Klassenkampf - was ist das?

Begonnen von Kuddel, 12:12:34 Fr. 09.Februar 2018

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counselor

ZitatOder hänge irgendwelchen Irrglauben an, die bislang auf ganzer Linie gescheitert sind:

Zitat

Die Idee vom «richtigen» Sozialismus ist ein Irrglaube, der niemals stirbt


Leider. Denn

Zitat

Nachdem ausnahmslos alle sozialistischen Experimente in den vergangenen hundert Jahren gescheitert sind, sollte klar sein, dass wir keine neuen brauchen.


Quelle:
https://www.nzz.ch/meinung/die-idee-vom-richtigen-sozialismus-ist-ein-irrglaube-der-niemals-stirbt-ld.1651247

Wunderbarer Artikel.

Da spricht wieder der ätzende, rückwärtsgewandte  Antikommunismus von @Draisine.

Dabei gab es unvergängliche Erfolge bei den ersten Versuchen, den Sozialismus aufzubauen.

Für Friedrich Engels erhob die Pariser Kommune erstmals die "Fahne der Weltrepublik". Nach der siegreichen Oktoberrevolution 1917 und der Entstehung des sozialistischen Lagers nach dem II. Weltkrieg war zeitweilig ein Drittel der Menschheit von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung befreit.

Der moderne Antikommunismus umgibt die Geschichte des Sozialismus mit einer negativen Aura des Versagens, unterstellt ihr "willkürliche Verbrechen" und beschwört die "sinnlosen Opfer", die der Kampf für den Sozialismus gekostet hätte. Damit soll suggeriert werden, die kapitalistische Gesellschaftsordnung sei trotz ihrer unübersehbaren Krisenhaftigkeit alternativlos. Es ist heute internationale Staatsdoktrin, unter den Massen antikommunistische Vorbehalte zu schüren. Das erschwert eine ernsthafte und objektive Auseinandersetzung mit den Erfahrungen des sozialistischen Aufbaus beträchtlich.

Ich bestreite nicht, dass es in den sozialistischen Ländern zu Fehlern, Fehlentwicklungen oder auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen ist. Ich habe selbst das größte Interesse an der lückenlosen Aufklärung, um daraus für die Zukunft zu lernen. Man sollte aber in der Lage sein, zwischen antikommunistischer Hetze, unwissenschaftlicher Geschichtsklitterung und Manipulation der öffentlichen Meinung, wie @Draisine sie hier in Form von Welt und NZZ-Artikeln im Forum betreibt, und einer kritisch-selbstkritischen Aufarbeitung der Erfahrungen der ersten sozialistischen Länder in ihrem historischen Zusammenhang vom Standpunkt des Kampfs für die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung auf der anderen Seite unterscheiden. Dabei sollte man das Wesentliche, das Fortschrittliche, das Unauslöschbare bewahren.

Nach der Oktoberrevolution von 1917 bot die neue Gesellschaftsordnung ein noch nie erlebtes Maß an Freiheit und Demokratie, sowie an Möglichkeiten, sich an den Staatsangelegenheiten zu beteiligen. Es gab enorme Fortschritte in Produktion und Arbeitsproduktivität. Man arbeitete nicht mehr für den Ausbeuter, sondern für den eigenen Staat.

In der Sowjetunion, in China und in der antifaschistischen und sozialistischen Zeit der DDR wurden Lebensverhältnisse geschaffen, die den Massen nicht nur das Recht auf Arbeitsplatz und Wohnung garantierten, sondern auch gleichermaßen und unentgeltlich Bildung und Ausbildung, Gesundheitsvorsorge und -pflege sowie Kultur.

Ich könnte mit der Aufzählung noch fortfahren für die Bereiche Umweltschutz und Frauenrechte.

Ich finde, wir sollten die Erfolge des untergegangenen Sozialismus bewahren, aus seinen Fehlern lernen, den zerstörerischen Kapitalismus überwinden, und eine von Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft aufbauen.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Draisine

Nach dem II Weltkrieg wurde und war ein Drittel der Menschheit immer noch versklavt und terrorisiert:
https://www.marx21.de/1917-stalin-stalinismus-aufstieg-macht/

Mag sein, dass Stalin -  zu der Zeit  -so manche Komik falsch interpretiert oder nicht verstanden hat:


https://www.youtube.com/watch?v=xHash5takWU

Das ist oder wäre aber selbst dann nicht ein Problem des Komikers oder gar eine Entschuldigung für Stalins Verbrechen.

An das Kardinalproblem aller führenden oder daran beteiligten Köpfe von sämtlichen politischen Systemen mag Albert Einstein gedacht haben, wenn er einstmals treffend formulierte:

"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."



Kuddel

Ein lesenswertes Interview mit Mick Lynch, dem Generalsekretär der britischen Bahngewerkschaft RMT:

ZitatIch denke, dass sich eine Bewegung formiert. Arbeitende Menschen, die sich vielleicht nicht mal als Mitglieder der Arbeiterklasse verstehen, müssen Wege finden, sich zu organisieren. (...)

Die meisten Menschen in diesem Land haben keine Ahnung, wie man eine Lohnerhöhung bekommt. Sie arbeiten nicht in Betrieben, in denen auf Augenhöhe darüber verhandelt wird. Weil es keine Gewerkschaft gibt, gibt es auch keinen Rahmen für Verhandlungen. (...)

Ich denke, die Leute warten auf uns, und wir müssen sie dort abholen, wo sie stehen. Wir müssen in Arbeitervierteln präsenter werden.  (...)

Wenn man die Leute dort fragt, was sie über die öffentliche Daseinsvorsorge denken, würden sie wahrscheinlich so etwas sagen wie: »Wir wollen eine Bahn in öffentlicher Hand. Wir wollen, dass [der nationale Gesundheitsdienst] NHS ausreichend finanziert wird. Wir wollen keine Privatisierungen im Gesundheitswesen.« (...)

Jetzt sind wir in einer Situation, in der manche Gewerkschaften offen sagen: »Was Labour sagt, interessiert uns nicht mehr. Politisch wird sich dadurch nichts verändern – aber durch Streiks können wir etwas erreichen.«
https://jacobin.de/artikel/es-bringt-nichts-nur-angefressen-zu-sein-wir-mussen-uns-organisieren-mick-lynch-rmt-bahnstreiks/

Kuddel


Kuddel


Kuddel

Über die Rentenproteste in Frankreich:

Zitat...Bewohner der angeblich bildungsfernen Armutsquartiere gingen in Massen auf die Straße. Sie haben ziemlich schnell begriffen, dass es nicht nur um längere Lebensarbeitszeiten für alle geht, sondern dass das Kapital vor allem sie, die »Miserablen«, an die Kandare nehmen will...
https://www.jungewelt.de/artikel/443229.html

Kuddel

Neues Deutschland veröffentlicht zweiwöchentlich Texte unter dem Namen "Klassentreffen":

Olivier David erklärt, warum Texte zum Thema Klasse nötig sind.

Ich bin 34 Jahre alt, komme aus Hamburg und bin in Armut aufgewachsen. Schulden, psychische Erkrankungen in der Familie, Aufwachsen bei einer alleinerziehenden Mutter – all das kenne ich. Meine 20er habe ich im Supermarkt, in Lagerhallen, auf Baustellen und in Cafés als Multijobber verbracht. Seit einiger Zeit bin ich Journalist und Autor. Ich arbeite frei, was bedeutet: Der Titel meines ersten Buches »Keine Aufstiegsgeschichte« ist hier Programm. Denn selbstständig tätig zu sein, bedeutet, dass einem die Existenzangst im Nacken sitzt.

Das Treffen in »Klassentreffen« darf übrigens wörtlich verstanden werden. Von Zeit zu Zeit wird dieser Kolumnenplatz zum Ort, an dem ich mit Armutsbetroffenen, mit Armutsaktivist*innen und anderen Schreibenden in den Austausch gehen möchte – über die Stigmatisierung von armen Menschen, über Wut, Hilflosigkeit und Wege daraus.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170422.armut-und-klasse-vortreten-auftreten-nachtreten.html

ManOfConstantSorrow

Überall herrscht Kapitalismus mit ähnliche Folgen. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Das hat oftmals keine Folgen für die Wahlergebnisse, doch die Unterschichten beginnen sich zu wehren. Selbst in den USA hat sich die Zahl der Streiks verdoppelt. Es gibt Mieterproteste.

In Europa gibt es Streikbewegungen wie seit den 70er Jahren nicht mehr. Die Streikwellen ähneln allmählich Generalstreiks. In den Medien ist es selten mehr als eine Randbemerkung wert, obwohl es die größte politische Erschütterung seit Jahren bedeutet. Frankreich wird noch wahrgenommen, während UK fast vergessen ist, obwohl die Kämpfe dort enorme Ausmaße haben. Ach, Griechland gibt es auch noch?

Selbst im biederen und befriedeten Deutschland gibt es trotz DGB beeindruckende Streiks. Streiks an Krankenhäusern? Sowas hat man vor Jahren noch für unmöglich gehalten. Die Streiks im Öffentlichen Dienst sind beachtlich. Frauen sind da oft die treibenden Kräfte. Die Streiks in der Ex-DDR werden viel zu wenig beachtet. Die Arbeitskämpfe bei den Automobilzulieferern haben eine eigene Brisanz. Noch hat der DGB die Macht, diese Kämpfe abzuwürgen oder ins Leere laufen zu lassen. Es bleibt zu hoffen, daß sich unabhängige Strukturen entwickeln, die ein Weiterkämpfen ermöglichen, wenn die Gewerkschaften zum Rückzug blasen.

Klassenkampf ist auch hierzlande eine Realität, die kaum in den Köpfen angekommen ist.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Einige zeigten sich enttäuscht, wie niedrig die Wahlbeteiligung in Frankreich war. Da würde nur Le Pen von profitieren.

Ich fand das nicht so schlimm und kann gut verstehen, warum die Wahlbeteiligung nachließ. Die Leute haben nicht das Gefühl, damit etwas ändern zu können. Ich glaube auch nicht, daß Jean-Luc Mélenchon mit seinem Linksbündnis La France insoumise an dem Alltag der einfachen Menschen irgendwas verbessert hätte.

Der gerade ausgebrochene Massenkampf auf den Straßen und in den Betrieben ist die einzige Form der Opposition, die in dem verknöcherten politischen System etwas bewirken kann. Counselor stellte fest, daß das französische Streikrecht schließlich auch den politischen Streik erlauben würde, ganz im Gegensatz zu Deutschland. Das mag ja richtig sein, aber die Menschen, seien sie in einer Gewerkschaft organisiert oder nicht, tun in diesem Kampf Dinge, die sicherlich nicht vom französchen Recht abgedeckt sind. Brennende Barrikaden, besetzte Bahnhöfe, Steine auf Polizisten, Blockierte Häfen und Raffinerien düften sich kaum im gesetzlichen Rahmen bewegen. Die Menschen nutzen diese Möglichkeiten, weil sie es für nötig halten, ihren Forderungen damit den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Ich halte es für vorbildlich und inspirierend, wie die Kämpfe in Frankreich den traditionellen gewerkschaftlichen Rahmen sprengen. Die Besetzung von Schulen und Universitäten, die Unterstützung der Streiks durch Jugendliche und Erwerbslose mit Blockaden und Barrikaden. Die Beteiligung an der Revolte von Fischern und Landwirten. Wir können da eine Menge lernen.

Selbst wenn es gelingen sollte, Macron und seine Rentenreform zu Fall zu bringen (ich bin wenig optimistisch), ist es noch lange keine Revolution. Es ist jedoch Klassenkampf mit Hand und Fuß. Der Pöbel zeigt, daß er gemeinsam handeln und Angst und Schrecken in der herrschenden Klasse verbreiten kann. Mit diesem Wissen und einem gestärkten Selbstbwußtsein kann es das nächste Mal einen Schritt weiter gehen...


Kuddel

Wenn man von Klassenkampf redet, hat man meist klischeehafte Bilder im Kopf: Streiks und Demos von geschlossenen Belegschaften, möglichst in Arbeitskleidung.

Klassenkampf ist aber ein Dauerzustand, der im Wesentlichen unsichtbar im Alltag stattfindet. Zum Klassenkampf von oben gehört, daß einem der Lohn durch steigende Mieten und Preise gleich wieder weggenommen wird.

Zum Klassenkampf im Alltag gehört, daß man langsamer arbeitet, Ausschuß produziert, innerlich kündigt und mit Jobhopping sich eine bessere Arbeitssituation sucht.

ZitatAutozulieferer Brose beklagt mangelnde Motivation der Mitarbeiter
In einer Mitteilung vom Freitag spricht die Unternehmensführung von einer ,,außergewöhnlich hohen Fluktuation"
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/familienunternehmen-autozulieferer-brose-beklagt-mangelnde-motivation-der-mitarbeiter/29095878.html

Hahaha. Sie haben keinen Bock mehr mitzuspielen. Wenn mit diesen Gewerkschaften kaum brauchbare kollektive Kämpfe organisiert werden, finden die Beschäftigten Wege, sich individuell zu wehren. Individuell, aber massenhaft.

Man zeigt, daß man nicht mit seinem Job verheiratet ist. Man weiß, daß der Unternehmer was von einem will und man es ihm nicht geben muß. Man versucht dann halt, seine Arbeitskraft zu einem besseren Preis zu verkaufen.

ManOfConstantSorrow

Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatBundesweite Streiks drohen: Deutschland vor massiven Blockaden im neuen Jahr
Ab dem 8. Januar könnten drei wichtige Branchen vor massiven Streiks stehen: In Landwirtschaft, Eisenbahn und Transport drohen Blockaden.
https://www.hna.de/wirtschaft/im-neuen-jahr-streiks-deutschland-vor-massiven-blockaden-92744971.html

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