Warum sagtest du "die
angeblich 2.260.000 ”Arbeitslosen”?
Ich habe diesen Thread begonnen, weil in dem von Sybilla eine Diskussion kaum möglich ist.
Ich möchte wissen, was du an der Zahl nicht glaubst?
Sind es deiner Meinung nach mehr oder weniger Erwerbslose?
Ich könnte Zahlen und Begründungen zusammensuchen, die beide Theorien stützen.
Es könnten viel mehr sein, weil viele einfach nicht in der Statistik geführt werden, weil sie sich nicht arbeitssuchend gemeldet haben oder weil sie als Teilnehmer von irgendwelchen Schwachsinnsmaßnahmen nicht als arbeitslos gelten.
Ich hänge eher entgegengesetzter Theorie an: Es wird noch weitaus mehr gearbeitet, als an den Zahlen abzulesen ist. Die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen, der ganze Bereich der Care-Arbeit ist nur zu einem geringen Teil statistisch erfaßt (die der Hausfrauen meist nicht einmal entlohnt), es sind aber auch zigtausende Osteuropäerinnen so beschäftigt, ohne Arbeitsvertrag, ohne Sozialabgaben, ohne in irgendeiner offiziellen Statistik aufzutauchen. Nicht nur in der Baubranche holt man sich billige Arbeitskräfte vom Arbeiterstrich. Da läuft nix über die Bücher. Und viele erwerbslos gemeldete Menschen machen irgendwas nebenher, kleine Gelegenheitsjobs, was bei Ebay verticken, Sachen aus dem Altkleiderkontainer auf dem Flohmarkt verscherbeln, mit Gras dealen und jede Menge mehr in dem grauen bis schwarzen Bereich der Wirtschaft. Doch all das ist ARBEIT.
Was ist jetzt die Realität, die Sybilla so gut zu kennen glaubt?
Ich sehe es etwa so: Es wird real mehr gearbeitet, denn je.
Die Menschen haben immer weniger Lebenszeit für sich. Sie sind selbst wenn sie "frei" haben, oftmals für den Arbeitgeber zu erreichen.
Trotzdem gibt es gleichzeitig eine relativ große Menge, die nicht in den normalen Produktionsprozeß passen und auch mit diversen öffentlichen Unterstützungen (100% Lohnzuschuß vom Amt) nicht integrierbar sind.
Ich erkläre mir das so: Der Prokuktionsprozeß und der gesamte Arbeitsmarkt wurde seit Jahren umstrukturiert, der Arbeitstakt und der Arbeitsdruck wurden bis an die Grenze des physisch Möglichen hochgefahren. Damit werden die Menschen verschlissen. Kaum noch jemand erreicht halbwegs gesund oder auch nur arbeitsfähig das Rentenalter. Das Menschenmaterial ist meist schon weitaus früher völlig hinnüber und da hilft keine Kur mehr. Und diejenigen, die nicht so schnell oder nicht ausreichend helle sind, diejenigen mit Einschränkungen oder einer zu großen Sensibilität, die können von Anfang an in der heutigen Arbeitswelt nicht mithalten. Es gab früher in jedem Betrieb ruhige Jobs und ruhige Ecken, in denen man diejenigen mitzog, die nicht 100% belastbar sind, oder auch nur an Tagen, an denen sie zu verkatert sind. All diese Bereiche, die weniger fordernd, bzw. brutal sind, wurden längst wegrationalisiert.
Deshalb sind all die Zahlen über die "Arbeitslosigkeit" unbrauchbar und wenn man kein klares Ziel vor Augen hat, kann man mit diesen Zahlen sogar noch eine Verschlechterung der Situation herbeiquatschen. Ich finde es nämlich kein Stück erstrebenswert, daß noch mehr gearbeitet wird. Das meiste was gemacht wird, ist sowieso sinnlos (im besten Fall), oder es ist schädlich (für die Umwelt, für die gesellschaft, für denjenigen, der die Arbeit macht). Die heutige Arbeitswelt tötet mehr Menschen als alle derzeitigen Kriege zusammen.
Deshalb kotzen mich alle Forderungen in Richtung "mehr Arbeit!" einfach nur an.
Ich halte sie für grundfalsch und gefährlich.
Ich habe den Eindruck, nur noch die Minderheit der Wohlbetuchten kann ein Leben leben, auf das sie Bock hat, der Rest quält sich irgendwie durch und hat immer weniger vom Leben. Immer weniger selbstbestimmte Lebenszeit, immer weniger Genuß und Freude, immer weniger Gesundheit. Für die Meisten ist das Leben verdammt beschissen, egal ob mit oder ohne Arbeit.
Dann kommt noch das ekelhafte neoliberale gesellschaftliche Klima hinzu. Dieses Herabblicken auf die Menschen, die es nicht "geschafft" haben, die von Armut betroffen sind, die nicht "produktiv" sind.
Die meisten Erwerbslosen führen ein hartes und recht freudloses Leben und den Arbeitenden geht es meist nicht besser. Viele sind mit Arbeit und Armut gleichzeitig gestraft. Aber auch die sogenannte "Arbeiteraristokratie", die Stammbelegschaften der Autoindustrie und anderer Großbetriebe ruinieren sich ihre Gesundheit, verkaufen ihre Lebenszeit und werden mit der zweifelhaften Freude des Konsums entschädigt.
Daraus ergeben sich viele interessante Fragen. Was erwartet man vom Leben? Wie können wir unseren Erwartungen und Hoffnungen näher kommen?
Wenn etwas an den derzeitigen Zahlen vom Arbeitsmarkt interessant ist, ist doch die tatsache, daß die Wirtschaft viel mehr Arbeitskräfte braucht, als sie kriegt. Ohne die Zuwanderung (insbesondere aus Osteuropa) wäre die Wirtschaft ziemlich in die Knie gegangen. In Osteuropa herrscht inzwischen selbst ein wachsender Mangel an Arbeitskräften. In Polen versucht man ihn bespielsweise mit Ukrainischen Migranten zu decken.
Dieser Mangel an Arbeitskräften bedeutet eine spürbare Verbesserung der Position der Arbeiter. Aus dieser Position kann man bessere Beingungen einfordern. Besonders spürbar ist das in der Leihrabeit. Leiharbeiter lassen sich weniger sagen. Wenn Vergesetzte einem blöd kommen, läßt man es sich nicht mehr einfach so gefallen. Man hat keine Angst mehr gefeuert zu werden. Man kann morgen bei einer anderen Leihbude anfangen. No Problem.
All das sind Dinge, die für uns sehr wichtig sein können und die wir diskutieren sollten. Das kann man mit Sybilla nicht.
Alleine die Zahl der Unterbeschäftigung zeigt das, dass Problem der „Massenarbeitslosigkeit“ auch für die Gesellschaft des Jahres 2019 präsent ist.
Das Problem der „Massenarbeitslosigkeit“ auch für die Gesellschaft?!?! Welches Problem sieht sie da "für die Gesellschaft"? Wahrscheinlich unproduktive Esser.
Schon wieder ein neuer Rekord am Arbeitsmarkt in Deutschland?
Warum verlieren die Parteien der Mini Groko bei Landtagswahlen fortwährend mehr als 10 %
Ich krieg bei diesem Scheiß nen Knoten im Kopf. Würden die Wahlergebnis etwa andere sein, wenn die Zahlen vom Arbeitsmarkt anders aussehen würden?
Ich glaub es nicht. Sybilla behauptet munter alles mögliche, ohne zu sagen, wohin ihrer Meinung nach die Reise gehen soll. (Außer zum Allheilmittel BGE.)