Chefduzer und Betriebspolitik

Begonnen von counselor, 16:04:33 Mi. 09.Oktober 2019

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counselor

"Betriebspolitik" hört sich irgendwie nach 70er Jahre oder DGB an. Aber jeder von uns, der irgendwo arbeitet, kann unverhofft damit konfrontiert werden. Plötzlich kann sich die Situation am Arbeitsplatz ändern und man ist gezwungen, irgendwie damit umzugehen. Man muß sich positionieren, man kann versuchen die Kollegen zu einem gemeinsamen Verhalten zu bewegen, man muß sich entscheiden. Wir sollten uns nicht nur rein theoretisch mit dem Kapitalismus auseinandersetzen, denn wir leben mitten drin. Wir müssen uns zunehmend darüber austauschen, wie wir mit unserem Alltag umgehen, ob wir nur Spielfiguren in einem bitteren Spiel sind, oder Menschen, die bereit sind, sich gemeinsam zu wehren. Ich fand dieses praktische Beispiel so interessant, daß ich die entsprechenden Beiträge aus dem Thread zur Weltwirtschaftskrise herausgetrennt und in den Praxisbereich verschoben habe.

admin




So, die Überproduktionskrise ist jetzt auch bei mir angekommen. Heute morgen im Betrieb kam die Betriebsleitung in die Abteilung. Die Umsätze sind eingebrochen. Ab November werden die Löhne gesenkt, entlassen wird aber niemand. Wer nicht genug zum Leben hat, soll zum Amt. Wer die Lohnsenkung ablehnt, kann kündigen. Außerdem werden Kantinenpreise erhöht und die Betriebsausflüge fallen weg. Die neue Lohnhöhe wird morgen im Einzelgespräch in der Personalabteilung offen gelegt. Mit der nächsten Lohnabrechnung am 15.10.19 erfolgt dann das Schriftliche.

Eine Kollegin brach in Tränen aus. Ihre Miete würde kürzlich erhöht. Sie weiß nicht, wovon sie ihre Rechnungen zahlen soll und meint, sich gleich den Strick nehmen zu können. Andere meinen, sie müssten den Gürtel enger schnallen. Manche finden es ungerecht, dass Flüchtlinge alles bezahlt kriegen oder H4-Empfänger acht Euro mehr kriegen ab Januar. Ein Kollege sagt, er kann kein H4 beantragen, weil seine Wohnung zu groß ist. Er würde dann vom Amt gezwungen auszuziehen und die Katastrophe am Wohnungsmarkt wäre ja bekannt.

Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

tleary

Zitat von: counselor am 16:04:33 Mi. 09.Oktober 2019
Wer die Lohnsenkung ablehnt, kann kündigen.
Kündigen muß schon noch der Arbeitgeber. Denn du hast ja (hoffentlich) einen Arbeitsvertrag, in dem dein Lohn in irgendeiner Form fixiert ist. Und der kann bestenfalls nur gesenkt werden, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.

Zitat
Die neue Lohnhöhe wird morgen im Einzelgespräch in der Personalabteilung offen gelegt. Mit der nächsten Lohnabrechnung am 15.10.19 erfolgt dann das Schriftliche.
In solche "Einzelgespräche" solltet ihr euch gar nicht verwickeln lassen. Denn da gehen alle dann als Verlierer raus. Da sitzen dann 3 oder 4 Leute von der Arbeitgeberseite vor dir, und du wirst als das "arme Würstchen" behandelt, dem der "Sachzwang" der Lohnsenkung verklickert wird.

Wie wär's wenn ihr euch dazu weigert, und nur als Gruppe bereit seid, mit den Arbeitgebern zu verhandeln? Bzw. die Lohnsenkung gleich ganz ablehnt. - Wo ist überhaupt euer Betriebsrat? Hat der seine Stimme verloren? Oder gibt's den bei euch gar nicht?

Zitat
Die neue Lohnhöhe wird morgen im Einzelgespräch
Dazu wird noch die Überrumpelungstaktik angewandt. Damit niemand Zeit hat, nachzudenken - und ihr nicht, euch abzusprechen und dagegen zu organisieren.

Zitat von: counselor am 16:04:33 Mi. 09.Oktober 2019
Manche finden es ungerecht, dass Flüchtlinge alles bezahlt kriegen oder H4-Empfänger acht Euro mehr kriegen ab Januar.
Die Debilität ist schon weit fortgeschritten unter Teilen der Arbeiterschaft. Naja, "nach oben buckeln, nach unten treten". Ist wohl die grundsätzliche Lebenseinstellung vieler Malocher. Nur NIE nach oben treten, denn derjenige weiß, daß ihm das nicht bekommt.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

counselor

War heute zum Einzelgespräch. Die Firma hat ihre zwei lukrativsten Aufträge verloren. Mein Lohn soll um etwa 10 Prozent gekürzt werden. Man wolle weiterhin alle Arbeitsplätze anbieten und wolle sich nicht wegen der Löhne Verschulden. Daher sei die Kürzung unausweichlich. Der Betriebsrat ist auf Tauchstation. Unterschrieben habe ich nichts, aber das Schriftliche soll noch kommen. Bin gerade am Überlegen, nächste Woche zur Verdi-Gewerkschaft zu gehen.

Die Kollegen sind halt wütend darauf, dass die Merkel-Regierung Milliarden für Flüchtlingsdeals mit der Türkei und afrikanischen Staaten ausgibt, aber für uns nie Geld da ist. Manche meinen auch, H4-Empfänger könnten dreimal im Jahr auf Staatskosten Urlaub machen und die Flüchtlinge würden alles kriegen, ohne dass sie dafür einen Finger krumm machen müssen. Teilweise widerspiegelt sich in den Aussagen die jahrelange Medienhetze.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

tleary

Zitat von: counselor am 19:21:22 Do. 10.Oktober 2019
War heute zum Einzelgespräch. Die Firma hat ihre zwei lukrativsten Aufträge verloren. Mein Lohn soll um etwa 10 Prozent gekürzt werden.
Ich hoffe, daß du dann wenigstens auch deine Arbeitszeit um 10 % reduzieren "darfst". - Denn wenn nach Aussage der Geschäftsleitung 10 % weniger Aufträge da sind, kannst du ja auch 10 % weniger anwesend sein. Ansonsten (wenn nicht kürzer Arbeiten) wäre die Aussage "keine Aufträge mehr" von der Geschäftsleitung ja eine glatte Lüge, und nur der Versuch, die Löhne der Arbeiter zu senken.

Zitat
Man wolle weiterhin alle Arbeitsplätze anbieten und wolle sich nicht wegen der Löhne Verschulden. Daher sei die Kürzung unausweichlich.
"Unausweichlich".... der berühmte "Sachzwang" kommt da wieder in Form von Lohnkürzungen daher. Muß ich an die Merkel denken mit ihrem "alternativlos"-Gerede.

Zitat
...wolle sich nicht wegen der Löhne Verschulden.
Außerdem: Kredit gehört zum Geschäft. Das sind schlechte Geschäftsleute, die nicht mit Krediten ihr Geschäft befeuern.

Zitat
Der Betriebsrat ist auf Tauchstation.
Dem Betriebsrat gehört in den Arsch getreten. UND: Sofort abesetzt und/oder bei der nächsten Wahl abgewählt.

Zitat
Unterschrieben habe ich nichts, aber das Schriftliche soll noch kommen. Bin gerade am Überlegen, nächste Woche zur Verdi-Gewerkschaft zu gehen.
Aber du wirst das noch tun, oder? ;)

Zitat
Die Kollegen sind halt wütend darauf, dass die Merkel-Regierung Milliarden für Flüchtlingsdeals mit der Türkei und afrikanischen Staaten ausgibt, aber für uns nie Geld da ist.
Was haben betriebliche Kürzungen mit den Staatsausgaben zu tun? - Richtig: Gar nichts! Aber ich höre das auch immer wieder, daß argumentativ "Haken geschlagen" werden. Das Unrecht, das einem zugefügt wird, wird richtig benannt, nur der Schuldige (in dem Fall deine Geschäftsleitung) wird von den Arbeitern nicht bekämpft, sondern der Haß umgeleitet auf irgendwelche Unbeteiligte (Flüchtlinge und Hartz IV-Empfänger). - Welche Schuld haben denn Hartz-IV-Bezieher und Flüchtlinge an den sozialen Sauereien, die die Unternehmer in euerem Betrieb veranstalten?

Ich hoffe nur, du unterschreibst nichts. Bin mir aber zugleich sicher, daß ALLE dieser Erpressung der Geschäftsleitung nachgeben werden.
»Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
(Autor unbekannt)

counselor

Ja, ich bin mir auch sicher, dass es keinen Widerstand gegen die Lohnkürzung geben wird. Die Denkweise, die das vereitelt, habe ich ja dargestellt. Ich denke, das Ganze ist ein Testballon. Man wollte testen, inwieweit die Belegschaft Widerstand leistet. Es werden weitere Angriffe folgen.
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admin

Zitat von: counselor am 19:21:22 Do. 10.Oktober 2019
War heute zum Einzelgespräch. Die Firma hat ihre zwei lukrativsten Aufträge verloren. Mein Lohn soll...

Ich finde, solche Beschreibungen gibt es viel zu selten im Forum.
BGS und counselor bringen noch am häufigsten Berichte aus ihrer Arbeitsrealität mit der Beschreibung des Spanungsfelds zwischen der Haltung der Kollegen und der des Managements. Oft ist die Situation schwierig und das Resultat deprimierend. Wir müssen aber das schwierige Klima im Betrieb kennen, um es zu verändern.

Ich möchte zu mehr persönlichen Berichten aus dem Betrieb aufrufen!
Sie sind wichtig.

counselor

Nochmals zu der Geschichte mit der Lohnsenkung: Gestern waren nach Ansicht meiner Kollegen an der Misere wieder die Flüchtlinge schuld. Heute kam dann raus, dass der Betriebsrat der Lohnsenkung vorab zugestimmt hatte. Vom Tisch ist allerdings die Streichung der Betriebsausflüge, weil es dagegen Protest in Form einer Unterschriftenliste gab. Nun dämmert es den Kollegen, dass sie sich organisieren müssen, um aus der Opferrolle rauszukommen. Zumindest haben sie realisiert, dass die Unterschriftenliste was gebracht hat. Es kam bei der Diskussion heraus, dass sich viele nicht so Recht trauen, zB auf eine Demonstration zu gehen. Das alles ist ihnen völlig fremd.

Nächste Woche ist dann Betriebsversammlung. Die Lohnkürzung und die Zustimmung des Betriebsrat wird dort sicher thematisiert. Weiterer Klärungsbedarf besteht über die Anhebung der Kantinenpreise. Vielleicht läßt sich da auch was machen.
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tleary

    Zitat von: Kuddel am 15:52:03 Mo. 14.Oktober 2019
    Dann stehen sie da, die satten Bürger und zeigen mit dem Finger auf die Prolls, die nicht "demokratiefähig" sind.
    Die satten Bürger interessieren solche Meldungen am allerwenigsten.

    Zitat von: counselor am 15:20:02 Fr. 25.Oktober 2019
    Vom Tisch ist allerdings die Streichung der Betriebsausflüge, weil es dagegen Protest in Form einer Unterschriftenliste gab. Nun dämmert es den Kollegen, dass sie sich organisieren müssen, um aus der Opferrolle rauszukommen.
    Das ist ja fast schon Realsatire! - Den lächerlichen Betriebsausflug, wo dann so ein Geschäftsleitungs-Ausbeuter womöglich noch neben einem im Bus sitzt, und man Smalltalk mit dem machen muß, will man sich nicht nehmen lassen. - Aber die 10 % Lohnsenkung, die tausendmal mehr Auswirkungen auf euer privates Leben und eueren jetzigen und späteren Lebensstandard (Rente!) haben wird, geht dagegen in Ordnung, oder wie? Die Verblödung der Arbeiterklasse ist schon weit, weit fortgeschritten...

    Aber, Counselor, wieso tust du dich nicht mit ein paar Gleichgesinnten zusammen - und die gibt es immer, weil unmöglich alle verblödet sind - ihr setzt einen offenen Brief auf (mit Unterschriftenfeldern, lasst den rumgehen), in dem der Betriebsrat aufgefordert wird, dieser Lohnsenkung nicht nachzugeben?

    Ich mein', ich war ja auch mal sowas wie "Arbeitnehmer" (zu lange sogar), und ich z.B. opponierte damals gegen den Betriebsrat, als der das Outsourcing unserer Abteilung damals unterstützte. Setzte damals ein Schreiben auf, das ihn aufforderte, das zu unterlassen. Einige der Kollegen (vielleicht so 20-25 %) unterschrieben das damals sogar. Allerdings war ich halt zu der Zeit unbeholfen und unsicher, wie's dann weitergehen sollte. Das Schreiben bekam dann zwar der Betriebsrat ausgehändigt - aber der warf es natürlich postwendend in den Papierkorb. Sowas hätte er natürlich nicht abziehen können, wenn man die Korruptheit dieser Arbeiterverräter öffentlich gemacht hätte. Leider war's damals so, daß die Geschäftsleitung wie immer die Salamitaktik anwandte, und unsere Abteilung nur ca. 10 - 15 % der Gesamtbelegschaft ausmachte und wir nur ein Zweigbetrieb weit weg vom Hauptbetrieb waren. Die Branche in der ich damals arbeitete, war EDV (also mehr oder weniger "New Economy"), wo's abteilungsübergreifend auch kaum Solidarität gab. Die Masse hielt sich auch immer für etwas "besseres". Sahen sich also gar nicht als Proleten, sondern wurden sehr gut bezahlt, und hätten nie gegen "ihre Firma" gestreikt.

    Zitat von: counselor am 15:20:02 Fr. 25.Oktober 2019
    Weiterer Klärungsbedarf besteht über die Anhebung der Kantinenpreise. Vielleicht läßt sich da auch was machen.
    "Betriebsausflug" und "Kantinenpreise" sind nur Nebenkriegsschauplätze. - Wetten, daß darüber bei der Betriebsversammlung bis zum Erbrechen diskutiert wird, und die Lohnsenkung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung in 1 Minute abgehandelt ist? - Falls sie überhaupt thematisiert wird.

    Zitat von: ManOfConstantSorrow am 18:11:40 Di. 22.Oktober 2019
    • Opel Rüsselsheim: 6 Monate Kurzarbeit
    • Saarland: Massenentlassungen in der Stahlbranche
    • Handelskrieg bremst Industrie aus
    • Continental schließt Werke
    • BMW kürzt Gehälter
    • Bei Opel: Statt 220 Autos pro Schicht nur etwa 90
    Naja, jedenfalls wird's beim Arbeitsamt demnächst wieder etwas "kuscheliger"...
    »Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
    (Autor unbekannt)

    Kuddel

    Zitat von: tleary am 04:04:56 Mo. 28.Oktober 2019
    Das ist ja fast schon Realsatire! - Den lächerlichen Betriebsausflug...

    "Betriebsausflug" und "Kantinenpreise" sind nur Nebenkriegsschauplätze.

    Es ist völlig richtig, daß man ständig auf Zusammenhänge und Ursachen hinweisen muß und versuchen sollte, die Diskussion in diese Richtung zu lenken.

    Aber linke Schlaumeier sollten im Betrieb nicht zu überheblich werden mit ihrer Durchblickerei. Kämpfe werden nicht "gemacht", sondern sie entstehen meist spontan und es beginnt fast immer an Nebenkriegsschauplätzen. Bei den Gelbwesten war es der Spritpreis, der zu einer Massenbewegung um die Soziale Frage führte, in Chile entwickelte sich ein Protest um eine Erhöhung der U-Bahntickets um 4 Cent zu einem Volksaufstand gegen die herrschenden Eliten.

    Wir sollten als Linke nicht glauben, es läge in unserer Hand, wann und wo gekämpft wird. Das entscheiden die Leute immernoch selbst. Wir können solche Auseinandersetzungen/Kämpfe nur mit Rat und Tat unterstützen und auf Fehler hinweisen und vor Spaltunglinien warnen und sollten uns jegliche Überheblichkeit verkneifen.

    counselor

    Ganz so lächerlich sind der Betriebsausflug und die Kantinenpreise auch nicht. Der Betriebsausflug war schon eine kleine Reise mit zwei Übernachtungen. Dieses Jahr waren wir drei Tage in Lam im Bayerischen Wald. Die Firma hat Übernachtungen und das Essen bezahlt. Und auch die geplante Verdoppelung der Kosten des Mittagessens trifft viele hart.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

    tleary

    Zitat von: counselor am 15:48:00 Mo. 28.Oktober 2019
    Ganz so lächerlich sind der Betriebsausflug und die Kantinenpreise auch nicht. Der Betriebsausflug war schon eine kleine Reise mit zwei Übernachtungen. Dieses Jahr waren wir drei Tage in Lam im Bayerischen Wald. Die Firma hat Übernachtungen und das Essen bezahlt. Und auch die geplante Verdoppelung der Kosten des Mittagessens trifft viele hart.
    Trotz allem ist das gegen die geplante 10 %-ige Senkung euerer Löhne "Peanuts". Die beiden obigen Posten (Betriebsausflug + Kantinenpreise) machen vielleicht 10 % der geplanten Einsparungen aus, die restlichen 90 % entfallen auf die Lohnsenkung. Ich bin überzeugt, die Geschäftsleitung wäre zufrieden, Betriebsausflug und Kantinenpreise unangetastet zu lassen, wenn nur ihr (und der Betriebsrat) die Kröte mit den Lohnsenkungen schluckt.

    In eine Verhandlung geht man eben immer mit einer Maximalforderung, und wenn man davon 90 % durchbekommt, ist man in jedem Fall auch zufrieden. Mehr wollte die GL insgeheim wohl gar nicht erreichen.
    »Wir wissen, so wie es ist, kann es nicht weiter gehen. Aber es geht weiter.«
    (Autor unbekannt)

    counselor

    Das mag sein. In meiner Abteilung schlucken die Kollegen die Kröte mit der Lohnsenkung. Wie die Stimmung in der gesamten Belegschaft ist, werde ich auf der Betriebsversammlung sehen.
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    Kuddel

    Könnte es nicht Sinn machen, daß ein Aussenstehender ein Flugblatt an die Beschäftigten verteilt?

    counselor

    Zitat von: Kuddel am 11:11:14 Di. 29.Oktober 2019
    Könnte es nicht Sinn machen, daß ein Aussenstehender ein Flugblatt an die Beschäftigten verteilt?
    Das habe ich mir auch schon überlegt. Wäre sinnvoll. Derjenige, den ich da im Auge hatte, ist aber im Moment krank.
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    counselor

    Heute war Betriebsversammlung. Die Kröte mit der Lohnsenkung schlucken die Kollegen offensichtlich. Es gab aber kritische Nachfragen an die anwesende Geschäftsleitung. Diese begründete die Maßnahme damit, dass man nicht mehr als 70% der Produktionserlöse an die Mitarbeiter ausschütten könne, weil die Firma ansonsten bezüglich Gebäuden und Maschinen auf Verschleiß gefahren würde am man spätestens in fünf Jahren dicht machen könne. Und die Produktionserlöse wären eben eingebrochen. Man hätte wertvolle Aufträge ins Ausland verloren, wo billiger produziert wird. Ich hatte das Gefühl, dass die sich am Anfang des Jahres kräftig verkalkuliert haben.

    Bezüglich des Mittagessens hat die Geschäftsleitung ihre Preisvorstellungen genannt. Auch das bisher kostenlose Frühstück soll einen Preis erhalten. Es soll aber so sein, dass wer das Mittagessen bezahlt, das Frühstück weiter kostenlos erhält und nur diejenigen das Frühstück bezahlen müssen, die nicht zu Mittag essen. Hierüber ist.aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Betriebsrat würde beauftragt, eine Unterschriftensammlung dagegen durchzuführen.

    Außerdem hat die Firma ein Grundstück für €900000 gekauft und will nächstes Jahr anfangen, dort eine neue Zweigstelle zu bauen. Dort sollen dann Kollegen einziehen, die bisher in einem angemieteten Gebäude arbeiten.

    Ich werde morgen sehen, wie der Rest meiner Kollegen in der Abteilung die Neuigkeiten aufnimmt.

    PS: Habe gerade mit einer Kollegin telefoniert. Die war heilfroh, dass die Geschäftsleitung keine Entlassungen durchzieht. Alles andere könne man ja schultern.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

    counselor

    Ein weiteres Thema auf der Betriebsversammlung waren die Einzahlungen des Betriebs in die Rentenversicherung und die Auswirkungen auf die Rentenhöhe. Die Kollegen fürchten Altersarmut. Am Rande ging es dann noch um Arbeitssicherheit. Die Kollegen beklagten ua alte Stühle, die sich nicht mehr in der Höhe verstellen lassen und in der Folge zu Kreuzschmerzen führen.
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    dagobert

    Zitat von: counselor am 16:04:33 Mi. 09.Oktober 2019Wer die Lohnsenkung ablehnt, kann kündigen.
    Falsch, genau andersrum muss das laufen.
    http://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Kuendigung_Aenderungskuendigung.html

    Zitat von: tleary am 15:09:09 Do. 10.Oktober 2019Denn du hast ja (hoffentlich) einen Arbeitsvertrag, in dem dein Lohn in irgendeiner Form fixiert ist. Und der kann bestenfalls nur gesenkt werden, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.
    Da ist aber auch Vorsicht angebracht.
    Eine einvernehmliche Vertragsänderung mit anschließendem Gang zum JC gibt Ärger.
    "Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
    Thomas Mann, 1936

    counselor

    Zitat von: dagobert am 01:10:56 Sa. 09.November 2019
    Zitat von: counselor am 16:04:33 Mi. 09.Oktober 2019Wer die Lohnsenkung ablehnt, kann kündigen.
    Falsch, genau andersrum muss das laufen.
    http://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Handbuch_Kuendigung_Aenderungskuendigung.html

    Theoretisch. Praktisch können sie jeden hinausmobben.
    Zitat von: dagobert am 01:10:56 Sa. 09.November 2019
    Zitat von: tleary am 15:09:09 Do. 10.Oktober 2019Denn du hast ja (hoffentlich) einen Arbeitsvertrag, in dem dein Lohn in irgendeiner Form fixiert ist. Und der kann bestenfalls nur gesenkt werden, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.
    Da ist aber auch Vorsicht angebracht.
    Eine einvernehmliche Vertragsänderung mit anschließendem Gang zum JC gibt Ärger.

    Du willst auf die Nachrangigkeit bzw auf eine selbstverschuldete Notlage hinaus. Die meisten haben dann Wohngeldanspruch. Sicher werden sich die Ämter bedanken ...
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    counselor

    Der Unmut über die Erhöhung der Kantinenpreise trägt jetzt Früchte. Der Anstieg fällt nicht so heftig aus, wie von der Geschäftsleitung geplant. Die Kosten für das Mittagessen steigen nur noch um 50%, statt wie geplant um 70%. Außerdem bleibt das Frühstück kostenlos, wenn man zu Mittag ißt (was ja schon auf der Betriebsversammlung gesagt wurde).
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    Kuddel

    Gab es nur informelle Diskussionen in der Belegschaft, gab es kämpferische Reden bei der Betriebsversammlung oder gar anderes, wie ein Flugblatt?

    counselor

    Es gab auf der Betriebsversammlung sehr empörte Wortmeldungen. Die Geschäftsleitung bat die Kollegen, sich im Ton zu mäßigen. An meinem Standort (der Betrieb hat drei Standorte im Stadtgebiet) gab es informelle Diskussionen. Ein Flugblatt gab es nicht. Was an den anderen Standorten los war, weiß ich nicht.
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    admin

    Ich wünschte mir, dieser Bereich wäre lebendiger.
    Viele schreiben erst dann von den Zuständen auf Arbeit, wenn sie echte Probleme haben und nicht mehr weiter wissen. Dieses Forum kann und soll auch dafür genutzt werden, über den Job zu reden, wenn man noch nicht am Verzweifeln ist. Berichte vom Alltag, lustige Situationen mit Kollegen, kleine Rebellionen und Niederlagen, all das kann nicht nur unterhaltsam sein, sondern auch Grundlage für wichtige Diskussionen.

    Der Jour Fixe der Gewerkschaftslinken Hamburg hat uns gebeten, Berichte rund um Job und Corona zu schicken. Verschiedene Berichte wurden auf ihrer Homepage inzwischen veröffentlicht. https://gewerkschaftslinke.hamburg/category/aktuell/corona/
    Ich mußte ein wenig nachhelfen und Leute anschubsen. Nun sind jedoch einige Berichte der Sammlung von chefduzern.

    counselor

    Ich bin ja immer noch wegen einer coronarelevanten Grunderkrankung im Corona-Urlaub. Gestern kam ein Anruf vom Betrieb, in dessen Verlauf man mir ua mitteilte, dass der Betrieb sich dieses Jahr wegen der Corona-Krise außer Stande sieht, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zu zahlen.
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    counselor

    Gerade hat der Betrieb bei mir angerufen. Ich bin ja immernoch wegen Corona daheim. Ich wurde nochmals darauf hingewiesen, dass es dieses Jahr keine Prämien gibt. Außerdem gibt es das Problem, dass aufgrund der monatelangen behördlichen Betriebsschließung und der andauernden Betretungsverbote sich der Resturlaub bei vielen Beschäftigen und auch bei angetürmt hat. Deswegen hat die Geschäftsleitung die Gruppenleiter ermächtigt, einseitig Urlaub anzuordnen.

    Eine Arbeitsaufnahme ist im Moment nur möglich, wenn ich entweder ein Fall für die Einweisung in die Psychiatrie wäre, oder wenn ich eine fachärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung betreffend meiner coronarelevanten Grunderkrankungen bringe. Das habe ich erstmal nicht vor.

    Ende nächster Woche erfahre ich dann, wie es mit meinem Betretungsverbot weitergeht.

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    counselor

    Meine Sachbearbeiterin hat mich vorhin angerufen. Nach Lage der Dinge endet mein Corona-Urlaub nun nach 19,5 Wochen am 2.8.20 und ich muß nächsten Montag wieder arbeiten gehen.
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    counselor

    Der Betrieb hat nochmals angerufen und bestätigt, dass ich ab 3.8.20 wieder arbeiten muss. Habe noch fast den ganzen Jahresurlaub und bin gespannt, ob ich mich mit den Vorgesetzten darüber einigen kann, wie ich den nehme oder ob es irgendwann Zwangsurlaub gibt.

    Auch mal sehen, wie arbeiten unter Corona-Bedingungen so ist.
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    counselor

    Hatte heute meinen ersten Arbeitstag. Der Tag begann nach der vorgeschriebenen Desinfektion der Hände mit einer Belehrung über das Hygienekonzept. Im ganzen Haus herrscht Maskenpflicht. Und natürlich gilt eine Abstandsregel von 1,5 Metern. Auf den Fluren ist eine Laufrichtung vorgeschrieben. Auch hängt an jeder Tür ein Schild, auf dem steht, wie viele Leute sich im jeweiligen Raum aufhalten dürfen. Fast alle Türen stehen offen und die Räume müssen mindestens viermal am Tag für 15 Minuten durch Öffnen der Fenster belüftet werden. Wie das im Winter umgesetzt werden kann, ist noch unklar. Im Sommer ist es auf jeden Fall kein Problem.

    Bei der Maskenausgabe ist zu beachten, dass die Masken nur mit Einweghandschuhen aus dem Karton entnommen werden dürfen. Der Sportraum und der Ruheraum sind gesperrt. Die Pausenzeiten wurden so entzerrt, dass man im Speisesaal alleine an einem Tisch sitzen kann.

    Das Arbeiten mit der Baumwollmaske ist gewöhnungsbedürftig. Die Maske war nach zwei Stunden klatschnass und sie ist beim Heben von schweren Kartons mehr als hinderlich. Jedenfalls mußte ich mich danach erst mal unter der Maske nach Luft japsend etwa 10 Minuten hinsetzen. Auch meine Brille rutschte immer wieder von der Nase.

    Ansonsten war der Tag geprägt vom Hallo mit den KollegInnen und vom Austausch über die vergangenen vier Monate. Meine direkte Kollegin in der Wäscherei war froh, dass ich wieder da bin, weil das bedeutet, dass sie nicht mehr alles alleine machen muss. Es gab auch eine Diskussion über die Demo der Corona-Rebellen in Berlin. Diese Demo wurde als irrational und rechts angesehen, was auch meiner Meinung entspricht.

    Nächste Woche habe ich fünf Tage Urlaub. Für die Woche vom 5.10. bis 9.10.20 ist Urlaub zugesagt, so dass ich jetzt noch 10 Tage Resturlaub verplanen muss.

    Ach ja - eine neue Vorgesetzte habe ich auch noch. Die machte einen netten Eindruck. Und ihre Vorgängerin ist im siebten Monat schwanger und gab auch ein kurzes Stelldichein und es wird innerhalb der nächsten zwei Wochen Kaffee und Kuchen zum Ausstand geben.

    Meine Sachbearbeiterin erklärte mir übrigens, dass wir voraussichtlich noch ein Jahr mit den Hygieneregeln produzieren müssen und dass die Betriebsleitung nicht mit einem zweiten Lockdown mit Betriebsschließung im Falle einer zweiten Corona-Welle rechnet. Das würde sich die Regierung nicht mehr trauen.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

    counselor

    Vorgestern hat die Betriebsleitung bekannt gegeben, dass es dieses Jahr wegen Corona und der Betriebsschließung im Frühjahr kein Weihnachtsgeld gibt. Außerdem steigen die Kantinenpreise ab 1. Januar 2021. Der Betriebsrat hat natürlich zugestimmt. Entsprechend mies ist die Stimmung in der Belegschaft. Ein Kollege aus meinem Team hat heute frustriert gekündigt, eine weitere Teamkollegin überlegt sich, für ein Jahr Pause einzulegen. Mich hat gestern die Wut gepackt, weil ich lauter Deppenarbeiten zugewiesen bekommen habe. Ich hätte am liebsten meine Vorgesetzte erschlagen. Überhaupt geht es mir auf den Senkel, dass ich mir jede Arbeit wie bei einer Befehlsausgabe abholen muss. Der ganze Autoritarismus ist zum Kotzen. Andere Kollegen sprachen heute von Ausbeutung.

    Nächste Woche habe ich Gott sei Dank Urlaub und der Drecksladen kann mich mal.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

    counselor

    Heute hat die im Vorpost erwähnte Kollegin aus einer Mischung aus Frust und familiärer Probleme gekündigt und will sich ein halbes Jahr Auszeit nehmen.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

    counselor

    Bin jetzt aufgrund einer Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsregierung bis 28.2.2021 aufgrund einer coronarelevanten Grunderkrankung im Corona-Urlaub (Betretungsverbot für den Betrieb). Der Lohn für Dezember 2020 ist sicher, aber wie es im Januar oder Februar 2021 mit Lohnfortzahlung aussieht, konnte man mir noch nicht sagen.
    Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

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