Organizing

Begonnen von Kuddel, 11:48:05 Do. 06.Februar 2020

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Kuddel

Top of the Pops. Der neueste Megatrend:
ORGANIZING
Eine weitere Sau wird durchs gewerkschaftliche und linke Dorf getrieben.
Alle sind dabei. Wobblies. FAU und DGB. Auch die aus der "Stadtteilarbeit".
ZitatTorsten Bewernitz: »Die Gewerkschaft von morgen?« – Die IG Metall Mannheim stellt die Weichen auf »gesamthaftes« Organizing
http://express-afp.info/express-01-2020-erschienen

Aha. Wir haben nun das Erfolgsrezept.

Jetzt mal ein paar Fragen:

Wem sagt "Organizing" etwas?
Wer hat praktische Erfahrung damit?
Wie schätzt ihr das Projekt ein?

Fritz Linow

Die Artikel zum Organizing gibt es dann hier:
https://www.mannheim.igm.de/news/meldung.html?id=94214

Da kommen auch die Schwachpunkte zur Sprache.

NachbarArsch

Zitat von: Fritz Linow am 14:43:51 Do. 06.Februar 2020
Die Artikel zum Organizing gibt es dann hier:
https://www.mannheim.igm.de/news/meldung.html?id=94214

Da kommen auch die Schwachpunkte zur Sprache.

Jo, ganz nett da was drüber zu lesen. Hört sich so ja ganz positiv an.

Ich hab eigentlich nur Vorurteile gegen "Organizing" von Gewerkschaften gehabt. Ich dachte da immer an Werbekampagnen der Gewerkschaften mit Werbeagenturen und Quaksalbern die Events schaffen und so die Gewerkschaft hip machen wollen.

Am UKSH in Kiel gabs ja auch so nen Organizing von Verdi. Die kamen von extern und haben nen Haufen Leute dazu gebracht in die Gerwerkschaft einzutreten und dann Leute eingebunden irgendwelche Aktion mitzumachen um Forderunegn nach Entlastung usw mehr Druck zu verleiehen. Evtl ist das zum Teil ganz cool, aber ich dachte immer eher da gehen jetzt irgendwelche Promoter in den Betrieb und quatschen die Leute voll. Sowas erzählten mir zumindest einige, auch wenn die das weit positiver gesehen haben als ich

Jetzt zum Streik gabs da dann so Verdi Animateure. Die haben Stimmung und einige Spielchen gemacht. Die hatten das schon einigermaßen drauf. Aber richtig Stimmung kam doch eher durch Azubis die das auch ohne Vorturner (oder eben eigene) noch weit besser hinbekommen haben.
So nen bischen dacht ich mir aber schon, so sieht das aus wenn die FDP nen Streik o.ä. organisieren würde.

Was so in den Texten über IGM Kram in Mannheim steht ist natürlich schon was ganz anderes. Aber sind das sind zum einen Eigendarstellungen (da gibts immer auch Zweckoptimismus) und zum anderen kann ich mir vorstellen das so etwas aufgenommen, schlecht von oben herab kopiert und dann in Kampagen angewendet wird.

In Mannheim hatten die ja wohl einiges an Erfolg und dabei nicht nur plump auf Mitgliederzahlen geschiehlt. Und selbst in Kiel hat  da ja irgendwas gefunzt (mehrere hundert Neueintritte innerhalb eines Jahres).

Das alles kommt da ja auch immer von Oben. Damit es Nachhaltig zu einer Stärkung der Arbeiterbewegung kommt müssen Leute sich selbstermächtigen und nicht nur irgendwas mitmachen oder begeistert nen Gewerkschaftsplan ausführen.

Ich bin skeptisch, tue den aber wahrscheinlich unrecht...

Fritz Linow

Mitgliedergewinnung ist eigentlich was Feines. Mit den Mitgliedern und den Beiträgen könnte jede Menge gemeinsam gemacht werden und nicht nur der Wasserkopf der Hauptamtlichen versorgt werden. Solange jede kämpferische Stimmung und Streikbereitschaft durch Satzungen und Arbeitskampfrichtlinien von Oben abgewürgt werden kann, läuft dieses Organizing irgendwie ins Leere.

Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 11:48:05 Do. 06.Februar 2020
Top of the Pops. Der neueste Megatrend:
ORGANIZING
...
Aha. Wir haben nun das Erfolgsrezept.
...

Hmm. In modernen "Hip-zeiten" nicht verkehrt, mal darüber nach zu denken, sehe jedoch
bei "Instutitionen" weniger eine Chance, das sich dann letztendlich alle Beteiligten auch an
iherm "Fahrplan" halten..

Eine sogenannte "Bedarfsanalyse" was Mitstreiter_innen wollen, wie man es bei der
Metaplanmetode ermitteln kann, finde ich ganz ok, jedoch macht es nur sichtbar, wohin
die Reise gehen müsste, um so viel Interessen abdecken zu können wie möglich..

Zitat

Jetzt mal ein paar Fragen:

Wem sagt "Organizing" etwas?
Wer hat praktische Erfahrung damit?
Wie schätzt ihr das Projekt ein?


Habe Erfahrungen dazu damals beim Euromayday gemacht und versucht, bei einer
Vorbereitung einer Aktion (Agenturschluss III) durch Orginizing Mitstreiterschaft so
zu mobillisieren, das sich jede_r Mistreiter_in sich selbst anbei entfalten kann.

Vorbereitend wurde dazu nur auf einen sogenannten "Ablaufplan" gesetzt, in dem
erst jeder Teilnehmer sich vorstellt und was er sich erhofft, beziehungsweise gerne
machen möchte..

Diese verschiedenen Ansichten und Vorstellungen wurden gesammelt. Dann wurde
darüber diskutiert, was sinn machen würde und was zur Umsetzung weniger
Arbeitsintensiv erscheint, damit Kapatziäten berücksichtigt sind..

Die erste Sitzung im Buttclub sah wirklich vielversprechend aus doch es kamen auch
Sprüche "Wenn ich das politisch nicht ausschlachten kann, bin ich nicht dabei"..

Somit wurde mir klar, das Orginizing in Kreisen, wo man sich "nach oben arbeiten oder
profilieren kann" fehl am Platze ist.

Orginizing funzt m.E. nur in außerparlermentarischen Bewegungen, wo Gleichberechtigung
und Basisdemokratie angesagt ist..

Die Gewerkschaft kann es ja gern versuchen, sollten jedoch erst mal eine Bedarfsanalyse
(Umfrageformular von allen Mitarbeitern) wuppen und daraus ergibt sich, was gewollt ist..

Leider wird so was gern übersprungen und Vorstellungen zu dem "wie setzen wir was durch"
von den Gewerkschaftsfunktionären aufgepropft a la "Die Mehrheit der Belegschaft müsste
ja eigendlich dafür sein"..

Ob das wirklich so ist, weiß man nicht, solange Orginizing nicht im gesammten Rahmen, sprich
Austausch und Sammeln von Vorstellungen bis hin zu Konzepten, in der sich so viel Beteiligte
wie möglich wieder finden und die Motivation deswegen nicht verlieren, durch akkert.

Unsere CD-Sitzungen waren kein Orginizing in dem Sinne, jedoch durch ellenlange
Auseinandersetzungen ein Konsenz ermittelt, was einem Orginizing doch schon sehr nahe
kommt.  :)

Im Kreise hirachicher orientierter Bewegungen passt Orginizing, so wie ich es beim
Euromayday erfahren habe, nicht wirklich..

Soll die Gewerkschaft doch erst per Metaplan oder Fragebögen ermitteln, was die Anhängerschaft
will und dann ließe sich Orginizing konstruktiv nutzen, ohne den Geruch von Instrumentallisierung
zu verbreiten.

Wenn "Organisierer_innen" wissen, was auf der Wunschliste deutlich wird, kommt der nächste
Schritt, wer könnte was von selbst aus dazu beitragen beziehungsweise Fähigkeiten, Begabungen
miteinander ergänzen.. Doch da harperts meistens daran, weil Kräfte aussteigen oder vereinzelte
die Speerspitze ergreifen wollen.. Orginizing muss mit dem "Wir gemeinsam" harmonieren..
Lass Dich nicht verhartzen !

Kuddel

Ich bleibe skeptisch.
Vielleicht könnte "Organizing" (ich weiß relativ wenig über Theorie und Praxis des Konzepts) ein brauchbares Werkzeug für gesellschaftliche Auseinandersetzungen sein, aber es sollte schon geklärt sein, in wessen Händen es ist und welches Ziel es hat.

Seit Ewigkeiten werde ich von Gewerkschaftern genervt mit der Behauptung, man könne ja nicht kämpfen, da nicht genügend Arbeiter in der Gewerkschaft organisiert seien. Ich sehe es anders: In Frankreich sind wesentlich weniger Menschen gewerkschaftlich organisiert, doch dort wird viel mehr und weitaus militanter gekämpft. Ich gehe davon aus, wenn in Deutschland 100% aller Beschäftigten in einer DGB Gerwerkschaft organisiert wären, hätten wir genauso viele Kämpfe wie heute. Nämlich so gut wie keine.

Wie ich "Organizing" mitgekommen habe:
Zum ersten Mal war es auf einer Veranstaltung in Berlin vor über 10 Jahren. Eine junge, migrantische Frau rührte die Werbeltrommel für das Konzept. Sie konnte gut reden, kam gut rüber und konnte mit ihrer Art jeden um den Finger wickeln. Dann zeigte sie einen Film, dessen Professionalität und Hipness bei mir alle Alarmglocken bimmeln ließ. In dem Film sah es so aus, als könne man mit diesem Konzept aus dem Stand, bzw. aus dem Nichts, eine Bewegung aus dem Boden stampfen.
Nach dem Film gab es eine Diskussion. Da wurde es gruselig. Sie berichtete davon, daß den Organizertrupps Psylologen beigestellt würden. Die Arbeit würde sehr schlauchen, weshalb zu viele Leute hinschmissen. Die Psychologen würde die dann wieder aufbauen, damit sie weiterarbeiten können. Es gibt wohl eine große Zahl an Ausfällern durch Burnout.

Sorry, ich kann mir schwer vorstellen, wie man mit solchen Mitteln eine bessere Gesellschaft erreichen will.

Ein weiteres Beispiel liegt ebenfalls einige Jahre zurück und stammt aus Hamburg. Einige Leute aus der linksradikalen Szene stolperten bei der Jobsuche auf eine Anzeige vom DGB, der Organzer suchte. Sie dachten sich, cool, nicht nur die Möglichkeit eitwas Kohle zu machen, sondern auch etwas sinnvolles. Der DGB interessierte sich nicht für das, was sie konnten und ihre eigenen Ambitionen, er setze sie wahrlos in irgendwelche Organizingprojekte, obwohl sie mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Kenntnissen in anderen wesentlich besser aufgehoben wären. Am Ende war es für sie nur ein normaler Kackjob, bei dem sie sich ausgenutzt und verarscht fühlten.

Ich hatte in jüngerer Zeit eine Doku einer junge Frau (max 20) gesehen, die durch die Gegend trampte und sich in der Welt orientieren wollte. Dort stieß sie ständig auf irgendwelche Workshops, wo geschulte Leute, finanziert von NGOs, professionell Weltbilder vermitteln. Veganismus, bewußter Konsum und ähnlicher Scheiß.

Das ist doch alles furchtbar! Wo sind den die durchdiskutierten Nächte, in denen man selbst eigene Weltbilder entwickelt? Warum sollen geschulte und bezahlte Profis Einfluß auf unser Denken kriegen?

Gilt denn die selbsterklärende Aktion nichts mehr, die Bewegung, die Sinn macht und den eigenen Interessen den Weg bahnt? Das sollten doch Dinge sein, die mitreißend sind und Menschen im Kampf zusammenbringen.

In neoliberalen Zeiten übernimmt man lieber US amerikanische Marketingkonzepte und will die Leute professionell schulen, auch zum Revoluzzer. Vielleicht läufts wie bei der Drückerkolonne Rangers. (Sektenähnliche Sitzungen mit dem Läuten einer Glocke für die meisten abgeschlossenen Verträge und frenetischer Applaus aller.)

Onkel Tom

Zitat von: Kuddel am 14:02:16 So. 09.Februar 2020
Ich bleibe skeptisch.
...

Ich auch, je nach dem, aus welcher Ecke das kommt und wo das entsprechende Orginizing hinführen soll.

Zitat
...
Wie ich "Organizing" mitgekommen habe:
Zum ersten Mal war es auf einer Veranstaltung in Berlin vor über 10 Jahren. Eine junge, migrantische Frau rührte die Werbeltrommel für das Konzept. Sie konnte gut reden, kam gut rüber und konnte mit ihrer Art jeden um den Finger wickeln. Dann zeigte sie einen Film, dessen Professionalität und Hipness bei mir alle Alarmglocken bimmeln ließ. In dem Film sah es so aus, als könne man mit diesem Konzept aus dem Stand, bzw. aus dem Nichts, eine Bewegung aus dem Boden stampfen.
Nach dem Film gab es eine Diskussion. Da wurde es gruselig. Sie berichtete davon, daß den Organizertrupps Psylologen beigestellt würden. Die Arbeit würde sehr schlauchen, weshalb zu viele Leute hinschmissen. Die Psychologen würde die dann wieder aufbauen, damit sie weiterarbeiten können. Es gibt wohl eine große Zahl an Ausfällern durch Burnout.
...

Jo, solch Orginizing kann mich gern am Popo lecken.. Diese Form, die auf alle möglichen Feinheiten
vordurchdacht sind, bleibt m.E. eigene Kreativität auf der Strecke.. Kommerzielle Interessen nutzen
dies besonders aus und stellen den Menschen als "Zahnrädchien" hin.

Zitat
...
Sorry, ich kann mir schwer vorstellen, wie man mit solchen Mitteln eine bessere Gesellschaft erreichen will.
...

In nichtkommerziellen Bereichen lassen sich "Maximaleffizienz" (Igitt.. Macht Orginizing unschmackhaft) schon
mal bei Seite schieben. Anbei Plüschologie ? Nö Danke.. Soll ja jede_r ungefiltert sein Gehirnschmalz einbringen
können.

Damit ist ja dann Orginizing m.E. positiv einsetzbar, wie z.B. bei dem morgendlichen Plenum eines
Hausbesetzerkollegtiv..

Zitat
...
Gilt denn die selbsterklärende Aktion nichts mehr, die Bewegung, die Sinn macht und den eigenen Interessen den Weg bahnt ? Das sollten doch Dinge sein, die mitreißend sind und Menschen im Kampf zusammenbringen.
...

Mitreißend schon, wenn man als Nutzer_in des Orginizing sich selbst darin wieder finden und
verwirklichen kann..

Villeicht verstehen wir was unterschiedliches darüber..

Was Firmen etc. damit so alles anstellen, um Vorteile zu generieren, ist nicht mein Ding und der
Gewerkschaft gehts ja wohl auch darum.. (Speerspitzenkonstruckt).

;)
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

ZitatDort stieß sie ständig auf irgendwelche Workshops, wo geschulte Leute, finanziert von NGOs, professionell Weltbilder vermitteln. Veganismus, bewußter Konsum und ähnlicher Scheiß.

Übrigens haben die NGOs ihre Finger auch bei FridaysForFuture mit drinnen. Zum Beispiel hat den letzjährigen Sommerkongress der Bewegung Campact organisiert. Und in der FB-Gruppe von FridaysForFuture sind massig Postings, die Veganismus und bewußten Konsum und die CO2-Steuer befürworten.

Man darf nicht vergessen, dass die NGOs zur Dämpfung der Klassenwidersprüche und zur gezielten Einwirkung auf Massenbewegungen gegründet wurden. Letztlich unterminieren sie den selbständigen Kampf und Widerstand der Menschen gegen das kapitalistische System. Wo NGOs bestimmenden Einfluss haben, wandeln sie die Kämpfe in sozialreformerische Bewegungen um, machen sie zum Anhängsel sozialdemokratischer bzw grüner Politik und tragen damit zur Stabilisierung des Kapitalismus bei.
Alles ist in Bewegung. Nichts war schon immer da und nichts wird immer so bleiben!

Kuddel

Ich versuche mich selbst zu orientieren. Ich habe keine abschließende Meinung zu dem Thema, aber vieles kommt mir recht merkwürdig vor und der Hype ums "Organizing" behagt mir gar nicht.

1.) Ich weiß nur so grob, was Organizing ist. Würde mich freuen von Leuten zu hören, die selbst damit Erfahrungen gemacht haben.

2.) Das Organizing paßt zu dieser Tendenz, alles zu professionalisieren. Eine kritische/oppositionelle/revolutionäre Politik wird nicht mehr von einfachen Leuten gemacht, die andere Verhältnisse wollen, sondern von geschulten "Profis". Das führt gleich zum nächsten Punkt: Man macht das nicht, weil man gegen die Herrschenden Zustände ist, sondern weil man damit Geld verdient.

Da wären wir gleich beim nächten Thema.
ZitatMan darf nicht vergessen, dass die NGOs zur Dämpfung der Klassenwidersprüche und zur gezielten Einwirkung auf Massenbewegungen gegründet wurden. Letztlich unterminieren sie den selbständigen Kampf und Widerstand der Menschen gegen das kapitalistische System.

Da sollte man zu einem eigenen Diskussionsstrang machen.

Fritz Linow

Zitat29.2.20
Mobilizing und Organizing

Die Gewerkschaften entdecken ihre Basis neu

Den Gewerkschaften kommen die Mitglieder abhanden. Die Alten gehen in Rente oder sterben und bei den jungen Arbeitnehmern kommen nicht viele Mitglieder nach. Klassische Industriebetriebe haben ihre Produktion oft verlagert und geblieben sind die Angestellten, auf die die Industrie-Gewerkschaften bislang nicht oder weniger setzten. Das neue Erfolgskonzept kommt aus Amerika. "Machtaufbau durch Organizing" lautet das Motto und landauf, landab finden Seminare oder Workshops zu dem Buch "Keine halben Sachen" von Jane McAlevey statt. (...)
https://www.heise.de/tp/features/Mobilizing-und-Organizing-4668150.html

Frauenpower

Skeptisch zu sein und zu bleiben ist doch nicht verkehrt. So wie ich das mit dem Organizing verstanden habe, ist das lediglich ein Mittel um Handlungsfsfähigkeit herzustellen, bspw. was das Vernetzen mit anderen Leuten und Gruppierungen, Wissensvermittlung im Sinne von um was es geht u.ä. geht Damit was aufgebaut werden kann und viele Menschen dafür gewonnen und erreicht werden können.

https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Bildungsmaterialien/Broschur_Linkes_Organizing_Web.pdf

Grundsätzlich kann man immer auch Eigen-Engagement betreiben / organisieren und im Allgeingang versuchen, Leute für eine Sache zu gewinnen oder auf etwas aufmerksam zu machen.

Insgesamt ist es mir zu bürokratisch und ich schaffte es kaum, die Broschüre ganz zu lesen, für andere kann es vielleicht hilfreich sein, bspw. um einen Handlungsfaden aufnehmen und beginnen zu können, zur Orientierung.

Ferragus

In der FAU ist das nun leider auch ein Zauberwort geworden - Kuddel trifft es recht gut -wenn man die IG-Metall- Traktate liest, dann bekommt man den Eindruck, dass Alles was in der guten alten Zeit mal selbstverständlich für Gewerkschafter+innen und Gewerkschaftlich-Organisierte war, nun von Experten betrieben werden muss,damit die Gewerkschaft nicht den Bach runtergeht und die fixen Kosten nicht von dem Wegsterben der Mitglieder und Austritten überholt werden. Insofern ist "Organizing" auch ein weiteres Zeichen, für den Tiefstand des Klassenbewusstseins hierzulande. Die Intentionen dahinter sind gar schlecht, zeigen vielleicht, dass die Bürokratie der DGB-Apparate hin und wieder reflektierter sein kann als die Durchschnitts-mitglieder.

Kuddel

Ferragus hat es gut zusammengefaßt.

Man sollte bloß nicht das Organisieren von Menschen verteufeln. Soziale Kämpfe und eine Änderung des politischen Bewußtseins brauchen Organisierung und Strukturen. Wir sollten nicht darauf hoffen, daß es alles "von selbst" kommt. Wir müssen uns aktiv darum kümmern, daß Menschen zusammenkommen und auch zusammenbleiben. Wir müssen Strukturen für eine Verbeitung von Informationen aufbauen und wir müssen Bildungsarbeit selbst organisieren.

Wir müssen zwischen dem Organisieren und dem amerikanischen Konzept des Organizing unterscheiden. Das Organizing kommt von oben. Es wird dort gearbeitet wie in der Wirtschaft. Es ist ein Ziel festgesetzt und dann werden Leute eingesetzt, die das Ziel erreichen müssen. Manchmal werden die Organizer bezahlt, manchmal tun sie es nur "für die Sache". Der Druck auf die Organizer ist teilweise so hoch, daß sie unter dem Druck abkacken. Nervenzusammenbrüche und Burnout. Ich weiß von "linken" Organizingprojekten, die Psychologen angestellt hatten, die sich um die verschlissenen Organizer gekümmert haben. Wir sollten diese neoliberalen Konzepte nicht zur linken Politik machen.

Das linke Organisieren wurde jedoch in der Linken in den letzten Jahren (Jahrzehnten) schmählich vernachlässigt. Diskussionen mit praktischen Konsequenzen sind notwendig. Wir müssen Menschen gewinnen, bzw. zusammenbringen, weil sie gemeinsame Probleme und gemeinsame Interessen haben. Wir müssen Leute erreichen, weil sie von der Verschlechterung ihrer Lebensumstände betroffen sind (egal ob mit oder ohne Arbeit) ohne dabei zu fragen, ob sie "links" sind. Wir müssen Strukturen aufbauen, die ganz praktisch und hilfreich sind für die Selbstverteidigung dieser Menschen (gegen Ausbeuter, Vermieter, Ausländerbehörde, Jobcenter, etc.). Diejenigen, die praktisch organisieren, dürfen nicht nur angestellt/eingesetzt sein, sie müssen Teil des Projekts sein und mitentscheiden wie das Projekt durchgeführt wird. Wenn sie sich dabei unwohl fühlen, sollten sie keinesfalls zum Weitermachen gezwungen werden. Ich bin recht beeindruckt von einer Stadtteil-Ini, die regelmäßig "Strategietreffen" durchführt. Da wird diskutiert, wo sie eigentlich hinwollen, wie man es umsetzen könnte und wie gut die bisherigen Schritte funktioniert haben oder ob sie gescheitert sind.

DAS halte ich für ein sinnvolles Vorgehen. Keinesfalls das reine Abhaken und Abarbeiten vorgefertigter Schritte und festgelegter Ziele.

Kuddel

Ein interessanter Bericht aus den USA zum Thema:

ZitatBad Bosses
I Worked at a Labor Union. My Bosses Ran It Like a Cult.
They cared about workers—just not their own.


Miese Bosse
Ich habe bei einer Gewerkschaft gearbeitet. Meine Chefs haben sie wie eine Sekte geführt.
Sie kümmerten sich um die Arbeiter - nur nicht um ihre eigenen.

...Von uns Gewerkschaftsmitarbeitern wurde erwartet, dass wir unser Privatleben opfern und viele Überstunden machen, um der Arbeiterklasse zu helfen, sich zu erheben...
https://www.motherjones.com/politics/2021/09/i-worked-at-a-labor-union-my-bosses-ran-it-like-a-cult/

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