Mich ärgert nur maßlos, wie die folgenden sinnvollen Forderungen der ZeroCovid Petition zerredet werden, nur weil sich die Petenten an den Staat wenden.
Ich würde auch gern die Pandemie los sein. Ich glaube ebenfalls, daß dazu harte Maßnahmen notwendig sind. Es bleibt die Frage WER das WIE machen soll. Das bedeutet für mich ganz konkret:
- Ich mißtraue dem Staat durch und durch
- Ich weiß, daß die Kapitalisten über Leichen gehen
- Die Konzepte aus der linken Ecke überzeugen mich nicht. Sie erscheinen mir wie Schnellschüsse mit geringer epidemiologischer Kenntnis und unter weitgehender Ausblendung der gesellschaftlichen Verhältnisse
Um über etwas zu entscheiden, muß man auch verstehen, worüber man entscheidet.
Ich verstehe vieles nicht.
Es heißt, in Deutschland sei die Sterblichkeitsrate so hoch (oder höher?) als in den USA.
Wie ist das möglich?
Das soll mir mal jemand verständlich erklären. Es ist mir egal ob Bhakdi, Steeck oder Drosten.
Wir haben zwar keinen Totallockdown doch nach meinem Eindruck ist das Leben stark heruntergefahren, die Straßen sind ruhiger, die Maskenpflicht wird besser eingehalten denn je und die getragenen Masken sind besser geworden.
Warum sind die Fallzahlen nicht stärker gesunken?
Wo passieren unter diesem Halblockdown die meisten Infizierungen?
So lange wir darüber keine Kenntnis haben, wird auch ein Totallockdown keine Lösung bringen, sondern nur vorrübergehnd etwas Ruhe und dann beginnt alles wieder von vorn.
Nach meinem Wissen ist China das einzige Land, das die Pandemie halbwegs im Griff hat.
Wollen wir den chinesischen Weg gehen und den politischen Preis dafür zahlen?
Ich will es nicht.
Der chinesische Weg aus meiner Sicht:
Die Chinesische Regierung hat anfangs so reagiert, wie wohl jede andere Regierung. Als das Virus auftauchte, versuchte sie das Problem unter den Teppich zu kehren und Meldungen daüber zu unterdrücken.
Die Bevölkerung wurde, als die Kenntnis über das neue Virus nicht mehr zu unterdrücken war, derart wütend und aufgebracht, daß die Kommunistische Partei um ihre Macht im Land fürchten mußte. Sie entschied sich zu radikalen Maßnahmen, wie es in wohl keinem anderen Land der Welt möglich gewesen wäre. Die chinesische Bevölkerung dankte es der Regierung durch Vetrauen in die Maßnahmen von oben und ihre Befolgung. Über die negativen Seiten der harten Maßnahmen ist hier wenig bekannt. Auch in China kam es zu einem massiven Anstieg an häuslicher Gewalt. Der Lockdown wurde rigoros durchgesetzt ohne Rücksicht auf besondere Situationen. Ein Behinderter ist verhungert und verdurstet, weil sein Vater und sein Bruder nicht mehr zu ihm gelassen wurden. Die Anweisungen von oben wurden von einigen derart verinnerlicht, daß sich eine Blockwartmentalität ausbreitete. Narchbarn ("besorgte Bürger") vernagelten die Wohnungstür eines Menschen von außen, der sich nicht an die Ausgangssperre halten wollte. Als der Totallockdown auch über eine als Coronahotspot verrufene Region aufgehoben wurde, rottete sich ein Mob besorgter Bürger zusammen und wollte die Bewohner am Verlassen der Gegend hindern. Sie griffen die Leute an und kippten deren Autos um.
Nicht nur zur Durchsetzung des Lockdowns, auch zum Verfolgen der Infektionswege, sind die Mittel eines autoritären Staates notwendig. Es ist in China relativ normal, daß vor Wohnblocks uniformierte Securitykräfte postiert sind, auch ohne Pandemie. Die Mittel der Infektionsverfolgung sind die Mittel des Überwachungsstaats. In China sind appbasierte Bezahlung und Überwachung viel weiter fortgeschritten, als bei uns. In China kann man auch auf dem Flohmarkt mit seinem Smartphone bezahlen und auch der Bettler an der Ecke nimmt Kleingeld über seine App. Das Reisen per Zug ist ohne Registrierung der persönlichen Daten nicht möglich. Der Staat machte ("zur Pandemiebekämpfung") eine Befragung aller Einwohner, die auch deren Lebensstil betrafen, Kontaktfreudigkeit, Ernährungsgewohnheiten, Alkohol, Rauchen etc.. Wer das nicht beantworten wollte, konnte seine Möglichkeit zu Reisen verlieren. Der Staat hat diese Daten nicht nur "zur Pandemiebekämpfung" genutzt, sondern sie auch an den Alibaba Konzern verkauft. Es gibt zahlreiche Kontrollestellen im Land. Man kann sie nicht passieren, wenn man seine Smartphoneapps nicht scannen läßt. Der Staat hat so vollständige Bewegungsprofile und ein Bild der Konsumgewohnheiten.
Wenn wir das für eine gangbare "Lösung" der Pandemie halten, haben die Querdenker mit ihrem "Diktatur!"-Geschrei eine realistischere Einschätzung der politischen Entwicklungen als die Linken.
Ich lasse mir aber nicht unterstellen, mir sei alles egal, weil ich der #zerocovid Kampagne nicht folgen mag und ich sei für ein Laisser-faire. Ich halte es schlichtweg nicht für erstrebenswert, Corona in der Griff zu kriegen und dabei in einem in einem totalitären turbokapitalistischen Staat zu erwachen.
Wenn ich auf die bisherigen staatlichen Anticoronamaßnahmen blicke, kommt da kein sonderlich tolles Bild bei heraus. Man folgte erst einmal dem chinesischen Vorbild und Merkel und Söder konnten mit autoritären Maßnahmen bei der Bevölkerung kräftig punkten. Das Auftreten war autoritär, doch die Maßnahmen selbst waren widersprüchlich, chaotisch und teilweise völliger Humbug.
In China ging es zumindest darum, die Pandemie in den Griff zu kriegen. Die Maßnahmen waren brutal und natürlich hatten die Kleinen Leute die Hauptlast zu tragen. Der Staat hat zwar finanzielle Hilfspakete lockergemacht, aber Dinge wie "Kurzarbeitergeld" werden in China nicht ausgezahlt. Man verließ sich auf solidarische Selbsthilfe der einfachen Menschen. Die meisten Städter haben einen familiären Hintergrund auf den Land. Notfalls kann man zu den Eltern oder Großeltern auf Land gehen und sich dort mit den selbstgezogenen landwirtschaftliche Produkten versorgen. Die "Modernisierung" des städtischen Lebens durch das Verbot von Straßenständen wurde wieder zurückgenommen und so konnten sich die Erwerbslosen wieder mit Soloselbständigkeit und Schattenwirtschaft durchschlagen. Wie überall trafen die Maßnahmen die Armen am stärksten. Die Pandemie wurde aber halbwegs in den Griff gekriegt. Die Chinesische Regierung hat dafür auch enorme Summen lockergemacht und Dinge organisiert, die hier als unmöglich gelten. Man hat in kürzester Zeit neue Krankenhäuser aus dem Boden gestampft und man hat überall ausreichend Tests ermöglicht. In Hotspot-Regionen hat man Tests der kompletten Bevölkerung durchgezogen, viele Millionen Menschen wurden innerhalb weniger Tage getestet. Mit diesem im-Schach-Halten des Virus hatte der Staat zwar große Ausgaben, sich aber einen großen Vorteil im internationalen Konkurenzkampf geschaffen. China ist zu dem Land mit dem größten wirtschaftlichen Wachstum geworden.
Die Bundesregierung hat es scheinbar nur am Rande auf die Eindämmung der Coronakrise abgesehen. Ich sehe da eher wahlkampfstrategische und wirtschaftpolitische Maßnahmen. Die Hilfpakete dienen großteils allein der Wirtschaftförderung und haben keinerlei Pandemiebezug. Man will einen sofortigen Vorteil für die nationale Wirtschaft im globalen Konkurrenzkampf. Ein Teil der Hilfspaktete dienen der sozialen Abfederung um Proteste und Unruhen zu vermeiden. Die Kosten werden aber diesen Leuten wieder aufgebürdet, wenn es anschließend heißt, den Gürtel enger zu schnallen.
Ginge es darum, die Pandemie zu bekämpfen, hätte der Staat bereits seit der ersten Welle sich zu einem aus- und Umbau des Gesundheitswesens entschließen müssen. Das Gegenteil ist der Fall, das Gesundheitswesen wird weiter gegen die Wand gefahren. Es werden Klinikbetten gestrichen und Coronapositives Personal zur Arbeit gezwungen. Das Erkennen und Verfolgen der Infektionswege wäre elementar. And der Coronapp haben sich Leute eine goldene Nase verdient, doch sie ist völlig untauglich in der Praxis. Die Gesundheitsämter haben kein ausreichendes Personal, ihre Arbeit ist weitgehend zusammegebrochen. Eine Verfolgung der Infektionswege findet von der Seite praktisch nicht statt. Es gib organisatorisch und technische keine Strukturen für Massentests. Selbst die angelaufene Impfkampagne ist ein einziges Chaos.
Die Gewerkschaften zeigten sich weitgehend unfähig oder unwillig, sich mit der Situation angemessen auseinanderzusetzen und eigene Antworten zu finden. Mir fiel da nur die GEW positiv auf mit dem Entwickeln eigener Hygienekonzepte und dem Aufstellen klarer Forderungen. Die wurden jedoch von der Politik einfach abgebügelt. Die Schüler waren ein Lichtblick, die nicht nur eigene Konzepte und Forderungen hatten, sondern auch mit Streiks für einen gewissen Nachdruck sorgten.
Es wäre auch kein Problem, gute Distanz- und Hygienekonzepte für Bus- Bahn und Arbeitsplatz zu entwickeln. Das müßten die Betroffenen selbst (möglichst in Austausch mit Wissenschaftlern) machen. Das wäre alles relativ einfach und vielversprechend. Das wird jedoch vom Staat verhindert und von linken nicht vorangetrieben. Linke machen sich nicht einmal Gedanken darüber, sondern erhoffen lösungen vom staat, egal wie oft er schon bewiesen hat, daß er kein Interesse daran hat oder einfach zu unfähig dazu ist.
Nein, ich habe sicherlich nichts gegen ein Herunterfahren der nicht unbedingt notwendigen Wirschaftsbranchen. Von mir aus braucht man sie nie weder hochzufahren. Es wird sowieso schon viel zu viel Scheiß produziert. Wenn dann "zu wenig Arbeit da ist" muß man eben die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilen. Eine radikale Arbeitzeitverkürzung ist die logische Antwort. Aber die Menschen müßen von der Arbeit auch gut leben können. Wenn es dazu an Geld fehlt, muß man es sich bei denen holen, die zuviel davon haben.
Das wird der Staat sicherlich nicht wollen oder machen. Er wird sich auch nicht mit Petitionen dazu bewegen lassen.
Um auf den Punkt zu kommen: Ich sehe bei Staat und Wirtschaft keine Koalitionspartner im Kampf gegen die Pandemie. Wir haben Corona, Staat und Wirtschaft gegen uns. Und zu den Lösungskonzepten kommen wir an einem Rütteln an den Eigentumsverhältnissen nicht vorbei.
Konzepte zur Eindämmung der Pandemie nüssen von unten entwickelt werden, in den Betrieben, Schulen, Büros, Unis, in den Stadtteilen und auf den Dörfern. Wir brauchen eine Demokratisierung der Verhältnisse am Arbeitsplatz, wir brauchen Diskussionsstrukturen und Netzwerke zur Umsetzung unser Forderungen überall. Ich denke, ein Totallockdown kommt nur für außerordentlich schlimme Infektionsherde in Frage und niemals flächendenkend.
Das zentrale Ziel ist, ein Leben zu organisieren, das möglichst gut vor Krankheit, Armut und unwürdiger Arbeit geschützt wird. Dazu brauchen wir eine Basisorganisierung. Dieses #zerocovid Konzept ist für mich das genaue Gegenteil, das ist Selbstentmachtung und der Ruf nach einem starken Staat. Wir werden mit solchen Konzepten kein besseres Leben erreichen.