Bei unserem letzten Stammtisch war das Thema.
Die Einschätzung war niederschmetternd. Egal welches Beispiel wir uns angesehen haben, immer kam es zu dem gleichen Resultuat: Staatsknete zerstört gute politische Projekte.
Es war bei der radikalen Gesundheitsbewegung so, die Gesundheitsläden als Treff- und Veranstaltungsorte betrieb. Es ging in dieser Bewegung nicht nur darum, die Macht der Pharmaindustrie anzugreifen, sondern auch den Begriff der Gesundheit, der in diesem System nur die Wiederherstellung der Arbeitskraft und das Funktionieren in diesen System bedeutet, neu zu definieren. Als man jedoch an Förderungen herankam und man damit bezahlte Stellen bekommen konnte, war es aus mit den radikalen Fragen um die Gesundheit. Wichtiger wurde es, die bezahlten Stellen zu erhalten.
Es war bei der Frauenbewegung ebenso. Die einst radikale Bewegung verlor mit der Staatsknete und den bezahlten Stellen nicht nur ihren Biß, sondern auch jegliche politische Relevanz. Ich will ja nicht die sozialarbeiterische Rolle von Frauen-und Mädchenhäusern als Unsinn abtun, aber neben dieser sozialarbeiterischen Bedeutung ist die gesellschaftliche Relevanz völlig verschwunden. Es wurde wieder ein Kampfeld zum Erhalt der eigenen Jobs von Frauen mit eher akademischem Hintergrund in Zeiten knapper werdender öffentlicher Gelder. Fragen wie die der schlechteren Bezahlung von Frauen gegenüber Männern kam nicht aus dieser halbakademischen Szene, in der man herzlich wenig Ahnung davon hat, wie es Frauen an der Supermarktkasse, in der Reinigungsfirma oder in der Pflege geht. Solch simple Fragen sind von außen und nicht von dieser bezahlten Frauenbewegung gekommen.
Für die Kieler Erwerbslosenini war die selbstorganisierte Schaffung von Beraterjobs mit Staatsknete nicht nur ein Schuß ins eigene Knie, sondern ein Kopfschuß. Es war das Ende einer erfolgreichen und einst radikalen ELO Ini.
Aus anderen Städten gibt es diverse Geschichten von der Befriedung von Staddteil- und Mieterarbeit mit Staatsknete. Sie tragen jetzt mit ein wenig Kultur- und Sozialblabla zur Ruhe im Viertel bei. Das ist für den Staat billiger als Bulleneinsätze und die linken Hansel übernehmen diesen Job für ein paar Euro gern.
Wir hatten noch mehr Beispiele und es hatte stets einen deprimierenden Ausgang.
Wir sind heutzutage in einer Situation, in der viele Leute, die längere Zeit von Hartz IV gelebt haben, psychisch so stark angeschlagen sind, daß sie zu keiner politischen Arbeit mehr in der Lagen sind. Und diejenigen, die sich mit irgendwelchen (meist prekären und oft freiberuflichen) Jobs über Wasser halten, sind oftmals nur noch erschöpft und haben wenig Zeit, bzw. können über ihre Zeit nicht verfügen und nicht vorausplanen.
Ich bin nicht der Meinung, daß man für politische Arbeit unbedingt ein Honorar kriegen sollte (Diese ganzen komischen Jobs, die z.B. von der Rosa Luxemburg Stiftung bezahlt werden, sind nochmal ein Thema für sich.), aber ein Stadtteil-Laden kostet z.B. Miete, die Fahrtkosten für überregionale Treffen müssen irgendwo herkommen und auch chefduzen hat laufende Kosten, die irgendwo herkommen müssen. Das ist für Menschen, die sich am ökonomisch unteren Rand bewegen, ein echtes Problem. Wenn sie ihre Zeit und Kraft investieren, kann man von ihnen nicht auch noch ihre Kohle erwarten.
Wie gehen wir mit dieser Situation um? Wo kriegen wir die Kohle her, ohne unsere Seele an den Staat zu verkaufen?
Diese Frage ist keine rein akademische. Es ist eine Frage, bei der es auch um die Zukunft dieses Forums geht.