UZ-DEBATTE: PRO UND CONTRA TARIFVERTRÄGE IN DER LEIHARBEIT

Begonnen von Rappelkistenrebell, 21:20:59 Fr. 25.Januar 2019

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Rappelkistenrebell

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UZ-DEBATTE: PRO UND CONTRA TARIFVERTRÄGE IN DER LEIHARBEIT

Besser ohne?
Von Ulf Immelt  |    Ausgabe vom 25. Januar 2019


Es ist un­be­strit­ten, dass Leih­ar­beit ein äu­ßerst wirk­sa­mes In­stru­ment ist, Nied­rig­löh­ne zu eta­blie­ren und Be­leg­schaf­ten zu spal­ten. In der Frage, wie wirk­sa­me Ge­gen­stra­te­gi­en aus­se­hen kön­nen, gibt es je­doch sehr un­ter­schied­li­che Po­si­tio­nen. Wäh­rend die DGB-Ge­werk­schaf­ten ver­su­chen, durch den Ab­schluss von Ta­rif­ver­trä­gen die Ar­beits­be­din­gun­gen und Ein­kom­mens­si­tua­ti­on in der Leih­ar­beit zu ver­bes­sern, stößt diese Stra­te­gie bei Tei­len der po­li­ti­schen Lin­ken auf Un­ver­ständ­nis bis mas­si­ve Kri­tik.
Ein Kri­tik­punkt ist, dass die DGB-Ta­rif­ver­trä­ge be­ste­hen­de Bran­chen­ta­rif­ver­trä­ge aus­he­beln wür­den. Die­ser Vor­wurf ist je­doch leicht zu ent­kräf­ten. Denn hier gilt, wenn es für Leih­ar­beits­be­schäf­tig­te güns­ti­ge­re Bran­chen­ta­rif­ver­trä­ge gibt, diese nach wie vor an­wend­bar blei­ben. Das zen­tra­le Ar­gu­ment der Kri­ti­ker ist je­doch, dass durch das Fest­hal­ten an dem ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag zur Leih­ar­beit der be­reits im Ge­setz ver­an­ker­te Grund­satz ,,Glei­cher Lohn für glei­che Ar­beit" be­zie­hungs­wei­se ,,equal pay" un­ter­lau­fen werde.
Zur Er­in­ne­rung: Mit der Li­be­ra­li­sie­rung der Leih­ar­beit im Rah­men der Hartz-"Re­for­men" wurde im Ge­setz der Grund­satz ,,equal pay" zwar auf­ge­nom­men. Die­ser wurde aber durch den Zu­satz ,,... es sei denn, es exis­tiert ein Ta­rif­ver­trag" ad ab­sur­dum ge­führt, denn so­fort tra­ten ,,gelbe" Ge­werk­schaf­ten auf den Plan und ver­ein­bar­ten ,,Ta­rif­ver­trä­ge", die sich in ers­ter Linie durch Hun­ger­löh­ne aus­zeich­ne­ten. Dar­auf­hin waren die DGB-Ge­werk­schaf­ten ge­zwun­gen, selbst Ta­rif­ver­trä­ge ab­zu­schlie­ßen, um die Ar­beits­be­din­gun­gen in der Leih­ar­beit zu­min­dest etwas zu ver­bes­sern. Nach­dem die ,,Ta­rif­ver­trä­ge" der gel­ben Ge­werk­schaf­ten durch Ge­rich­te ge­kippt wur­den, wird nun von Tei­len der po­li­ti­schen Lin­ken die These ver­tre­ten, die DGB-Ta­rif­ge­mein­schaft müsse nun ein­fach die ei­ge­nen Ta­rif­ver­trä­ge in der Leih­ar­beit kün­di­gen und der ,,equal pay"-Grund­satz würde au­to­ma­tisch grei­fen.
Diese Hoff­nung ist lei­der trü­ge­risch. Denn Ta­rif­ver­trä­ge wir­ken auch nach Ende der Lauf­zeit nach und sind an­wend­bar bis zu einem neuen Ta­rif­ab­schluss. Im spe­zi­el­len Fall ,,Ta­rif­ver­trag Leih­ar­beit" ist die Nach­wir­kung zu­ge­ge­ben ju­ris­tisch um­strit­ten. Dies müss­ten die Be­trof­fe­nen auf­grund des feh­len­den Ver­bands­kla­ge­rechts je­doch in­di­vi­du­ell vor den Ar­beits­ge­rich­ten klä­ren las­sen, was be­kannt­lich lange dau­ern kann und mit einer lange dau­ern­den Rechts­un­si­cher­heit ver­bun­den ist. Au­ßer­dem stellt sich in der Pra­xis die Frage, ob Kol­le­gen, die nicht sel­ten zwi­schen Leih­ar­beit und Er­werbs­lo­sig­keit und dem damit ver­bun­de­nen Sank­ti­ons­re­gime pen­deln, den Mut haben, vor ein Ar­beits­ge­richt zu zie­hen.
Vor dem Hin­ter­grund, dass der im Ge­setz fest­ge­schrie­be­ne Grund­satz ,,equal pay" nicht in der ver­leih­frei­en Zeit gilt, haben DGB-Ta­rif­ver­trä­ge Leih­ar­beit zu­min­dest einen Vor­teil: Ohne diese und den darin ver­ein­bar­ten Min­dest­lohn in der Leih­ar­beit gäbe es für die Be­trof­fe­nen in der ver­leih­frei­en Zeit nur den deut­lich nied­ri­ge­ren ge­setz­li­chen Min­dest­lohn. Ein wei­te­res Ar­gu­ment, das für die DGB-Stra­te­gie spricht, ist, dass die Ent­gelt­ta­rif­ver­trä­ge der DGB-Ta­rif­ge­mein­schaft die Grund­la­ge für die Bran­chen­zu­schlä­ge in der Leih­ar­beit bil­den, die durch IG BCE, IG Me­tall, EVG und ver.​di für be­stimm­te Bran­chen ta­rif­lich ver­ein­bart wur­den. Das be­deu­tet, dass Leih­ar­bei­tern nach einer be­stimm­ten Über­las­sungs­dau­er zu­sätz­lich zu den ta­rif­ver­trag­li­chen Ent­gel­ten pro­zen­tua­le Auf­schlä­ge zu­ste­hen. Dies führt zu­min­dest zu einer An­nä­he­rung der Löhne der Leih­ar­beits­be­schäf­tig­ten an Löhne der Stamm­be­leg­schaf­ten.
Trotz die­ser Ver­bes­se­run­gen bleibt Leih­ar­beit eine Form pre­kä­rer Be­schäf­ti­gung und ge­hört auf den Müll­hau­fen der Ge­schich­te. Dies wird lei­der nicht durch die ein­fa­che Auf­kün­di­gung des DGB-Ta­rif­ver­trags Leih­ar­beit ge­sche­hen, son­dern muss durch gut or­ga­ni­sier­te und kampf­star­ke Be­leg­schaf­ten und deren Ge­werk­schaft er­kämpft wer­den.

Quelle

https://www.unsere-zeit.de/de/5104/wirtschaft_soziales/10346/Besser-ohne.htm?fbclid=IwAR3HF4Ee3ulcbnLJRx15QvPZEa-ilhyUfXtVQK1mGAcBffpJ3ZABjfpADJc

Gegen System und Kapital!


www.jungewelt.de

Fritz Linow

ZitatDenn Ta­rif­ver­trä­ge wir­ken auch nach Ende der Lauf­zeit nach und sind an­wend­bar bis zu einem neuen Ta­rif­ab­schluss.

Der DGB hätte ja eine Nachwirkung ausschließen oder nur für eine bestimmte Zeit vereinbaren können. Der DGB-Gewerkschaftssekretär Ulf Immelt singt im DKPistenblättchen das Hohelied auf den verbrecherischen DGB. Passt schon.

Kuddel


Rudolf Rocker

...und von Pöstchen im VW Betriebsrat. Dann gibt es wieder Koks und Nutten!

counselor

Zitat von: Rappelkistenrebell am 21:20:59 Fr. 25.Januar 2019
Trotz die­ser Ver­bes­se­run­gen bleibt Leih­ar­beit eine Form pre­kä­rer Be­schäf­ti­gung und ge­hört auf den Müll­hau­fen der Ge­schich­te. Dies wird lei­der nicht durch die ein­fa­che Auf­kün­di­gung des DGB-Ta­rif­ver­trags Leih­ar­beit ge­sche­hen, son­dern muss durch gut or­ga­ni­sier­te und kampf­star­ke Be­leg­schaf­ten und deren Ge­werk­schaft er­kämpft wer­den.
Wo "kämpft" denn der DGB für oder gegen etwas? Der DGB ist reaktionär, weil er nur am Verhandlungstisch mit den Kapitalisten hockt und das höchste der Gefühle ein wenig Warnstreik-Folklore ist. Mit dem DGB lernen die Belegschaften nicht zu kämpfen - und das genau ist Absicht des DGB.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

tleary

DGB = Verarsche der Arbeiterklasse = Beibehaltung des Status Quo in der Arbeitswelt in jeglicher Hinsicht = keine sozialen Verbesserungen sowohl für das schwindende Klientel des DGB selbst als auch für den Teil des Proletariats, die nicht organisiert sind oder für die Produktion nicht mehr benötigt werden.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Tiefrot

Es gibt nur einen gangbaren Weg aus der Misere: Leiharbeit verbieten. Punkt.
Denke dran: Arbeiten gehen ist ein Deal !
Seht in den Lohnspiegel, und geht nicht drunter !

Wie bekommt man Milllionen von Deutschen zum Protest auf die Straße ?
Verbietet die BILD und schaltet Facebook ab !

counselor

Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor ca 10 Jahren arbeitslos wurde und wegen Kündigungsschutz zu Verdi gegangen bin. Der Funktionär war kalt und abweisend und erklärte mir, dass es keinen Kündigungsschutz mehr gäbe und dass ich mich bei Randstad bewerben solle, weil Verdi da den Betriebsrat stelle.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Fritz Linow

Zitat1.2.19
UZ-Debatte: Pro und Contra DGB-Tarifverträge in der Leiharbeit

Keine Tarifverträge zur Leiharbeit!
Von Rolf Geffken

Der These von Ulf Immelt, man solle an den Tarifverträgen zur Leiharbeit festhalten, weil Betroffene nicht immer den Mut hätten, ,,vor ein Arbeitsgericht zu ziehen" und weil Tarifverträge kraft Gesetzes ,,nachwirken" würden und weil die Abschaffung der Leiharbeit nicht durch ,,einfache Aufkündigung des Tarifvertrages Leiharbeit" geschehen könne, sondern nur durch ,,kampfstarke Belegschaften erkämpft" werden könne, muss entschieden widersprochen werden:
(...)
https://www.unsere-zeit.de/de/5105/wirtschaft_soziales/10399/Keine-Tarifvertr%C3%A4ge-zur-Leiharbeit!.htm

tleary

Zitat von: counselor am 17:21:54 Do. 31.Januar 2019
Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor ca 10 Jahren arbeitslos wurde und wegen Kündigungsschutz zu Verdi gegangen bin. Der Funktionär war kalt und abweisend und erklärte mir, dass es keinen Kündigungsschutz mehr gäbe und dass ich mich bei Randstad bewerben solle, weil Verdi da den Betriebsrat stelle.
Den Typen hätte man dafür in den Arsch treten sollen! - Oder noch besser die Höchststrafe: Lebenslang als Leiharbeiter bei Randstad!
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

Kuddel

Zitat von: tleary am 23:36:04 So. 03.Februar 2019
... die Höchststrafe: Lebenslang als Leiharbeiter bei Randstad!

Der Gedanke ist gar nicht mal so blöd. Gewerkschafter und Politiker (selbst die wohlmeinenden) sind in ihrer Lebensrealität Lichtjahre von denen entfernt, die sie angeblich vertreten und über deren Schicksal sie entscheiden.

Mal einfach in das Leben geworfen zu werden, das für Millionen Andere Alltag ist, würde ihnen sicher gut tun.

BGS

Zitat von: Tiefrot am 12:46:40 Do. 31.Januar 2019
Es gibt nur einen gangbaren Weg aus der Misere: Leiharbeit verbieten. Punkt.

Völlig richtig.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

Fritz Linow

Die UZ-Debatte geht weiter. Diesmal mit erstaunlich deutlichen Worten eines Mitarbeiters des IAAEU (Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union):
Zitat15.2.19
Kniefall vor Marktgesetzen

Von Daniel Polzin

Ulf Immelt schreibt in der UZ vom 18. Januar, dass nach der großen Liberalisierung der Leiharbeit im Zuge der ,,Hartz"-Reformen ,,sofort" gelbe ,,Gewerkschaften" auf den Plan getreten seien. Die DGB-Gewerkschaften befanden sich aber bereits vorher in Verhandlungen mit den Zeitarbeitsunternehmen. Warum war das so? Warum hat der DGB 1981 in seinem Grundsatzprogramm das Verbot der Leiharbeit gefordert, um diesen Passus 15 Jahre später wieder zu streichen?(...)
https://www.unsere-zeit.de/de/5107/wirtschaft_soziales/10501/Kniefall-vor-Marktgesetzen.htm

Rappelkistenrebell

Keine Tarifverträge zur Leiharbeit!
Von Rolf Geffken  |    Ausgabe vom 1. Februar 2019


Der These von Ulf Im­melt, man solle an den Ta­rif­ver­trä­gen zur Leih­ar­beit fest­hal­ten, weil Be­trof­fe­ne nicht immer den Mut hät­ten, ,,vor ein Ar­beits­ge­richt zu zie­hen" und weil Ta­rif­ver­trä­ge kraft Ge­set­zes ,,nach­wir­ken" wür­den und weil die Ab­schaf­fung der Leih­ar­beit nicht durch ,,ein­fa­che Auf­kün­di­gung des Ta­rif­ver­tra­ges Leih­ar­beit" ge­sche­hen könne, son­dern nur durch ,,kampf­star­ke Be­leg­schaf­ten er­kämpft" wer­den könne, muss ent­schie­den wi­der­spro­chen wer­den:
1. Es ist ein his­to­risch, recht­lich und mo­ra­lisch völ­lig in­ak­zep­ta­bles Phä­no­men, dass seit den Zei­ten eines Herrn Kohl in zahl­rei­chen Ar­beits­ge­set­zen die Mög­lich­keit ein­ge­baut wurde, von ge­setz­li­chen Stan­dards durch Ta­rif­ver­trä­ge ,,nach unten" ab­wei­chen zu kön­nen. Ta­rif­ver­trä­ge wur­den er­kämpft und an­er­kannt, weil sie grund­sätz­lich eine Ver­bes­se­rung von Ar­beits­be­din­gun­gen er­rei­chen soll­ten und sol­len – nicht aber deren Ver­schlech­te­rung, ge­schwei­ge denn deren Ab­wei­chung von ge­setz­li­chen Min­dest­stan­dards. Nichts an­de­res aber ge­schah mit der ta­rif­ver­trag­li­chen Ab­wei­chung vom Grund­satz des ,,Equal Pay" und der Mög­lich­keit, die Über­las­sungs­dau­er bei der Leih­ar­beit zu ver­län­gern. Bei­des ver­stärkt die Spal­tung der Be­leg­schaf­ten und ver­tieft die Dis­kri­mi­nie­rung der Leih­ar­bei­ter.
2. Ta­rif­ver­trä­ge wir­ken trotz Kün­di­gung nach. Das stimmt. Aber grund­sätz­lich nur zwi­schen ,,den bei­der­seits Ta­rif­ge­bun­de­nen". Ta­rif­ge­bun­den sind die we­nigs­ten Leih­ar­bei­ter. Auf sie fin­den die Ta­rif­ver­trä­ge des­halb nur An­wen­dung, wenn und in­so­weit auf diese in den ein­zel­nen Ar­beits­ver­trä­gen ver­wie­sen wird. Ob diese Ver­wei­sun­gen wirk­sam sind, kann im Ein­zel­fall über­prüft wer­den. Viele sol­cher Ver­wei­sun­gen hal­ten einer Über­prü­fung nicht stand. Dass Be­trof­fe­ne nicht immer den Mut haben, vor ein Ar­beits­ge­richt zu zie­hen, ist be­kannt. Doch wenn not­wen­dig, kann und muss man ihnen ge­ra­de als Ge­werk­schaf­ter oder Be­triebs­rat Mut ma­chen. Dazu sind sie da. Das galt üb­ri­gens ge­ra­de für die alten CG­ZP-Ta­rif­ver­trä­ge. Die wur­den näm­lich durch die man­geln­de Ta­rif­fä­hig­keit die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on für un­wirk­sam er­klärt, wo­durch plötz­lich Mil­lio­nen­for­de­run­gen auf die Un­ter­neh­men zu­ka­men. Diese blie­ben den Un­ter­neh­men ku­rio­ser­wei­se nur des­halb er­spart, weil viele Leih­ar­bei­ter kei­nen ge­werk­schaft­li­chen Rechts­schutz be­sa­ßen und der DGB wenig In­ter­es­se daran hatte, durch die Pro­zes­se den Beleg zu er­brin­gen, dass der ,,Nicht­ta­rif­ver­trag" für die Be­trof­fe­nen bes­ser war als der DGB-Ta­rif­ver­trag: Die Be­trof­fe­nen hat­ten plötz­lich An­spruch auf den Lohn der fest­an­ge­stell­ten Kol­le­gen und nicht den des DGB-Ta­rif­ver­tra­ges Leih­ar­beit, und zwar ganz ohne Be­ach­tung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten!
3. Der Hin­weis auf die Dum­ping-Ver­trä­ge der CGZP ist über­flüs­sig, denn die CGZP gibt es nicht mehr und sogar die CGM hat alle Leih­ar­beits­ta­rif­ver­trä­ge ge­kün­digt. Das Ar­gu­ment, man müsse Ta­rif­ver­trä­ge ab­schlie­ßen, um Schlim­me­res zu ver­hin­dern, ist also er­satz­los ent­fal­len.
4. Die Mög­lich­keit, Ta­rif­ver­trä­ge auch auf dem Weg der Ver­wei­sung im Ein­zel­ar­beits­ver­trag für an­wend­bar zu er­klä­ren, gibt es bei der Ver­län­ge­rung der Höchst­über­las­sungs­dau­er nicht, denn dort muss ,,Ta­rif­bin­dung" (also Ge­werk­schafts­mit­glied­schaft) vor­lie­gen. Hier zieht also das Ar­gu­ment der Nach­wir­kung gar nicht.
5. Wie auch immer: Trick­se­rei­en des Ge­setz­ge­bers kön­nen kein Grund sein, auf die Durch­set­zung einer grund­sätz­li­chen For­de­rung der Ar­bei­ter­be­we­gung zu ver­zich­ten. Man kann nicht Leih­ar­beits­ta­rif­ver­trä­ge ab­schlie­ßen und den Kampf gegen die Leih­ar­beit auf den Sankt-Nim­mer­leins-Tag der ,,gut or­ga­ni­sier­ten und kampf­star­ken Be­leg­schaf­ten" ver­schie­ben. Nein: Sie müs­sen ge­kün­digt wer­den und die Ab­sen­kung von Stan­dards ge­gen­über dem Ge­setz muss strikt ab­ge­lehnt wer­den. Das ist zu­nächst ein Kampf in den Ge­werk­schaf­ten. Aber er ist rich­tig und not­wen­dig. Es ist der erste und rich­ti­ge Schritt auf dem Weg hin zur Ab­schaf­fung der Leih­ar­beit.

Quelle

https://www.unsere-zeit.de/de/5105/wirtschaft_soziales/10399/Keine-Tarifverträge-zur-Leiharbeit!.htm?fbclid=IwAR0PcCPSsTWRpf50OnF1BOS49RpiAQ_VEUbUU85Gzf34u-SzbbqJiwnF7Hw

Kniefall vor Marktgesetzen
Von Daniel Polzin  |    Ausgabe vom 15. Februar 2019


Ulf Im­melt schreibt in der UZ vom 18. Ja­nu­ar, dass nach der gro­ßen Li­be­ra­li­sie­rung der Leih­ar­beit im Zuge der ,,Hartz"-Re­for­men ,,so­fort" gelbe ,,Ge­werk­schaf­ten" auf den Plan ge­tre­ten seien. Die DGB-Ge­werk­schaf­ten be­fan­den sich aber be­reits vor­her in Ver­hand­lun­gen mit den Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men. Warum war das so? Warum hat der DGB 1981 in sei­nem Grund­satz­pro­gramm das Ver­bot der Leih­ar­beit ge­for­dert, um die­sen Pas­sus 15 Jahre spä­ter wie­der zu strei­chen?
In einem In­ter­view aus dem Jahre 2002 hat der da­ma­li­ge DGB-Chef Som­mer die Ta­rif­ver­hand­lun­gen zur Ab­wei­chung vom ge­setz­lich fest­ge­schrie­be­nen Equal-Pay-Grund­satz mit der Aus­sa­ge be­grüßt, dass es darum gehe, ,,Leih­ar­beit so zu ge­stal­ten, dass sie unter fai­ren Be­din­gun­gen als Brü­cke in den ers­ten Ar­beits­markt funk­tio­niert". Das klingt kaum nach hart­nä­cki­gem Wi­der­stand gegen eines der wirk­sams­ten Spal­tungs­in­stru­men­te, wel­ches das deut­sche Ka­pi­tal in den letz­ten Jahr­zehn­ten ge­setz­lich fest­zu­schrei­ben ver­moch­te. Das klingt viel­mehr nach einem sym­bo­li­schen Knie­fall vor den ka­pi­ta­lis­ti­schen Markt­ge­set­zen.
Zu­ge­ge­ben: Die DGB-Füh­rung hat sich nach dem Wan­del hin zur grund­sätz­li­chen Ak­zep­tanz der Leih­ar­beit zu­nächst dafür ein­ge­setzt, dass die ver­mit­teln­den Un­ter­neh­men nicht pro­fit­ori­en­tiert sein dürf­ten und spä­ter, dass die Ta­rif­ver­trä­ge nur den ge­setz­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ,,aus­ge­stal­ten" soll­ten. Das noch vor Auf­tritt der ers­ten gel­ben Schein­ge­werk­schaf­ten mit den Zeit­ar­beits­fir­men aus­ge­han­del­te Eck­punk­te­pa­pier sah trotz­dem deut­lich schlech­te­re Kon­di­tio­nen als Equal Pay vor. Doch selbst wenn dem nicht so ge­we­sen wäre, stellt sich immer noch die Frage, warum der DGB über­haupt diese als ,,Fle­xi­bi­li­sie­rungs­in­stru­ment" eu­phe­mi­sier­te Schwei­ne­rei grund­sätz­lich an­er­kannt hat.
Letzt­lich lässt es sich nur als Ver­such be­grei­fen, durch In­kauf­nah­me par­ti­el­ler Ver­schlech­te­run­gen lang­fris­tig von der hö­he­ren Wett­be­werbs­fä­hig­keit des deut­schen Ka­pi­tals in Form grö­ße­rer Ver­tei­lungs­spiel­räu­me zu pro­fi­tie­ren. Da­hin­ge­hend lässt sich die Stra­te­gie im Be­reich Leih­ar­beit in den Kon­text einer Ent­wick­lung ein­ord­nen, in der trotz größ­ter An­grif­fe auf die Rech­te der Ar­bei­ter­klas­se Il­lu­sio­nen über die ver­meint­li­che Mög­lich­keit eines ,,fai­ren", ,,so­zia­len" oder ,,de­mo­kra­ti­schen" Ka­pi­ta­lis­mus in­ner­halb der Ge­werk­schaf­ten wei­ter ge­schürt wur­den, was sich der­zeit auch an den Po­si­tio­nen zur EU zeigt. Statt gegen die kon­ti­nu­ier­li­che Ver­schlech­te­rung ihrer Kampf­be­din­gun­gen Wi­der­stand zu or­ga­ni­sie­ren, wurde und wird nicht zu­letzt ver­sucht, den Umbau der Wirt­schafts­struk­tur im Sinne des Ka­pi­tal­stand­or­tes Deutsch­land ,,mit­zu­ge­stal­ten" (was nicht hei­ßen soll, dass über­haupt kein Wi­der­stand or­ga­ni­siert wurde, aber die Streik­sta­tis­tik spricht über des­sen Um­fang Bände). Schaf­fen es Ge­werk­schaf­ten je­doch nicht, eine ge­sell­schaft­li­che Per­spek­ti­ve jen­seits der Si­sy­phus-Auf­ga­be des Kamp­fes für ein bes­se­res Leben im Ka­pi­ta­lis­mus auf­zu­zei­gen, wer­den sie auf Dauer (nicht zu Un­recht) an Glaub­wür­dig­keit ver­lie­ren. Die Mit­glie­der­ent­wick­lung des DGB seit der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on 1989/90 scheint dies zu be­stä­ti­gen.
Ein grund­sätz­li­cher Stra­te­gie­wech­sel im Be­reich Leih­ar­beit in Form der Auf­kün­di­gung der Ta­rif­ver­trä­ge wäre vor die­sem Hin­ter­grund ein zag­haf­ter Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung.

Quelle

https://www.unsere-zeit.de/de/5107/wirtschaft_soziales/10501/Kniefall-vor-Marktgesetzen.htm?fbclid=IwAR0L7R9_ewNDuVqB2QMted5_QLsaTk5Diygn_TCrLTOAuvbVMclqtr5Tdvs
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