Wir sollten uns erst einmal bewußt machen: Faschismus ist nicht einfach eine Meinung unter vielen.
Wenn sich eine Form von Faschismus durchgesetzt hat, gibt es keine anderen Meinungen mehr, bzw. sie haben keine Chance, eine gesellschaftliche Rolle zu spielen.
Faschismus ist eine ernste Bedrohung und läßt keine sowohl-alsauch- oder mir-egal-Haltung zu.
Entweder man ist bereit, ihn zuzulassen oder man bekämpft ihn.
Es war nach den 2. Weltkrieg nicht möglich, in Westdeutschland ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus aufzustellen. Es mußte stets heißen, "für die Opfer der Gewaltherrschaft in Ost und West". Natürlich ist es notwendig, sich mit dem Stalinismus und dessen Opfer zu befassen, aber die Gleichsetzung von beidem ist nicht in Ordnung. Dieses "links wie rechts" oder "gegen alle Extreme" ist die Grundargumentaion des Mainstreams. Dabei gilt die "Mitte" als ein nahezu neutraler Raum, als Ort des Ausgleichs, in den man sich gefahrlos begeben kann. Nur ist die Mitte keinesfalls neutral oder harmlos. In ihr wohnt der Marktradikalismus. Die AfD ist aus dieser "Mitte" heraus entstanden. Es galt, eine FDP mit mehr neoliberalem Biß zu schaffen, doch dann wurde Bernd Lucke die Geister nicht mehr los, die er rief. Ein Großteil der führenden Gestalten der AfD kommen aus der CDU. Die CDU hatte schon immer ihren rechtsextremen Flügel, erst war es der Stahlhelmflügel mit Alfred Dregger, jetzt heißt er WerteUnion. Die SPD hat noch immer Sarrazin in ihren Reihen, erst kämpfte er mit dem SPD Anwalt Klaus von Dohnanyi gegen seinen Rausschmiß, dann mit dem Parteikollegen Andreas Köhler.
Faschismus ist konsequenter Marktradikalismus. Man hat damit die lästigen Hemmschuhe durch demokratischen und parlamentarischen Schnickschnack hinter sich gelassen.
Natürlich kriegt die AfD die Antifa zu spüren und würde diesen Gegner gerne loswerden. Man versucht den Spieß umzudrehen und behauptet dreist, die Antifa sei die neue SA.

Diese kranke Argumentation wird nun auch von Medien und Politik benutzt, z.B. als Studenten einen Vortrag von Bernd Lucke an der Uni störten.
Focus:Wer AfD-Gründer Lucke als „Nazi-Schwein“ tituliert, verharmlost die wahren Nazis
https://www.focus.de/politik/deutschland/kommentar-wer-afd-gruender-lucke-als-nazi-schwein-tituliert-verharmlost-die-wahren-nazis_id_11244445.htmlSüddeutsche:Bernd Lucke
Freiheit des Lehrers
Es gibt keinen Grund, ihm nun die Rückkehr an die Uni zu verweigern.
Dresdner Neueste Nachrichten:Lucke-Rauswurf: Diese “Antifa”-Aktion war völlig daneben
Selbst ernannte Antifaschisten haben den AfD-Gründer Bernd Lucke daran gehindert, an der Hamburger Uni eine Vorlesung zu halten. Das ist nicht nur unbegründet, sondern spielt letztlich den Rechtsextremen in die Hände, kommentiert Christian Burmeister.
https://www.dnn.de/Nachrichten/Politik/Lucke-Rauswurf-Diese-Antifa-Aktion-war-voellig-danebenBild:Die Antifa gefährdet unsere Freiheit
https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/kommentar-zu-bernd-lucke-die-antifa-gefaehrdet-unsere-freiheit-65394678.bild.htmltaz (kotz!):
Infantiler Protest
AfD-Gründer Bernd Lucke kehrt als Professor zurück an die Uni Hamburg. StudentInnen verhindern seine Vorlesung. Das geht zu weit.
Es spielt den Rechten in die Hände, überlässt ihnen mal wieder die Opferrolle.
Mangelnde Differenzierung führt zu Verharmlosung.
https://taz.de/Bernd-Lucke-an-der-Uni-Hamburg/!5631576/Welt:Was Bernd Lucke widerfährt, ist ein Skandal
https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus202039288/Antifa-in-Hamburg-Was-Bernd-Lucke-widerfaehrt-ist-ein-Skandal.htmlEin Bekannter von mir, der in den 60ern bereits antifaschistisch unterwegs war und heute im Rentenalter ist, kommentierte es so:
Auch von 1967 an wurde es üblich, daß die StudentInnen nicht kommentar- und protestlos jeden Dozenten hinnahmen, den man ihnen vorsetzte, sondern ihre Meinung kundtaten. Und das Gezeter der meisten Medien war damals genau so.
Schlimm sind auch die Frontalangriffe der "Volksparteien" gegen die Antifa.
Der CSU Social Media Chef Armin beschwert sich in seinem CSYOU Filmchen über Antifafahnen auf einer Demo in Dresden, als hätte Dresden ein Antifaproblem.
Erstaunlich vernünftig war jedoch ein Kommentar in der heutigen FR:
Thomas de Maizière in Göttingen
Kritik an Antifa ist nichts als populistische Hetze
Antifaschistische Linke protestieren in Göttingen gegen eine Lesung von Thomas de Maizière. Nun wird dieser zivilgesellschaftliche Protest von rechten Kräften als gewalttätig und rechtswidrig dargestellt. Das ist eine Gefahr für die Demokratie.
https://www.fr.de/meinung/gefaehrlich-erdogans-demokratieverstaendnis-13144156.htmlMan sollte nicht vergessen: Thomas de Maizière gehört zum rechtsradikalen Flügel der CDU.
Zu keiner Zeit gab es Gewalt, es war eine friedliche Protestaktion. Linke Aktivist*innen hatten die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert, waren auf Bäume geklettert. Ziel der Aktion: Auf die Verantwortung von Thomas de Maizière, der dort eine Lesung halten wollte, und seiner Partei CDU für deutsche Waffenlieferungen, unter anderem an die Türkei, aufmerksam zu machen. Als Verteidigungsminister war de Maizière Befürworter deutscher Kriegseinsätze gewesen, als Innenminister hat er den Überwachungsapparat weiter ausgebaut.
Die Polizei sprach von etwa 100 Demonstranten vor Ort, körperliche Auseinandersetzungen oder Verletzte habe es keine gegeben. Dennoch behauptete Johannes-Peter Herberhold, Geschäftsführer des Literaturherbstes Göttingen: „Wir müssen uns der Gewalt beugen“, und sagte die Veranstaltung ab.
Erstaunlich klar ist die Bewertung:
Es ist dreist und eine Gefahr für die Demokratie, wie nun von rechten Kräften versucht wird, die antifaschistische Aktion als gewalttätig und rechtswidrig darzustellen.
Eine antifaschiste Haltung bürgerlicher Medien muß extra erwähnt werden, denn sie ist die Ausnahme.
Ein Akt des zivilgesellschaftlichen Protests
In Göttingen konnte man am Montagabend sehen, was demokratisch organisierte Kräfte bewirken können. Dass die Bundesregierung mit ihrer rechtsgerichteten, neoliberalen Politik nicht weitermachen kann, ohne auf Protest zu stoßen. Dass es laute Stimmen gibt, die immer für Menschenrechte und gegen Krieg, Waffenlieferungen und Überwachungsstaat eintreten werden. Die Blockade von de Maizières Vorlesung in Göttingen war ein Akt des zivilgesellschaftlichen Protests.
Mich freute, daß Namen genannt werden von Politikern, die antidemokratische Positionen einnehmen.
Das ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier aber ein Dorn im Auge und ein Grund, mal wieder gegen links zu wettern: „Thomas De Maizière hat unserem Land und seiner freiheitlichen Verfassung viele Jahrzehnte lang gedient. Die Blockade seiner Vorlesung in Göttingen durch die Antifaschistische Linke ist eine unerhörte Missachtung von Recht und Person, die wir nicht hinnehmen dürfen", schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.
Wolfgang Kubicki legte auf Facebook nach: „Ist das die Antifaschistische Linke, die die Linken-Abgeordnete Martina Renner mit einem Antifa-Button im Deutschen Bundestag bewirbt? Wer sich rechtswidriger Aktionen bedient, um seine politischen und moralischen Vorstellungen umzusetzen, ist ein Antidemokrat. Ich erwarte von der Linken im Bundestag, dass sie sich von diesen Aktivisten distanziert.“, schrieb der FDP-Mann, der sich anscheinend immer noch nicht davon erholt hat, dass das Tragen eines Antifa-Buttons ein normales und lobenswertes Statement gegen Faschismus ist.
Wo ist diese „harte“ Haltung eigentlich, wenn es um tatsächliche demokratiefeindliche Aktionen, wie Pegida-Demonstrationen und Nazi-Aufmärsche, geht?
Altmaier und Kubicki greifen nach jedem Strohhalm
Beide Politiker verdrehen eine antifaschistische Protestaktion zu einem Rechtsbruch und bedienen so das Narrativ der „bösen“ Linken. Dabei geht es ihnen doch eigentlich nur um Folgendes: In den Augen dieser beiden Herrn ist Linkssein eine Bedrohung, die man im Keim ersticken muss.
An der Kritik, die an populistische Hetze grenzt, erkennt man, wie weit nach rechtsaußen unsere Politiker gerutscht sind und wie nah dran sie an der Einschränkung vom Demonstrationsrecht sind. Denn für sie ist linksmotivierter Protest gegen herrschende Politik ein „rechtswidriger“ Gewaltakt. Erdogan lässt grüßen.
Das Resümee trifft den Nagel auf den Kopf:
Politiker wie Altmaier und Kubicki greifen nach jedem Strohhalm, um Antifaschismus und linke Politik als Bedrohung für den Rechtsstaat zu verunglimpfen. Zur Not eben mit populistischen Mitteln. Wenn das ihr Verständnis von einem Rechtsstaat ist, sind sie eine Gefahr für die Demokratie.