Bericht aus Kiel Ich war schon früh, 20 min vor Kundgebungsbeginn, am Ort des Geschehens. Es waren bereits Leute dort. Diese Bilderstrecke zeigt, wie der Platz sich nach und nach füllt. Ein Feld auf dem Platz der Matrosen war mit Flatterband gekennzeichnet, auf dem Pflaster waren Kreidekreuze, auf denen die Kundgebungsteilnehmer stehen sollten. 50 Teilnehmer sind für die Maikundgebung genehmigt worden. Die waren bereits vor Kundgebungsbeginn überschritten.































Es war nicht nur bei den Schildern und Transparenten so: Es ging weniger um Virus und Pandemie, sondern auch in den Reden um soziale Fragen (& Migration und Kriegstreiberei) und Arbeit. Die erste Rede thematisierte bereits, wie erbärmlich es vom DGB war, alle Kundgebungen abzusagen. Man wollte mit dieser Kundgebung sich nicht gegen die Gewerkschaft richten, sondern einfach das umsetzen, was die Gewerkschaft hätte machen sollen. Einige der Kundgebungsteilnehmer gehörten zur Gewerkschaftsjugend. Auf den Transparenten wurde ein Kurswechsel in der Klassenauseinandersetzung gefordert und man sprach Klartext: "
Sozialpartnerschaft ist Arbeiterverrat!"
Ich habe mich während der Kundgebung viel unterhalten (etwas was mir im Ausnahmezustand sehr fehlt) und mitgekriegt, daß auch andere in ihren Bekanntenkreis erleben, wie Menschen durch Pandemie und Ausnahmezustand völlig verunsichert sind mit den merkwürdigsten Folgen. Plötzlich sprechen sich Linke für totalitäre Maßnahmen aus und finden sogar den Söder gut.
Diese Kundgebung war ein wichtiger Schritt nach vorn. Ich habe mich umgehört, wieviel Teilnehmer an ihr wohl teilgenommen haben. Die Schätzungen lagen zwischen 200 und 250. Auch nach meiner Meinung nach waren es definitiv über 200. Einer meinte, bei diesem Sauwetter wären auch zu einer DGB Demo kaum mehr Leute gekommen. Nur 50 waren genehmigt, in Berlin hat man angekündigt mit einem gewaltigen Polizeiaufgebot alle größeren Zusammrottungen aufzulösen, aber die KielerInnen haben sich jedenfalls nicht einschüchtern lassen.
Ich habe gehört, man wollte im Anschluß noch nach Kiel-Gaarden, um da weitere (und nicht genehmigte) Kundgebungen durchzuführen. Ich habe nur einen Bruchteil der Redebeiträge mitbekommen. Was ich hörte, gefiel mir gut, es ging um die durch die Krise ausgelöste Verschärfung der Ausbeutung und Verarmung. Es wurde vieles konkretisiert, wie es in der Arbeitswelt bereits heute aussieht. Zuletzt sprach ein Vertreter einer Migrantenorganisation. Er thematisierte nochmal die prekäre Arbeit, die in dieser Krise nicht beachtet wird, man hält das Heer migrantischer Putzkräfte für selbstverständlich. Wir müssen uns auf heftige soziale Auseinandersetzungen und Kämpfe vorbereiten, die nun anstehen.
Für mich war diese Kundgebung ein Anzeichen für ein Ende der Schockstarre, die der Pandemie und dem Ausnahmezustand folgte. Ich empfand diese selbstauferlegte(!) Friedhofsruhe einfach nur als deprimierend.