämpferisch. Die Polizei provozierte durch permanentes Filmen, hielt sich aber deutlich auf Abstand.

Wo die Aufnahmen wohl landen werden? - Vermutilch im Archiv des bayerischen Verfassungsschutzes. Als potenzielle "Verfasssungsfeinde" und "Gefährder". Begriffserklärung "Gefährder": Das sind nach neuer Rechtsdefintion Menschen, die noch gar keine Straftat begangen haben, deren Gesinnung dem Staat aber nicht passt.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Kuddel

Ich find es irre gut, daß man hier persönliche Berichte von 1.Mai Events kriegt jenseits der Presseberichterstattung.

Ich habe inzwischen jemanden getroffen, der auch bei dem 1.Mai in Kiel dabei und noch völlig euphorisch war, "dem DGB ist die Kontrolle über die Veranstaltung entglitten und die Linken haben wohl den prägenden Eindruck hinterlassen." Wir waren uns beide nicht ganz sicher, wie das passieren konnte. In den letzten Jahren waren in Kiel die Maidemos stets deprimierende Veranstaltungen, bei denen man nicht im entferntesten den Eindruck hat, es gäbe Konflikte in den Betrieben oder soziale Spannungen in der Gesellschaft. Auf der Abschlußkundgebung stets die Würdenträger von SPD und DGB, die einander lobhudeln und gelegentlich sogar Vokabular der Arbeiterbewegung in den Mund nehmen, ohne Bezug auf die realen politischen Verhältnisse und ihre eigene traurige Rolle darin. Dieses Mal waren sie geschockt, daß sie nicht damit durchkamen.

Kurz nochmal was geschichtliches: In Kiel hat der DGB jahrelang die Maidemo nicht für nötig gehalten und stattdessen eine Maifeier im Kieler Schloß veranstaltet. Als Linke Maidemonstrationen zurück auf die Straße brachten, hängte der DGB sich dreist dran. Ich habe auch erlebt, als DGB-Ordner versucht haben, Kommunisten aus der Demo rauszuprügeln, weil sie es gewagt haben auf Schildern "ein allgemeines Streikrecht" zu fordern. In Deutschland sind Streiks nicht erlaubt, es sei denn, es ist in einer tariflichen Auseinandersetzung die "Friedenpflicht" aufgehoben.

Es ist unangenehm, wenn der DGB behauptet, eine Maidemo sei eine gewerkschaftseigene Veranstaltung.

Zitat von: counselor am 16:24:03 Mi. 02.Mai 2018
Zu Nürnberg wäre noch hinzuzufügen, dass viele Leute nicht auf die DGB-Veranstaltung gehen, sondern zum revolutionären 1. Mai nach Gostenhof gehen. Entsprechend dieser Spaltung ist das Durchschnittsalter bei der DGB-Veranstaltung auch bei 50+. Die Jugend geht nach Gostenhof:

Zitat Revolutionärer 1. Mai 2018: 3000 Menschen gegen den reaktionären Vormarsch!

Am 1. Mai haben in Nürnberg etwa 3000 Menschen an der revolutionären 1. Mai Demonstration teilgenommen. Die Demonstration war laut und kämpferisch. Die Polizei provozierte durch permanentes Filmen, hielt sich aber deutlich auf Abstand.
3000 Menschen? Das ist doch enorm! Waren das nicht mehr, als auf der DGB Demo?

Ich finde es eigentlich nicht in Ordnung, daß man den DGB die Traditionsveranstaltung der Arbeiterbewegung einfach kapern läßt. Ich bin gegen getrennte "revolutionäre" Maidemos oder "eigene" Blöcke. Man sollte sich die Demos zurückerobern, indem man an ihnen teilnimmt und sich in die gesamte Demonstration mischt. So können linke Positionen nicht einfach mit Ordner- und Politzeieinsätzen herausgedrängt werden. Wir müssen laut äußern, was unsere Interessen sind und was wir wollen. Wenn Redner Mist reden, dann sollen sie aus der Demo zu hören kriegen. Eine Maidemo sollten nicht ein Podium für Arschlöcher sein.

Kuddel

Das Neue Deutschland mit Berichten aus Wuppertal und Bochum:
ZitatIn Bochum und Wuppertal gibt es auch linke Gruppen, die zum Tag der Arbeit Akzente setzen wollen. In Wuppertal schon seit 32 Jahren. In diesem Jahr konnte die unangemeldete Demonstration jedoch nicht laufen. Ein paar Meter weiter sind 50 linke Demonstranten von der Polizei eingeschlossen. Zuvor hatten sie versucht, die traditionelle Demonstration zum 1. Mai zu starten. Das ließ die Polizei nicht zu. Mit Lautsprecher-Durchsagen machte sie unmissverständlich klar, dass die Autonomen den Platz nicht verlassen werden.

Karl-Heinz ist ein älterer Autonomer aus Wuppertal. Er erzählt über die Geschichte der Demonstration. 1986 bog ein Block von Autonomen aus der DGB-Demonstration nach links ab. Seitdem findet die Demonstration in jedem Jahr unangemeldet statt. Mal mit mehr, mal mit weniger Repression. Pfefferspray und Schlagstock-Einsätze gab es immer wieder. Einmal wurden fast 200 Menschen von der Polizei in Gewahrsam genommen. »Mehr als in Hamburg und Berlin zusammen.« »Das ist eine politische Entscheidung. In NRW soll unter schwarz-gelb Law and Order herrschen. Auch kurdische Demos wurden in letzter Zeit immer wieder wegen Kleinigkeiten aufgelöst.« Die Repression gegen Linke ist in Wuppertal auch im Alltag spürbar. Junge Linke werden auch mal von der Polizei auf dem Weg zur Schule kontrolliert.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1087019.linksradikaler-mai-im-westen-radikaler-mai-protest-als-zufallsprodukt.html

counselor

Zitat von: Kuddel am 15:11:32 Sa. 05.Mai 2018
3000 Menschen? Das ist doch enorm! Waren das nicht mehr, als auf der DGB Demo?
Auf der DGB-Demo waren 6000 Teilnehmer. Insgesamt haben in Nürnberg also 9000 Menschen demonstriert.

Ich finde die Spaltung in zwei Demos auch nicht gut.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 15:11:32 Sa. 05.Mai 2018
Ich find es irre gut, daß man hier persönliche Berichte von 1.Mai Events kriegt jenseits der Presseberichterstattung.
...

Ja, diese Alternative macht Sinn, damit nicht alle den "etablierten Einheitsbrei" serviert
bekommen..
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Bericht aus Berlin:

ZitatWas wir am Dienstag in Berlin auf den Straßen gesehen haben, fasst perfekt zusammen, was in unserer politischen Kultur gerade passiert.

Die traditionelle DGB-Demo durch Berlin-Mitte wirkte so blass, weil mit 14.000 Demonstrierenden noch weniger kamen als in früheren Jahren. Dabei mangelt es den Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen gar nicht an Inhalten: Die Berliner Feuerwehr weiß zum Beispiel sehr wohl, was sie möchte – nicht mehr 48 Stunden die Woche arbeiten müssen und den gleichen Lohn wie ihre überregionalen KollegInnen bekommen. Diese Nöte und diese Forderungen bleiben.

Es wirkt aber schal, wenn jene, die die Zustände zu verantworten haben, neben denen laufen, die sie kritisieren. Was man als Miteinander lesen könnte, wird als Heuchelei verstanden. Für die, die sich engagieren, ist die Demo trotzdem wichtig: Um sich zu vergewissern, dass da noch jemand ist, dass man nicht ganz allein dasteht.

Und in Kreuzberg? Da kann der radikalen Linken eigentlich nur zum Heulen sein. Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo irrte am Abend wie ein verstörter Tiger im Kolosseum durch die Gassen, bejubelt vom Feierpublikum des MyFest und MaiGörli. Am Ende war ihr das Schauspiel so egal, dass die übliche Pressekonferenz am nächsten Tag einfach ausfiel.

Eine Überraschung gab es dann aber doch, im Grunewald. Eine Gruppe, die sich der ,,Hedonistischen Internationalen" verschreibt, hatte dort medienwirksam zu einer Demonstration durch den ,,Problembezirk" aufgerufen. Die Satire-Demo war gut, weil sie konkret war.

Aus 200 angemeldeten Demonstrierenden wurden 3.000. Der Humor mobilisierte, am Ende ging es trotzdem um Umverteilung und soziale Gerechtigkeit. Genau das ist DNS des 1. Mai – und seine vielen Widersprüche, die ihn zum ehrlichsten Feiertag machen, den wir haben.
http://www.taz.de/Berliner-Wochenkommentar-II/!5501007/

NachbarArsch

Auch noch nen Kommentar zum 1. Mai in Kiel...
https://de.indymedia.org/node/20622

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