AEG-ler legen Nürnberger Werk lahm

Begonnen von ManOfConstantSorrow, 20:37:32 Do. 06.Oktober 2005

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ManOfConstantSorrow

,,Das Nürnberger Stammwerk der AEG Hausgeräte steht still. Hunderte Arbeiter blockierten am Mittwoch die Tore, um gegen die drohende Schließung zu protestieren. Das könnte der Anfang einer europaweiten Streikwelle bei Konzernmutter Electrolux sein..."
befürchtet das Handelsblatt
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Spätlese

besorgter sorrow man:
... und ... hat´s hoffentlich was genutzt ... das Streikchen?

Wo die Schliessung im Prinzip schon seit 2 Jahren feststeht - da pellt sich Electrolux Schweden/Schweiz ein Ei drauf - ob jetzt in Nürnberg noch was lahm gelegt wird oder nicht.

"Zappzerapp" - wie der Pole sagt - und schon kommt die weiße Ware ab dem nächsten Jahr u. a. aus Polen (da brauchen wenigstens ein paar Gastarbeiter nicht mehr nach Deutschland reisen und habens etwas näher bzw. komfortabler - da freuen wir uns doch!).
4 Euro die Stunde max. - das ist die Devise, würde mich nicht wundern, wenn nach einer Eingewöhnungs-/Testfase das Ganze nach Asien transferiert wird.
Alle von mir getätigten Aussagen/Antworten/Kommentare entsprechen lediglich meiner persönlichen Meinung und stellen keinerlei Rechtsberatung dar.

ManOfConstantSorrow

Ach Spätlese,

was erwartest Du?
Unterschriftenlisten, Petitionen, Verfassungsbeschwerden, Demos, Generalstreik oder gar bewaffneten Kampf?

Egal was man versucht, niemals wird dabei herauskommen, daß am nächsten Tag Lohnarbeit, Ausbeutung und Ungerechtigkeit abgeschafft sein werden.

Soll ich den abgedroschenen Spruch bemühen, daß wer kämpft verlieren kann und wer nicht kämpft schon verloren hat?

Jahrelang haben die Gewerkschaften den Sozialen Frieden organisiert und nun scheint es mirt der Ruhe vorbei zu sein. Es gab sogar die in Deutschland fast vergessenen wilden Streiks wieder und die Arbeit wurde nicht nur in den großen Traditionsunternehmen, wie AEG niedergelegt, sondern auch in Branchen, die alles andere als gewerkschaftliche Bastionen sind: Streiks im Einzelhandel und erstmalig im großen Stil auch in Krankenhäusern.

Wir müssen uns darauf vorbereiten noch so manche Niederlage einzustecken. Aber es sind einfach die ersten Zeichen von Unruhe und man muß schließlich lernen zu kämpfen, sich zusammenzuschließen und Kämpfe zu koordinieren.

Das soll man nicht klein reden, egal wie es mit dem direkten Erfolg aussehen mag...
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Spätlese

Möööönsch ManOfConstantSorrow,

Ich kann mir halt meine triefende Ironie nicht verkneifen. Diese ganze Ruinierung und Schleifung der wirtschaftlichen Strukturen bzw. Firmenlandschaften geht so lange weiter, bis hier alles weg ist und bestenfalls noch "Wiederwiederverkäufer", Discounter und diese ganzen elendigen Dienstleistungszweige übrigbleiben. Natürlich alles Low-Budget-Jobs!

Daher: NICHTS erwarte ich mir in und von diesem Lande! (Wären da nicht finanzielle Mittellosigkeit, gewisse Verpflichtungen und ein paar andere Handicaps - Auswandern könnte ich, bevor in ein paar Jahren die Zwangsdeportation ehemaliger Arbeitnehmer aus Deutschland in Billigstlohnländer wie Indien zu 20 oder 40 Cent die Stunde gesetzlich verankert und zur Pflicht wird!)

Diese ganzen Standort-, Unternehmensschliessungen und Verlagerungen aus steuerlichen, lohn- und versicherungstechnischen Gründen sind allesamt 5 oder gar 10 Jahre vorgeplant und im Prinzip schon beschlossene Sache, wenn die Belegschaft erste konkrete Pläne erfährt.

Und leider ist den Belegschaften und uns kein Instrument in die Hand gegeben um diesen Trend abzustellen. Daher stimme ich zu: - Zitat - "Wir müssen uns darauf vorbereiten noch so manche Niederlage einzustecken."

Ich wiederhole mich da - tagtäglich prasselt es auf Noch-Arbeitnehmer und ehemalige Arbeitnehmer herein:
Telekom beschliesst 2005/2006/2007 die Streichung von 25000 Arbeitsplätzen, Daimler-Konzern denkt über 10000 Streichungen nach und will verlagern - kleine "Schadenfälle" wie die Verlagerung der ostdeutschen Betriebsstätten von Kunert-Hudson Strumpfwaren nach Nordarfrika mit nur 140 neu produzierten Arbeitslosen gehen da schon fast komplett unter.

Und die jeweils Verantwortlichen aus den Ressorts Wirtschaft, Arbeit und Finanzen schauen geduldig zu, beschweren sich über tagtäglich neue Milliardenlöcher - während sie sich z. B. auf der jetzigen Lebensmittelmesse ANUGA in Köln mit Delikatessen voll stopfen lassen:

http://www.greenpeace-magazin.de/magazin/tagesthemen/tt_list.php?p=34504&more=1

http://www.pipeline.de/pipeline/showpics.php?id=1906173&rid=1&pic=1

Dazu noch verschmitzte Anmerkungen wie:
"Auch für Alg-II-Empfänger muss gutes Essen nicht teuer sein ..." usw. -
das hören wir doch gerne!
Alle von mir getätigten Aussagen/Antworten/Kommentare entsprechen lediglich meiner persönlichen Meinung und stellen keinerlei Rechtsberatung dar.

Kater

ZitatElectrolux stehen europaweite Proteste bevor

19. Okt 14:34

Am Freitag dürfte das AEG-Werk in Nürnberg erneut von der Belegschaft lahm gelegt werden. Gewerkschaften in ganz Europa wollen gegen den schwedischen Mutterkonzern Electrolux protestieren.

Mit einem europaweiten Protesttag wollen die europäischen Metallgewerkschaften am Freitag gegen die Firmenpolitik des schwedischen Electrolux-Konzerns protestieren. In Deutschland solle das von der Schließung bedrohte Werk der Tochter AEG in Nürnberg erneut mehrere Stunden lang blockiert werden, teilte die IG Metall am Mittwoch in Frankfurt am Main mit. Die Belegschaft hatte den Standort bereits Anfang des Monats für 24 Stunden lahm gelegt, um gegen die geplante Verlegung des Standortes nach Osteuropa zu protestieren.
Der Europäische Metallgewerkschaftsbund habe europaweit insgesamt rund 25.000 Electrolux-Mitarbeiter dazu aufgerufen, sich an den Aktionen zu beteiligen, teilte die IG Metall weiter mit. Er wolle deutlich machen, dass sich die Arbeitnehmer nicht gegeneinander ausspielen ließen. Denn nicht nur in Nürnberg seien Schließung und Verlagerung geplant, sondern auch an anderen Standorten in Westeuropa. Insgesamt solle die Fertigung von mehr als einem Dutzend Werken des Konzerns in Billiglohnländern verlagert werden, kritisierte die Arbeitnehmerorganisation.

Europäisches Rahmenabkommen gefordert
 
Was den 1750 Beschäftigten des AEG-Hausgerätewerkes mit der Schließung der Fabrik möglicherweise noch bevorsteht, haben die spanischen Kollegen in Fuenmayor nach Gewerkschafts- Angaben bereits hinter sich. Auch in Florenz und im schwedischen Mariestaad habe Electrolux massenhaft Personal entlassen. Weitere europäische Standorte stünden unter zunehmendem Druck, hieß es weiter.

Die Arbeitnehmer forderten daher ein Rahmenabkommen «für eine nachhaltige und sozialverträgliche Zukunft für Electrolux in Europa». Darin sollte das Unternehmen auf weitere Schließungen sowie betriebsbedingte Kündigungen verzichten, forderte der Gewerkschaftsbund. Zudem müsse die Strategie des Konzerns künftig stärker auf Innovationen hin ausgerichtet werden. (nz)

http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/363583.html

Carsten König

Soziale Ruinen schaffen - ohne Waffen. Der postkapitalistische Kapitalismus zeigt sich pazifistisch. Man ist geneigt zu sagen: Die Umwertung aller Werte.

Das Problem der ganzen Plattmacher - und das sage ich jetzt nicht aus der sozialrevolutionären Wut heraus, die in mir broddelt: Ihr sägt am Ast, auf dem eure Hintern kleben. Grundkurs VWL: Keine Arbeit - kein Konsum - keine Profite. Individuell mag es richtig sein, dass sich durch Verlagerung der Produktion die Gewinne maximieren lassen, aber als globale Strategie ist das logisch zum Scheitern verurteilt.

Irgendwie muß man Euch Kapitalisten, Scheuklappenträger der Bourgeosie, aber dann doch gratulieren: Ihr werdet hinkriegen, woran Marx, Lenin und Trotzki scheiterten:

Die Welt bereit machen für den Sozialismus. Heute kann man das Bauernleben in Museen bestaunen, die Last und Pein der Leute kaum nachvollziehen bei der damaligen Schwere des Daseins.
Ich erwarte, dass kommende Generationen genauso kopfschüttelnd vor dem System stehen werden, das heutige Kapitalisten an die Wand fahren.
Die List der Geschichte ... mit einer gewissen Genugtuung.

ManOfConstantSorrow

Solidarität in ganz Europa

Electrolux-Beschäftigte in sieben Ländern protestieren gegen Werksschließungen. Streikende blockierten AEG-Werk in Nürnberg


junge Welt vom 22.10.2005
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Wilddieb Stuelpner

Vor kurzem kam auf VOX aus der Reihe Spiegel TV im Beitrag "Panzer, Busse und Besteck - Multi-Werkstoff Stahl" ganz beiläufig die Bemerkung, daß Bosch eine chinesische Niederlassung gegründet hatte, um mit Waschmaschinen den chinesischen Markt zu angemessenen Preisen einzudecken. Die chinesische Emporkömmlingsbevölkerung in den Ballungsgebieten legt Wert auf Qualitätsware und läßt sich das auch was kosten, wogegen die deutsche Bevölkerung durch sinkende Sozialverhältnisse, Massenentlasssungen, Lohnkürzungen, steigende Lebenshaltungskosten und Werbeterror in den Medien zur Geiz-ist-geil-Gesellschaft verkommt. Allerdings besteht noch ein erheblicher Unterschied im chinesischen Lebensstandard zwischen Stadt und Land.

China macht der USA erhebliche Konkurrenz in der zahlungsfähigen Nachfrage nach Rohstoffen, Bodenschätzen, Industrieausrüstungen, Verkehrstechnik. China hat ganze Hochofenbetriebe und Stahl- wie Walzwerksanlagen im Ruhrgebiet demontiert und in ihrer Heimat wieder aufgebaut. China ist auch der größte Importeur von brasilianischem Eisenerz, daß 60% Metallgehalt besitzt. Thyssen hat aber trotzdem keine Zulieferprobleme an sich, sondern bestenfalls mit der Organisation der Just-in-Time-Belieferung durch die Überseeschiffahrt. Die westliche Stahlindustrie kann steigende Zuwachsraten dank der chinesischen Nachfrage im Bereich von Qualitäts- und Edelstahl bzw. bei legierten Stählen nachweisen. Bei der Herstellung von Massen- und Baustählen hat China allerdings dem Westen den Rang schon abgelaufen. Es ist eine Frage der Zeit bis die anderen Stahlmarken auch in das chinesische Produktionssortiment übergehen. Seit den letzten 10 Jahre ist der Preis für Stahl und Metallschrott im Durchschnitt um das Fünffache gestiegen.

Man ließ auch durchblicken, woher der bisher verarmte, rote Koloss China seine Finanz- und Wirtschaftskraft in dieser Zeit bezogen hat.

Millionenschwere Auslandschinesen aus allen Teilen der Welt, ausländisches Fremdkapital aus dem westlichen und asiatischen Teil der Welt und Russland mit seinen Lieferungen an Bodenschätzen und Rohstoffen lassen insbesondere seit dem Übergang der britischen Kronkolonie Hongkong an China und einer liberalen Politik der chinesischen KP die dortige Wirtschaft aufblühen. China ist mit seinen 1.306.313.812 Einwohnern ein schöner großer Absatzmarkt, so wie bei der Zwangswiedervereinigung die DDR und bei der EU-Erweiterung die neuen Mitgliedsländer. Es besteht allerdings die Gefahr, daß diese große Konjunkturblase, so wie in den neuen Bundesländern schon passiert, bald platzt. Nämlich dann, wenn die dortigen Fördermittel, Subventionen und Steuergeschenke aufhören, die Arbeitsdschutzanforderungen und die Forderung nach Tariflöhnen zunimmt. Chinesische AN sind nicht zurückgeblieben. Sie lernen schnell.


Kater

ZitatElectrolux schließt AEG-Werk Nürnberg

Der schwedische Elektrokonzern Electrolux schließt bis Ende 2007 das AEG-Werk in Nürnberg. Dies teilte Jürgen Wechsler von der IG-Metall dem Bayerischen Rundfunk mit. Die AEG-Beschäftigten am Standort Nürnberg werden zur Stunde vom Vorstand der Mutterfirma Electrolux informiert. Anschließend ist eine Protestkundgebung geplant. Von der Schließung sind 1.750 Mitarbeiter betroffen.

weiter:

http://www.br-online.de/bayern-heute/artikel/0512/12-aeg-beschluss/index.xml

Regenwurm

"Die Belegschaft hat die Fabrik übernommen"
Die Betriebsversammlung am vergangenen Montag endete im Tumult, wie die Abendzeitung am nächsten Tag auf ihrer Titelseite berichtete. Nach nur 10 Minuten verließ das Electrolux-Management fluchtartig das AEG-Werk, nachdem unzählige Sitzkissen Richtung Rednerpult geflogen waren und die Rechtfertigungsversuche für die Schließung im Pfeiffkonzert untergegangen waren.
Quelle:
Das System macht keine Fehler, es ist der Fehler.

ManOfConstantSorrow

,,Eine normale Produktion ist bei der AEG nicht mehr möglich. Heute wird erneut gestreikt. Das sagt mehr über die Stimmung als die langatmigen Reden der Funktionäre. Mit 2 Wochen bezahlten Freischichten hatte Electrolux gehofft, uns weich zu kochen. Auch die IGM spielt auf Zeit. Sie hat noch keinen Termin für die Urabstimmung genannt. Aber unserer wildcat strike geht weiter. IGM/BR geraten unter Druck und reagieren. Heute am 4. Arbeitstag stehen die Bänder durch den Streik, der mit Rückendeckung von IGM/BR sozusagen "offiziell" ist..." Meldung auf Netzwerk-IT
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Carsten König

ZitatDie Schließung des AEG-Werks in Nürnberg und die Rolle der Gewerkschaften

Quelle: http://www.wsws.org/de/2006/jan2006/aeg-j11.shtml

ZitatMitte Dezember kündigte die Unternehmensleitung des schwedischen Elektrokonzerns Elektrolux die Schließung des traditionsreichen AEG-Werks in Nürnberg an. Darauf kam es im Werk zu Arbeitsniederlegungen und Protestaktionen. 1.750 Arbeitsplätze sind unmittelbar von dem Stilllegungsbeschluss bedroht. Dazu kommen noch viele in den vor- und nachgelagerten Bereichen.  
 Nach Bekanntgabe der Konzernentscheidung haben die Beschäftigten die Bänder immer wieder abgestellt oder gezielt sehr langsam gearbeitet. Während der Arbeitszeit wurden Betrieb- und Informationsversammlungen abgehalten, auf der Arbeiter weiterreichende Kampfmaßnahmen und einen unbefristeten Streik forderten, während Vertreter des Betriebsrats und der Industriegewerkschaft Metall die Geschäftsleitung in markigen Worten anklagten, aber gleichzeitig zur Besonnenheit aufriefen.  
 Die Arbeiter bekamen breite Unterstützung aus der Bevölkerung. Eine Woche nach dem Schließungsbeschluss demonstrierten 6.000 Menschen für den Erhalt des Werkes und der Arbeitsplätze. Nach einer Kundgebung bildeten die Teilnehmer eine Lichterkette um das Werksgelände im Nürnberger Stadtteil Muggenhof. Auf Transparenten und Spruchtafeln wandten sie sich gegen die Pläne des Konzerns und warfen ihm "soziale Kälte" und "Missbrauch der unternehmerischen Macht" vor.    
 Bereits im Juli und Oktober des vergangenen Jahres war es zu Protesten der Belegschaft gekommen, nachdem die Konzernleitung wiederholt mit der Schließung des Werks gedroht hatte.    
Als die Aktionen der Belegschaft in den Tagen vor Weihnachten heftiger wurden, versuchte der Betriebsrat einer spontanen Werksbesetzung zuvorzukommen und handelte in einer vertraulichen Vereinbarung mit der Geschäftsleitung Betriebsferien bis zum 4. Januar aus. Die Beschäftigten mussten Überstunden abbauen oder Urlaub nehmen. Dem Unternehmen entstand daraus kaum finanzieller Schaden, während auf der anderen Seite Betriebsrat und Gewerkschaft die Zeit nutzten, um Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag vorzubereiten, die gegenwärtig in München stattfinden.     Der schwedische Elektolux-Konzern, der in den vergangenen Jahren zum Markführer bei der Fertigung von Haushaltsgeräten aufgestiegen ist, begründet seine Stilllegungsentscheidung damit, dass die Produktion von Waschmaschinen, Geschirrspülern und Trocknern im Nürnberger Werk im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Konzernvorstand Johan Bygge erklärte unumwunden, dass jedes in Nürnberg produzierte Gerät den Gewinn des Unternehmens schmälere. Mit jedem in Deutschland produzierten Geschirrspüler und jeder Waschmaschine mache das Unternehmen 45 bzw. 60 Euro Verlust. Zugleich kündigte er eine Verlagerung der Produktion, größtenteils nach Polen, an.    
Die Verlagerung der Produktion wurde bereits von langer Hand geplant und soll nun unter allen Umständen und gegen jeden Widerstand durchgesetzt werden. Seit mehreren Jahren errichtet der schwedische Konzern Fertigungsstellen in Osteuropa, die nun zum Einsatz kommen. Bereits zu Beginn des Jahres hatte der Elektolux-Vorstand massive Stellenstreichungen in "Hochlohnländern" angekündigt.    
Zwar wurde die AEG als selbstständiges Unternehmen bereits vor zehn Jahren aufgelöst, aber ihre Marken und Namen wurden ebenso weitergeführt, wie die Produktion in einzelnen Bereichen. Von vielen Beschäftigten wird die Schließung des Nürnberger Werks als endgültiges Aus des traditionsreichen Elektro-Konzerns empfunden, der im vergangenen Jahrhundert die Industriegeschichte in Deutschland stark geprägt hatte.  
 Mit dem Erwerb der Edison-Patente hatte Emil Rathenau bereits 1883 die Deutsche Edison Gesellschaft gegründet, die er 1897 in Allgemeine Eletricitätsgesellschaft (AEG) umbenannte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die AEG dann zu einem der größten Konzerne weltweit. 1922 wurde das Werk in Nürnberg gegründet. Ende der vierziger Jahre beschäftigte das Unternehmen über 200.000 Mitarbeiter. In den fünfziger und sechziger Jahren entstanden deutschlandweit neue Produktionsstandorte, und nach dem Zusammenschluss mit Telefunken stand das Unternehmen an 12. Stelle der Weltrangliste.  
 Mit der Krise der Weltwirtschaft in den siebziger Jahren verschlechtert sich auch die Situation der AEG. Erstmals wurden einige Firmenteile ausgegliedert oder verkauft. Der Niedergang begann schließlich mit der Übernahme der Aktienmehrheit durch Daimler-Benz 1985. Deren Strategie, einen globalen Technologiekonzern zu bilden, war nicht von Dauer. In den folgenden Jahren wurde das Unternehmen grundlegend umstrukturiert. Profitable Teile werden ausgegliedert oder gewinnbringend verscherbelt. Anfang der achtziger Jahre waren in Nürnberg noch gut 6.000 Arbeiter beschäftigt. 1994 übernahm dann Electrolux die AEG Haushaltsgeräte GmbH, die ihren Sitz in Nürnberg hatte.     Bereits drei Jahre später kündigte die Geschäftsleitung in Schweden Entlassungen an deutschen Standorten an. Im fränkischen Rothenburg ob der Tauber wurden 400 Arbeitsplätze abgebaut, und die hessischen Standorte in Kassel und Herborn-Burg wurden geschlossen. Presseberichten zufolge plant der Konzern insgesamt 13 der 20 westeuropäischen Standorte aufzulösen und nach Polen zu verlagern.

Wilddieb Stuelpner

Vor einiger Zeit wurde in der Sendereihe K1-Reportage über Investitionsaktivitäten deutscher Konzerne im Bereich der Konsumgüterproduktion und des Allgemeinen Maschinenbaus in Chinas berichtet.

Überwiegend wird dort die Weiße Ware für deutsche Märkte produziert mit einem Drittel der deutschen Herstellungskosten. Es hat allerdings auch seine Haken und Ösen: Die Energieversorgung kann der wachsenden Industrie nicht Schritt halten und es gibt noch Qualitätsprobleme.

Aber Siemens engagiert sich im Kraftwerksbau am Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtsekjiang und so wird das Energieproblem deutscher Investoren bald der Vergangenheit angehören. Und das Qualitätsproblem bekommt man mit Austausch von Personal in den Griff. Haben die deutschen Lehrmeister ihre Schuldigkeit getan, kann der deutsche Mohr gehen und wird arbeitslos.

Das finanzielle Problem für den deutschen Staatshaushalt der wachsenden Arbeitslosenzahlen will Steinbrück durch Zurückziehen auf die Grundversorgung und Aktivierung von mehr Eigenleistung und -verantwortung bei Arbneitslosen wegbügeln, zu deutsch: Zwangsarbeit bei Wasser und Brot.

dickp04


Carsten König

ZitatDie am Donnerstag fortgesetzten Verhandlungen zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat und dem Electrolux-Management über das von der Schließung bedrohte AEG-Werk in Nürnberg wurden noch am selben Abend ohne Einigung abgebrochen. Seit mittlerweile zwei Wochen befinden sich die 1750 Beschäftigten des AEG-Werks gegen die geplante Schließung im Streik.

Quelle: http://www.wsws.org/de/2006/feb2006/aeg-f04.shtml


Kater

ZitatHANDELSBLATT, Montag, 06. Februar 2006, 17:50 Uhr
 
Electrolux-Lager wird Nadelöhr
 
AEG-Streik führt zu Lieferengpässen
 
Offenbar haben die streikenden Beschäftigten des Nürnberger AEG-Zentrallagers eine verwundbare Stelle des schwedischen Hausgeräte-Konzerns Electrolux getroffen.
 
HB NÜRNBERG. Seit die vor Feuertonnen ausharrenden Streikposten - zusätzlich zum Stammwerk - beharrlich das Tor des lang gestreckten Lagerkomplexes im Nürnberger Kanal-Hafen blockieren, warten Zehntausende von Waschmaschinen, Trocknern, Geschirrspülern, Herden und Kochmulden auf ihre Auslieferung.
 
Boris Mandosi, gewerkschaftlicher Vertrauensmann bei der Electrolux Logistics GmbH, ist sich sicher: ,,Ob Media Markt, Saturn Hansa, Quelle, Tevi oder der Versand von Quelle, Otto und Neckermann - bei den großen Verbrauchermärkten und Versandhäusern geht in Sachen AEG-Geräte derzeit wenig." Rund 60 000 AEG-Geräte stapeln sich nach seinen Angaben derzeit allein in dem Nürnberger Lager. Die An- und Auslieferung per Lkw - der übliche Lieferweg - ist seit Tagen blockiert. ,,Wir haben hier schon mehrere polnische Lkws weggeschickt", berichtet der 34 Jahre alte Gabelstapler.

Vor allem die Aufträge großer Verbrauchermarkt-Ketten könnten inzwischen nicht mehr erfüllt werden, berichtete Streikleiter Jürgen Wechsler am Montag. ,,Electrolux hat Riesenprobleme mit Geschirrspülern", sagte er. Erste Großkunden hätten vor dem Hintergrund der streikbedingten Lieferengpässe inzwischen ihre Aufträge storniert, erläuterte der Betriebsratschef des Nürnberger AEG-Werks, Harald Dix. Als Beispiel legte er die Kopie einer Auftragsstornierung eines großen deutschen Möbelhauses vor.

Auch ein AEG-Sprecher räumte am Montag Lieferverzögerungen bei den in Nürnberg gefertigten Geschirrspülmaschinen ein. ,,Die Logistik läuft nicht zu 100 Prozent", sagte er. Grundsätzlich würden Kunden aber auch weiterhin beliefert. ,,Auch in Nürnberg geht Ware rein und raus." Mit der IG Metall sei vereinbart, dass Ware in bestimmtem Umfang per Bahnwaggon das Nürnberger Zentrallager verlassen dürfe. Dort wie auch im Lager Dormagen bei Köln halte Electrolux den Betrieb mit externen Lieferanten aufrecht.

Der Electrolux-Konzern hat wegen des AEG-Streiks im Stammwerk Nürnberg nach eigener Darstellung bereits 50 Prozent der Produktion von Geschirrspülern in andere Werke verlegt. ,,Jeder Streiktag führt zu einer noch schnelleren Verlagerung der Nürnberger Produktion", erklärte der verantwortliche Manager für die europäischen Electrolux-Werke, Horst Winkler, am Montag. Im vergangenen Jahr wurden in der Nürnberger Fabrik etwa 1,4 Mill. Hausgeräte hergestellt, darunter etwa 550 000 Geschirrspülmaschinen.

Dass Electrolux derweil auf der Rückseite des mit einem Gleisanschluss versehenen Lager-Komplexes pro Tag einige hundert Haushaltsgeräte per Bahnwaggon abtransportiert, beunruhigt die fröstelnden Streikenden nicht allzu sehr: ,,Die schaffen einen ganzen Tag das, was wir normalerweise in zwei Stunden verladen", schätzt der gewerkschaftliche Vertrauensmann Gerhard Schneider. Außerdem: ,,In ein paar Tagen geht denen sowieso die Ware aus. Schließlich kommt durch unseren Streik vorne keine neue Ware rein", meint der 38 Jahre alte Arbeiter.

Nach Einschätzung der Streikenden spielt dabei die Zeit für sie. Sie profitieren nach Ansicht von AEG-Betriebsratschef Harald Dix vor allem von der komplexen Produktions- und Lieferlogistik des schwedischen Hausgerätekonzerns: So liefere Nürnberg beispielsweise Frontbleche für die in polnischen Electrolux-Werken hergestellten und dann nach Deutschland gelieferten Geschirrspüler. ,,Die haben maximal drei bis vier Wochen Vorlauf. Die werden spätestens nächste Woche Probleme bekommen, ihre Tranchen zu liefern", schätzt Dix.

Die im Nürnberger AEG-Stammwerk streikenden Beschäftigten betrachten unterdessen die von ihren Logistic-Kollegen verursachten Lieferengpässe als willkommenen Flankenschutz - auch wenn die ,,Logistiker" in erster Linie wegen der angeblichen ,,Tarifflucht" von Electrolux in den Ausstand getreten sind. Der Konzern hatte beschlossen, für die 111 Beschäftigten der früheren AEG-Abteilung, die im vergangenen Jahr in eine eigene GmbH ausgegliedert wurde, künftig die Tarife des Groß- und Einzelhandels anzuwenden. Bisher gehörten sie zum meist besser vergüteten Tarifbereich der IG Metall.

Mit ihren um einen Sozialtarifvertrag kämpfenden Kollegen des AEG- Stammwerks fühlen sie sich dennoch eng verbunden. ,,Wenn die ihren Job verlieren, stehen auch die Arbeitsplätze bei der Electrolux Logistics auf dem Spiel", meint Mandosi. ,,Denn wenn AEG Nürnberg dicht macht, ist es doch nur logisch, dass Electrolux sein Zentrallager in der Nähe seiner Werke in Polen ansiedelt", befürchtet der Staplerfahrer. Insofern sei dieser Streik etwas ganz anderes als der Bayernstreik der Metaller von 1995: ,,Damals ging es um die Verteidigung der 35- Stunden-Woche, diese Mal um unsere Existenz."

http://www.handelsblatt.com/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200012,200038,1030253/SH/0/depot/0/index.html

ManOfConstantSorrow

Nürnberg kämpft – Frankfurt bremst? Will uns die IGM-Führung am ausgestreckten Arm verhungern lassen?

,,Wir haben den Eindruck, daß Bezirksleiter Neugebauer und die IGM-Zentrale Frankfurt den Nürnbergern die Streikleitung aus der Hand nehmen wollen. Der Streik in Nürnberg hat ein Ausmaß erreicht, bei dem es wohl einigen IGM-Funktionären in Frankfurt und München mulmig wird. Droht uns ein Putsch von oben?..." Beitrag von electrosucks vom 15.02.2006 im ,,Druckwächter" des NetwerkIT
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Wilddieb Stuelpner

Es sollte mich nicht wundern, wenn IGM-Funktionäre hinter dem Rücken der Streikenden, ohne deren Zustimmung, mit den Unternehmern wieder gedealt haben, damit wieder Friedhofsruhe einkehrt.

Gestern machte in der Sendung "Hart aber fair" der Moderator Frank Plasberg auch der stellvertr. 63jährigen DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer den Vorwurf, daß sie die auf 2029 vorgezogene Rente ab 67 unterstütze, aber trotz ihrer beiden Funktionen

- Alternierende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit (BA)
- von Alternierender Vorstandsvorsitzende des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) (nach der Fusion von BfA und LVAen) zur Alternierende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV)

nichts ausreichend für die existenzsichernde, soziale Absicherung der Arbeitslosen und der älteren AN unternommen hat. Wie rechtfertige sie als SPD-Mitglied dann die zustimmende, mindestens aber gleichgültige Haltung ihrer "Arbeiterpartei"??? bei Massenentlassungen und Verschlechterung der sozialen Absicherung der älteren Mitmenschen und sie selber wäre als Funktionärin bestens fürs Alter versorgt.

Auf diese Frage wich sie mit Floskeln und unverbindlichen Nettigkeiten aus und bezog keine Stellung dazu.

Der Moderator verwies dann noch auf eine Schweinerei bei der Deutschen Rentenversicherung (Bund). Nach der Fusion von BfA und LVAs waren auf einmal Aufgaben doppelt von Beamten ausgeführt und man bot den 19 älteren Beamten deftige Schmiergelder an, damit sie abschlagsfrei aus der Behörde in den vorgezogenen Vorruhestand verschwinden. Frau Engelen-Kefer wußte Bescheid über den Deal und nickte diese Vorgehensweise ab, statt dafür zu sorgen, daß den Beamte eine andere verantwortungsvolle Arbeitsaufgabe übertragen bekommen und diese bis zum Pensioneintritt ausführen.

ManOfConstantSorrow

"Die haben die Fabrik übernommen" - Der Streik bei AEG in Nürnberg entfaltet eine ungeahnte Dynamik

,,Das Management des schwedischen AEG-Mutterkonzerns Electrolux versteht die Welt nicht mehr. Schließlich ist das Nürnberger AEG-Werk mit seinen 1.750 Arbeitsplätzen nicht der erste Betrieb, der geschlossen werden soll. Doch die Kampfbereitschaft der Belegschaft, die sich seit Mitte Dezember im Ausstand befindet, übertrifft selbst die kühnsten Erwartungen. Welches materielle Ergebnis der Streik für die Beschäftigten letztendlich auch hervorbringt, der Kampf um das Nürnberger Traditionswerk könnte der Startschuss für zukünftige Betriebsauseinandersetzungen sein. .." Artikel erschienen in ak - zeitung für linke debatte und praxis




ZitatOriginal von joachimkuehnel
Es sollte mich nicht wundern, wenn IGM-Funktionäre hinter dem Rücken der Streikenden, ohne deren Zustimmung, mit den Unternehmern wieder gedealt haben, damit wieder Friedhofsruhe einkehrt.

Ich teile Deine Befürchtungen!

ZitatAus dem Umfeld von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verlautete, die Einsetzung eines Vermittlers sei in den vergangenen Tagen erneut Thema persönlicher Gespräche mit Electrolux-Chef Hans Stråberg und Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer gewesen. Die Gespräche mit beiden Seiten seien "sehr konstruktiv und ergebnisorientiert" verlaufen, hieß es. Die Verhandlungen zwischen Electrolux und der Gewerkschaft werden bereits am Dienstag fortgesetzt.

http://www.kn-online.de/wirtschaft/aktuell/1807111
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ManOfConstantSorrow

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Wilddieb Stuelpner

Videotexttafel 132, MDR, Di.28.02.06 21:01:47

Höhere Abfindungen für AEG-Mitarbeiter

Nach langen Verhandlungen und einem wochenlangen Streik hat der schwedische Elektrolux-Konzern der Belegschaft des AEG-Stammwerks in Nürnberg deutliche Zugeständnisse gemacht.

Die 1.750 Mitarbeiter bekommen eine Abfindung von 1,8 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Das ist mehr als doppelt soviel wie Elektrolux ursprünglich zahlen wollte.

Für die Mitarbeiter wird zudem eine Qualifizierungsgesellschaft gegründet. Für ältere Beschäftigte wurde eine Vorruhestandsregelung vereinbart. Elektrolux kostet die Einigung 244 Mio. Euro. Das Werk wird Ende 2007 geschlossen.

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Was mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften erreicht werden soll?

Betrügen, Belügen und Enteignen! Enteignen im Sinne von ausbleibenden Arbeitsverdiensten und damit Kürzung der späteren Rente, weil durch fehlende Löhne keine Beiträge abgeführt werden.

Die wütende Belegschaft von Arbeitsrechtsverfahren abhalten und Klagefristen verstreichen lassen, damit dieses AN-Recht vorsätzlich ausgehebelt wird. Man läßt die Mitarbeiter am ausgestrecktem Arm verhungern.

Und das Niveau der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften ist keine Empfehlung, um wieder Tritt auf dem 1. Arbeitsmarkt zu fassen.

siehe auch das, was dabei rauskommt: ARD/WDR, Sendung MONITOR Nr. 539 am 13. Oktober 2005: Opel: Stellenabbau auf Kosten der Allgemeinheit?

Elektrolux macht die Masche nach, die andere Unternehmen bereits vorher erfolgreich umsetzten.

So sieht Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik in action für das Unternehmerlumpenpack aus. Und für die Arbeitsgerichte wird die Durchsetzung von AN-Rechten umgangen. Schöne neue Welt des freiheitlich-demokratischen???? Unrechtsstaats.

Auch so kann Lohn- und Sozialdumping aussehen.

ManOfConstantSorrow

,,Nach wochenlangem Arbeitskampf haben sich die IG Metall und das Management des Nürnberger AEG-Hausgerätewerks auf einen Sozialtarifvertrag für die rund 1 700 Beschäftigten geeinigt. Die Gewerkschaftsspitze frohlockt. Die Betroffenen selbst sind fassungslos. Sie könnten das Verhandlungsergebnis im letzten Moment noch kippen..."
Meldung im Handelsblatt  vom 28.02.2006.


,,...Wenn der Abschluss so einmalig wäre in Deutschland, wie die Funktionäre immer wieder erzählen, wie kann Electrolux dann sagen, dass die Kosten nicht höher sind als vorher kalkuliert???..."
weiter
Arbeitsscheu und chronisch schlecht gelaunt!

Wilddieb Stuelpner

ARD/WDR, Sendung "Monitor" Nr. 544 am 16. März 2006: Teure Abfindungen? Von wegen! Wie Arbeitnehmer ihren Jobabbau mitbezahlen

Bericht: Monika Pohl, Caterina Priesner

Sonia Mikich: "Wenn der Bäcker an der Ecke schließt, dann hat er wahrscheinlich Pleite gemacht. Wenn ein Großkonzern ein Werk schließt, dann liegt das oft daran, dass ihm die Rendite nicht reicht, also vielleicht nur 10 Prozent Gewinn statt 20. Und die Belegschaft? Lästig! Aber da gibt es ja ein Instrument, das alle glücklich machen soll: die Abfindung. Wie neulich bei AEG Electrolux in Nürnberg. Im Schnitt 90.000 Euro pro Mitarbeiter. Klingt ganz schön komfortabel. Monika Pohl und Caterina Priesner haben untersucht, was für den Entlassenen übrig bleibt und wer dafür wirklich bezahlt."

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Ein gutes Jahr lang hat er noch Arbeit bei AEG, dann ist Schluss, nach 16 Jahren. In denen hat es Paraskevas Golias vom Fließbandjob bis zum Vorarbeiter im Werk gebracht. Seine Frau arbeitet Teilzeit, seine Söhne gehen aufs Gymnasium. Bisher hat das Geld immer gereicht. Wochenlang hat er vor dem AEG-Gelände gestreikt, 14 Stunden am Tag als Betriebsrat und Streikleiter.

Paraskevas Golias: "Obwohl sie alle im Vorfeld wussten, dass die früher oder später das hier zumachen, ja, hatten wir doch diese kleine Hoffnung in uns, ja, dass es vielleicht doch weitergeht. Und dann war es eben dann so weit, ja, und dann ist eigentlich die ganze Welt zusammengefallen, ja. Und mir persönlich sind auch die Tränen gekommen an diesem Tag. Und wie ich danach ... danach nach Hause gekommen bin, war ich richtig - die ganze Woche - da war ich richtig fertig. Dann hat natürlich meine Frau und die Kinder versucht, mich ein bisschen aufzubauen."

Vor vier Wochen hatten sie noch gehofft, die Schließung verhindern zu können und den Electrolux-Vorstand umzustimmen - aber vergeblich. In Polen und Italien baut man billiger Waschmaschinen, demnächst dann auch für AEG. Der einzige Trost: die Belegschaft hier bekommt dafür besonders gute Abfindungen. Und statt zu streiken rechnet er jetzt. 1,8 Monatslöhne bekommt er für jedes seiner 16 Jahre in der Firma.

Paraskevas Golias: "Sind 3.324 ... ist gleich 53.184 ... mal den Faktor 1,8 ... ist eine Abfindung von 95.731 Euro."

95.731 Euro, ein ganzer Batzen - was bleibt davon? Seit Februar, und das ist neu, muss die komplette Abfindung versteuert werden. Nicht nur ein Teil, wie bisher. Wir bitten eine Steuerexpertin, uns das einmal auszurechnen.

Das kommt raus: Von seiner Abfindungssumme gehen knapp 30 Prozent ans Finanzamt. Übrig bleiben rund 68.000 Euro, das war ihm so nicht bewusst.

Paraskevas Golias: "Also dass wir unsere Abfindung jetzt versteuern müssen, das ist ... da ist man sprachlos, das ist überhaupt nicht schön. Ich bin der Meinung, dass der Staat versucht Löcher zu stopfen und der früher nicht richtig zugeflickt hat mit dieser Geschichte. Ich ... die sollten hergehen und Elektrolux richtig versteuern."

Stattdessen kann AEG Electrolux die 250 Millionen Kosten für den Sozialabbau sogar von der Steuer absetzen. Genauso wie die vielen anderen Unternehmen, die im vergangenen Jahr großzügig Abfindungen bezahlt haben, um ihre Belegschaft zu reduzieren. Fast 100.000 Menschen haben auf diese Weise ihren Job verloren, Tendenz steigend. Der vergoldete Abschied klingt erst mal beeindruckend, aber was bleibt von dem Geld? Solange Familie Golias nämlich noch etwas von der Abfindung übrig hat, gibt es kein Hartz IV, und somit auch keinen Zuschuss zur Krankenkasse, Pflegeversicherung und Rente, das müssen sie selber zahlen. Gut für die Staatskasse, die ist strapaziert genug durch die vielen Werkschließungen, Steuerverluste in Milliardenhöhe.

Und das kommt so: Wenn nämlich ein Unternehmen ein Werk schließt, zum Beispiel weil es billiger im Ausland produzieren will, dann kann es die Kosten dafür auf seine anderen Filialen verteilen. Die haben dann Schulden, machen somit weniger Gewinn und zahlen weniger Steuern. Steuern, die der Finanzminister anderswo reinholen muss.

Professor Lorenz Jarass, Fachmann für Steuerrecht und wirtschaftspolitischer Berater in Berlin, ärgert sich darüber schon lange.

Prof. Lorenz Jarass, Steuer-Experte: "Der deutsche Steuerzahler - und das ist ja letztendlich der deutsche Lohnsteuerzahler -, denn das ist der einzige noch nennenswert Steuern im Form von Lohnsteuern und Sozialabgaben und Mehrwertsteuern bezahlt. Der deutsche Lohnsteuerzahler subventioniert mit seinen eigenen Steuerzahlungen die Wegrationalisierung seines eigenen Arbeitsplatzes."

Im Klartext also auch Herr Golias und seine Kollegen. Und das ist die Kehrseite der schönen Geschichte von den hohen Abfindungen.

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Ich sag es immer wieder.

Wir leben in einer Bananenrepublik und von der Wirtschaft geschmierte Politverbrecher regieren diesen Land. Sie betreiben eine Politik, wo sie den Staat BRD als ein einzig großen Unternehmen betrachten, das es billig als Privatunternehmen an diejenigen zu verschachern gilt, die sich im Großmaßstab um ihre Beitrags- und Steuerpflichten drücken.

Der Bürger wird systematisch belogen, betrugen, bestohlen und enteignet.

Und zu allem Überfluß dienen seine abgeführten Steuern noch dazu, den Aufbau seiner neuen Niederlassungen im Billiglohnland von den Finanzämter der EU und BRD zu finanzieren. Das Betriebsrisiko geht damit für die Unternehmer und Aktionäre praktisch gegen null.

So sieht eine verlogene freiheitlich-demokratische Grundordnung aus!

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