Kinder und Jugendliche von der Politik enttäuscht

Begonnen von Troll, 14:44:41 Mo. 12.September 2005

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Troll

Studie der Bertelsmann-Stiftung

ZitatBesonders Besorgnis erregend finden die Experten der Bertelsmann Stiftung den Befund, dass immerhin 35,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen der Aussage zustimmen, "eine starke Hand müsste wieder mal Ordnung in unseren Staat bringen".

Wundert mich nicht.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Klassenkampf

Damit hätte die politisch-wirtschaftliche Administration des Neoliberalismus ihr Ziel erreicht. Natürlich versteckt man diese "frohe Kunde" hinter geheuchelter Entrüstung, die via Medienberichte verbreitet wird - das gebietet der pseudo-demokratische Anstand.

Es sind vorallem Jugendliche und angehende Erstwähler aus den Familien der unteren Schicht, die sich dem "Schmierentheater Politik" abwenden - Schlosserkinder die sehen, wie ihr hart arbeitender Vater drangsaliert und ausgeutet wird; Arbeitslosenkinder, die mit anhören müssen, wie ihre Eltern als Schmarotzer tituliert werden; Kinder von chronisch Kranken, die erkennen, daß einschränkende Krankheit das Ende allen Gesellschaftslebens ist. Gerade Sprößlingen aus diesen Haushalten offenbart es sich: Gleichheit ist nicht gegeben.

Hält man nun die Sprößlinge des "Proletariats" von den Wahlurnen fern, hält man damit auch soziale Forderungen fern der Politik. Öffentlich entrüstet man sich dem schwindenden Interesse an der Politik, um hinter vorgehaltener Hand, süffisant darüber zu lächeln.
Die Vorgänge im Jahre 2000 in Florida sind kein Zufall, nicht mal ungewollte Peinlichkeit, sondern der Versuch den entscheidenden Wahlstaat durch Ausklammerung der sozial Unterprivilegierten für sich zu entscheiden, gepaart mit dem üblichen Maß an Rassismus.

Die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen in den USA sind erschreckend niedrig, und (noch) nicht auf Deutschland übertragbar. 1996 fanden nur 49,1 Prozent aller Wahlberechtigten den Weg an die Urnen, vier Jahre später konnte ein Aufschwung verzeichnet werden - 51,3%. Bei den Kongresswahlen sieht die Bilanz, betrachtet aus Augen einer Demokratie, stockdunkel aus - 1998 waren es 36,2%, vier Jahre zuvor gerade mal 0,2% mehr.
Eine Politik die es jungen Menschen schier unmöglich macht, eine Zukunft aufzubauen, Familie zu gründen, gesellschaftlich angesehen zu sein, führt geradewegs hin in die interessenlose Gesellschaft. Grenzt die Politik zudem Schwarze, Homosexuelle, alleinerziehende Mütter und andere Minderheiten aus, ist es nicht verwunderlich, daß sich Menschen aus diesen Gruppierungen nicht vertreten fühlen und deshalb erst gar nicht den Urnengang vollziehen.

Die Randgruppen Deutschlands sind nicht rassistischer oder lebenstilgeprägter Art - es sind Arbeitslose, Rentner, Familien und Alleinerziehende. Es sind soziale Randgruppen, die sich nur dadurch definieren, weil sie der "Allgemeinheit auf der Tasche liegen". Sie sind Humankapital, welches keine Funktion mehr hat und daher als Belastung dargestellt wird. Sozialdarwinismus in seiner reinsten Form.

Gescheiterte Existenzen und nicht benötigtes Humankapital allerdings, sollte kein Wahlrecht innehaben. Roman Herzog schrieb einst - und der Aufschrei der Verfassungsschützer und der Öffentlichkeit war nicht vernehmbar -, daß man den Senioren, die Schuld haben an der fehlenden Bereitschaft zu Reformen, das Wahlrecht entziehen solle. Dieser verfassungsverstoßende Vorschlag (aus dem Munde des einstigen obersten Herrn dieses Landes) zeugt von der Auffassung der Politelite dieses Landes. Es muß ein Ruck durch Deutschland gehen - man entzieht den Ausgestoßenen das Wahlrecht, nicht juristisch, doch über den Wege des kollektiven Ekels vor Politik.

Sollte am Sonntagabend ein Ergebnis zustandekommen, welches die etablierten Parteien nicht befriedigt, wird man in deren Reihen über die Zukunft des Wählens sprechen müssen. Es werden Argumente fallen, die da lauten: Gesellschaftlich Ausgestossene (sprich: Arbeitslose, kleine Renter etc.) sollen nicht über das Wohl und Wehe dieses Staates entscheiden dürfen.
Amerika macht es auch hier, wenngleich in kleinerer Manier, vor: In vielen Bundesstaaten dürfen ehemalige Häftlinge (egal welchen Deliktes) auf Lebenszeit nicht mehr wählen - Amerikaner zweiter Klasse...wen wundert da noch die fehlende Resozialisierung?
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Carpe Noctem

ZitatOriginal von Klassenkampf
Sie sind Humankapital, welches keine Funktion mehr hat und daher als Belastung dargestellt wird.

Humanentsorgungsgut. Ich wette meinen Arsch, das wird das neue Unwort des Jahres 2006!

Grüsse - CN
Art. 1 GG: "Die Menschenwürde steht unter Finanzierungsvorbehalt"

Troll

ZitatRoman Herzog schrieb einst - und der Aufschrei der Verfassungsschützer und der Öffentlichkeit war nicht vernehmbar -, daß man den Senioren, die Schuld haben an der fehlenden Bereitschaft zu Reformen, das Wahlrecht entziehen solle.

 8o  In einem Buch von ihm? Öffentlich sagen wird er das wohl kaum.
Darf dann Herzog noch wählen?
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Klassenkampf

Ungläubig gefragt von Troll:
ZitatIn einem Buch von ihm? Öffentlich sagen wird er das wohl kaum.
Darf dann Herzog noch wählen?

Antwort hier: http://www.jungewelt.de/2005/09-07/014.php

Zitat"Herzog kontra Rentner

Vor diesem Hintergrund verdienen die Vorschläge Beachtung, die der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog – auch als elder statesman noch ein Schwergewicht in der Union – in seinem gerade veröffentlichten Buch »Wie der Ruck doch noch gelingt« gemacht hat.

Da »das deutsche Volk ... seit dem Wirtschaftswunder praktisch nur Zeiten des wirtschaftlichen Aufstiegs und der Zuwachsraten erlebt« hat, seien die angeblich notwendigen »Einschnitte« schwerlich mehrheitsfähig. Dieses Problem verschärfe sich mit der Überalterung der Gesellschaft, da ältere Menschen »weniger reformbereit und reformfähig« seien, insbesondere wenn es um die Kürzung ihrer Renten gehe.

Herzog bringt »zwei grundsätzliche Lösungswege« ins Spiel: Entweder älteren Bürgern »von einem bestimmten Zeitpunkt an das Wahlrecht ab(zu)erkennen« oder »Eltern von noch nicht wahlberechtigten Kindern ihrerseits zusätzliche Wahlstimmen« zuzubilligen. Damit wäre, wie er selbst einräumt, einer »der fundamentalsten demokratischen Grundsätze, nämlich der des allgemeinen und gleichen Wahlrechts« kassiert – ein offener Angriff auf die Verfassung dieses Landes. Dem will Herzog (noch?) nicht zustimmen, doch seine Alternative hat es ebenfalls in sich: Man möge »den Bereich, in dem sich das demokratische Mehrheitsprinzip überhaupt auswirkt, die Zuständigkeit des Staates, im Verhältnis zur Gesellschaft um ein Erkleckliches enger als gegenwärtig« zuschneiden."

Zwar hat er erkannt, daß der fundamentalste demokratische Grundsatz damit beseitigt wäre, doch hinderte ihn dies nicht, zwei Vorschläge zu unterbreiten...zweiterer ist gleichermaßen verfassungswidrig.
Überhaupt so ein Gedankenspiel zu wagen - als Demokrat und ehemaliger oberster Herr dieses Landes - offenbart den neuen Geist der heutigen Politik.
Mit diesem - aus seiner Sicht noch leicht utopischen - Lösungsvorschlag ist er der Wegbereiter für konsequentere Administrationen...denn ältere Menschen, wie Herzog einer ist, neigen nicht zu vollem Radikalismus...jüngere saugen allerdings Ideologien auf, und erfüllen sie mit belebenden Radikalismus.

Die Gesellschaft der westlichen Industrienationen, mit ihren immer älter werdenden Menschen, muß auf die angeblich fehlende Flexibilität reagieren - Exklusion gegen Senioren und Gescheiterte ist ein Lösungsansatz, der bereits in den USA praktiziert wird. Noch gemildert, hinter vorgehaltener Hand (wie einst in Florida), doch es macht Schule und es wird Aufgabe der neoliberalen Presse, der Masse diesen fundamentalen Einschnitt in die Demokratie plausibel zu erklären.
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Troll

Es war mein erstaunen darüber, daß man überhaupt so eine Aussage machen kann, sofern man an demokratische Grundsätze glaubt.

Sollte man nicht eher Parteimitgliedern das Wahlrecht entziehen?
Wenn man sich anschaut wie Parteimitglieder eingeschüchtert und mundtot gemacht werden ist es doch mehr als fraglich ob der betroffene überhaupt noch die Partei wählen kann die er will?  :D
Vielleicht hat Merz mal andeuten lassen das er SPD wählt wenn`s so weiter geht, ruckzuck war er weg.  :D
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Klassenkampf

ZitatWenn man sich anschaut wie Parteimitglieder eingeschüchtert und mundtot gemacht werden ist es doch mehr als fraglich ob der betroffene überhaupt noch die Partei wählen kann die er will?

Die Partei - egal welche - ist ein Sammelbecken diverser Verbrechen. Man unterbindet Meinung, verdreht Tatsachen, bereichert sich korrupt mittels Spendengeldern, macht Gesinnungsgruppen gleicher als andere angeblich - laut Gesetz - gleiche Gruppen.

Die Partei ist ein Sündenpfuhl, welcher vorgibt höchst moralisch und aus hehren Gründen zu handeln. Sie ist ein Wolf im Schafspelz, vorgebend sich für die Belange ALLER Bürger, ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, ob arbeitend oder arbeitslos, ob intelligent oder beschränkt, ob alt oder jung, ob gesund oder krank, ob behindert oder nicht, einzusetzen.

Die Partei ist der Zufluchtsort für jeden, der sich für Politik interessiert. Der Parteienlandschaft wohnt die Monopolstellung inne. Ohne "politische Konfession" scheitert das Vorhaben des Einzelnen, Politik mitgestalten zu wollen. Schwingt sich eine neue Gruppierung dazu auf, den Kern der etablierten Parteien zu erlangen, folgen Diffamierung, Deskreditierung und öffentliche Hetzkampagnen.

Die Partei bietet jedem, der sich der parteieigenen Konfession unterwirft ein Zuhause. Solange die gemeinsame Linie des Einzelnen mit der Partei ersichtlich ist, bleibt alles erlaubt. Sie agglomeriert nicht nur erfolgreiche, ideologische Menschen unter ihrem Dach, sondern gleichenfalls Stümpern, Verlierern, Ausgedienten, Untalentierten, Radikalen und Misanthropen wird Obdach gewährt.
Während sie vorgibt, sich für die Belange ALLER Menschen einzusetzen, und daran scheitert, gewährt sie allerdings ALLEN Menschen die Möglichkeit der "politischen Prostitution". Nur der Mut, sich geistig ausbeuten zu lassen, eigene Gedanken zu verdrängen, sind vonnöten um sich sein Plätzchen in der Partei zu sichern.

Die Partei unterstützt in der Öffentlichkeit Bildung und gibt vor, daß sich Qualität immer durchsetzen würde. Kompetenz, so heißt es, ginge immer seinen Weg. Innerhalb der Parteigrenzen allerdings ist der "Mythos Kompetenz" nicht relevant. Beißen, kratzen, ohrfeigen, Schläge unter die Gürtellinie sind die Leitlinien einer Parteikarriere...wer es wagen will, muß dazu bereit sein, seinen Karriereweg mit Leichen zu säumen.
Kompetenz verliert sich oft an der Basis, dem Fundament der Partei. Glücksfälle sind jene, die Kompetenz und Platzhirschverhalten gleichermaßen an den Tag legen. Dieser Umstand ist selten und daher praktiziert die Partei einen Stil, der häufig erfolgreich verläuft: Man erklärt Stümper zu kompetenten Fachleuten...so werden eine Reihe von durchschnittlichen bis mäßigen Politikern zu Finanz-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitikexperten.

Die Partei ansich hat abgewirtschaftet, es ist ein überlebtes Prinzip politischer Willensbildung. Parlamente benötigen mehr objektive und auf das Gewissen der Abgeordneten horchende, Entscheidungen - weniger Partei, mehr Gewissen.
Ein Kanzlerbasta, wie wir es in den letzten Jahren häufig erlebt haben, ein Abwürgen anderer Meinung in gleichen Reihen, sollte im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit eine empfindliche Strafe nach sich ziehen.


Die gekaufte Republik: 6,5 Millionen Euro hat die Union in den letzten Jahren an Spenden einkassiert. Mehr als alle anderen Parteien zusammen. Ob ein derart hoher Betrag ohne Gegenleistung als Spende verzeichnet wurde?
Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Parteispende
,,Diese Verhältnisse sind nicht die von Individuum zu Individuum, sondern die von Arbeiter zu Kapitalist... Streicht diese Verhältnisse, und ihr habt die ganze Gesellschaft aufgehoben."
--- Karl Marx, "Das Elend der Philosophie" ---

Troll

Treffend!

Damit kann man auch die Überparteiliche Austauschbarkeit erklären.
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.
Jiddu Krishnamurti

Wilddieb Stuelpner

Nachdem bürgerliche Revolutionen, so in Frankreich (1789 - 1795), in industrieller Form in Großbritannien und stümperhaft 1848 in Deutschland stattfanden, wurde die Macht der heiligen Dreieinigkeit - Adel, Kirche, Büttel und Lakaien zerbröselt, ihrer Befugnisse beraubt oder beschnitten. Die Macht der Kirche wurde durch die Macht der Patrizier, aus dem das Bürgertum, respektive die Bourgeoisie hervorging, an letztere übertragen. In Deutschland wurde der Machtübergang zelebriert durch die Nationalversammlung 1848/49 in Frankfurt am Main.

Heute findet man in demokratische Mäntelchen verpackt, die Machtausübung der Bourgeoisie in Wirtschaftsverbänden und Parteien. Das deutsche Volk darf nur als Aushängeschild, als Etikett herhalten, so wie es am Reichstag zu Berlin prangt. Wir leben in einer Diktatur des Kapitals vor.

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