Hartz IV: Schutz von Wohneigentum darf auf angemessene Größe beschränkt werden

Begonnen von dagobert, 11:42:07 Do. 02.Juni 2022

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dagobert

ZitatAbhängigkeit sozialrechtlichen Verwertungsschutzes für selbst bewohntes Wohneigentum von der aktuellen Bewohnerzahl verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz

[...]
Danach verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 in Verbindung mit Satz 2 SGB II allen Betroffenen gleichermaßen die Verwertung von aktuell unangemessen großem Wohneigentum abverlangt, ohne danach zu unterschieden, ob es sich um schon immer in diesem Sinne unangemessen großes Wohneigentum handelt oder ob es früher mit Kindern bewohnt wurde und vor deren Auszug angemessen im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II war. Nicht zu berücksichtigen, ob in dem aktuell zu groß bemessenen Wohneigentum einst Kinder erzogen wurden, für die entsprechend größerer Wohnraum vorgehalten werden musste, entspricht dem allgemeinen System der Grundsicherung, staatliche Leistungen nachrangig zu gewähren. Den gegenwärtigen Bedarf als Bezugspunkt staatlicher Transferleistungen zu wählen, verfolgt einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck; das Grundgesetz verwehrt dem Gesetzgeber nicht, soziale Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können. Für die Frage der angemessenen Größe von Wohnraum auf die aktuelle Bewohnerzahl abzustellen, ist zur Realisierung des Bedarfsdeckungsprinzips auch im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet und erforderlich und die daraus für Eltern ausgezogener Kinder resultierende Ungleichheit steht zu dem Regelungszweck nicht außer Verhältnis. Denn auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen aktuell Bedürftigkeit vorliegt. Auf der anderen Seite werden den Betroffenen hier nicht Leistungen verwehrt, die sie zur Existenzsicherung benötigten. Denn sie verfügen über Wohneigentum, das sie einsetzen und damit ihren Bedarf selbst sichern können.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-049.html

BVerfG, 28. April 2022, 1 BvL 12/20
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/04/ls20220428_1bvl001220.html
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Äh, habe ich das so jetzt richtig verstanden, das nun "angemessenes Wohneigentum" (max.120 qm)
nun reduziert werden kann, wenn z.B. Kinder schon ausgezogen sind und z.B. 120 qm nur noch von
2 Personen (Elternpaar) bewohnt wird ?
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Ja.
Es kommt immer auf die Zahl der Personen an, die aktuell in der Wohnung oder in dem Haus leben. Wenn sich das ändert, weil eben die Kinder erwachsen und ausgezogen sind, dann haben die Eltern (sofern im Sozialleistungsbezug) ein Problem.
Nach der BSG-Rechtsprechung ist das ja schon lange so, jetzt eben aus Karlsruhe bestätigt.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

 ???

Wohneigentum waren bis dato bei 120 qm "angemessen" unbeachtet der Mitbewohnerschaft..
Probleme gabs, wenn Grundbesitz nicht zum Eigenbedarf genutzt wurde..

Das kann doch nicht wahr sein, das Ur-Oma und Ur-Opa für die Eltern heutiger Kinder in den 70zigern
schwer für ihr klein Häusle geschuftet haben, die Eltern auf Grund ihres SGB-Bezug entweder
Räumlichkeiten untervermieten müssen oder die Kinder bei den Eltern wohnen bleiben müssen, um nicht
in die Enteignungsfalle zu geraten..

Eine "tolle" Info hat es ja doch noch, wenn ich so in meine Glaskugel glotze..

Ja, Hartz-4, künftig "BWürgergeld" ist nun bei den Kleingrundbesitzer_innen angekommen.
Ich glaube, das mag sich niemand so gern gefallen lassen..

Krass und das braucht Widerstand.
Lass Dich nicht verhartzen !

dagobert

Zitat von: Onkel Tom am 16:32:37 Do. 02.Juni 2022
???

Wohneigentum waren bis dato bei 120 qm "angemessen" unbeachtet der Mitbewohnerschaft..
Probleme gabs, wenn Grundbesitz nicht zum Eigenbedarf genutzt wurde..
Da irrst du.
ab Rz 28:
https://datenbank.nwb.de/Dokument/685992/

Genau diese Rechtsprechung hat das BVerfG jetzt bestätigt.
"Sie haben die unglaubwürdige Kühnheit, sich mit Deutschland zu verwechseln! Wo doch vielleicht der Augenblick nicht fern ist, da dem deutschen Volke das Letzte daran gelegen sein wird, nicht mit ihnen verwechselt zu werden."
Thomas Mann, 1936

Onkel Tom

Oki, ist mir was entgangen.. 2016 war für mich auch Feierabend mit H4..

Wat dazu gelernt Danke  ;)
Lass Dich nicht verhartzen !

counselor

Zitat5. Stefan Sell: zur Entscheidung des BVerfG wegen Verwertung von Wohneigentum
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Stefan Sell erklärt und kommentier die Entscheidung des BVerfG zur Verwertungspflicht von Wohneigentum. Mehr: https://t1p.de/a7fi6

Quelle: Thomé Newsletter
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