Migrantischer Widerstand

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 20:49:23 Fr. 08.November 2019

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ManOfConstantSorrow

Das Thema ist zentral.
Migranten sind nicht nur Opfer der rassistischen und ungerechten Verhältnisse.
Es sind Menschen, die sich wehren. In der Geschichte waren es immer wieder die Migranten, die mit ihren Kämpfen entscheidende Impulse für die Veränderung des politischen Klimas sorgten. Deshalb versuchen Nazis und Staatsgewalt solche Kämpfe zu verhindern.

Eine aktuelle Meldung:
ZitatAuf migrantischen Protest in einem Brandenburger Sozialamt wird sofort reagiert: Per Polizeiensatz...

... An der Tür zum Vorraum streckt eine Polizistin die Hände hoch und versucht so, der Handykamera die Sicht zu versperren. Man kann aber weiter erkennen, wie ein Polizist auf den Asylbewerber einschlägt, bis die Tür zum Vorraum zugestoßen wird. Das Video läuft weiter.
http://www.labournet.de/?p=156996

Bericht samt Video vom 7. November 2019 bei Perspektive Online
https://perspektive-online.net/2019/11/video-gaengeln-schlagen-spritzen-polizeigewalt-gegen-gefluechtete
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

Ohne Rassismus wäre die Lohndifferenz zwischen Deutschen und Migranten nicht durchsetzbar.
In der Beziehung ziehen Arbeitgeberverband, AfD und braune Terrorgruppen à la NSU an einem Strang.

ZitatLohn-Kluft zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten steigt deutlich

Osnabrück (AFP) Die Kluft zwischen deutschen und ausländischen Beschäftigten beim durchschnittlichen Verdienst hat sich einem Bericht zufolge  binnen acht Jahren mehr als vervierfacht. Im Jahr 2010 verdienten einheimische Arbeitnehmer mit monatlich 2388 Euro im Schnitt 198 Euro mehr als ausländische Arbeitnehmer, berichtete die "Neue Osnabrücker Zeitung" am Dienstag unter Berufung auf eine Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion. 2018 stieg die Differenz auf mehr als 870 Euro.
https://www.zeit.de/news/2019-11/12/bericht-lohn-kluft-zwischen-deutschen-und-auslaendischen-beschaeftigten-steigt-deutlich

BGS

So werden die Migranten gezwungen, umso mehr für ihr Überleben zu rackern - und haben eventuell weder Zeit, Kraft, noch Raum für wirksamen Widerstand. Abgesehen von anderen Steinen im Weg.

MfG

BGS
"Ceterum censeo, Berolinensis esse delendam"

https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21713.1020.html#lastPost
(:DAS SINKENDE SCHIFF DEUTSCHLAND ENDGÜLTIG VERLASSEN!)

ManOfConstantSorrow

Geschichtliches kann in der Sache hilfreich sein.

Zitat1973 wurde nicht nur bei Ford gestreikt:
Arbeitskämpfe gegen  das System gespaltener Belegschaften

Der Streik bei Ford 1973 markiert den Höhepunkt der bis heute größten Welle wilder Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik. »Gastarbeiter« traten erstmals auf breiter Front als politisches Subjekt hervor. Auch deshalb spielen sie in der Erinnerung an die Kämpfe der Migration bis heute eine herausragende Rolle.


(...)Er markiert den Höhepunkt der bis heute größten Welle wilder Arbeitskämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik. Über das ganze Jahr 1973 hinweg waren es um die 300.000 Beschäftigte, die an rund 400 nicht genehmigten Streiks teilnahmen. (...)
https://oxiblog.de/1973-wurde-nicht-nur-bei-ford-gestreikt-arbeitskaempfe-gegen-das-system-gespaltener-belegschaften/

https://www.kanak-attak.de/ka/text/fordstreik.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilder_Streik_bei_Ford_1973

In den migrantischen Arbeitern liegt ein großes Potential für die heutige Zeit. Osteuropäische Arbeitsmigranten dürften eine besondere Rolle in den kommenden Kämpfen spielen.
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

Linke Solidarität gilt hauptsächlich Kriegsflüchtlingen.
Viele Migranten sind aber im Land, weil sie dem Elend entkommen wollten und hier ein besseres Einkommen erhofften. Sie sind zumeist Opfer extremer Ausbeutung. Für die Gewerkschaften ist das uninteressant. Sie sehen da eher eine Konkurrenz und fordern Polizeirazzien gegen die "Lohndrücker".

ZitatKriminelle Ausbeutung
Investigativreporter, die seit Jahren aufdecken, unter welch schlimmen Beding­ungen Arbeits­migranten für die Profite deutscher Firmen buckeln, verzweifeln an ihrer Arbeit.


»Ich wusste nicht, dass in Deutschland so etwas möglich ist«, sagt die Ukrainerin Anna den Reportern von Buzzfeed. Zehn Stunden am Tag habe sie in einer Lagerhalle bei Hamburg Autoteile verpackt. Die Arbeit sei hart gewesen. Sie wurde angeschrien und wohnte mit 50 Arbeitern in einem heruntergekommenen Einfamilienhaus. Doch am Ende blieb von ihrem kleinen Gehalt nichts als Schulden übrig. Die Männer, die sie nach Deutschland gebracht hatten, zogen ihr alles wieder aus der Tasche.

Menschen wie Anna gibt es Tausende in Deutschland: Arbeitsmigrantinnen und -migranten, die vor allem aus Osteuropa nach Deutschland gebracht werden, um hier zu schuften. Sie pflücken Obst, liefern Pakete aus, zerlegen Schweine, pflegen alte Menschen oder arbeiten in Bordellen. Auf dem deregulierten Arbeitsmarkt bieten Subunternehmen billige Arbeitskräfte nach Bedarf an. Das öffnet auch die Tür für skrupellose Geschäftemacher, die die Notlage der Arbeiter ausnutzen. Wer gefälschte Papiere hat, schwarz arbeitet und sich in Deutschland nicht verständigen kann, ist nahezu vollkommen schutzlos.

Viele der illegalen Arbeiter kommen aus der Ukraine, wo der Mindestlohn monatlich umgerechnet etwa 160 Euro beträgt. Seit drei Jahren dürfen Ukrainer ohne Visum in die EU einreisen. Etwa zur gleichen Zeit legte der Krieg im Osten des Landes die ukrainische Wirtschaft lahm. Schätzungen zufolge arbeiten mittlerweile neun Millionen Ukrainer im Ausland. Das Geld, das sie nach Hause schicken, ist für das Land eine wichtige Stütze.

Vor zwei Jahren wurde in Bayern der Ukrainer Victor Ovcharenko von einem Schlägertrupp getötet, weil er die Auszahlung seines Lohns vom Subunternehmer einer großen Logistikfirma gefordert hatte. Für sechs Euro die Stunde hatte er Pakete ausgeliefert. Das Landgericht Landshut verurteilte drei Männer wegen Körperverletzung mit Todesfolge, ob die Schläger auf Anweisung der Firmenleitung handelten, konnte das Gericht jedoch nicht klären.
(...)
https://jungle.world/artikel/2020/16/kriminelle-ausbeutung

ZitatDie Ausbeutung hat immer Saison
Die Arbeitsbedingungen für Wanderarbeiter aus Osteuropa sind in der EU sehr schlecht. Sie werden schlecht bezahlt, betrogen und häufig ihrer Freiheit beraubt. Die Pandemie verschärft diese Bedingungen.


Letztendlich würden Immigrantinnen und Immigranten als eine Ware gesehen, fasst ein Mitarbeiter von Drept die Ausbeutungsverhältnisse zusammen: »Die Menschen werden importiert, leisten hier gewisse Dienstleistungen und fertig. Das ist alles. Sie werden nicht als Arbeiter mit gleichen Rechten angesehen, oder als Teil dieses Systems. Sie gehören nicht dazu.«

Deutscher Spargel soll billig bleiben
»Wir wurden dort wie Tiere behandelt. Wir haben drei Wochen gearbeitet, sind hier angekommen, wurden in Quarantäne gesteckt, ohne darüber informiert zu werden. Wir gingen eine Woche zur Arbeit, ohne irgendein Dokument zu unterschreiben. Die Arbeitsstunden wurden auf einen Zettel geschrieben«, berichtet Dumitru P*. Auch die Versorgung vor Ort sei schlecht und teuer: »Es wurde versprochen, uns zweimal pro Woche in einen Laden zu bringen, um Essen und Wasser zu kaufen. Nichts davon war wahr, einmal waren wir in einem Laden, danach wurde auf dem Hof ein Kiosk eingerichtet, mit Lebensmitteln vom Supermarkt, die mit Zuschlag verkauft wurden, ohne Quittung. Einzelne Personen, auch meine Frau und ich, hatten gesundheitliche Probleme. Ich hatte am Bein Insektenbisse vom Feld, es war sehr geschwollen und tat weh. Ich habe um eine Creme gebeten, aber mir wurde nur entgegnet: ›Hau ab, ich hab keine Zeit für dich!‹
(...)
Costi Rogozianu, Journalist aus Rumänien, betrachtet auch die Berichterstattung in Deutschland, etwa der Bild-Zeitung, die schreibt, Deutsche seien die harte Arbeit nicht gewohnt, anders als die »stärkeren Rumänen und Polen«: »Der östliche Arbeiter ist flexibel und billig. Er wird nur wie ein Körper gesehen, der Profit schafft. Die interne Migration (innerhalb der EU) wird euphemistisch als ›das Recht auf Mobilität‹ bezeichnet. Was dabei fehlt, ist der transnationale europäische Arbeiter mit gesicherter Würde.«

Seit dem Tod des rumänischen Erntehelfers in Baden-Württemberg wächst auch in Rumänien das Interesse am Thema. Zahlreiche Medien berichten seit vergangener Woche über Fälle von Arbeitsrechtsverletzungen in der EU und davon, wie stark rumänische Arbeitskräfte betroffen sind.
https://jungle.world/artikel/2020/17/die-ausbeutung-hat-immer-saison
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatDie Flüchtlingsunterkunft in Frankfurt-Bonames wurde vor fünf Jahren als Übergangslösung gebaut. Fünf Jahre später leben dort noch immer 230 Menschen - unter Bedingungen, die sie nun nicht mehr akzeptieren wollen.

In Frankfurt haben am Mittwoch Bewohner eines Flüchtlingsheims gegen die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände in der Unterkunft demonstriert. Laut Polizei zogen knapp 100 Personen durch die Stadtteile Bonames und Kalbach. Während des etwa zweieinhalbstündigen Protests blockierten sie Straßen und machten durch Sprechchöre auf ihr Anliegen aufmerksam.
https://www.hessenschau.de/gesellschaft/frankfurt-bonames-bewohner-von-fluechtlingsunterkunft-protestieren-gegen-schlechte-zustaende,fluechtlingsheim-bonames-protest-100.html

Kuddel

ZitatFlüchtlinge in Frankfurt fordern besseres Wohnen
Das Fass ist voll. Nachdem die Bewohner einer Unterkunft für Flüchtlinge in Bonames wochenlang gegen ihre Wohnbedingungen protestiert hatten und es wie berichtet immer wieder zu Ausschreitungen kam, haben sie nun für das Sozialdezernat einen Bericht über die Vorkommnisse verfasst. Etwa 50 Menschen sind zur Übergabe vor das Sozialdezernat gekommen. Sie lesen ihren Bericht vor, drei volle Seiten. Vom Dezernat kommt niemand, um ihn entgegenzunehmen.
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/fluechtlingsheim-frankfurt-bewohner-schildern-ihre-sicht-16864399.html

Kuddel

Zitat,,Gastarbeiter" entdecken den Wilden Streik

Die Analyse des Fordstreiks 1973 setzt der offiziellen Geschichtsschreibung eine Migrationsgeschichte aus der Perspektive der Kämpfe, Konflikte und sozialen Handlungen entgegen.
https://www.untergrund-blättle.ch/buchrezensionen/sachliteratur/joerg-huwer-gastarbeiter-im-streik-988.html

Kuddel

Der migrantische Widerstand nimmt zu.

ZitatErntehelfer haben mehr Mut, Missstände anzuprangern

Nach Corona-Ausbrüchen in einigen landwirtschaftlichen Betrieben rücken auch die Arbeitsbedingungen von Erntehelfern in den Fokus. "Dieses Jahr macht sich jeder Sorgen, krank zu werden. Die Menschen haben deswegen mehr Mut, nach außen zu transportieren, wie schlecht es bisher war", sagte die Gewerkschafterin Catalina Guia vom Beratungsprojekt "Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrar-duesseldorf-erntehelfer-haben-mehr-mut-missstaende-anzuprangern-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200801-99-04010

Neenee, es liegt nicht nur an Corona. Die migrantischen Communities wissen von den vorangegangen Protesten und von Unterstützern und erfolgreichen Kämpfen. Sowas spricht sich rum. Bis in ihre Heimatländer.

ManOfConstantSorrow



Streikende türkische Arbeiter am 29. August 1973 am Ford-Werk in Köln-Niehl. Auslöser des «Wilden Streiks» war die Entlassung von 300 Arbeiter*innen, die verspätet aus dem Urlaub zurückgekehrt waren. Doch ging es um viel mehr. 

https://www.rosalux.de/publikation/id/42811
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

ManOfConstantSorrow

Aus der Geschichte der US ArbeiterInnenbewegung:

5 Beispiele für Streiks der Latinocommunity in den USA in den letzten 100 Jahren:
https://www.history.com/news/latino-labor-movement-strikes-cesar-chavez
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel


https://youtu.be/SneQdn61ptg

Werner Rügemer (Aktion Arbeitsunrecht) übt scharfe Kritik an "Faire Mobilität".

ZitatDie Kehrseite der ,,vorübergehenden" Wanderarbeit als Dauerzustand: Das Reservoir in den unterentwickelt gehaltenen neuen EU-Staaten soll erhalten bleiben. Zeitlich begrenzte Billigarbeit in den reichen EU-Gündungsstaaten, wie auch mit den Spargelstechern und sonstigen Saisonarbeitern praktiziert – gleichzeitig werden die armen EU-Staaten in Osteuropa in volkswirtschaftlicher Unterentwicklung gehalten. So bleibt das erpressbare, stumme Reservoir für die mobile, austauschbare Reservearmee erhalten.
(...)
EU-finanzierte Komplizenschaft des DGB

In den Eckpunkten lobt das Bundeskabinett das Projekt ,,Faire Mobilität". Es soll zur Durchsetzung des neuen Schutzprogramms fortgeführt werden. Es wird aus dem Sozialfonds der EU finanziert. Der DGB betreibt damit seit mehreren Jahren Beratungsstellen für ausländische Wanderarbeiter.

Die Mittel werden über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zugeteilt. In 9 regionalen Beratungsstellen des DGB sollen ,,mobile Arbeitnehmer/innen aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten bei der Durchsetzung von gerechten Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt unterstützt" werden.

Die Beratungsstellen gehen nicht offensiv in die Betriebe, sondern warten auf verängstigte Werkvertragler, die es wagen, sich an die Beratungsstellen zu wenden. Die Beratung der wenigen Betroffenen beschränkt sich auf das Unmittelbare. Aber die individuelle Stärkung für den Gang vor Gericht oder die kollektive Stärkung etwa durch praktische Heranführung an die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft werden in diesem Gewerkschaftsprojekt nicht gefördert. Betriebsratsgründung? Noch nie gehört.

Die in der Schlachtindustrie praktizierten Rechtsbrüche werden von den DGB-Beratungsstellen nicht zur Anzeige gebracht – einmal, 2017, wurden zwei Arbeiter gegen die Tönnies-Werkvertragsfirma Besselmann vor Gericht vertreten, eine Ausnahme.[9] Dass der Status als Werkvertragler ein Rechtsbruch, ein Betrug ist, weil es sich in Wirklichkeit um Leiharbeiter handelt – keine Kampagne beim DGB.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=61638

Es gibt auch Stimmen, die Rügemers Kritik für übers Ziel hinausgeschossen halten. Trotz der Nähe ist "Faire Mobilität" nicht gleich DGB. Es gibt dort gute und engagierte Leute, die nicht nur auf "auf verängstigte Werkvertragler" warten, sondern aktiv den Kontakt zu ihnen an ihren Arbeitsplätzen oder Unterbringungen suchen.

Die Kritik am DGB ist völlig berechtigt.

Kuddel


Kuddel

ZitatDer Luxus der Anderen
Ausgebeutet in Berlin – 550 Euro für drei Wochen harte Arbeit

Als Arbeiter kam er nach Deutschland, baute mit an der glitzernden ,,Mall of Berlin" – und wurde nicht bezahlt. Heute lebt Nicolae Molcoasa auf der Straße.




(...) Seit es in der EU einen gemeinsamen Arbeitsmarkt gibt, sind hunderttausende Menschen nach Deutschland gekommen. Gut 400.000 Beschäftigte mit rumänischer Staatsangehörigkeit wie Molcoasa zählte die Bundesagentur für Arbeit dieses Jahr – und das sind noch diejenigen, die zumindest sozialversicherungspflichtig angestellt sind.

Die Menschen sind anfällig für Ausbeutung, nehmen oft übelste Bedingungen in Kauf, weil sie keine Wahl haben. ,,Wer aufmuckt, der fliegt raus", sagt Justyna Oblacewicz vom Deutschen Gewerkschaftsbund. 8000 Menschen haben sich bundesweit allein in der ersten Hälfte des Jahres 2020 an die Beratungsstellen für ,,Faire Mobilität" der Gewerkschaft gewandt.

Vor gut sechs Jahren betritt Nicolae Molcoasa zum ersten Mal das Areal in der Mitte Berlins, wo heute die Mall steht. Er schleppt schweres Baumaterial. ,,Von Anfang an war die Arbeit hart, übertrieben." Zehn Stunden habe er am Tag gearbeitet, an sechs Tagen in der Woche. ,,Aber es wurde schlimmer."

Bullige Typen tauchten auf der Baustelle auf, verboten Pausen, aus angeblich ,,technischen Gründen", brüllten Molcoasa und seine Kollegen an, wenn sie Wasser trinken wollten. Aber Molcoasa will an diese Sache lieber nicht mehr so viel denken. ,,Das würde meine jetzige Lage noch schlimmer machen."

(...) ,,Die Anwälte haben so viele Beweise vorgebracht, trotzdem haben wir verloren"

Die verantwortlichen Subfirmen kommen davon. Openmallmaster ist pleite, der Geschäftsführer wurde per Haftbefehl gesucht, weil er die Insolvenz verschleppte. Der Befehl ist verjährt.



(...) Fälle wie der Molcoasas zeigen: Gleiche Rechte bringen nur dann etwas, wenn Menschen sie durchsetzen können, wenn sie ihre Rechte überhaupt kennen. Oft ist das bei Menschen aus dem Osten der EU nicht so, sagt Gewerkschafterin Oblacewicz.

Auch die Obdachlosigkeit ist als Gefahr im System angelegt: Auf dem Bau, in der Landwirtschaft und der häuslichen Pflege ist die Unterkunft für Ausländer teilweise an den Arbeitsplatz gekoppelt. Wer den Job verliert, ist dann gleichzeitig ohne Dach über dem Kopf. ,,In solchen Fällen bleibt den Menschen nichts anderes übrig als den Weg nach Hause anzutreten oder so schnell wie möglich eine neue Anstellung zu finden."
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/der-luxus-der-anderen-ausgebeutet-in-berlin-550-euro-fuer-drei-wochen-harte-arbeit/26781212.html

Kuddel

Twittermeldung aus Österreich:



Marya, 24h-Betreuerin aus Rumänien hat eine Rede gehalten:

ZitatHallo, mein Name ist Marya und ich bin eine rumänische 24-Stunden-Betreuerin.

Heute vertrete ich meine Kolleginnen und Kollegen von den Vereinen DREPT und IG24, aber auch alle anderen BetreuerInnen, die mit uns für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.
Wir werden genauso ausgebeutet und ignoriert wie immer. Wir müssen noch immer in einem System mit offensichtlicher Scheinselbstständigkeit arbeiten.
In der Praxis sind wir jedoch von den schrecklichen Ausbeutungspraktiken der Vermittlungsagenturen abhängig, die uns dazu bringen, ungerechte Verträge zu unterschreiben und sich auf unserem Rücken bereichern.

Obwohl die Pandemie des letzten Jahres glasklar gezeigt hat, dass die 24h-Betreuung für unsere Gesellschaft unverzichtbar ist, dass die Gesellschaft zusammenbrechen würde, wenn wir nicht da wären und uns um die kümmern würden, die am Ende ihres Lebens stehen und obwohl alle in Panik geraten, wenn die Grenzen geschlossen werden und wir nicht mehr zu unserer Arbeit anreisen können, haben sich unsere Arbeitsbedingungen trotzdem kein bisschen verbessert! Nicht ein bisschen!

Heute ist unser Tag. Aber nicht, um beklatscht, gelobt und gefeiert zu werden. Nein! Es ist unser Tag, um unsere Wut herauszuschreien. Denn ja, wir werden immer wütender.

Obwohl die Pandemie des letzten Jahres glasklar gezeigt hat, dass die 24h-Betreuung für unsere Gesellschaft unverzichtbar ist, dass die Gesellschaft zusammenbrechen würde, wenn wir nicht da wären und uns um die kümmern würden, die am Ende ihres Lebens stehen und obwohl wir haben keine Möglichkeit, uns zu schützen, um uns kümmert sich der Staat Österreich nicht. Und in unseren Heimatländern gibt es ganze Familien, die von unserer Arbeit und von unserem Einkommen abhängen.

admin

Die schwedische Gewerkschaft SAC hat einen Versuch unternommen, eine internationale Vernetzung zum Thema Arbeitsmigration aufzubauen.

Es waren bei dem Onlineaustausch Teilnehmer aus Schweden, Polen, Bulgarien und Deutschland dabei. Es waren Leute aus Gewerkschaften und anderen Initiativen, die sich mit der Thematik befassen. Ich war als Vertreter von chefduzen eingeladen.

Was mir im Kopf geblieben ist: Es waren 2 Gewerkschafter von der FAU Bonn dabei, die erzählten, daß die FAU Bonn sich erst ein Jahr zuvor gegründet hat und dann überrascht wurde, daß die Rumänischen Erntearbeiter bei Spargel Ritter in Bornheim eigenständig in den Streik getreten sind und sie als Gewerkschaft hinzukamen, um die kämpfenden Arbeitsmigranten zu unterstützen. Sie erzählten begeistert, was sie im Laufe diese Auseinandersetzung gelernt hätten. Die juristische Auseinandersetzung sei noch am Laufen und sie sehen den Ausgang optimistisch.

Amazon hat bisher beim Vertrieb der Waren meist auf Zusteller wie DHL zurückgegriffen. Nun will Amazon eigene Vertriebsstrukturen aufbauen. Es ist geplant, Amazonfahrer grenzüberschreitend zu vernetzen.

Eine polnische Teilnehmerin sagte, viele Polen arbeiteten im westlichen Ausland und Polen sei voll mit Arbeitsmigraten, u.a. aus der Ukraine. Wir sollten also nicht mit einer Haltung loslegen, wir würden etwas für Arbeitsmigranten tun. Wir sollten uns selbst als Arbeitsmigranten sehen, die sich vernetzen müssen, um unsere Lebenssituation zu verbessern.

Es soll ein kontinuierlicher Austausch stattfinden und ein Infopool aufgebaut werden mit Adressen von Beratungs- und Anlaufstellen, mit mehrsprchigen Infos zur rechtlichen Situation im jeweiligen Land und mit Infos zu praktischen Erfahrungen mit kollektiver Gegenwehr.

Kuddel

Ich schätze die britische Initiative "Angry Workers" sehr.
Sie gehen dorthin, wo die Ausbeutungsverhältnisse am krassesten sind. Sie sind neugierig. Sie knüpfen Kontakte. Sie beobachten, quatschen mit den Leuten und mischen sich ein.

Ein Auszug:

ZitatWir arbeiteten auf einer Obstfarm in Kent und pflückten Erdbeeren. Es waren ungefähr 80 Hektar. Die Familie, die den Betrieb führte, hatte noch mehrere andere Farmen. Auf unserer Farm wurden die Erdbeeren draußen in Folientunneln angebaut, die in Brusthöhe aufgehängt waren. Die Arbeit, die wir verrichteten, war das Entblättern (also die Pflege der Pflanzen) und einige Pflückarbeiten. Wir kamen im Juni an und arbeiteten bis September.

Wir wohnten auf einem 1 oder 2 Hektar großen Wohnwagenplatz neben einem kleinen Industriegebiet. Um uns herum waren Felder mit den Polytunneln. Die Miete kostete etwa 69 Pfund pro Woche. Also etwa ein Tageslohn. Das beinhaltete ein Bett im Wohnwagen für bis zu 6 Personen, und es deckte Strom, Wasser, Gemeinschaftsduschen/-Toiletten und Kochmöglichkeiten ab. Der Lohn wurde direkt von unseren Gehaltsschecks abgezogen.

Die Wohnwagen waren sehr einfach. Wir haben Bilder von anderen Farmen gesehen und die können viel angenehmer sein. Die Kochgelegenheiten waren auch sehr funktionell. Die Toiletten waren immer verstopft. Wir kamen als Paar an und konnten so das Hauptschlafzimmer teilen. Es hatte eine Matratze und einen Kleiderschrank. Wir hatten Glück, denn dieses war besser als andere Zimmer. Man konnte in einem sehr kleinen Zimmer mit einem anderen Fremden zusammen sein und ein paar Zentimeter von dessen Gesicht entfernt schlafen. Und eine Steckdose pro Zimmer.
(...)
Es gab einen Engländer, mit dem wir zusammenarbeiteten, der Italienisch sprechen konnte, und so konnte er sich mit einem Rumänen verständigen, der Italienisch sprach, weil er jahrelang in Italien gearbeitet hatte. Dieser Rumäne zeigte dem Engländer, wie man die Erdbeeren wirklich schnell pflückt, indem man eine spezielle Technik mit den Fingern anwendet. Die Manager bringen einem das nicht bei, also muss man von anderen lernen. Die Arbeit wurde in Pflanzenreihen gemessen, und wir bekamen verschiedene Kontingente zugeteilt.

Die Vorgesetzten waren hauptsächlich Rumänen und Bulgaren, aber wir hatten einen englischen Vorgesetzten. Er hatte noch nie Obst gepflückt, aber er war ein Manager in einem Geschäft gewesen, also machten sie ihn zum Aufseher. Er arbeitete die Quoten aus (etwa 20 kg Obst pro Stunde). Der Grundlohn war der Mindestlohn, aber wenn man eine bestimmte Menge überschritt, kam man in den "Bonusbereich". Aber man musste wirklich verdammt schnell sein, um überhaupt in den Bereich des Mindestlohns zu kommen. Wenn man zu oft nicht schnell genug war, wurde man für den Tag nach Hause in seinen Wohnwagen geschickt. Man wurde zwar für seine Schicht bezahlt, aber dann wurde man nicht mehr zur Arbeit gebeten. Du würdest einfach weiter auf der Baustelle sein, ohne zu arbeiten. Man erfuhr erst am Vorabend, ob man am nächsten Tag zur Arbeit eingeteilt war. Dies wurde am schwarzen Brett in der Küche ausgehängt. Die Farm arbeitete 7 Tage die Woche und man musste jeden Abend den Dienstplan überprüfen. Wenn man also frei haben wollte, musste man ihnen sagen, dass man einen Tag frei hat, oder einfach nicht zur Arbeit gehen und sich darum kümmern. Normalerweise waren sie damit einverstanden, wenn man es ihnen im Voraus mitteilte.

Es waren hauptsächlich Arbeiter aus Rumänien, Bulgarien und der Ukraine, aber auch einige Polen, Slowaken und Tschechen. Möglicherweise gab es auch einige Roma-Arbeiter auf dem Hof. Die ukrainischen Arbeiter lebten auf einem separaten Wohnwagenplatz und wurden zur Aufstockung der Belegschaft geschickt, wenn die Nachfrage groß war. Der Campingplatz, auf dem wir waren, war hauptsächlich rumänisch, und es gab einen zweiten, der hauptsächlich bulgarisch war. Die Leute blieben hauptsächlich bei ihrer jeweiligen Sprachgemeinschaft. Die Arbeiter waren hauptsächlich männlich, viele waren Mitte 20, aber es gab auch viele in ihren 30ern, 40ern, 50ern. Einige der Arbeitsmigranten schienen recht erfahren zu sein, und viele der Neuen waren mit Erfahrenen gekommen, die ihnen die Grundlagen zeigten.

Unser Arbeitsteam bestand hauptsächlich aus Engländern. Anfang Juni waren wir 35 Leute, aber die Zahl sank auf etwa 16, die es eine Weile aushielten, und als wir Ende September abreisten, waren es noch 4. Die englischen Arbeiter hielten nicht lange durch. Viele Leute kamen aus dem Hippiemilieu - normalerweise arbeiteten sie auf Festivals. Einige waren gerade entlassen worden, andere waren gerade auf Weltreise, als die Pandemie ausbrach. Es gab auch ein paar zwielichtige Leute, die nur wegen der billigen Unterkunft und zum Stehlen da zu sein schienen. Stressig, wenn sie in deinem Wohnwagen leben. Sie blieben nicht lange und zogen weiter.
(...)
https://www.angryworkers.org/2021/01/06/lockdown-interviews-agricultural-worker/

Kuddel

Ich war auf einer Anti-Tönnies-Veranstaltung und da wurde berichtet, daß vorerst Arbeitskämpfe innerhalb der Schlachtbetriebe unmöglich seien, da die osteuroäischen Beschäftigten unter ständiger Bebochtung und Repression ständen. Osteuropäische Vorgesetzte übernähmen Kapoaufgaben und würden in den gleichen Unterbringungen wohnen. Aufmüpfige Arbeiter werden zusammengeschlagen, teilweise auch abgeschoben.

Das Unmögliche ist nun doch passiert: Wilde Streiks an mehreren Vion Standorten!
ZitatAn drei Standorten von Vion legten Mitarbeiter in der Schlachtung und Zerlegung unangekündigt ihre Arbeit nieder. Auslöser für die Streiks war Ärger über die Lohnabrechnung.
https://www.wochenblatt-dlv.de/regionen/ostbayern/streiks-bleiben-ohne-groessere-auswirkungen-564244

Nun hat auch die NGG nachgelegt:
ZitatMitarbeiter des Landshuter Schlachthofs streiken



Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat in dieser Woche zu Streiks in der Fleischwirtschaft aufgerufen. In der Nacht auf Donnerstag haben sich auch die Mitarbeiter des Vion Schlachthofs in Landshut daran beteiligt.


Wie die NGG mitteilte, sei die komplette Schlachtung dem Aufruf gefolgt und habe ab 2 Uhr die Arbeit niedergelegt. Erst vier Stunden später um 6 Uhr seien die Mitarbeiter wieder angetreten. "Wir sind sehr zufrieden mit der breiten Beteiligung am Warnstreik.
https://www.idowa.de/inhalt.aktion-am-donnerstagmorgen-mitarbeiter-des-landshuter-schlachthofs-streiken.69e5a875-083f-4829-9a79-68d9487899a3.html

Kuddel

Die Unsichtbaren

Hunderttausende migrantische Arbeiterinnen befinden sich in einer Art Leibeigenschaft: 24-Stunden-Pflegekräfte.

Eine hat den juristischen Kampf aufgenommen:

ZitatEtwa eine halbe Million Menschen halten sich in Deutschland Diener*innen, die das Haus fast nie verlassen und immer zur Verfügung stehen müssen. An solche massenhaften Feudalarbeitsverhältnisse glauben Sie nicht? Dann fragen Sie mal 24-Stunden-Pflegekräfte, wie ihre Arbeitsbedingungen sind!

Diese Pflegekräfte sind meistens weiblich, meistens aus Osteuropa, sie betreuen Pflegebedürftige rund um die Uhr in deren Häusern und bekommen diese Zeit nicht einmal annähernd vollständig entlohnt.

Einer von ihnen hat es jetzt gereicht. Frau Alekseva, der Name ist geändert, kommt aus Bulgarien. Sie hat dagegen geklagt, dass sie lediglich die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegten 30 Arbeitsstunden, nicht aber die restliche Arbeits- und Bereitschaftszeit bezahlt bekommt. Zwei Gerichte in Berlin haben ihr bereits Recht gegeben; ein Arbeitsgericht gestand ihr zu, dass sie Lohn für 168 Arbeitsstunden hätte bekommen müssen. Das Landgericht Berlin erkannte 21 Arbeitsstunden täglich, also insgesamt 147 Arbeitsstunden an. Ihr tatsächlicher Lohn lag also so weit unter dem Mindestlohn, dass es sich hier nicht mehr auszurechnen lohnt. Als Nächstes wird vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt, weil Frau Aleksevas Arbeitgeber zum dritten Mal Berufung eingelegt hat. Der Arbeitgeber ist eine bulgarische Agentur, wie es sie zu Tausenden gibt und wie sie gut an den Vermittlungen verdienen.

Unterstützung bekommt Frau Alekseva vom Projekt ,,Faire Mobilität" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dessen Mitarbeiterinnen beraten ost- und mitteleuropäische Arbeitsmigrant*innen in Deutschland bei ihren Anliegen. ,,Wir hoffen, dass sich nach einem positiven Urteil mehr Betreuungskräfte trauen, sich gegen mangelnde Bezahlung und fehlende Freizeit zu wehren und ihre Ansprüche einklagen", erklärt Justyna Oblacewicz von der im DGB organisierten Gewerkschaft Verdi. ,,Viele wissen nicht mal, dass sie ihre Rechte hier in Deutschland durchsetzen können, auch wenn sie keinen deutschen Vertrag haben." Neben der rechtlichen Beratung bemüht sie sich um die gewerkschaftliche Organisierung der 24-Stunden-Pflegekräfte, die leider noch ganz am Anfang steht: ,,Wir versuchen, die Frauen, die vereinzelt in ihren Haushalten sind, über Social Media zu vernetzen. Es gibt auch viele sprachliche Barrieren." Auch in der Schweiz wehren sich seit ein paar Jahren die 24-Stunden-Pflegekräfte auf ganz ähnliche Weise. Bleibt zu hoffen, dass Frau Oblacewicz recht behält, dass der Funke überspringt und Frau Alekseva das Vorbild für noch sehr viele betroffene Pflegekräfte mehr wird.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/24-stunden-pflege-und-jetzt-vor-gericht

Kuddel

Die Arbeit und die Kämpfe der Migranten sind für uns unsichtbar, teilweise deshalb, weil wir uns dafür zu wenig interessieren.

Es ist dabei unfaßbar, wie ruhig es in den Betrieben in Deutschland ist. Ich sehe das Problem darin, daß die Deutschen darauf warten, daß die Gewerkschaften die notwendigen Kämpfe organisieren. Die tun es aber nicht. Mit ihrer sozialparterschaftlichen Ausrichtung fürchten die Gewerkschaften, daß Arbeitskämpfe ja im internationalen Konkurrenzkampf von Nachteil für die Betriebe sein könnten.

Wir stehen also vor dem schwerwiegenden Problem, es mit unbrauchbaren Gewerkschaften zu tun zu haben, die sich eher für den Betriebsfrieden, als für die Interessen der Arbeiter:innen einsetzen.

Migrantische Arbeiter:innen sind nicht unbedingt die armen Ausgebeuteten, die nur auf unsere Hilfe warten. Oftmals sind es kämpferische Menschen, die nicht darauf hoffen, daß sie von Gewerkschaften oder sonstwem vertreten werden, sondern wissen, daß sie selbst für ihre Rechte kämpfen müssen.

Ich glaube, wir sollten uns mehr für die migrantischen Kämpfe interessieren, um selbst ie betriebliche Friedhofsruhe zu beenden.

Die Kämpfe des Bodenpersonals am Frankfurter Flughafen halte ich für ein gutes Beispiel:
https://forum.chefduzen.de/index.php/topic,21592.30.html

Das meist migrantische Personal fühlte sich von Verdi nicht vertreten und von der Kleingewerkschaft IGL nur halbherzig.
Sie erfuhren Unterstützung von kleineren linken Orgnisationen, von Trotzkisten und der MLPD, aber mein Eindruck ist, daß die Solidarität und das ungewöhnliche Durchhaltevermögen auf migrantischen Netzwerken und Strukturen basiert.


ManOfConstantSorrow

ZitatEin Nachruf auf den Sprecher der Streikleitung des Ford Streiks 1973

Der Streik bei Ford in Köln im August 1973 war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – der Arbeiterbewegung in Deutschland, nicht der ,,deutschen Arbeiterbewegung..." Der Ford-Streik markierte als Teil der breiten Streikbewegung von Mai bis Oktober 1973 das Ende einer Zeit relativen ,,Klassenfriedens". Die Periode des oft und gerne verklärten ,,Wirtschaftswunders" war endgültig vorbei.



An den ,,wilden" – nicht von den Gewerkschaften geführten – Streiks im Sommer 1973 beteiligten sich 300.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Betriebe, in denen die Belegschaften aufbegehrten, waren unter anderem John Deere in Mannheim, die Klöckner-Hütte Bremen, die Hella-Werke Lippstadt, Pierburg in Neuss, AEG-Küppersbusch in Gelsenkirchen, Opel in Bochum, Philips/Valvo in Bremen, Rheinstahl in Bielefeld/Duisburg und Buderus in Lolla/Hessen.

Baha Targün war Streikführer des ,,Wilden Streiks" (1973) bei Ford-Köln, der hauptsächlich von türkischen Arbeitern getragen wurde. In die Geschichte der türkischen Migranten ging dieser Streik als Wendepunkt ein. Er war das Ende des Bildes vom unterwürfigen türkischen ,,Gastarbeiter". ,,Einfügsam und durchaus brauchbar, wenn man ihn nur richtig anpackt" – so hieß es in einer zeitgenössischen Einschätzung. Für fast alle kam dieser Streik deshalb völlig unvorbereitet. Er war eine ungeheure Explosion, die mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurde.

Der Streik brach Ende August 1973 aus. Der Anlass war die Entlassung der zu spät aus dem Urlaub in der Türkei zurück kommenden türkischen Arbeiter. Die Arbeitssituation verschlechterte sich, weil die Arbeit der fehlenden Arbeiter von den anwesenden übernommen werden musste. Schon lange war die schwere Arbeit und das Tempo am Fließband unerträglich. Mehr als fünf Jahre war die körperliche Belastung kaum zu überstehen. Doch genau dafür wurden über 11.000 türkische Arbeiter von Ford/Köln angeworben. Ford ersparte sich mit billiger Arbeit die sonst schon übliche Mechanisierung der Arbeit. So brauchte es nur eines Zündfunkens und ein Streik mit bisher nicht gekannter Radikalität nahm seinen Lauf.

Baha Targün gab dem explodierenden Zorn der türkischen Arbeiter ein Gesicht und seine Stimme. Bahas Leidenschaft und große Empathie hielt eine Mischung von Menschen zusammen, die bisher noch keine gemeinsame Streikerfahrung hatten.

Die türkischen Arbeiter entsprachen nicht dem gängigen Bild des türkischen ,,Gastarbeiters" und auch nicht unserem Bild von der revolutionären Arbeiterklasse. Sichtbar wurden erstmals Muslime, Kommunisten, Antikommunisten, Bauern, Türken und Kurden, viele qualifizierte Facharbeiter aus der Westtürkei, Siedler aus den illegalen Siedlungen (gecekondu) Istanbuls, die schon in der Türkei Migranten waren, usw. Die Agitprop der linken Gruppen erwies sich als weltfremd und völlig ungeeignet die Menschen zu erreichen.(...)
Weiterlesen! -> https://www.lunapark21.net/zum-tod-von-baha-targuen/
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Kuddel

ZitatAm gestrigen Tag gingen in Rom mehrere tausend schwarze Menschen auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. Die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen und der strukturelle Rassismus zwangen sie auf die Straßen Roms und zum Streik.
https://betriebskampf.org/2021/05/23/streik-der-invisibli-in-italien/

Kuddel

ZitatEine polnische Pflegekraft wehrt sich
,,Wenn ich nicht kämpfe, wer sonst?"

Mit 50 Jahren kommt Ewa als Pflegekraft aus Polen nach Deutschland. Als sie erkennt, dass sie ausgebeutet wird, sagt sie dem ungerechten System den Kampf an. Sie streitet für bessere Arbeitsbedingungen und ein selbstbestimmtes Leben.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/eine-polnische-pflegekraft-wehrt-sich-wenn-ich-nicht.4004.de.html?dram:article_id=497976

Kuddel

Zitat...dass viele keinen sicheren Aufenthaltsstatus und kaum andere Jobperspektiven haben, auch wegen Corona. Trotzdem beteiligen sie sich an einem nach deutschem Streikrecht irregulären Ausstand.

Der Protest ist illegal? – Egal

Liegt es daran, dass ein großer Teil der meist jungen Rider und Picker aus Italien, Spanien, Chile, der Türkei und anderen Ländern stammt und eine Sprache spricht, die selbst Gewerkschafter*innen und Linke in Deutschland oftmals scheuen? Damit ist nicht das Englisch gemeint, in dem sie in der Regel miteinander kommunizieren. Sie bezeichnen sich selbstverständlich als Arbeiter*innen, treten selbstbewusst und unversöhnlich auf. ,,Gorillas kann einen Rider feuern, oder zwei oder drei, aber nicht 50. Wir sind die Basis für ihr Wertversprechen. Ohne uns kann Gorillas keine Geschäfte machen", sagt der Fahrer Hueseyin am Donnerstag auf der Prenzlauer Alle in die Kamera von Labournet TV. ,,Wir sind diejenigen, die das überhaupt möglich machen. Wir werden nicht verlieren."

Viele der Rider leben noch nicht lange in Deutschland und haben die durchregulierten deutschen Arbeitskampfbeziehungen noch nicht verinnerlicht.
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/riders-in-2019nem-sturm

Kuddel

ZitatEin gewisser Geist der Rebellion

Interview mit drei Berliner Gorillas-Rider*innen aus Chile und Mexiko


Der neue Lieferdienst Gorillas betreibt seinen aggressiven Expansionskurs buchstäblich auf dem Rücken der Fahrradkurier*innen. Aber in Berlin stößt er auf Gegenwehr. Im Februar legten die Rider*innen wegen der unzumutbaren Wetterbedingungen die Arbeit nieder. Danach organisierten sie sich als Gorillas Workers Collective und bereiteten die Gründung eines Betriebsrates vor. Zur Betriebsversammlung am 3. Juni konnten sie mehr als 200 Kolleg*innen mobilisieren. Ihre bislang spektakulärste Aktion war der spontane Streik am 8. und 9. Juni mit Blockaden von Gorillas-Standorten, für die Wiedereinstellung ihres gekündigten Kollegen Santiago und die Abschaffung der sechsmonatigen Probezeit. Noch vor diesen Ereignissen haben wir Ende Mai mit Carlos und Gladys aus Chile sowie Dario aus Mexiko (Namen geändert) über die Arbeit und die Organisierung bei Gorillas gesprochen

Ein Kollege meinte mal, dass die Verkehrssprache bei Gorillas in Berlin eigentlich Spanisch sein müsse, weil 60 bis 70 Prozent der Rider*innen aus Lateinamerika oder Spanien kommen. Was sind die besonderen Bedingungen für euch aus Lateinamerika?

G: Die meisten arbeiten mit dem sogenannten Working Holiday Visum, das sich in letzter Zeit immer mehr ausbreitet. Es gilt für ein Jahr und ist Teil der Prekarisierung, denn innerhalb dieses Jahres kannst du nur sechs Monate bei demselben Unternehmen beschäftigt sein. Danach musst du den Arbeitgeber wechseln. Das schafft billige Arbeitskräfte und führt zu hoher Fluktuation.
(...)
http://ila-web.de/ausgaben/447/ein-gewisser-geist-der-rebellion

Kuddel

Zitat,,Die Verbindung zwischen Arbeitsrecht, Prekarität und Migration ist politisch gewollt"

Ana Cárdenas Tomažič und Oskar Fischer im Gespräch über das deutsche Arbeits- und Migrationsregime, anlässlich des Gorillas-Streiks.

(...) Aus einer kritischen Perspektive kann man sagen, diese Arbeitsbedingungen sind prekär. Aber sie sind insgesamt nicht illegal. Sie bewegen sich nicht im informellen Sektor, das ist ein wichtiger Unterschied zu vielen anderen Regionen der Welt. Sehr ähnliche Arbeitsverhältnisse werden anderswo nicht rechtlich definiert, sondern finden jenseits der Regulierung statt, mit Arbeiter:innen von vor Ort, die nicht importiert werden müssen. Dass so eine starke Verbindung zwischen Arbeitsrecht, Prekarität und Migration entstehen konnte, wurde politisch gewollt und auch so rechtlich reguliert, weil der deutsche Arbeitsmarkt so abhängig von den migrantischen Arbeiter:innen ist.
(...)
Rassistische Disziplinierung, Wahlen und Kämpfe migrantischer Avantgardes
(...)
Gewerkschaften, Bürokratie und der politische Charakter des Kampfes gegen Prekarisierung
(...)
https://www.klassegegenklasse.org/die-verbindung-zwischen-arbeitsrecht-prekaritaet-und-migration-ist-politisch-gewollt/

Kuddel

ZitatGleicher Lohn für gleiche Arbeit: Ausländische Arbeiter am HKW Süd protestieren
Osteuropäer bauen das Heizkraftwerk Süd um. Doch ihr Lohn beträgt gerade mal die Hälfte von dem, was ein deutscher Arbeiter bekommen würde.






...Gerade mal etwas mehr als neun Euro erhalten die osteuropäischen Arbeiter in der Stunde, sagt Franz Schütz von der Gewerkschaft Verdi. Deutsche Facharbeiter würden mindestens 18 Euro verdienen...

...Tamás Székely, der Vorsitzende der ungarischen Chemiegewerkschaft, reiste sogar acht Stunden von Budapest nach München, um an der Kundgebung teilnehmen zu können. Er hält es auch deshalb für wichtig, dass seine Landsleute ebenso viel verdienen wie deutsche Arbeiter, weil München so teuer ist. ...
https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/gleicher-lohn-fuer-gleiche-arbeit-auslaendische-arbeiter-am-hkw-sued-protestieren-art-749074

Kuddel

Arbeitsmigranten sind nicht nur Motor der Wirtschaft, sondern auch der Klassenkämpfe.
Die großen Wilden Streiks der 70er wurde von Arbeitsmigranten geführt, der Wilde Streik am Spargelhof Bornheim 2020 und der bei Gorillas 2021 in Berlin wurden (hauptsächlich) von Migranten geführt.

Ein Versuch, die Stadtteilarbeit darauf auszurichten.
Transparent- und Flyeraktion in Kiel-Gaarden:



Rotes Transparent (Bulgarisch): Razzien gegen Ausbeutung?
Hört auf Arbeitsmigranten zu kriminalisieren und zu deportieren.
Geht gegen Ausbeuter vor!



Es gilt klarzumachen, daß die Razzien, die laut Medien gegen Ausbeutung sind, sich in Wirklichkeit gegen die Arbeitsmigranten richten.



Weißes Transparent (Rumänisch): Gleiche Rechte und gleiche Löhne für alle!


ManOfConstantSorrow

,,Migration bedeutet Klassenkampf "
Kanak Attak als Projekt der Geschichtsschreibung.



https://www.arbeit-bewegung-geschichte.de/wp-content/uploads/2021/06/abg_2021_2_Perinelli.pdf
(Ausführliches Interview ab Seite 131)
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

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