Leiharbeit in Coronazeiten

Begonnen von Kuddel, 14:11:20 Fr. 26.Juni 2020

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Kuddel

Die Artikel verschwinden hinter der Paywall, doch die Marschrichtung ist klar: Was immer passiert, Leiharbeiter trifft's zuerst.

ZitatWarum Corona die Leiharbeiter besonders hart trifft
Jeder zweite Zeitarbeiter ist in Kurzarbeit. Unternehmen verlieren im Schnitt die Hälfte ihrer Umsätze. Die Branche ist dennoch optimistisch.
https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article229307372/Warum-Corona-die-Leiharbeiter-besonders-hart-trifft.html

ZitatAirbus:600 Leiharbeiter sollen in Hamburg Job verlieren
In Norddeutschland sind 1100 Personen betroffen.
https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article229285778/Airbus-Hamburg-Jobs-Corona-Krise-Kurzarbeit-News-Aktie-Leiharbeiter-Werk-Finkenwerder-A380-A320-Neo-A350.html

ZitatArbeitsmarkt: Corona hinterlässt deutliche Spuren
Besonders hart getroffen hätte es unqualifizierte Arbeitskräfte in Leih- und Zeitarbeitsverträgen. Aber auch Soloselbstständige und Kleinunternehmer spürten den konjunkturellen Abschwung deutlich. Angestellte Fachkräfte seien dagegen generell weniger von den Auswirkungen der Pandemie betroffen.
https://www.verlagshaus-jaumann.de/inhalt.kreis-loerrach-keine-strukturelle-arbeitsmarktkrise.925c0387-27fc-401c-8546-80b174a1df7b.html

Folgende Überschrift ist bereits vom Januar dieses Jahres:
ZitatAutomobilindustrie in der Krise
Die Leiharbeiter trifft es zuerst
https://www.deutschlandfunkkultur.de/automobilindustrie-in-der-krise-die-leiharbeiter-trifft-es.976.de.html?dram:article_id=468910


Kuddel

Im Radio lief gerade ein guter Beitrag zum Thema.
Leiharbeiter infizieren sich überdurchschnittlich häufig. Leiharbeiter verbreiten das Virus häufiger, weil sie an wechselnden Arbeitsplätzen eingesetzt werden.

Es kommt noch schlimmer: Sie werden in den für die Pandemie besonders bedeutenden Bereichen eingesetzt: In Kitas, in Krankenhäusern und in Altenheimen. Sie verbreiten mit dem häufigen Wechsel der Einsatzorte (stets neue Stationen oder völlig andere Pfelegeeinrichtungen) die Infektion. Während die festangestellten Pflegekräfte die Möglichkeit einer Impfung erhalten, sind die Leihkräfte dafür nicht vorgesehen, werden nicht gefragt und können sich dafür nicht anmelden.

Zuallererst muß die Möglichkeit einer Impfung auch der Leihkräfte in den Betreuungs- und Pflegebranche ermöglicht werden. Mit einem Verbot der Leiharbeit würde auch das Hin- und Herschieben des Personals stark reduziert werden.


Fritz Linow

Wenn die Sklavenhändler eine Impfung im Rahmen der Gedährdungsbeurteilung für notwendig erachten, können und müssen sie beim Entleiher einschreiten. Im Zweifel wird der Leihsklave (zu seinem eigenen Schutz) halt nicht mehr dorthin verliehen. Das geschieht wohl nicht, weil sich die Leihklitschen seit jeher einen Dreck um Arbeitsschutz scheren, denn dann gibt es keine Kohle vom Entleiher. Der wiederum "verlässt" sich auf den Sklavenhändler, weil er sonst Kohle verliert.
Am wenigsten Mitleid sollte man mit den Leihbuden haben, die jetzt rumjammern, dass ihr Gesinde nicht berücksichtigt wird. Die müssen selber Gesundheitsbeauftragte und Betriebsärzte haben. Und die Beschäftigten können auch mal gerne begreifen, dass Arbeitsschutz eine feine Waffe ist. Immerhin gibt es hier so etwas noch in Ansätzen.

Fritz Linow

Aufgeschnappt:

Zitat4.2.21
Eine Firma der Glasbranche. Ich bin als Leiharbeiter dort. Meine Ellbogen kann ich auch ein wenig ausfahren. Diese Firma möchte weder meine Berufsausbildung noch meine Weiterbildung im Lohn berücksichtigen.

Mitarbeitergespräch: Mein Meister erkundigt sich nach meinen ersten Eindrücken. Ich erwähnte nicht glücklich zu sein und auch von mir aus gehen zu können. Es folgte ein Gespräch mit Fertigungsleiter, Meister und mir. Mir wurde dargelegt, wie teuer das Anlernen von mir den Betrieb doch insgesamt kommen wird. Ich musste innerlich lachen.

In dem Betrieb herrscht eine strikte Trennung der Büroangestellten und der Mitarbeiter in der Fertigung. Büroangestellte und Fertigungsmitarbeiter sind in unterschiedlichen Gesellschaften angestellt. Es herrscht wenig Kommunikation auf Augenhöhe. Auch die Umsetzung der Maskenpflicht ist lachhaft. In der Fertigung muss man bei der Unterschreitung von 1,5 Meter die OP-Gesichtsmaske tragen. Büroangestellte verlassen das Büro nur in FFP2-Masken, wenn sie durch die großräumige Fertigung laufen. Im Büro nehmen alle Angestellten sofort ihre FFP2-Masken ab.

In der Fertigung darf man schon froh sein, wenn man bei monotoner Arbeit an einer Maschine glücklicherweise ein Fenster in der Nähe hat.

Die erste Arbeitswoche neigt sich heute ihrem Ende. Die Arbeit gelingt mir so durchwachsen. Als Leiharbeiter ist der Lohn sehr niedrig. Die Firma hat Aufträge ohne Ende. Gläser für Medizin und technische Anwendungen werden dort hergestellt. Der Umgangston ist herb.

Die Arbeit ist einsam. Man steht alleine statisch im Maschinentakt zweier Maschinen. Es ist eine größere Fertigungshalle. Teile in die Maschine einlegen, Startknopf drücken, Bearbeitung durch die Maschine erfolgt, Teile entnehmen, Qualität prüfen - das war's. Und das geht im Maschinentakt abwechselnd an zwei Maschinen. Die Handgriffe sind immer die selben. Man wird schnell zum Idioten erklärt, wenn man eine Reihe von Fehlern nicht bemerkt. Das kann passieren, weil jeder Handgriff, jede Prüfung und jedes Maß immer das selbe ist. Die 7,5 Stunden Arbeitszeit am Tag wollen einfach nicht vergehen. Es ist eine Tätigkeit. Mehr kann ich darüber nicht sagen. Sie zermürbt, sie schlaucht körperlich über Gebühr. Es ist schlimm. Ich weiß nicht, wie lange ich diese Arbeit durchhalte.

Nächste Woche komme ich von diesen beiden spanenden Schleifmaschinen wenigstens weg. Eine andere Abteilung wurde auf meine Arbeit aufmerksam. Es geht um einen Siebdruck, der auf Flaschen aufgebracht wird. Die Stückzahlen scheinen an der Siebdruckmaschine geringer als an der Schleifmaschine zu sein. Hoffentlich werden an der Siebdruckmaschine während der Arbeit mehr Einstellungen als an diesen extremst eintönigen Schleifmaschinen erfordert.
https://twitter.com/Zeitvertreib2/status/1357385047507107841

Fritz Linow

Zitat16.3.21
Corona-Ausbruch in illegaler Unterkunft

In Billerbeck ist es zu einem größeren Corona-Ausbruch in einer illegalen Unterkunft für Leiharbeiter aus Polen gekommen.
(...)
Das Heeker Unternehmen Farm Innovation stellt FFP2-Masken her und hatte seine polnischen Mitarbeiter in Büroräumen auf einem Betriebsgelände in der Domstadt untergebracht.
(...)
https://m.azonline.de/Muensterland/Kreis-Coesfeld/4386012-21-von-25-Leiharbeitern-in-Billerbeck-infiziert-Corona-Ausbruch-in-illegaler-Unterkunft

Onkel Tom

Jo, der Artikel ist ja eindrucksvoll und

Zitat
...
Die Bezirksregierung Münster hat am Dienstag die Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen bei der Firma in Heek überprüft und keine Mängel festgestellt, heißt es.
...

klingt anbei völlig konträr.. Spekkulatzius darauf unter dem Teppich zu kehren, was deutscher Mentalität nahe kommt
oder irgendeine Geldbörse bepudert wurde..

Ist ja leider kein Einzelfall und so werden wir bestimmt erst im nächsten Jahrzehnt aufathmen dürfen Corona ausgerottet
zu haben, zumal jedes Bundesland und jede Nation ihre teils irrwitzigen Möglichkeiten probiert, den Kapitalismus blos keine
Bauchschmerzen zufügen zu wollen.  ::)
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 12:23:00 Do. 18.März 2021
Jo, der Artikel ist ja eindrucksvoll und

Zitat
...
Die Bezirksregierung Münster hat am Dienstag die Corona-Arbeitsschutzmaßnahmen bei der Firma in Heek überprüft und keine Mängel festgestellt, heißt es.
...

klingt anbei völlig konträr..
Nö, nix konträr.
Überprüft wurde nur der Arbeitsschutz - die Wohnverhältnisse zählen da nicht dazu.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Fritz Linow

Zitat7.4.21
Neue Vorwürfe gegen Daimler: Leiharbeiter des Rastatter Autobauers machen aus Angst keinen Corona-Schnelltest

Entlässt das Rastatter Daimlerwerk Mitarbeiter wegen einer Corona-Erkrankung? Die Vorwürfe im Umgang mit der Corona-Pandemie reißen nicht ab. Während Daimler betont, dass alles in Ordnung ist, sagen die Mitarbeiter etwas anderes.

Drei Jahre und zwei Wochen – so lange hat der Mann als Leiharbeiter bei Daimler in der Produktion geschafft. Im Herbst wurde ihm gekündigt. ,,Mein Meister hat mich ins Büro gerufen und gesagt: Wenn du nicht krank gemacht hättest, wärst du noch da." Zwar will der Leiharbeiter seine Geschichte erzählen, aber aus Sorge, der Autobauer könnte juristisch gegen ihn vorgehen, möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen.
(Schranke)
https://bnn.de/mittelbaden/rastatt/daimler-corona-mitarbeiter-vorwuerfe-schnelltests-kuendigung

Fritz Linow

Zitat8.2.22
Die Zahl der Coronafälle häufen sich bei Volkswagen in Wolfsburg. Erneute Schichtabsagen sind die Folge.
(...)
Die Zahl der Coronafälle im Werk steigt, besonders betroffen ist derzeit die Lackiererei. Dort sollen deshalb bis Ende Februar vier Arbeitstage entfallen. Damit tritt zugleich ein anderes Problem zu Tage. Weil alle Leiharbeiter nach Hause geschickt wurden, hat VW keine Personalpuffer mehr, um Ausfälle aber auch zusätzlichen Bedarf durch erhöhte Produktion auszugleichen. Das Thema zieht sich nicht nur durch die gesamte Marke, sondern die ganze deutsche Automobilbranche. Opel in Rüsselsheim hat sich gleichfalls von über 2000 Zeitarbeitnehmer/innen getrennt und sucht nun für den Astra-Hochlauf wieder zusätzliches Personal auf Leihbasis. Auch bei VW in Emden fehlt wegen des Umbaus der Produktion und der Qualifizierung der Mitarbeiter Produktionspersonal.
Deshalb gibt es ja die Idee, dass Werker aus Wolfsburg dort aushelfen, wenn Nachtschichten im Stammwerk tatsächlich gestrichen werden sollten.
https://www.wolfsburger-nachrichten.de/wolfsburg/vw-das-werk/article234519985/VW-Lackiererei-Corona-sorgt-fuer-Schichtabsagen.html

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